Wertschöpfungsabgabe – Sozialsysteme neu finanzieren

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 Präsentation transkript:

Wertschöpfungsabgabe – Sozialsysteme neu finanzieren Wissenplus 03-2017 Mag. Gottfried Kögler, Dr. Barbara Müllauer-Hager

„Aufregung um die Maschinensteuer“ (Die Zeit, Nr. 42/1983) „Kerns Plan für die Wertschöpfungsabgabe“ (Die Presse, 20.8.2016) „ÖVP und FPÖ lehnen Robotersteuer ab“ (www.orf.at, 6.3.2017) „Wertschöpfungsabgabe: Wenn Roboter Steuern zahlen“ (profil, 22.8.2016) „Wertschöpfungsabgabe – ein Schuss, der nach hinten losgeht“ (Agenda Austria, 28.6.17) „Maschinensteuer ist genau das, was wir nicht brauchen“ (Die Presse, 28.7.2014) „Wertschöpfungsabgabe ist eine sachliche Diskussion wert“ (Die Presse, 7.11.2016) „Roboter sollten wie Menschen besteuert werden“ (Bill Gates) „ÖGB-Präsident Foglar schlägt Robotersteuer vor“ (Die Presse, 6.3.2017) „WKÖ spricht Klartext: Eine Wertschöpfungsabgabe schadet der Wirtschaft – Nein zu neuen Steuern“ (www.wko.at, 10.6.2016)

Wie finanziert sich unser Sozialsystem? = Kranken-, Pensions-, Unfalls- und Arbeitslosen- versicherung Finanzierung über Beiträge der Arbeitnehmer und Arbeitgeber ca. 17 % der Löhne und Gehälter durch Arbeitnehmer ca. 20% der Löhne und Gehälter durch Arbeitgeber Österreichs Sozialsystem finanziert sich vorrangig aus Abgaben auf Löhne und Gehälter! Personalintensive Branchen sind besonders belastet!

Entstehung von Wertschöpfung in Unternehmen und Unterscheidung von Brutto- und Nettowertschöpfung durch Einsatz von Arbeit und Kapital entstehen Güter und Dienstleistungen der Wert der erzeugten Güter und Dienst- leistungen ist im Normalfall höher als jener der Ausgangsprodukte (= Wertschöpfung) Berechnungsverfahren: Subtraktiv: Umsatz – Vorleistungen = Bruttowertschöpfung Additiv: Summe der Positionen der Wertschöpfung (Löhne, Zinsen, Miete usw.)

Wie wird die Wertschöpfung besteuert? Wertschöpfung in Unternehmen wird besteuert durch … Abgaben auf Beschäftigung  ca. 41 % SV Beiträge Besteuerung des Gewinnes  25 % Körperschaftssteuer  Abgabenlast sehr ungleich verteilt: Einkommen aus Arbeit werden höher besteuert als der Einsatz von Kapital (Gewinn)!

Wie funktioniert die Wertschöpfungsabgabe? Grundidee: Die Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber sollen sich an der gesamten Wertschöpfung der Unternehmen orientieren, nicht nur an den Löhnen und Gehältern. Das bedeutet: Die Bemessungsgrundlage wird breiter: Alles, womit ein Unternehmen einen Wert erwirtschaftet (Zinsen, Mieten, Abschreibungen, Gewinne), wird besteuert. Der Steuersatz sinkt. Der Faktor Arbeit wird entlastet.

Wertschöpfungsabgabe ≠ Maschinensteuer Maschinen- oder Robotersteuer = Steuer auf das investierte Kapital Wertschöpfungsabgabe = Steuer auf Zinsen (für das Fremdkapital) und Abschreibungen von Investitionen (die über mehrere Jahre verteilt in der Bilanz verbucht werden) Beispiel (vereinfacht und fiktiv): Kauf einer neuen vollautomatischen Maschine Eigenfinanzierung [d.h. keine Fremdkapitalzinsen!]; Anschaffungswert 1,2 Mio. EUR Nutzungsdauer 8 Jahre; SV-Beitragssatz 3 % Robotersteuer: 3 % von 1.200.000 EUR = 36.000 EUR (einmalig) Wertschöpfungsabgabe: 3 % von 150.000 EUR = 4.500 EUR (jährlich durch 8 Jahre)  Hinweise: Als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Wertschöpfungsabgabe würden auch noch andere Wertschöpfungskomponenten (z.B. Mieten, Löhne/Gehälter) herangezogen werden. Der SV-Beitragssatz wäre tatsächlich niedriger (Stichwort „Aufkommensneutralität der Steuer“).

