Prof. Dr. Günther Hönn § 1 Einführungsfall (Headhunter) und Überblick über das Lauterkeitsrecht Einführungsfall (Headhunter) Überblick über das Lauterkeitsrecht.

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Prof. Dr. Günther Hönn § 1 Einführungsfall (Headhunter) und Überblick über das Lauterkeitsrecht Einführungsfall (Headhunter) Überblick über das Lauterkeitsrecht

I. Einführungsfall (Headhunter) A beliefert gewerbliche Abnehmer mit Computer-Hard- und – Software und beschäftigt zu diesem Zweck hoch qualifizierte Mitarbeiter, die er laufend weiter schult. B betreibt als selbständiger Unternehmer die Suche und Vermittlung von Führungskräften. Aufgrund eines Auftrags des Unternehmens U war B auf der Suche nach entsprechenden Fach- und Führungskräften. Zu diesem Zweck nahm er zu der Projektleiterin P durch Telefonanruf an ihrem Arbeitsplatz in der Firma A Kontakt auf. In dem wenige Minuten dauernden Telefongespräch stellte sich B kurz als Personalberater vor, informierte über den ihm erteilten Auftrag zur Suche einer Führungskraft für das mit der A im Wettbewerb stehende Unternehmen U , umschrieb knapp die zur Debatte stehende Position und bat die P im Falle ihres Interesses um ein Gespräch außerhalb der Firma A und ggf. auch um die Benennung in Frage kommender Kollegen. Als die P ihr Desinteresse an weiteren Kontakten äußerte, entschuldigte sich B für die Störung und beendete das Gespräch. P informierte ihren Arbeitgeber über das Gespräch, weil sie das Verhalten des B bei längerem Nachdenken als doch etwas seltsam empfand.   Fall nach BGHZ 158, 174 = NJW 2004, 2080 – Direktansprache am Arbeitsplatz

Zur Falllösung: A gegen B in der Vorlesung Beginn mit Anspruch A gegen B auf Unterlassung Anspruchsgrundlage § 8 I, II Nr. 1 UWG i.V. mit § 3 I UWG 1. zunächst: Verstößt Telefonat als solches gegen Wettbewerbsrecht? § 3 I UWG als Ausgangspunkt (§ 3 II, III UWG hier nicht relevant) geschäftliche Handlung unlauter? Begriff der Unlauterkeit (Generalklausel) § 4 Nr. 10? Mitbewerber von B (A? § 2 I Nr. 3) Behinderung? gezielt? Bewertung (Argumentation) ! Ergebnis: nicht unlauter § 7 I 1 UWG unzumutbare Belästigung? § 7 I 2 § 7 II Nr. 2? Belästigung? des A? der P? auf P kommt es zumindest auch an P ist nicht Verbraucher P mutmaßlich einverstanden

2. nunmehr: Verstößt Ausforschung gegen Wettbewerbsrecht?   a. §§ 3, 4 Nr. 10: wie oben, unlauter? Ja! spürbar? (§ 3 I !)? Verstoß gegen § 3 I ja In der Vorlesung zurück zu § 8 I, III Nr. 1 UWG: Wiederholungsgefahr? Ja Anspruchsberechtigung? Ja Ergebnis: Anspruch A gegen B auf Unterlassung ist gegeben hinsichtlich Ausforschung § 7 wie oben, aber P mutmaßlich einverstanden. Ergebnis: hiernach kein Verstoß Gesamtergebnis: Ausforschung verstößt gegen § 3 UWG, kurze Nachfrage nicht!

Prof. Dr. Günther Hönn § 1 Einführungsfall (Headhunter) und Überblick über das Lauterkeitsrecht Einführungsfall (Headhunter) Überblick über das Lauterkeitsrecht Stand 17. 4. 2013

1. Zweck vgl. Wortlaut von § 1 UWG

2. Gegenstandsbereich anständiges Verhalten von Unternehmen im Wettbewerb einschließlich Freiberufler und öff.-rechtl. Unternehmen, nicht: Verbraucher, Arbeitnehmer; ein „Foul“ soll unterbleiben: Verhalten, das den anständigen Gepflogenheiten in Handel, Gewerbe, Handwerk oder selbständiger beruflicher Tätigkeit zuwiderläuft Abgrenzung zum deliktischen Verhalten Speziell geregelter Fall des § 826 BGB (Schutz des Vermögens) Soweit UWG anwendbar ist, ist der Rückgriff auf § 823 I BGB unter dem Blickwinkel des Eingriffs in den Gewerbebetrieb wegen Spezialität des UWG verschlossen Beispiel BGHZ 3, 270 – Constanze § 826 BGB bleibt aber anwendbar (Verjährung!) b. Abgrenzung zum gewerblichem Rechtsschutz und Urheberrecht Was dort erlaubt ist, z. B. Nachahmung bzw. Nutzung nach Ablauf einer Schutzfrist, ist nicht nach UWG verboten; erst bei zusätzlichen Unlauterkeitsaspekten kommt UWG zum Zuge c. Abgrenzung zum Kartellrecht: Manipulation soll unterbleiben!

