Der Weg zu einer Hebammenkammer – aus rechtlicher Perspektive

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Eine Region mit Potential Die Region Hellweg-Sauerland: mit qkm größer als das Saarland Einwohner produzieren 14,1 Mrd. BIP Die Industrie.
Advertisements

Mattin Baqai 1 Vorstand-Codexe Unsere Handlungen und Entscheidungen sind demokratisch. Im Vorstand werden alle Entscheidungen demokratisch gefasst.
Drei gute Gründe eine Berufsausbildung zu haben
Überblick über das IT-Recht
Pflegekammer -Selbstverwaltung der Pflege
Argumente gegen die Lehrprofessur
Präventionswegweiser e.V.
__________________________________________________________________________________________________________________ Vortrag Juristenverein16. SEPTEMBER.
SchÖffen im strafverfahren
The New European Surgical Academy
2002 Die Schweiz tritt der UNO bei Anfang 2007 Das Eidgenössische Departement für Auswärtige Angelegenheiten (EDA) möchte ein Bainstrorming-Treffen in.
Gesellschaft Deutscher Lebensmitteltechnologen e.V.
Trends und Perspektiven
法學德文名著選讀(一) Lektion 4 范文清 / 蕭雯娟.
Präsentation des Netzwerkes Deutsches Ladinisches Italienisches Bildungsressort lernen&raum.
1 JRK-Bundesdelegiertentag 18. März 2006 in Hannover Strukturmodell für die JRK-Bundesebene.
Strukturmodell für die JRK-Bundesebene
Verband Schweizer Forstpersonal Vereint Stark Fördernd Seit über 100 Jahren für alle Waldfachleute 1.
Der Deutsche Braumeister- und Malzmeister- Bund stellt sich vor
1 Perspektiven der Elternarbeit an Musikschulen Eltern als Partner, Helfer und Mitstreiter © Bundes-Eltern-Vertretung 2009.
Vereinigung Analytischer Kinder- und Jugendlichen- Psychotherapeuten in Deutschland e.V. gegr Dr. Silvia Mara Corso 5. Berufspolitisches Seminar.
Pflegekammer Niedersachsen
Pflegekammer Niedersachsen WIR für uns Rev. Version 01/2016.
Organigramm der Partei Initiative Humanismus (Name der Partei) Parteitag Bundesausschuss Bundesvorstand Junge Humanisten Studenten- verband der Humanisten.
Pflegekammer Niedersachsen WIR für uns Rev. Version 04/2016.
Ausführung von Bundesgesetzen durch
Prof. Dr. iur. Johannes Münder em. Universitätsprofessor TU Berlin Lehrstuhl für Sozialrecht und Zivilrecht Subsidiarität – Relikt aus der Vergangenheit.
Folie 1 Pflege Ein gesellschaftlicher Auftrag Gute Argumente für die Verkammerung der Pflegeberufe Vortrag von Monika Skibicki Vorsitzende der Nationalen.
Monika Skibicki Präsidentin des Fördervereines zur Gründung einer Pflegekammer in Niedersachsen e. V. Auf dem Weg zur Pflegekammer , Werkhof.
Willkommen in der IHK Arnsberg, Hellweg-Sauerland Stand Arnsberg, 30
Bilanzanalyse AK Wien Maga Eva Schiessl
Gemeindekooperationen in Österreich und im internationalen Vergleich Status und Dynamiken Univ. Prof. Dr. Peter Bußjäger Rankweil
Energie & Klima Zukunft… Eine Initiative von : 1.
Stärkung der Interkommunalen Zusammenarbeit im Bundesland Vorarlberg
3. Ebenen der Tourismuspolitik
HERZLICH WILLKOMMEN zu
Die Organisation der Seniorengruppierungen auf schweizerischer Ebene
Organisation der Selbstverwaltung
Thesenpapier der IALB zu Wissenstransfer und Beratung im Agrarbereich
für gemeinnützige Vereine
Von einer sinnvollen Ergänzung des Lehrangebotes zur
2.Runder Tisch Hebammenkammer
Der Kollektivvertrag Kollektivvertrag. Jede Partnerschaft braucht Regeln!
Direkte Demokratie und Populismus Prof. Dr
Vereinsvorstand § 26 BGB Edgar Oberländer – Mitglied im Landesausschuss Recht, Steuern und Versicherung Stand: Mai 2013.
Aufgaben Berufsverband versus Aufgaben Kammer
der Beruflichen Gymnasien
„Wie kann die Integration von Geflüchteten in den Wohnungs- und Arbeitsmarkt gelingen?“ Abschlussbericht Prof. Dr. Peter Knösel.
Corporate Governance Dr. Thomas Ruhm.
Integrations- und Bildungszentrum
Gute Pflege braucht mehr Zeit, mehr Personal und die Wertschätzung aller Dezember 2017.
Das Leitbild der Kreisschule Mutschellen (Version 2000)
Salzburger Kameradschaftsbund
Parlamentarische Demokratie
Organisationsformen des Sports in Deutschland
Patientenanwaltschaft
Herzlich Willkommen zur 8
Inklusion als Chance für Alle
Vereinskümmerer für die Verbandsgemeinde Asbach
„Wir feiern Bayern“.
Verein, Leistungssport und verbandliche Strukturen
Freiwilliges Engagement im Landkreis Offenbach
Corporate Governance Dr. Thomas Ruhm.
der Beruflichen Gymnasien
Gründung Was ist zu beachten? Welche Fallstricke gibt es?
Amtsverschwiegenheit oder Auskunftspflicht
für gemeinnützige Vereine
Gemeinsam für junge Beschäftigte: JAV & Betriebsrat
V e r e i n s b e r a t u n g : S t e u e r n
Vereinsvorstand § 26 BGB Edgar Oberländer – Mitglied im Landesausschuss Recht, Steuern und Versicherung Stand: November 2018.
 Präsentation transkript:

