Entwicklungspsychiatrie

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Dr. Peter Dobmeier Lech-Mangfall-Kliniken gGmbH
Advertisements

Depression hat viele Gesichter
bei nahestehenden Menschen
A n t i d e p r e s s i v a.
Referentinnen: Julia Michalewski, Birte Stapperfend, Elisa Remde
Diagnostik in der Kinder-
Unzureichende Wahrnehmung / Diagnostik
Medizinische Psychologie
1. Effektivitätsstudien zum Bereich Affektiver Störungen
Alkoholabhängigkeit und Alkoholmissbrauch nach ICD-10 und DSM-IV
Entstehung von Süchten und Drogenmissbrauch durch Modell-Lernen
Kleine psychiatrische Krankheitslehre
Depressionen Manische- Schübe.
Depression und Therapiemöglichkeiten
Patienten sind Menschen. Die Krankheit ist Teil ihrer Biografie
Psychische Wirkung von Sport
Persönlichkeitsstörungen
Burnout Dr. Margot Peters FÄ f. Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin.
er kennen be handeln 3. GSD Intensivtag Rotes Kreuz Oberösterreich
ADHS und aggressive Verhaltensstörungen
Psychosen By Kevin und Oliver.
Wie häufig ist ADHS?.
5. Vorlesung Affektive Störungen
geistig behinderter Erwachsener
Suche nach Hilfe.
Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)
Welche Bedeutung hat das Ernährungsverhalten?
Die neue S3-Leitlinie Depression Antidepressiva Suizidalität
Es gibt nichts Gutes außer man tut es!
18. Mai 2015 Dr. med. Cyrill Jeger-Liu, Olten
BIPOLARE STÖRUNGEN. Manie übersteigerte gute Laune – intensive Hochgefühle Vermindertes Schlafbedürfnis → zielloser Tatendrang Sprunghaftigkeit Enthemmung.
Kom verder. Saxion. SE Verhaltensbilder 06 Depression - Manie.
ALBERT-LUDWIGS- UNIVERSITÄT FREIBURG Einführung „Klinische Psychologie“ Tobias Stächele - Vertiefendes Seminar zur Vorlesung Klinische Psychologie - Institut.
Kom verder. Saxion. SE Verhaltensbilder 11 ADHS, Störungen des Sozialverhaltens.
Geschlechterunterschiede bei unipolaren Depressionen: eine repräsentative Normalbevölkerungsstudie Lucht M 1, Schaub R 1, Meyer C 2, Hapke U 2, Rumpf HJ.
Fachstelle Gewaltprävention1 Ute Stratmann Mobbing bei Kindern und Jugendlichen.
„Einem Depressiven zu sagen, dass er seine Probleme einfach vergessen soll, ist wie einem Blinden zu sagen, dass er genauer hinsehen soll.“ Affektive Störungen:
Der (akut) suizidale Patient Vorstellung der Facharbeit von Michael Städtler Berlin, 7. September 2016.
Dementielle Entwicklung – Was kann dahinter stecken ?
Psychische Folgen von Gewalt und Vernachlässigung – Interventionen bei Kindeswohlgefährdung Lernsituation 8.9 Kindeswohlgefährdung FSP 15.
Depressive Jugendliche. Muss man zu dem Psychologen gehen?
Landestagung der Mobilen Jugendarbeit und Streetwork 2016
Notfälle in der Psychiatrie. Suizidalität
Verhaltensstörung Einführung.
8. Vorlesung Affektive Störungen I.
Konflikte zwischen Generationen
Landestagung der Mobilen Jugendarbeit und Streetwork 2016
multiple Spezifische Phobien Alter Jahre
Landestagung der Mobilen Jugendarbeit und Streetwork 2016
Angst pathologisch? Fight Flight Physiologische Reaktion Freeze.
Depression hat viele Gesichter
9. Vorlesung Affektive Störungen II.
Entwicklung einer offenen Austauschplattform "GenderMed-Wiki"
Reaktionen auf schwere Belastungen
Die Bindungsmodelle John Bowlby ( ).
Klausurtermine Vorlesung Klinische Psychologie (BSc) WS08/09 Prof. Dr
Geschlechtsaspekte bei Suizid und Suizidalität
Symptomwandel der ADHS im Jugendalter Konsequenzen für Forschung und klinische Praxis nun Lars Tischler, Sören Schmidt, Franz Petermann und Ute Koglin.
Kokain Serra Mario Felix Solotchi.
Umgang mit Suizidalität
Verhaltenstherapie in der neurologischen Rehabilitation
-einer von 100 Erwachsenen Menschen in Deutschland
Depressionen Erstellt von: Prim.a MR.in Dr.in Margot Peters, PLL.M.
Depression bei Kindern und Jugendlichen Was wissen wir?
„Psychiatrie und Psychotherapie“
Trauerarbeit und Bewältigung
Hochbegabung und hohe Sensitivität
Suizidalität im Kontext psychiatrischer Erkrankungen in der Adoleszenz
in der StädteRegion Aachen
Antidepressiva Bild: © contrastwerkstatt/ fotolia.com.
 Präsentation transkript:

Depression im Kindes- u. Jugendalter Dr. med. Tomasz A. Jarczok

Entwicklungspsychiatrie 70 % psychischer Erkrankungen beginnen vor dem 18. Lebensjahr (Paus 2008) Bester Prädiktor für psychische Erkrankungen im jungen Erwachsenenalter ist Dauer und Anzahl der Phasen psychischer Erkrankung in Adoleszenz (Prospektive Kohortenstudie) (Patton 2014) “(...) psychogeriatrics starts right after adolescence” (Parellada 2013)

Immer mehr depressive Kinder und Jugendliche..?

