Manipulation und Bewusstseinskontrolle Dr. Martin Felinger Klinischer Psychologe info@martinfelinger.at www.martinfelinger.at
AUFBAU Charakteristika destruktiver Gruppierungen Rechtliche Rahmenbedingungen Aufbau der Bewusstseinskontrolle Methoden der Manipulation Motive für einen Beitritt Gefahren durch destruktive Gruppierungen Tipps für die Beratung
Charakteristika destruktiver Gruppierungen
Definition Sekte (lat. Secta – Schule, Lehre, Partei / Substantiv zu sequi – nachfolgen) Früher: Jugendreligionen Neue Begriffe: Religiöse Sondergemeinschaften Neureligiöse Bewegung eng: destructive cult
Definition über Merkmale Thaler-Singer & Lalich (1997) polarisierende Realität Radikalisierung Universale Problemlösung Übersteigerte Autoritätshörigkeit Abhängigkeiten
Merkmale totalitärer Gruppen Stamm (1996) 1. Dominante Führerpersönlichkeit 2. Heilstheorie 3. Elitebewusstsein 4. Gruppendruck 5. Isolation von Umwelt 6. Missionsauftrag 7. Machtanspruch 8. Überzogene Geldforderungen 9. Elitäre Sprache 10. geringe Kritikfähigkeit 11. Diskrepanz Innen/Außensicht 12. Feindbilder 13. Getarnte Unterorganisationen
„Gemeinschaft kann gefährlich werden“ BM für Bildung & Wissenschaft (2000) Gruppe weiß, was dir fehlt Neueröffnung der Sicht der Dinge Verblüffend einfaches Weltbild Gruppe kann man nicht erklären nur erleben Meister, Guru, der die Wahrheit besitzt Ablehnung von Wissenschaft und Rationalität Kritik als Beweis der Gruppenideologie Rettung der Welt vor der nahende Katastrophe
„Gemeinschaft kann gefährlich werden“ Mitglieder sind Elite der Menschen Drang zur Mitgliedschaft Strenge Regelmentierung der zwischenmenschlichen Beziehungen Abbruch alter Beziehungen Vorschriften bez. Sexualverhalten Okkupation der Freizeit Ablehnung einer Individualität Zweifel sind Anzeichen einer geringen Anstrengung Strikte Befolgung der Gruppenregeln
Rechtlicher Rahmen
Rechtlicher Rahmen Individuelle Religionsfreiheit Staatsgrundgesetz (1867) Staatsvertrag von Saint Germain (1919) Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte (1950) Volle Glaubens- und Gewissensfreiheit Öffentliche Religionsfreiheit Keine Einschränkung von bürgerlichen und politischen Rechen und Pflichten
Rechtlicher Rahmen Gründe für ein Einschreiten des Staates Öffentliche Sicherheit Öffentliche Ordnung Moral Schutz der Rechte und Freiheiten anderer
Rechtlicher Rahmen Vereine Bekenntnisgemeinschaften (1.10.1998) 300 Personen (A) Lehre offenlegen Untersagungen möglich Keine besonderen Rechte derzeit 8 Gruppierungen
Rechtlicher Rahmen Gesetzliche Anerkennung 20 Jahre Bestehen (10 Jahre Bekenntnisgemeinschaft) 2/1000 der Bevölkerung Einnahmen für religiöse Zwecke positive Einstellung zu Staat und Gesellschaft keine Ablehnung bereits anerkannter Rel-Gem. Lehre, die sich von bisherigen Gruppen unterscheidet eindeutige Regeln (nicht gesetzwidrig od. anstößig)
Rechtlicher Rahmen Rechte der Religionsgemeinschaften Religionsunterricht Privatschulgesetz Vorteile im Steuerrecht derzeit 17 Gemeinschaften anerkannt
Aufbau der Bewusstseinskontrolle
Begriffsklärung Gehirnwäsche Edward Hunter (1951) Koreakrieg Gewaltsam Opfer weiß von Druck Rollen klar keine Wahl kaum Reversibel Bewusstseinskontrolle keine Misshandlungen Subtil Anwender oft Freunde Opfer kaum defensiv BWK auflösbar Bildung einer neuen Identitätsstruktur
Bedingungen zur Bewusstseinskontrolle Thaler-Singer & Lalich (1997) Unkenntnis der P über das Ziel Kontrolle von Zeit und Umwelt Auslösen von Ohnmachtgs- Angst- und Abhängigkeitsgefühlen Unterdrückung gewohnter Verhaltensweisen Aufbau neuer Verhaltensweisen Aufbau eines in sich geschlossenen, logischen System
4 Komponenten der BWK Hassan (1994) Verhaltenskontrolle (aufgebaut auf der Dissonanztheorie nach Festinger) Verhaltenskontrolle Gedankenkontrolle Gefühlskontrolle Informationskontrolle
BWK nach Hassan 1) Verhaltenskontrolle 2) Gedankenkontrolle Tagesstruktur Rechenschaft ablegen VH-Rituale, die Zusammenhalt betonen 2) Gedankenkontrolle Gedankenstopp Fragen an Doktrin Missstände immer eigene Fehler Manipulation der Sprache Strategien um kritische Info abzublocken: Leugnung Rationalisierung (aus gutem Grund)
BWK nach Hassan 3) Gefühlskontrolle 4) Informationskontrolle Schuldgefühle irrationale Ängste (z.B. Feinde) Neuinterpretation („Wann bin ich glücklich“) „gelernte Hilflosigkeit“ (Bestrafung und Lob zufällig) 4) Informationskontrolle Verweigerung Veränderung keine Kritik Unterbindung des Zugangs
Phasen der Bewusstseinskontrolle Fixieren Verändern Aufbrechen 1. Kontakt nach Baron, 2001 sowie Schein, Scheier & Barker
Manipulationstechniken Körperlich Hyperventilation - respiratorische Alkalose (Atmen, Schreien) Repetitive Bewegung Eingriff in körperinterne Abläufe Ernährung Hormonelle Veränderung Entschlackung/Schwitzen Psychisch Indirekte Anweisungen Revision der Lebensgeschichte Gruppendruck und Rollenvorbild Entstehen lassen von Sehnsüchten Indirekte Tranceinduktion keine plötzlichen Brüche regelm. Beruhigender Rhythmus häufige Wiederholungen ausgeschmückter Rahmen Unbestimmtheit der Bilder
Motive für einen Beitritt
Motive für einen Kultbeitritt Verführungstheorie (Thaler-Singer, 1997; Hassan, 1994) vs. Interaktionstheorie (Gross, 2000) Sonderfall: Geboren in der Gruppe / 2. Generation
Motive für einen Kultbeitritt Phys. LB sozialer LB finanz. LB Idiolog. LB ……..
