Prof. Dr. Frank Emmert, LL.M. Direktor des Zentrums für Internationales Recht und Rechtsvergleichung Indiana University Robert H. McKinney School of Law,

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 Präsentation transkript:

Prof. Dr. Frank Emmert, LL.M. Direktor des Zentrums für Internationales Recht und Rechtsvergleichung Indiana University Robert H. McKinney School of Law, Indianapolis, USA 1

* 1. Die Fragestellung * 2. Der Hintergrund * 3. Einige Beispiele zur Illustration * 4. Mögliche Fallkonstellationen * 5. Diskussion * 6. Ergebnisse / Zusammenfassung * 7. Wie geht´s weiter? 2

* Schweiz als Beinahmitglied in der EU * Weitgehende Übernahme des EU Rechts * ABER ohne Mitspracherecht bei der Rechtssetzung (in Strassburg und Brüssel) und bei der Rechtsinterpretation (in Luxemburg) * Gibt es Fallkonstellationen in denen die Grundrechtecharta der EU und ihre Interpretation durch den EuGH BINDUNGSWIRKUNG für Schweizer und Schweizerinnen haben kann? 3

* Die Grundrechtecharta ist progressiv * und der Schengen Acquis is dynamisch. * Dies könnte Entscheidungen im Bereich Migrationsrechte (= Schengen) und/oder Asyl (= Dublin) herbeiführen * (begünstigen? erzwingen?), * die so nicht auf der Grundlage von EU mitgliedstaatlichem Recht und/oder Schweizer Recht fallen würden * und die so auch nicht vorhersehbar waren; * und in jedem Fall eine Verlagerung der Entscheidungs- oder Interpretationsmacht nach Brüssel oder Luxemburg bewirken. 4

Denkbare Fallgruppen Einreise und Aufenthalt von Staats- angehörigen Sekundär- rechte für Familien- angehörige Beschränkung oder Beend. des Aufent- haltsrechts Andere Verwaltungs- oder Polizei- massnahmen EU MS Behörd. entscheiden über Schweizer (in der EU) CH Behörden entscheiden über EU Bürger (in der CH) EU MS Behörd. entscheiden über Dritt- staater mit Wirkung f. CH CH Behörden entscheiden über Dritt- staater 5

* Gegenseitige Einreise- und Aufenthaltsrechte für Staatsangehörige und ihre Familienmitglieder werden aufgrund des AEUV, der bilateralen Verträge, sowie der RL 2004/38 begründet. * Jeder EU MS und die Schweiz kann im Prinzip statusrechtliche Entscheidungen mit Bindungswirkung für alle treffen, z.B. Einbürgerung. * Dabei kann die Grundrechtecharta eine Rolle spielen. * Bsp: EuGH Rs. C-200/02 Zhu und Chen * Bsp: Entscheidung zu Art. 35 der RL 2004/38 über Scheinehen * Fraglich: Konflikt zw. Charta Art. 9 und Art. 21, das Problem der gleichgeschlechtlichen Ehen 6

* Der Beklagte ist Mitglied der Roma Gemeinschaft. Er wurde 2003 in Tschechien strafrechtlich belangt, aber das Verfahren verzögerte sich mehrmals. Seit einigen Jahren lebt er mit Familie in Irland wurde auf Antrag Tschechiens ein Europäischer Haftbefehl ausgestellt. Der Beklagte wehrt sich gegen die Auslieferung und einen Prozess in Tschechien mit der Begründung, die lange Verfahrensdauer verletze u.a. seine Rechte aus Artikel 47 der Grundrechtecharta (das Recht auf ein Verfahren innerhalb angemessener Frist). * Mr. Justice John Edwards entschied am 3. März 2011 dass die irischen Behörden bei der Entscheidung über die Auslieferung die Grundrechtecharta zu beachten haben. * Das Gericht interpretierte den Schutzbereich von Artikel 47 parallel zu Artikel 6 EMRK. * Im Endergebnis, nach Abwägung der Interessen, wurde eine Verletzung der Charta und/oder EMRK allerdings verneint. * Die Frage könnte sich auch für einen CH Haftbefehl in der EU stellen. 7

*... könnte die Mitwirkung von Schweizer Behörden im Rahmen von Schengen und Dublin von Betroffenen EU Bürger/innen (z.B. Frontex Grenzschutzmassnahmen) oder Drittstaatsangehörigen (z.B. Verweigerung von Visa oder Asyl) als Verletzung von Rechten aus der Grundrechtecharta angeprangert werden?! 8

