Niereninsuffizienz und Diabetes Update Januar 2009 Praxis für Nierenerkrankungen und Diabetes Bochum Niereninsuffizienz und Diabetes Update Januar 2009 Bochum, 17.1.2009 Dr. Dirk Gäckler, Internist-Nephrologie, Diabetologie Diabetologe DDG, Hypertensiologe DHL
Das möchte ich besprechen: Neue Klassifikation der diabetischen Nephropathie durch die Deutsche Diabetes Gesellschaft 4/08 Das dänische Rezept für die Behandlung der diabetischen Nephropathie 2/08 ACE-Hemmer und AT1-Blocker – einzeln ja, aber kombiniert ? 8/08 Der nierenkranke Diabetiker ist lebensgefährlich krank - aber nephrologische Betreuung hilft 1/08
Neuklassifikation der Stadien der diabetischen Nephropathie Praxisleitlinien der deutschen Diabetesgesellschaft April 2008 Diabetologie und Stoffwechsel S2 April 2008
Stadieneinteilung der Niereninsuffizienz NKF/KDOQI Stadium 1 Nierenerkrankung mit normaler Nierenfunktion (Kreatininclearence >= 90 ml/min. und 1,73 qm KOF) Stadium 2 Kreatininclearence 60 – 89 ml/min. und 1,73 qm KOF Stadium 3 Kreatininclearence 30-59 ml/min. und 1,73 qm KOF Stadium 3 a Kreatininclearence 45-59 ml/min. und 1,73 qm KOF Stadium 3 b Kreatininclearence 30-44 ml/min. und 1,73 qm KOF Stadium 4 Kreatininclearence 15-29 ml/min. und 1,73 qm KOF Stadium 5 Kreatininclearence < 15 ml/min. und 1,73 qm KOF
Praxis für Nierenerkrankungen und Diabetes Bochum Mogensen 1968 (Typ 1) „Neuklassifikation“ „modifizierte Neuklassifikation“ April 2008 Stadium 1 Hyperfiltration Stadium 2 stumm (Histologie) Stadium 3 Mikroalbuminurie, Stadium 1 a Mikroalbuminurie Stadium 1 a beg. Blutdruckanstieg Stadium 4 Makroalbuminurie, Stadium 1 b Makroalbuminurie Stadium 1 b beg. Niereninsuffizienz Stadium 5 progrediente NI Stadium 2 a Niereninsuffizienz Stadium 2 Stadium 2 (Kreatininclearence 60-89ml/min.) Stadium 2 b Niereninsuffizienz Stadium 3 Stadium 3 (Kreatininclearence 30-59 ml/min.) Stadium 2 c Niereninsuffizienz Stadium 4 Stadium 4 (Kreatininclearence 15-29 ml/min.) Stadium 2 d Niereninsuffizienz Stadium 5 Stadium 5 (Kreatininclearence <15 ml/min.)
Nierenfunktionsschätzung leicht gemacht – die MDRD- Formel In einer großen amerikanischen Studie (Modification of Diet in Renal Disease) wurde eine Rechenformel entwickelt, die es erlaubt aus dem Serumkreatinin, dem Alter und dem Geschlecht die Nierenfunktion mit für den Praxisalltag und Medikamentendosierungen ausreichend genauer Annäherung zu ermitteln Unsere Laborgemeinschaft liefert uns zu jedem Serumkreatinin deshalb die nach MDRD berechnete Nierenleistung MDRD-Formel: GFR (ml/min/1,73qm) =186 x (Kreatinin i.S.)-1,154x (Alter)-0,203 x (0,742 bei Frauen) x (1,21 bei Pat. mit schwarzer Hautfarbe) Unser Praxiscomputer kann‘s auch, wenn wir „fremde“ Kreatininwerte eingeben
NDT 2005, 20,1791 - 1798
Das „dänische Rezept“ für die Behandlung der diabetischen Nephropathie Gaede,P.et al.: NEJM 348, January 30, 2003, No.5, 383-393 Gaede, P. et al.:NEJM 358, February 7, 2008, No.6, 580 - 591
Es ist in der Diabetologie üblich geworden: Erst die Großstudie mit mindestens zwei Armen und dann die Langzeitnachbeobachtung DCCT folgt Epidemiology of Diabetes Interventions and Complications (EDIC) Study 6,5 Jahre Studie und 8 Jahre Nachverfolgung der DCCT-Kollektive Jama October 22/29, 2003, Vol. 290, No.16 UKPDS 4 Jahre Studie und 5 Jahre Nachbeobachtung NEJM 2008, 359, No. 15, 9.10.2008 (zwei Artikel) und eben Steno II 7,8 Jahre Studie und 5,5 Jahre Nachbeobachtung