(www.orf.at, Quelle: APA/IHS, 12.4.2017) Begründung für die Wertschöpfungsabgabe Nr. 1: Tiefgreifende Veränderungen der Arbeitswelt Digitalisierung und Vernetzung der Produktions- prozesse verdrängen immer mehr Arbeitsplätze vor allem Geringqualifizierte sind betroffen in Österreich sind ca. 9 % aller Jobs (360.000 Stellen) gefährdet  Das Sozialsystem wird langfristig nicht nur über Löhne und Gehälter finanziert werden können! (www.orf.at, Quelle: APA/IHS, 12.4.2017)

Begründung für die Wertschöpfungsabgabe Nr Begründung für die Wertschöpfungsabgabe Nr. 2: Kontinuierlicher Rückgang der Lohnquote Lohnquote = Anteil der Lohneinkommen am gesamten Volkseinkommen ab 1980 stark sinkende Lohnquote Gründe für den Rückgang: zunehmende Kapitalintensität der Produktion Globalisierung  Die Finanzierung der Sozialversicherung erfolgt also durch einen immer kleiner werdenden Anteil des Volkseinkommens! (www.sozialministerium.at)

Begründung für die Wertschöpfungsabgabe Nr Begründung für die Wertschöpfungsabgabe Nr. 3: Steigende Belastungen für das Sozialsystem Lebenserwartung steigt stetig  höhere Zahlungen für Pflege und Pensionen Zahl der Pensionist/innen in Österreich steigt bis 2030 voraussichtlich auf rund 30 %  Diese Herausforderung kann langfristig nicht allein durch den Faktor Arbeit gelöst werden!

Begründung für die Wertschöpfungsabgabe Nr Begründung für die Wertschöpfungsabgabe Nr. 4: Personalaufwand als fragwürdige Messgröße für die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens Personalintensive Unternehmen/Branchen (Tourismus, Handel…) fühlen sich ungerecht behandelt. Begründung: Sie schaffen Arbeitsplätze und stemmen einen Großteil der Sozialbeiträge. Kapitalintensive Branchen haben wesentlich weniger Mitarbeiter/innen und können höhere Gewinnrenditen lukrieren.

Argumente für die Wertschöpfungsabgabe Ausgleich zwischen den Faktoren „Arbeit“ und „Kapital“ Mehr Beitragsgerechtigkeit zwischen personal- und kapitalintensiven Branchen   geringere Arbeitskosten  höhere Wettbewerbsfähigkeit  neue Arbeitsplätze Senkung der Lohnnebenkosten  Wegrationalisieren von Arbeitsplätzen wird gebremst  Verteuerung der Hochlohnarbeitsplätze und Verbilligung der Niedriglohnbeschäftigung ( sinkende Arbeitslosigkeit im Niedriglohnsektor) Investitionen werden erst im Zuge der Absetzung für Abnutzung (AfA) abgabewirksam (d.h. überschaubare Belastungs- bzw. Beitragsquote auf die Investitionsgüter)

Argumente gegen die Wertschöpfungsabgabe Komplizierte Berechnungsmethode: notwendige Informationen liegen nicht monatlich, sondern erst im Nachhinein jährlich vor (ähnlich wie bei der Einkommenssteuer wären Vorauszahlungen und eine jährliche Veranlagung vorzusehen) stärkere Belastung von kapitalintensiven Branchen mit hoher Wertschöpfung pro Kopf sowie Wirtschaftsbereichen mit einem hohen Anteil an Selbständigen Verlierer nach Betriebsgröße: Klein- und Kleinstbetriebe (hohe Gewinne, hoher Fremdkapitalanteil, hoher Anteil an Selbständigen); es kommt zu einer „Doppelbelastung“  Verlierer nach Branchen: Dienstleistungsbranchen mit hohem Kapitalanteil bzw. Gewinnen (Freie Berufe [z.B. Ärzte/innen, Rechtsanwälte/innen]; Energiewirtschaft, Kredit- und Versicherungswesen, unternehmensbezogene Dienstleistungen); Branchen mit hohem Anteil an Selbständigen [z.B. Landwirtschaft])