9

* Richtlinie 2008/115 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger * Art. 3 Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnen die Ausdrücke 1. „Drittstaatsangehörige“, alle Personen, die nicht Unionsbürger […] sind und die nicht das Gemeinschaftsrecht auf freien Personenverkehr nach Artikel 2 Absatz 5 des Schengener Grenzkodex genießen; […] * Verordnung 562/2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) * Art. 2 Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck […] 6. “Drittstaats- angehöriger“ jede Person, die nicht Unionsbürger […] ist und die nicht unter Nummer 5 […] fällt; * 5. Personen, die nach Unionsrecht Anspruch auf freien Personenverkehr haben: * a) die Unionsbürger […] sowie Drittstaatsangehörige, die Familienmitglieder eines sein Recht auf freien Personenverkehr ausübenden Unionsbürgers sind […] * b) Drittstaatsangehörige und ihre Familienangehörigen ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, die aufgrund von Übereinkommen zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und den betreffenden Drittstaaten andererseits ein Recht auf freien Personenverkehr genießen, das dem der Unionsbürger gleichwertig ist; 10

* Schweizer/innen geniessen in den EU Mitgliedstaaten de facto den Status von EU Bürger/innen * Einschliesslich der progressiven Interpretation von Freiheits- und Schutzrechten unter der Grundrechtecharta (z.B. zu Altersdiskriminierung, Art. 25) * Dies gilt umfassend für die Freizügigkeitsrechte * Wohl aber nicht für die politischen Mitspracherechte, z.B. das Kommunalwahlrecht für Unionsbürger/innen nach Art. 22 AEUV 11

12

* Keine Bindungswirkung der EU Charta für die Schweiz aufgrund der bilateralen Abkommen * Daher keine unmittelbare und/oder einklagbare Anwendung der Charta durch Schweizer Behörden für oder gegen EU Bürger/innen in der Schweiz * ABER gibt es allfällige INDIREKTE Einwirkungen für EU Bürger/innen? * EMRK? * Wertegemeinschaft? * Aber wohl kaum – da Rechtslage klar - für Staatsangehörige von Bulgarien oder Rumänien (Übergangsfrist bis 2016) oder Kroatien (spezielle Quotenregelung)? 13

* Gutes Beispiel für Schweizer Verhandlungsgeschick: * Artikel 16(2) des bilateralen Abkommens über die Freizügigkeit: * „Soweit für die Anwendung dieses Abkommens Begriffe des Gemeinschaftsrechts herangezogen werden, wird hierfür die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung berücksichtigt. Über die Rechtsprechung nach dem Zeitpunkt der Unterzeichnung dieses Abkommens wird die Schweiz unterrichtet. Um das ordnungsgemässe Funktionieren dieses Abkommens sicherzustellen, stellt der Gemischte Ausschuss auf Antrag einer Vertragspartei die Auswirkungen dieser Rechtsprechung fest.“ 14

15

* Erteilung von längerfristigem Aufenthaltsrecht nach MS Recht? * Langzeit Aufenthaltsrichtlinie 2003/109: Anspruch auf Freizügigkeit nach 5 Jahren legalem Aufenthalt in einem MS? * Spezielle Rechte für Angehörige der Länder mit bilateralen Verträgen, z.B. Türkei? * Aufenthaltsrechte für hochqualifizierte Drittstaater nach der Blue Card Richtlinie 2009/50? * Erteilung von Asyl in Anwendung der Dublin Regeln VO 343/2003; RL 2003/09; RL 2004/83, RL 2005/85? * Duldungsentscheidungen im Asylrecht? * RL 2008/115 über die Rückführung (oder eben nicht) von illegalen Drittstaatern? * Freizügigkeit nach den bilateralen Verträgen erstreckt sich NICHT auf Drittstaater, auch wenn sie Daueraufenthaltsrecht in der EU haben! NEIN ! 16

* Erteilung eines Schengen Visums * Einbürgerungsentscheidungen nach mitgliedstaatlichem Recht * Entscheidungen über „Familie“ i.S. der RL 2004/38, z.B. Unterhaltsbedürftigkeit von erwachsenen Kindern; Anerkennung von Lebenspartnerschaften * Entscheidungen im Rahmen der Familienzusammenführung, RL 2003/86 * Potentielles Problem? Ja? Nein?... Jein! 17

18

* Schweiz erhält Mitwirkungsrechte bei der Fortentwicklung des Schengen Acquis – aber KEINE Stimmrechte! * Teilnahme am Dublin Asyl System * Zugang zu SIS, VIS und Eurodac * Im Gegenzug verpflichtet sich die Schweiz den sich dynamisch fortentwickelnden Schengen Acquis laufend umzusetzen (Bsp. Biometrische Pässe) * Grundsätzlich können EU MSen Schengen Visa mit Gültigkeit für die Schweiz erteilen und umgekehrt. Die Schweiz kann aber über das Konsultationsverfahren eine Visa Erteilung verhindern. * Über Dublin wird vor allem die Zuständigkeit für Asylanträge geregelt und ein Zweitantrag in einem anderen Staat verhindert. 19