end-stage renal disease Conventional therapy 40 (50%) 6 Praxis für Nierenerkrankungen und Diabetes Bochum Steno II – Ergebnisse nach 7,8 Jahren Therapie und 5,5 Jahren Nachbeobachtung Die Nachbeobachtung wurde beendet, als 50% der Patienten der Kontrollgruppe verstorben waren death from any cause end-stage renal disease Conventional therapy 40 (50%) 6 Intensive therapy 24 (30%) 1
Steno- 2 Studie: Multifactorial Intervention and Cardiovascular Disease in Patients with Type 2 Diabetes (and microalbuminuria) 80 Patienten behandelt nach den nationalen (dänischen) Richtlinien 80 Patienten behandelt mit intensivierter Therapie mit - Einflussnahme auf Verhaltensweisen - Ernährung - Rauchen - körperliche Bewegung Medikamentöser Behandlung - Diabeteseinstellung - Hypertoniebehandlung - Behandlung der Hyperlipidämie - ASS Gaede,P.et al.: NEJM 348, January 30, 2003, No.5, 383-393
Steno II - Behandlungsziele
Steno II- das wurde wirklich erreicht
Steno II - Tod Tod
Steno II- 51 gegen 158 „cardiovascular events“
Hemmer des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS) wie ACE-Hemmer, AT1-Blocker, Reninblocker und Aldosteronantagonisten einzeln ja – aber auch kombiniert?
The Lancet,Vol.361, January 11,2003, S. 117-124 Kombinationstherapie mit ACE-Hemmer und AT1-Blocker - gleicher Blutdruck, aber geringere Proteinurie und langsamere Nierenfunktionsverschlechterung (IgA-Nephritis) Fälschung The Lancet,Vol.361, January 11,2003, S. 117-124
Warum überhaupt Blocker des RAAS kombinieren Warum überhaupt Blocker des RAAS kombinieren ? - Um die Proteinurie stärker zu senken
Die zugrunde liegende Hypothese ist, dass die Proteinurie selber (tubulo-) toxisch ist und ein eigenständiger Progressionsfaktor und dass die Reduktion der Proteinurie hilft, die Nierenfunktion länger zu erhalten (was an nicht – diabetischen Nephropathien als bewiesen gilt) In der RENAAL study war Proteinurie der stärkste Risikofaktor für die Progression der Nephropathie ( Kidney int 2003, 63,1499-1507)
In der RENAAL–Studie senkte jede 50%ige Verminderung der Albuminurie vs. Baseline nach den ersten 6 Monaten das Risiko für die renalen Endpunkte† um 36% und das Risiko einer ESRD um 45%, während des Nachbeobachtungszeitraums von 3,4 Jahren Renaler Endpunkt: definiert als Verdoppelung des Serumkreatinins, terminales Nierenversagen (ESRD) oder Tod de Zeeuw, Kidney Int 2004,65(6),2309-2320
Avoid-Studie Die Kombination von 100 mg Lorsartan mit 300 mg Aliskiren (Rasilex) reduzierte bei 599 Patienten 3 Monate gegeben die Albuminurie gemessen als Albumin/Kreatininverhältnis um 20% im Vergleich zur Therapie mit 100 mg Lorsartan alleine
Patient Peter K. geb. 9/53 am 20.10.07 Größe 183 cm, Gewicht 148,7 kg, (BMI 44,4kg/qm) Blutdruck in der Praxis 148/84 mm Hg, LZRR 191/91 , tags 194/98, nachts 186/81 mm Hg Ödeme bis Oberschenkelmitte, Giemen und Brummen über beiden Lungen, links nach Netzhautablösung fast blind, rechts stark nachlassende Sehfähigkeit Diabetes seit 1985, bisher kein Insulin, Hba1c 10,1 % Kreatinin 1,12 mg/dl Proteinurie 19.750 mg/24 Std. Albuminurie 13.718 mg/24 Std.
