Zürcherischer Juristenverein Vortrag vom 9. Februar 2012

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 Präsentation transkript:

Zürcherischer Juristenverein Vortrag vom 9. Februar 2012 Mobbing im Arbeitsrecht: Neuere Entwicklungen und praktische Fragen der Rechtsdurchsetzung   Dr. Roger Rudolph, Rechtsanwalt, Streiff Pellegrini & von Kaenel

Fallbeispiel zum Einstieg:

Übersicht A. Begriff, Erscheinungsformen und Abgrenzungen B. Schutzpflichten des Arbeitgebers C. Rechtsansprüche des Mobbingopfers D. Probleme der Rechtsdurchsetzung E. Fallbeispiele aus der neueren Gerichtspraxis F. Exkurs: Whistleblowing

A. Begriff, Erscheinungsformen und Abgrenzungen I A. Begriff, Erscheinungsformen und Abgrenzungen I. Begriff des Mobbings - kein gesetzlicher Begriff - Definition in der Literatur: „Systematisches, über längere Zeit andauerndes und ohne begründeten Anlass erfolgendes Ausgrenzen eines Gruppenmitglieds durch die eigene Gruppe oder einzelne von deren Mitgliedern.“ (Praxiskommentar Streiff/von Kaenel, N17 zu Art. 328 OR)

- Definition des Bundesgerichts: „Systematisches, feindliches, über einen längeren Zeitraum anhaltendes Verhalten, mit dem eine Person an ihrem Arbeitsplatz isoliert, ausgegrenzt oder gar von ihrem Arbeitsplatz entfernt werden soll.“ (z.B. in BGE 8C_446/2010 vom 25.1.2011 E.4.1) - Bossing

II. Erscheinungsformen III. Abgrenzungen

B. Schutzpflichten des Arbeitgebers - Rechtsgrundlage: Art B. Schutzpflichten des Arbeitgebers - Rechtsgrundlage: Art. 328 OR (Fürsorgepflicht) - Unterlassen von eigenem Mobbing (inkl. Organpersonen, Art. 55 ZGB) - Schutz vor Mobbing durch Vorgesetzte und Mitarbeiter z.B. durch Schlichtungsbemühungen z.B. durch Verhaltensregeln/Weisungen z.B. durch Versetzungen z.B. durch Kündigung (ordentlich/fristlos)

Exkurs: Konfliktlösungsbemühungen (BGE 125 III 70 E.2.c, BGE 4A_158/2010 vom 22.6.2010 E.3.2.) - Sonderfrage: Darf dem Mobbingopfer nach erfolglosen Schlichtungsbemühungen gekündigt werden?

C. Rechtsansprüche des Mobbingopfers - Art. 28a ZGB Schadenersatz/Genugtuung (aus Vertrag: Art. 97 i.V.m. Art. 328 OR, Art. 99 Abs. 3 i.V.m. Art. 47 und 49 OR; aus Delikt: Art. 41, 47 und 49 OR). - Schutz gegen missbräuchliche Kündigung (Art. 336 OR)

Einstellung der Arbeit unter Aufrechterhaltung des Lohnanspruchs (Art. 324 OR, Arbeitgeberverzug) - in schweren Fällen: fristlose Kündigung - pro memoria: Strafrecht, Aufsichtsrecht   - gegen Mobbingtäter (wenn nicht Arbeitgeber): Art. 41 OR

Probleme der Rechtsdurchsetzung - kein Bestandesschutz - Hilfspersonenhaftung des Arbeitgebers? - Beweisfragen

E. Fallbeispiele aus der neueren Gerichtspraxis

F. Exkurs: Whistleblowing I. Das Phänomen II. Aktuelle Fälle III. Rechtliche Problemfelder Strafrecht, insbesondere das Korruptionsstrafrecht Bankenrecht Börsenrecht Wettbewerbsrecht Kartellrecht

Gesellschaftsrecht Arbeitsrecht, einschliesslich öffentliches Dienstrecht Datenschutzrecht öffentliches Vergaberecht weiteres öffentliches Recht Persönlichkeitsrecht Auswirkungen ergeben sich auch auf die unternehmerisch bedeutsamen Bereiche der Rechnungslegung und Compliance.

IV. Schutz des Whistleblowers im Arbeitsprivatrecht I. de lege lata Art. 328 OR (Schutz der Persönlichkeit des Arbeitnehmers) Art. 28 ff. ZGB (Allgemeiner Persönlichkeitsschutz) Art. 336 ff. OR, Art. 2 ZGB (missbräuchliche Kündigung) Art. 5 Abs. 2 und 4 und Art. 10 GlG (Kündigungsschutz nach Gleichstellungsgesetz)

II de lege feranda Vorentwurf des Bundesrates (aktueller Stand: www.bj.admin.ch)

Neu: Art. 321abis Meldung von Missständen 1 Der Arbeitnehmer verstösst nicht gegen seine Treuepflicht, wenn er dem Arbeitgeber in Treu und Glauben Missstände meldet. 2 Der Arbeitnehmer darf Missstände, die das öffentliche Interesse berühren, auch der zuständigen Behörde melden, sofern:

der Arbeitgeber nicht selber innert angemessener Frist wirksame Massnahmen dagegen ergreift; aufgrund der Umstände anzunehmen ist, dass der Arbeitgeber keine wirksamen Massnahmen ergreifen wird; c. die Verfolgung der Taten andernfalls vereitelt werden könnte, d. Gefahr im Verzug ist.

3 Unternimmt die zuständige Behörde nicht innert angemessener Frist die nötigen Schritte oder ist aufgrund besonderer Umstände anzunehmen, dass sie nichts unternehmen wird, so kann der Arbeitnehmer auch die Öffentlichkeit über die Missstände informieren, namentlich indem er sich an die Medien oder interessierte Organisationen wendet. 4 Bestimmungen über das Berufsgeheimnis sowie in Spezialgesetzen bleiben vorbehalten.

Art. 336 Abs. 2 Bst. d 2 Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ist im Weiteren missbräuchlich, wenn sie ausgesprochen wird: d. weil eine Meldung nach Artikel 321abis gemacht worden ist.

Art. 362 Abs. 1 Durch Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag darf von den folgenden Vorschriften zuungunsten der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers nicht abgewichen werden: Artikel 321abis Absätze 2 und 3 (Meldung von Missständen)

Stand des Gesetzgebungsprojekts