Affektive Erkrankungen - Klassifikation Klassifiziert unter Kapitel F3 in ICD-10: Affektive Störungen F32: depressive Episode Leicht, mittel, schwer; ohne / mit psychotischen Symptomen F33: rezidivierende depressive Störung mehrere wiederkehrende Episoden wie F32, F34.1: Dysthymia chronische depressive Verstimmung (geringerer Schweregrad) F92.0: kombinierte Störung des Sozialverhaltens mit depressiver Störung Falls jemals manische Episode in der Vergangenheit => Depressive Störung bei Bipolarer Störung (-> E-Psych Vorlesung) Depressiver Symptome können im Rahmen zahlreicher unterschiedlicher Störungen auftreten

Depression - Symptomatik Mindestens zwei Wochen: Obligate Symptome (mindestens zwei): Gedrückte Stimmung Interessenverlust/Freudlosigkeit Verminderung des Antriebs mit erhöhter Ermüdbarkeit Weitere Symptome: Konzentrationsminderung Vermindertes Selbstwertgefühl Schuldgefühle und Gefühle von Wertlosigkeit Negative und pessimistische Zukunftsperspektiven Suizidgedanken oder –handlungen Schlafstörungen Appetitminderung Fakultativ: psychotische Symptome (Wahn, Halluzination, Stupor) bei Kindern/ Jugendlichen selten

Entwicklungsabhängigkeit der Symptomatik

Entwicklungsabhängigkeit der Symptomatik Depressive Symptomatik im Kleinkindalter (1 - 3 Jahre) vermehrtes Weinen, wirken traurig ausdrucksarmes Gesicht erhöhte Reizbarkeit, Irritabilität gestörtes Essverhalten Schlafstörungen (Ein- und Durchschlafstörungen oder übergroßes Schlafbedürfnis) überanhänglich, können schlecht alleine sein Teilnahmslosigkeit, Spielunlust und auffälliges Spielverhalten (mangelnde Fantasie)

Entwicklungsabhängigkeit der Symptomatik Depressive Symptomatik im Vorschulalter (3 - 6 Jahre) trauriger Gesichtsausdruck verminderte Gestik und Mimik, psychomotorische Hemmung leicht irritierbar, stimmungslabil, auffällig ängstlich mangelnde Fähigkeit sich zu freuen Teilnahmslosigkeit und Antriebslosigkeit, introvertiertes Verhalten vermindertes Interesse an motorischen Aktivitäten innere Unruhe und Gereiztheit zeigen sich in unzulänglichem/kontaktarmen, aber auch aggressivem Verhalten Ess- und Schlafstörungen

Entwicklungsabhängigkeit der Symptomatik Depressive Symptomatik bei jüngeren Schulkindern (6 - ca. 12 Jahre) verbale Berichte über Traurigkeit Denkhemmungen, Konzentrationsschwierigkeiten und Gedächtnisstörungen Schulleistungsstörungen Zukunftsangst, Ängstlichkeit unangemessene Schuldgefühle und unangebrachte Selbstkritik psychomotorische Hemmung Appetitlosigkeit (Ein-)Schlafstörungen suizidale Gedanken

Entwicklungsabhängigkeit der Symptomatik Depressive Symptomatik im Pubertäts- und Jugendalter (13 - 18 Jahre) Im Vordergrund psychischen Symptome: vermindertes Selbstvertrauen (Selbstzweifel) Apathie, Ängste, Lustlosigkeit, Konzentrationsmangel Stimmungsanfälligkeit tageszeitabhängige Schwankungen des Befindens Leistungsstörungen/ Konzentrationsstörungen Gefühl, den sozialen und emotionalen Anforderungen nicht gewachsen zu sein Gefahr der Isolation, des sozialen Rückzugs Anstieg der Suizidgedanken und -versuche Körperliche Symptome: psychosomatische Beschwerden (z.B. Kopfschmerzen) Gewichtsverlust Ein- und Durchschlafstörungen (häufig auch übermäßiges Schlafbedürfnis)

Immer mehr depressive Kinder und Jugendliche..?