Motive für einen Kultbeitritt Phys. LB sozialer LB finanz. LB Idiolog. LB ……..
Motive für einen Kultbeitritt Phys. LB sozialer LB finanz.LB Idiolog. LB ……..
Gruppenunterschiede Interesse an Kulten
Gruppenvergleich Erfahrung mit Kulten
5 Gruppen von Schülern Realisten (37,7%) Sekten-Interessierte (26,4%) Okkult-Interessierte (20,6%) Soft-Satanisten (10,2%) Satanisten (5,1%)
Gruppenunterschiede Persönlichkeitseigenschaften
Zufriedenheit in wichtigen Lebensbereiche
Gefahren durch destruktive Gruppen
Indoktrinationssyndrom Payk (2007) – Indoktrinationssyndrom Hergestellt durch Suggestion, Drohungen, sensorische Deprivation, Gruppendruck, Schuldgefühlen, neurophysiologische Methoden (Fasten, Meditation, Hyperventilation, außergewöhnliche Bewusstseinszustände)
Indoktrinationssyndrom Effekte Verunsicherung Übertriebene Selbstkritik Intoleranz Fanatismus Verschiebung des ethischen Wertegefühls Verschiebung des gewohnten sozialen Rahmens
Mögliche Folgen in der BWK Psychische Folgen Verlust der Entscheidungskompetenz Verlust der Kritikfähigkeit Ängste, Schuldgefühle, Selbstzweifel Massive Selbstüberschätzung und Erhabenheit gegenüber „Nichtwissenden“ Emotionen aufgesetzt und nicht stimmig Verlust der Arbeitsfähigkeit Regression
Mögliche Folgen in der BWK Körperliche Folgen Körperliche Beschwerden aufgrund dauerhaften Stress Psychosen Unbehandelte Krankheiten aufgrund alternativer Heil- Ideologie Psychosoziale Folgen Verlust des Umfelds durch Eigenen Wunsch Überlastung und Selbstschutz der Freunde und Familie Finanzielle Schwierigkeiten bis hin zum Verlust der Lebensgrundlage Abbruch von Ausbildung
Mögliche Folgen nach Ausstieg Psychische Folgen Verarbeitung der Loslösung ähnlich der Trauerarbeit Mögliche Ängste aus der „alten“ Ideologie Angst der Vergeltung der Gruppe Selbstwertzweifel – Individualität suchen Schuld und Scharm Emotionen instabil, müssen teilweise erst reaktiviert werden Aufbau eines neuen sozialen Netzes Soziale Kompetenz neu aufbauen; Umgang mit anderen – Beziehungsfähigkeit Werte, Ideologien neu definieren Abhängigkeit von religiösen Erlebnissen
Mögliche Folgen nach Ausstieg Körperliche Folgen Flashback Schlafstörungen Suizidversuche Weitere psychiatrische Auffälligkeiten (Depressionen, Psychosen,…) Psychosoziale Folgen Suche nach neuem Arbeitsplatz Schulden Persönlicher Besitz Fehlende Pensionsjahre
Tipps für die Beratung
Was ist im Umgang mit Personen unter BWK zu beachten? Oftmals nicht paktfähig Keine offensichtliche Kritik üben Kontakt halten Klare Regeln und Konsequenzen aussprechen und diese durchhalten Visualisierung einer (anderen) glücklichen Zukunft Emotional erreichen (z.B. Zukunft Ihrer Kinder) Selbst Dinge nachprüfen lassen, die der Sektenideologie widersprechen Kein Bargeld geben, besser Kosten übernehmen
Durchbrechen der BWK Kontakt und Vertrauen aufbauen Zielgerichtete Kommunikation Identitätsmodel entwickeln Zugang zur „alten“ Identität öffnen Verschiedene Sichtweisen der Realität Gedankenstopp-Mechanismen umgehen Visualisierung einer glücklichen Zukunft Ängste überwinden BWK definieren und Mechanismen aufzeigen
Psychologische Beratung in der Praxis Primär Betroffene Kritisches Denken erzeugen Selbstwert steigern Zukunft visualisieren Perspektiven erarbeiten Aufarbeitung ehem. Erlebnisse