Also: diabetische Nephropathie Stadium 1 b - 2 Patient Peter K. geb. 9/53 wie klassifizieren? Nierenfunktion: Kreatininclearence nach MDRD: >60 (72,6) ml/min. und 1,73 qm KOF Kreatininclearence aus Serum und Sammelurin errechnet: 99 ml/min. und 1,73 qm KOF Albuminurie: 13718 mg/24 h, also Makroalbuminurie (>> 200 mg/24 h) Also: diabetische Nephropathie Stadium 1 b - 2
Patient Peter K. geb. 9/53 Diagnosen: Metabolisches Syndrom mit Adipositas III° Hyperlipoproteinämie Arterieller Hypertonie II mit hypertensiven Fundusveränderungen, Netzhautablösung links und zunehmender Sehschwäche auch rechts 4. (Z.n.?) obstruktivem Schlaf-Apnoe-Syndrom 5. Sekundär insulinpflichtigem Diabetes mellitus Typ 2 (ED ca. 1985, Insulinbehandlung seit 11/07) mit diabetischer Polyneuropathie und diabetisch-hypertensiver Nephropathie im Stadium 1 b -2 der modifizierten Neuklassifikation V. a. chronische Glomerulonephritis dd diabetisch-hypertensive Nephropathie mit dekompensiertem nephrotischem Syndrom und Stauungsdermatitis beider Beine 3. Gonarthrose rechts, Lumbago 4. chronisch spastische Bronchitis bei Nikotinabusus (34-40 Zigaretten/Tag), Z. n. Pneumonie 2005 5. Bauchwandhernie
was tun? Patient Peter K. geb. 9/53 Das dänische Rezept: Einflussnahme auf Verhaltensweisen Ernährung Rauchen Körperliche Bewegung Medikamentöse Behandlung Diabeteseinstellung Ziel Hba1c 6,5% Blutdruckeinstellung Zielblutdruck < 130/80 - ACE Hemmer Behandlung der Hyperlipidämie - Nüchterncholesterin < 175 - Nüchterntriglyceride < 150 ASS Nephrotoxische Medikamente meiden (Ibuprofen)
was wurde erreicht? Patient Peter K. geb. 9/53 20.10.07 Ziel 9.10.08 Körpergewicht 148,7 kg senken 132,1 kg Rauchen 40 Zig./Tag null 10 Zig./Tag Bewegung wenige Schritte mehr unverändert Hba1c 10,1 % < 6,5% 6,9% LZRR 191/91 mm Hg <125/75 mm Hg 114/86 mm Hg ACE-Hemmer ja ja + Reninblocker + Aldosteronantagonist Cholesterin 201 mg/dl < 175 mg/dl 171 mg/dl Triglyceride 321 mg/dl < 150 mg/dl 170 mg/dl ASS
Urineiweißausscheidung 30. 10. 2007 bis 5. 11. 2008 Patient Peter K Urineiweißausscheidung 30.10.2007 bis 5.11.2008 Patient Peter K. geb. 9/53 Von 20 g auf 600 mg unter 30 mg Enalapril, 300 mg Aliskiren und 100 mg Spironolacton
Patient Peter K. geb. 9/53 Serumkreatinin 22.10.07 bis 14.7.2008 Schwankt hin und her ohne eindeutige Verbesserung oder Verschlechterung
Patient Peter K. geb. 9/53 … und dann das Akute Nierenversagen Anurie, Harnstoff 226 mg/dl, Serumkreatinin 4,14 mg/dl
Patient Peter K. geb. 9/53 Kreatininverlauf bis Dezember 08 Akutes Nierenversagen 1 Dialyse
Ontarget-Studie 8576 Patienten erhielten 10 mg Ramipril 8542 Patienten erhielten 80 mg Telmisartan 8502 Patienten erhielten beide Präparate
Ontarget - Entwicklung der Nierenfunktion unter ACE-Hemmer, AT1-Blocker und bei Kombinationstherapie Ontarget Lancet 2008, 372, 547-553
Ontarget – mehr (Akut) Dialysen unter Kombinationstherapie