Der Weg zu einer Hebammenkammer – aus rechtlicher Perspektive Prof. Dr. Winfried Kluth Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Das Anliegen Errichtung einer funktionsgerechten Berufsorganisation. Eine Berufsorganisation, die sowohl die Qualitätsstandards als auch das Vertrauen in die Berufsträger nachhaltig absichert. Eine Berufsorganisation die in der Lage ist, die Interessen des Berufs besser zu vertreten. Prof. Dr. W. Kluth 2017

Was sind die Gründe? Freie Berufe sind Vertrauensberufe. Sie sind Ausdruck einer tiefgreifenden Arbeitsteilung in einer freien Wissensgesellschaft. Die Gesellschaft delegiert wichtige Handlungen und Entscheidungen auf besonders qualifizierte Berufsträger. Dadurch werden Familien und der Staat entlastet. Voraussetzung ist ein hohes Maß an Vertrauen in die Integrität der Berufsträgerinnen und Berufsträger. Prof. Dr. W. Kluth 2017

Ausgangspunkt Das Berufsrecht der Hebammen ist ausreichend differenziert um Qualitätsstandards zu sichern. Es fehlt aber im Vergleich zu anderen Heilberufen, die vergleichbar verantwortungsvolle Tätigkeiten ausüben, an einer effektiven Berufsorganisation. In anderen Ländern (Österreich, Frankreich) gibt es schon lange Hebammenkammern. Prof. Dr. W. Kluth 2017

Die Instrumente Eine kompetente institutionelle Struktur für die Bereiche Berufszulassung Qualitätssicherung einschließlich Weiterbildung Berufsaufsicht Interessenvertretung Welche Organisation kann diese Aufgaben übernehmen? Prof. Dr. W. Kluth 2017

Berufskammer als Lösung? Aktuelles Modell: Aufgabenteilung zwischen staatlichen Stellen und privaten Berufsverbänden. Alternatives Modell – wie bei den meisten reglementierten freien Berufen: Berufskammer unter staatlicher Rechtsaufsicht. Die Gründe für das alternative Modell erschließen sich durch einen Blick auf die Historie und die Struktur von Berufskammern und den Vergleich von Kammern und Verbänden. Prof. Dr. W. Kluth 2017

Die Grundidee der Kammer-Selbstverwaltung und ihre Umsetzung im deutschen Recht Die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach französischem Vorbild in Deutschland eingeführte Kammer- Selbstverwaltung beruht auf mehreren, gleich bedeutsamen Leit-Gedanken: Die Übertragung / Überlassung hoheitlicher Aufgaben auf einen Berufsstand zur Selbstverwaltung, um damit den besonderen Sachverstand und die Verwaltungskraft (Ehrenamt) der Berufsträger für die Aufgabenerfüllung zu nutzen. Dies bedingt u.a. die Pflichtmitgliedschaft, damit die Entscheidungen der Kammern repräsentativ und gegenüber allen Mitgliedern demokratisch legitimiert sind. Prof. Dr. W. Kluth 2017

Die Grundidee der Kammer-Selbstverwaltung und ihre Umsetzung im deutschen Recht Zugleich werden die Kammern für die sachverständige Beratung staatlicher Stellen in die Pflicht genommen. Sie unterstützen damit die staatlicher Wissensgenerierung und tragen zu sachgerechten Entscheidungen bei. Schließlich dürfen (und müssen) Kammern die Interessen der Mitglieder vertreten und fördern. Dabei unterliegen sie als Körperschaften des öffentlichen Rechts strengeren Anforderungen als die privaten Verbände (dazu später mehr). Prof. Dr. W. Kluth 2017

Leitgedanken STAAT Berufsträger B1 bis Bn KAMMER delegiert Informiert / berät KAMMER legitimiert Berufsträger B1 bis Bn Prof. Dr. W. Kluth 2017