Immer mehr depressive Kinder und Jugendliche..? Depressionsprävalenz steigt nicht an Depression ist eine häufige Erkrankung Gefühlte Zunahme durch höheres Bewusstsein für Erkrankung

Global Burden of Disease Studie

Global Burden of Disease Studie - WHO Depression gehört zu den im Kindes- und Jugendalter am stärksten beeinträchtigenden Erkrankungen Suizide als Folge von Depression gehören zu den häufigsten Todesursachen bei Minderjährigen

Depressive Störungen 6-Monatsprävalenz im Kindesalter: ca. 1-3% 6-Monatsprävalenz im Jugendalter: ca. 8% 6-Monatsprävalenz im Erwachsenen: ca. 10% Ab Jugendalter höhere Raten bei Mädchen (ca. 2:1) Komorbide Störungen Angststörungen Störungen des Sozialverhaltens Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung Jugendalter: Substanzabusus Somatoforme Störungen Persönlichkeitsstörungen

Risikofaktoren - Ätiologie Genetische Prädisposition Heritabilität ca. 40%   Umweltfaktoren fehlende Zuwendung durch prim. Bezugspersonen Deprivation chron. elterliche Konflikte körperliche Misshandlung akute Lebensereignisse (insbes. Scheidung, Trennung, Tod eines Elternteils) traumatische Erfahrungen niedriger SES, Armut Lernen am Modell bei depressiven Eltern Gen-Umweltinteraktion zentral Exemplarisch: Interaktion 5-HTTLPR X belastende Lebensereignisse (Caspi et al. 2003, Science)

Gen x Umweltinteraktion Eley et al. 2004

Pathophysiologische Hypothesen Neurotransmission Serotonin-Mangel, Überlappung mit Angststörungen Katecholaminmangel Heute eher: Dysbalance zwischen unterschiedlichen Neurotransmittersystemen Neuroendokrinologie Dysregulation des Systems Hypothalamus / Hypophyse / Nebennierenrinde Hyperkortisolismus: CRH hoch, ACTH-Antwort niedrig; Suppression der Ausschüttung von CRH und ACTH durch Dexamethason nicht mehr vorhanden Einfluss von Geschlechtshormonen

Diagnostik Anamnese Insbesondere: Symptome der Depression Verlauf: frühere Episoden Somatische Erkrankungen Risikofaktoren, Medikamente, Drogen, Alkohol Klinisches oder standardisiertes Interview mit Eltern und Kind Kinder-DIPS / Kiddie-SADS Fragebögen für Eltern und Kind: Screening (siehe Literatur) Psychopathologischer Befund Körperliche Untersuchung Ggf. weiterführende Testdiagnostik, EEG, EKG, Laboruntersuchungen Klinische Diagnose Zusammenschau der Befunde / Bewertung des Schweregrades

Differentialdiagnosen Angststörungen (Komorbidität möglich und häufig) Bipolare Störung (beginnt meist mit depressiver Episode) Somatoforme Störungen (Komorbidität möglich) Schizophrene Psychosen Somatische Erkrankung, z.B. Hypothyreose, Hyperparathyreoidismus, Hypopituitarismus, Morbus Cushing Infektionskrankheiten Anämie Multiple Sklerose Medikamenten- oder Drogen-induziert

Kognitive Verhaltenstherapie aus Abel und Hautzinger 2013

Psychotherapie Kognitive Verhaltenstherapie (am besten wissenschaftlich evaluiert) – problemorientiert, strukturiert Aufbau positiver Aktivitäten Besserung sozialer Kompetenz Umstrukturierung dysfunktionaler kognitiver Schemata - Zusammenhang (Denken, Fühlen, Handeln) Interpersonelle Therapie (gut evaluiert) Gruppentherapie (basierend auf kognitiver VT) bei Jugendlichen mit leichteren depressiven Störungen (gut evaluiert) Einbeziehung der Familie: Reduktion von Belastungsfaktoren, Therapie psychiatrischer Erkrankungen der Eltern Elterliche Unterstützung bei Alltagsbewältigung; Förderung Eigeninitiative

Kognitive Verhaltenstherapie aus Abel und Hautzinger 2013

Wirksamkeit antidepressiver Behandlung bei Depression Treatment for Adolescents With Depression Study (TADS) Randomized Controlled Trial Fluoxetin + CBT > Fluoxetin > CBT = Placebo (March et al., 20014)

Psychopharmakotherapie bei schweren depressiven Episoden und Suizidalität, bei mittelschweren Episoden optional Orientierung der Behandlungsverfahren an klinischem Bild (nicht an ätiologischen Hypothesen) Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer: Insbesondere für Fluoxetin Wirksamkeitsnachweis (Meta-Analysen) (Usala et al., 2008; Hetrick et al., 2007) Cave: möglichen Anstieg von Suizidgedanken und Suizidalität beachten Trizyklische Antidepressiva wirken im Kindes- und Jugendalter nicht Duloxetin, MAO-Inhibitoren, Mirtazapin, Johanniskraut (Hypericum perforatum) kaum untersucht bei Kindern / Jugendlichen Kombination mit kognitiver Verhaltenstherapie: bessere Effekte Cave: Depression bei bipolarer Störung => Behandlung mit Phasenprophylaktika

Bündnis gegen Depression Frankfurt Schirmherr

Bündnis gegen Depression Frankfurt

Danke für die Aufmerksamkeit! tomasz.jarczok@kgu.de