Diabetiker mit Niereninsuffizienz sind lebensbedrohlich krank
39.031 Patienten mit Diabetes Praxis für Nierenerkrankungen und Diabetes Bochum 39.031 Patienten mit Diabetes und Niereninsuffizienz im Stadium 3 oder 4 (Kreatininclearence unter 60 ml/min. und 1,73 qm KOF) Dialysefreie Sterberaten pro Jahr 9,6% (KreaCl. 45-59), 14,1% (KreaCl. 30-44) und 19,4% (KreaCl. unter 30) Tseng,Chin-Lin u.a.: Arch Intern Med Vol. 168(No.1) 14.1.2008
39.031 Patienten mit Diabetes Praxis für Nierenerkrankungen und Diabetes Bochum 39.031 Patienten mit Diabetes und Niereninsuffizienz im Stadium 3 und 4 Dialysefreie Sterberaten kein nephrologischer Kontakt im Jahr 1,00 ein nephrologischer Kontakt im Jahr 1,02 zwei 0,80 drei 0,68 fünf 0,45 Arch Intern Med Vol 168 (No. 1) 14.1.2008
Die Strategie: „Multifaktorielle Intervention“ Life- Style – Intervention (Ernährung, Sport) Einstellen des Nikotinkonsums Diabeteseinstellung (Ziel Hba1c < 6,5%) Blutdruckeinstellung (Zielblutdruck < 130/80 in der Praxis, unter 125/75 bei Langzeit- und Eigenmessung) 5. Behandlung erhöhter Blutfette (in der Regel CSE-Hemmer) 6. Thrombozytenaggregationshemmer (ASS 100 mg/Tag) Bei Niereninsuffizienz 7. Behandlung der renalen Anämie (Erythropoetin) 8. Normalisierung erhöhter Serumphospatwerte 9. Vitamin-D-(Analoga)Therapie 10. Eiweiß- arme Diät Und immer wieder motivieren, die Behandlung auch durchzuhalten Keine nephrotoxischen Medikamente
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. wollen Sie nachlesen. www Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! wollen Sie nachlesen ? www.dialyse-bochum.de oder die Empfehlungen der amerikanischen Nierenstiftung (NKF) (Februar 2007) unter www.nkf.org
Verschiebungen im Stufenplan der antihypertensiven Therapie
Wie sieht es aus mit - peripheren Alpha-Blockern (Prazosin, Doxazosin, Urapidil), Vasodilatatoren (Hydralazin, Minoxidil) zentralen Alpha-Agonisten (Clonidin, Moxonidin, Methyldopa))
ACCOMPLISH
Es wurde in beiden Gruppen eine gleich gute Blutdruck-einstellung erreicht
Folgeschäden bei ACE-Hemmer plus Calciumantagonist aber geringer
Neuauftreten eines Diabetes unter antihypertensiver Therapie The Lancet Volume 369 20.1.2007 201-207
Antihypertensive Therapie bei Diabetes mein persönlicher Stufenplan Langwirksamer ACE-Hemmer, bei Unverträglichkeit AT1- Blocker 2. Calciumantagonist von Dihydropyridintyp (aktuell Amlodipin) 3. Diuretikum (bei normaler Nierenfunktion HCT 12,5 mg/Tag) 4. Betablocker (Metoprolol oder Bisoprolol) 5. Moxonidin, ggfs. gesteigert auf retardiertes Clonidin 6. Dihydralazin (Nepresol) ggfs. Minoxidil (Lonolox) Therapieresistenz - meist Non-Compliance - persistierende Ödeme (ausschwemmen !) - nicht ausreichend behandelte Schlafapnoe oder andere sekundäre Hypertonieformen
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Diabetiker mit Niereninsuffizienz sind lebensbedrohlich krank