Die Aufgaben- und Zuständigkeitsverteilung in der Kammer Die Aufgaben der einzelnen Kammerorgane sind unter Berücksichtigung der Vorgaben des demokratischen Prinzips sowie des Grundsatzes der funktionsgerechten Organstruktur zwischen den Organen verteilt. Die Entscheidung über Grundsatzfragen und die Bildung / Besetzung der anderen Organe ist der Kammversammlung als Repräsentationsorgan aller Mitglieder (Hauptorgan) vorbehalten. Die laufenden Geschäfte sind dem Kammervorstand und der Präsidentin / dem Präsidenten in Zusammenarbeit mit der Geschäftsstelle zugewiesen. Prof. Dr. W. Kluth 2017

Berufsträger B1 bis Bn = Kammermitglieder Kammervorstand = Präsident(in), Vize, Beisitzer Zuständigkeiten Nach Maßgabe der Hauptsatzung wählt Kammerversammlung Hauptorgan Wahl der Kammerversammlung Berufsträger B1 bis Bn = Kammermitglieder Prof. Dr. W. Kluth 2017

Kammern und Verbände: ein Vergleich am Beispiel von Interessenvertretung und Berufsaufsicht Gesetzlich errichtet als Körperschaften des öffentlichen Rechts. Gesetzliche Pflichtmitglied- schaft. Kontrollmodell „choice“. Hoheitliche Befugnisse. Gesetzes- und Grundrechts- bindung. Keine Tariffähigkeit. Freiwillig errichtet als Verein oder in anderen privater Rechtsform. Freiwillige Mitgliedschaft. Kontrollmodell „exit“. Grundsätzlich keine hoheitlichen Befugnisse. Tariffähigkeit, soweit die Voraussetzungen vorliegen. Prof. Dr. W. Kluth 2017

Kammern und Verbände: ein Vergleich am Beispiel von Interessenvertretung und Berufsaufsicht IdR Distanz zu politischen Parteien – Kammerpolitik verläuft idR nicht nach parteipolitischen Mustern. Besondere Anforderungen an die Sachlichkeit und Ausgewogenheit bei der Interessenvertretung. Zuständig für Berufsaufsicht und Berufsgerichtsbarkeit. Angebot von Dienstleistungen. Distanz zu politischen Parteien unterschiedlich ausgeprägt. Grundrecht auf Polemik. Keine hoheitlichen Befugnisse im Bereich der Berufsaufsicht. Angebot von Dienst- leistungen. Prof. Dr. W. Kluth 2017

Das Ehrenamt als zentrales Element der Selbstverwaltung Leitungsfunktion in den Kammern werden ehrenamtlich ausgeübt, d.h. neben der Berufstätigkeit und ohne Vergütung nur mit Aufwandsentschädigung. Die Höhe und Ausgestaltung der Aufwandsentschädigung unterscheidet sich z.T. sehr erheblich und ist teilweise wegen ihrer Höhe umstritten (Handwerkskammern, Zahnärztekammern). Die hauptamtliche Geschäftsführung unterstützt und berät das Ehrenamt (dienende Funktion; Fachkunde). Prof. Dr. W. Kluth 2017

Aufgabenfelder Berufszulassung: teilweise Kammeraufgabe, teilweise einer staatlichen Behörde zugeordnet. Berufsordnung: wird durch die Berufskammer erlassen, wobei die Gestaltungsspielräume unterschiedlich groß sind. Weiterbildung und Qualitätssicherung: werden ebenfalls durch Satzungen der Kammer geregelt. Bildungsangebote: werden sowohl von den Kammern als auch von anderen Anbietern bereitgestellt: kein Monopol! Prof. Dr. W. Kluth 2017

Aufgabenfelder Berufsaufsicht: Ist Aufgabe des Vorstands, teilweise kombiniert mit eigener Berufsgerichtsbarkeit. Beratung staatlicher Stellen: dabei geht es um die Abgabe von Gutachten und Stellungnahmen für Gesetzgeber, Behörden und Gerichte. Interessenvertretung: Hier sind eine thematische Beschränkung auf die Kammeraufgaben und das Gebot der Sachlichkeit und Objektivität zu berücksichtigen. Grundlegende Positionen müssen durch die Kammerversammlung beschlossen werden. Prof. Dr. W. Kluth 2017

Finanzierung Erfolgt durch Mitgliedsbeiträge in Bezug auf die allgemeinen Kammeraufgaben ... ... und durch Gebühren oder Entgelte für die Dienstleistungsangebote. Prof. Dr. W. Kluth 2017

Verfahren Kammern müssen durch oder auf Grund eines Gesetzes errichtet werden. Zuständig sind in erster Linie die Länder (wie bei den Heilberufskammern). Bei den Pflegekammern wurde zunächst eine Befragung der Berufsangehörigen durchgeführt. Prof. Dr. W. Kluth 2017

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! www.kammerrecht.de Prof. Dr. W. Kluth 2017