3. Geltungsbereich Zunächst das Inland! Vgl. aber Kollisionsrecht, IPR; inzwischen europarechtlich vereinheitlicht durch Art. 6 I Rom II –VO (VO 864/2007 v. 11. 7. 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht – (Rom II), ABl. L 199 v. 31. 7. 2007, S. 40): Recht des Staates, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind oder wahrscheinlich beeinträchtigt werden. Vgl. auch Art. 40 EGBGB: modifiziert i.S. der Relevanz des „Marktorts“ = wo die Interessen der Mitbewerber aufeinander stoßen, i.d.R. dort, wo Einwirkung auf die Kunden stattfindet, evtl. Schwerpunkt der Handlung Problematik bei Online-Marketing, wo man nach weiteren Kriterien suchen muss Vgl. BGHZ 185, 66 – Ausschreibung in Bulgarien: auch wenn Handlung u.a. gegen inländ. Mitbewerber gerichtet (wurde zuvor anders gesehen!) es gilt bulgarisches Recht! Achtung: deutsches Kollisionsrecht nur bei Zuständigkeit deutschen Gerichts! vgl. insoweit § 32 ZPO und EuGGVO = sog. Brüssel I-VO (VO 44/2001 des Rates v. 22. 12. 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil und Handelssachen; ABl. L 12 v. 16. 1. 2001, S. 1)

4. Entwicklung UWG von 1909 mit Generalklausel mit Kriterium Sittenverstoß und breitem Verbotsbereich; Verbraucher als sehr schutzbedürftig angesehen, Unzulässigkeit vergleichender Werbung; Fallrecht ursprünglich nur Wettbewerberschutz, später zunehmend Schutz auch der Verbraucher UWG von 2004 bringt unter europäischem Einfluss deutliche Liberalisierung mit gesetzlich normierten Beispielen unlauteren Wettbewerbs Abstellen auf „Unlauterkeit“ als Kosmetik bzw. Anpassung an intern. Sprachgebrauch Seit dem 30. 12. 2008 gilt das UWG i. d. F. der 1. UWG-Novelle (dazu unten)

5. Europarechtliche Einflüsse a. Richtlinien (sie bilden Vorgaben für das UWG): Zur RL 2005/29/EG siehe unten § 3; nach Art. 19 II der RL ist diese ab 12. 12. 2007 anzuwenden: Voll-Harmonisierung!! Umsetzung erfolgte durch 1. UWG-Novelle mit Wirkung vom 30. 12. 2008! RL 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung v. 12. 12. 2006, ABl. Nr. L 376 v. 27. 12. 2006, S. 21  praktische Bedeutung: richtlinienkonforme Interpretation des UWG (dazu später)

Art. 34 ff. AEUV (28 ff. EGV) verbietet Einfuhrbeschränkungen zwischen b. Vorschriften über den Binnenmarkt  sie beschränken nationale gesetzliche Verbote, darunter das UWG heute für das (nach Europarecht umgestaltete) UWG von geringerer Bedeutung Art. 34 ff. AEUV (28 ff. EGV) verbietet Einfuhrbeschränkungen zwischen Mitgliedstaaten und „Maßnahmen gleicher Wirkung“ Anwendungsfall: EuGH NJW 1994, 1207 – Clinique: Entwicklung der Judikatur: EuGH Slg. 1974, S. 837 – Dassonville (Vorabentscheidungsverfahren in einer belg. Strafsache betr. Einfuhr von Whisky) Maßnahme gleicher Wirkung ist jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder prinzipiell zu behindern. EuGH Slg. 1979, S. 649 – Cassis de Dijon: Rechtfertigung über den Wortlaut des AEUV hinaus durch zwingende Erfordernisse steuerlicher Kontrolle, öffentlicher Gesundheit, Lauterkeit des Handelsverkehrs und Verbraucherschutz unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. EuGH NJW 1994, 781 – Hünermund: produktbezogene Beschränkungen/ Verkaufsmodalitäten

6. Verbraucherleitbild Wichtiger normativer Begriff zur Ermittlung der Unlauterkeit:  Liegt im konkreten Fall Irreführung oder Belästigung eines Verbrauchers vor?  parallele Fragestellung bei „Nicht-Verbrauchern“ Verbraucherleitbild wurde unter europäischem Einfluss liberalisiert und vereinheitlicht: vgl. nunmehr Art. 5 UGP-RL bzw. § 3 II UWG; vom besonders schutzbedürftigen zum durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher, der aber eventuell wieder besonderen Schutz braucht (!!)

Verständnisfragen zu § 1 der Vorlesung 1. Bei welchen Tatbestandsmerkmalen öffnen sich in § 3 Abs. 1 UWG Bewertungsspielräume ? Handlung Geschäftlich Interessenbeeinträchtigung Mitbewerber Verbraucher Spürbar Unlauter Eignung überall 2. M hat bei der Firma F am 30. 6. zum 31. 12. wirksam gekündigt; bis zu diesem Zeitpunkt unterliegt er einem wirksamen Wettbewerbsverbot. Die Firma G stellt M in Kenntnis dieser Umstände bereits zum 1. 8. ein. Verstößt G gegen § 3 UWG? nein 3. Kann ein bestimmtes Verhalten gleichzeitig gegen ein Verbot aus dem UWG und aus dem GWB verstoßen? ja 4. Welche Bedeutung haben die Art. 34 ff. AEUV für das Lauterkeitsrecht? Vorgaben für den Gesetzgeber, die aber heute umgesetzt sind 4. Wie verhält sich das UWG zu den §§ 823 ff. BGB? UWG als lex specialis; § 826 BGB bleibt anwendbar; § 823I BGB (Gewerbebetrieb) unanwendbar. 5. Ist das UWG ein Schutzgesetz für die Verbraucher? nein