* Grundsatz: Was Schweizer Behörden in der Schweiz machen fällt unter die EMRK, aber nicht unter die EU Charta * Fraglich bleibt allenfalls: * Schweizer Mitwirkung am Schengen Visa Konsultationsverfahren, z.B. Ablehnung einer Familienzusammenführung? * Schweizer Mitwirkung an SIS, VIS und Eurodac (Datenschutz)? * Schweizer Mitwirkung an Frontex Massnahmen? * Schweizer Polizei in grenzüberschreitender Täterverfolgung? 20

* Keine formale Bindungswirkung der EU Charta für die Schweiz * Daher keine unmittelbare und/oder einklagbare Anwendung der Charta durch Schweizer Behörden für oder gegen Drittstaater/innen in der Schweiz * Denkbar bleiben wiederum nur INDIREKTE Einwirkungen... * Vor allem über die EMRK im Sinne einer Wertegemeinschaft, d.h. eine Berücksichtigung der Rechtsprechung zur Charta bei der Interpretation der EMRK... * in Fällen wie Boultif v. Schweiz (Ausweisung eines straffälligen Algeriers der mit einer Schweizerin verheiratet ist, als möglicher Verstoss gegen das Grundrecht auf Achtung des Familienlebens, Art. 8 EMRK bzw. Art. 7 und 9 der Grundrechtecharta * Würde ein Schweizer Gericht in einem Parallelfall nicht nur auf die Rechtsprechung zur EMRK schauen, sondern auch auf EuGH Ent- scheidungen zur Charta? Wohl kaum. Aber der EMRK Gerichtshof könnte in seinen Entscheidungen durch Luxemburg beeinflusst werden... 21

*... liegt in der eingeschränkten Mitwirkung der Schweiz bei der Fortentwicklung des Schengen Aquis. * Das bilaterale Abkommen Schengen hat nämlich keinen Artikel 16(2) wie das Freizügigkeitsabkommen. * Stattdessen: Art. 7(1) „Die Annahme neuer Rechtsakte... ist den zuständigen Organen der Europäischen Union vorbehalten.“ und Art. 7(4), für den Fall dass die Schweiz einen neuen Rechtsakt der EU nicht umsetzt „wird dieses Abkommen als beendet angesehen.“ * Das ist aber nicht ein Konflikt mit der Grundrechtecharta, * sondern mit der Schweizer Souveränität und der praktischen Frage, ob der bilaterale Weg auf Dauer gangbar bleibt. 22

23

Anwendbark. der Grundrechte Charta? Einreise und Aufenthalt Sekundär- rechte für Familien- angehörige Beschränkung oder Beend. des Aufent- haltsrechts Andere Verwaltungs- oder Polizei- massnahmen EU+MS Behörd. entscheiden über Schweizer Umfassend CH Behörden entscheiden über EU Bürger Keine Bindung, indirekte Ein- wirk. möglich über Interpret. Freizüg.rechte Keine Bindung, indirekte Ein- wirk. möglich über Interpret. Freizüg.rechte Nur indirekte Einwirk. mögl. über Interpret. Freizüg.rechte, oder Schengen Umsetzungsges Keine Bindung, indirekte Ein- wirk. möglich über Interpret. Schengen Umsetzungsges EU MS Behörd. Entscheid.über Drittstaater, wirksam in CH Umfassende Bindung, aber Drittstaater geniessen keine Freizüg. Umfassende Bindung, aber selten Günstigkeits- prinzip => CH kann gewähren was EU MSen verneinen Umfassende Bindung, aber selten CH Behörden entscheiden über Drittstaater Keine Bindung, indir. Einwirk. mögl. aber unwahrscheinl. 24

* Generell macht es Sinn, dass sich die Schweiz vorbehält, ob und wann sie Rechtssetzung der EU und Rechtsprechung des EuGH über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts, einschliesslich der Grundrechte- charta, folgt; siehe als Modell Art. 16(2) des bilat. Abk. zur Freizüg. * Mittelfristig sollte die Schweiz ein weiteres Referendum ansetzen, bei dem explizit das ganze Paket Nr. 1 der bilateralen Abkommen zur Abstimmung gestellt wird. Das Schweizer Volk kann nur kompetent über die Freizügigkeit abstimmen, wenn die Guillotine Klausel und damit der fortdauernde Zugang zum EU Binnenmarkt offiziell mitberücksichtigt wird. * Langfristig sollte aber letztlich ein Weg zur Vollmitgliedschaft gefunden werden, denn der Druck auf die Schweiz das Recht der EU anzuwenden, obwohl sie es nicht mitentscheiden kann, wird nicht nachlassen, sondern zunehmen. 25

* Für Ihre Fragen stehe ich gerne zur Verfügung! * Sie können mir auch schreiben unter * Lebenslauf und Publikationsverzeichnis: * Viele Publikationen im Volltext: