Angst und Depression eine häufige Kombination

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Angst und Depression eine häufige Kombination Besser verstehen – erklären – behandeln Prof. Dr. Samuel Pfeifer, Riehen

Angst Franz Hohler Der Vogel Angst hat sich ein Nest gebaut in meinem Innern und sitzt nun manchmal da und manchmal ist er lange weg oft kommt er nur für einen Augenblick und fliegt gleich wieder weiter dann aber gibt es Zeiten da hockt er tagelang da drin mit seinem spitzen Schnabel und rührt sich nicht und brütet seine Eier aus.

Heinrich Füssli (1741 - 1825) Nachtmahr

Angst „Zeitalter der Angst“ (19. Jh., der englische Dichter Auden) „Zeitkrankheit“ „die eigentliche Signatur unserer Epoche“ (Körten 2000)

Endzeitangst

Die Ängste der Menschen Angstmotive seit dem Ende der Aufklärung 1800: Angst in einer Welt ohne Gott; Angst vor dem ungelebten Leben in einer arbeitsteiligen Industriegesellschaft; Angst vor, in und nach großen Kriegen; Angst vor dem eigenen Tod; Angst vor dem falschen Gebrauch der eigenen Freiheit; Angst vor Heimatverlust in einer mobilen Gesellschaft; Angst vor technischer Bevormundung; Angst vor der Komplexität der technisch-wirtschaftlich globalisierten Welt, Angst vor beruflichem Versagen; Angst vor persönlicher Armut, Arbeitslosigkeit und/oder allgemeinem wirtschaftlichem Niedergang. Nach einem Spiegel-Essay 2006

gesunde vs. ungesunde Angst Die Angstreaktion ist der Situation nicht angemessen Angst überdauert Auslöser Keine Erklärung, keine Verminderung, keine Bewältigungsmöglichkeit deutliche Beeinträchtigung der Lebensqualität Ungesunde Angst Realangst (vor echten Gefahren) Gewissensangst Vitalangst als Warnsymptom körperlicher Erkrankung

Symptome der Angst Körperliche Symptome Psychische Symptome Beklemmung, Atemnot Herzklopfen Schwindel Zittern / Kribbeln Schweissausbrüche Mundtrockenheit Harndrang Magen-Darm-Symptome Blutdruckanstieg Qualvolle Einengung Fixierung auf ängstliche Erwartung innere Unruhe / Anspannung Schlafstörungen Gefühl, ausgeliefert zu sein verminderte Belastbarkeit Gefühl der Unwirklichkeit

Wie können wir Angst und Depression unterscheiden? Diskussion

Symptom-Überlappung von Angst und Depression Major Depression Angststörung Angst Anspannung Chron. Schmerz GI Symptome Herzklopfen Sorgen Erregung Konzentrations- schwierigkeiten Schlafstörungen Erschöpfung Energiemangel Stimmungstief Freudlosigkeit Gewichtsverlust /-zunahme Interessenverlust Suizidgedanken Erwartungsangst Platzangst Zwanghafte Rituale Anxiety and depression display extensive comorbidity. In depressed patients, the overall anxiety comorbidity rate is almost 60%. In patients with anxiety, comorbid depression varies widely by anxiety subtype, however. [ref: Mineka, 1998] Lifetime comorbidity up to 90% Anxiety/depression and other disorders (Substance abuse; Eating disorders; Attention deficit disorder) Anxiety usually precedes depression In the large general population National Comorbidity Survey, which included non-institutionalized individuals aged 15 to 54 years in the U.S., 90% of the respondents with GAD in a lifetime reported at least one other lifetime morbidity, including mania, major depression, dysthymia, panic disorder, phobias, or substance abuse. Overall, 58% of those with GAD had comorbid depression, while 18% of those with major depression had coexisting GAD. [ref; Mckeown, 2000] Further, anxiety or depression shows a strong comorbidity with other psychopathologies, including substance abuse, eating disorders, and attention deficit disorder. Typically, anxiety symptoms precede depressive symptoms.

Welches der folgenden Symptome unterscheidet am besten zwischen Depression und Angst? 1. Freudlosigkeit 2. Gewichtsabnahme / zunahme 3. Interessenverlust 4. Suizidgedanken

Komorbidität von Depression und Angst Komorbidität von Depression und Angst sind häufig. Komorbidität ist die Regel, nicht die Ausnahme. Eine begleitende Depression verschlechtert den klinischen Outcome von Angststörungen.

Verschiedene Störungen mit gemeinsamen Eigenschaften PMDD PTSD Zwang OCD Depression Panik störung Spezif. Phobie Soziale Angst- störung Generalisierte Angst (GAD) GAD = generalized anxiety disorder OCD = obsessive-compulsive disorder PTSD = post-traumatic stress disorder PMDD = premenstrual dysphoric disorder

University of Southampton Primary Care Study HADS Anxiety and Depression Scores 360-380 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 21 15 9 3 340-360 320-340 300-320 380 280-300 360 260-280 340 320 240-260 300 280 220-240 260 200-220 240 220 180-200 200 Count 160-180 180 160 140-160 140 120-140 120 100 100-120 80 60 Depression 80-100 40 60-80 20 40-60 20-40 -20 Anxiety Thompson et al Lancet 2000; 355 185-191.

Komorbidität von Angst und Depression in der Hausarztpraxis 5.6% (+ 5.0%) 7.1% (+ 6.5%) Komorbidität 4.6% (+ 1.3%) (+ sub-threshold Angst) (+ sub-threshold Depression) Angststörungen Depression Sartorius et al. Br J Psychiatry 1996; 168(Suppl 30): 38-43.

National comorbidity survey 57.7 Secondary MDE 69.3 12.2 Primary MDE 12.1 30.1 Kessler et al. Br J Psychiatry 1996; 168 (Suppl 30): 17-30. Pure MDE Females The US National Comorbidity Survey reported that 58% of patients with DSM-III-R major depressive disorder (MDD) also suffered from an anxiety disorder.(1) Diagnoses were based on a modified version of the Composite International Diagnostic Interview (CIDI). This finding from a large community survey reinforces the comorbid nature of depression and anxiety. It is also noteworthy that the lifetime prevalence of a “pure” major depressive episode (MDE) (i.e., major depression NOT preceded by another mental disorder) or primary MDE was lower than the prevalence of secondary MDE, in which a preexisting disorder, such as GAD, was present. Thus, discrete depression occurring “out of the blue” without any comorbidity is rare, and the majority of major depressive episodes are associated with current or previous comorbidity. References: Kessler RC, Nelson CB, McGonagle KA, Liu J, Swartz M, Blazer DG. Comorbidity of DSM-III-R major depressive disorder in the general population: results from the US National Comorbidity Survey. Br J Psychiatry Suppl 1996 Jun;(30):17-30. 18.6 Males 10 20 30 40 50 60 70 MDE = Maj. Depressive Episode Lifetime Prevalence (%)

Implikationen einer Komorbidität von Depression und Angst Schwerer Krankheitsverlauf und schlechtere Prognose. Erhöhtes Suizidrisiko vermehrte Inanspruchnahme medizinischer Dienste. Grössere Einschränkung der Arbeitsfähigkeit Erhöhte Kosten

Pathophysiologische Überlappung Angst und Depression können als unterschiedlicher phänotypischer Ausdruck mit gemeinsamer neurchobiochemischen Ursache betrachtet werden. Depression und Angst werden durch die Balance zwischen Noradrenalin und Serotonin Aktivität bestimmt.

Zusammenspiel von Noradrenalin und Serotonin (5-HT) im Frontalhirn. Frontaler Cortex NAD 5-HT DA Cortex non-frontal Mood Cognition Attention Mobility Basal ganglia Limbic system Thalamus

CAVE: Der Mensch ist keine Maus Trotz mancher biologischer Befunde bleiben viele Fragen offen. Auch unter einer Behandlung mit Medikamenten bleibt eine Bearbeitung auslösender Belastungen und seeli- scher Konflikte, sowie das Training von neuen Verhaltens- mustern eine wesentliche Hilfe bei der Behandlung von Angststörungen.

Multimodale Therapiestrategien Bei akuten Ängsten lindern und beruhigen: aufklären, beruhigen, schnell wirksame Medikamente einsetzen (Benzodiazepine) Besprechen psychischer und sozialer Konflikte Veränderung des Denkens Erlernen von hilfreichen Bewältigungsstrategien Anleitung zur Entspannung Basisbehandlung mit Medikamenten (Antidepressiva) -- psychosoziale Unterstützung

10 Regeln zur Bewältigung der Angst 1. Angstgefühle und dabei auftretende körperliche Symptome sind verstärkte normale Stressreaktionen. 2. Angstreaktionen sind nicht schädlich für die Gesundheit. 3. Verstärken Sie Angstreaktionen nicht durch furchterregende Phantasievorstellungen 4. Bleiben Sie in der Realität; beobachten und beschreiben Sie innerlich, was um Sie herum wirklich geschieht. 5. Bleiben Sie in der Situation bis die Angst vorbeigeht 6. Beobachten Sie, wie die Angst von allein wieder abnimmt. 7. Versuchen Sie nicht, Angstsituationen zu vermeiden 8. Setzen Sie sich allen Situationen bewusst aus, die Ihnen Angst machen. 9. Nehmen Sie sich in Angstsituationen Zeit 10. Seien Sie stolz auf kleine Erfolge, auch auf die ganz kleinen!

Was ist Ihr bevorzugte medikamentöse Behandlung bei Depression und Angst? 1. Benzodiazepine 2. Trizyklische Antidepressiva 3. SSRIs 4. SNRI (z.B. Venlafaxine)

Therapieziele bei lang dauernden Störungen Patienten mit chronischen Angststörungen brauchen therapeutische Unterstützung, ihre Grenzen kennenzulernen und anzunehmen. Zudem: Langzeitmedikation. Wesentliches Ziel: Balance zwischen Wagnis zu Neuem Annahme einer gewissen Grundangst und Sensibilität

Zusammenfassung Depression und Angst sind unterschiedliche, aber überlappende Zustände Depression und Angst können unterschiedlicher Ausdruck der gleichen neurobiologischen Ursache. Verbindung durch das Zusammenspiel von Noradrenalin und Serotonin Medikation einbetten in ein ganzheitliches bio- psycho-soziales Therapiekonzept.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit! Download: www.samuelpfeifer.com