„Methodologische Grundlagen qualitativer Sozialforschung“

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 Präsentation transkript:

„Methodologische Grundlagen qualitativer Sozialforschung“ Prof. Ute L. Fischer – Institut für Soziologie Qualitative Methoden Vorlesung „Methodologische Grundlagen qualitativer Sozialforschung“ VFischer09 Sommersemester 2009

Gliederung 1. Objektive Hermeneutik V11 Objektive Hermeneutik Gliederung 1. Objektive Hermeneutik 1.1 Hintergrund und theoretische Einordnung 1.2 Erhebungsinstrumente, Protokolle 1.3 Analyseprinzipien 1.4 Schritte der Analyse von Interviews 2. Zum nächsten Mal Ute Fischer 1.7.2009 2

1.1 Hintergrund und theoretische Einordnung V11 1. Objektive Hermeneutik 1.1 Hintergrund und theoretische Einordnung Entstehung: Bildungssoziologische Fragestellung konnte mit standardisierten Methoden nicht hinreichend erforscht werden Forschungsinteresse: innere Sinnlogik => objektive Motivierung der schichtspezifischen Sozialisation Konsequenz: Sozialisationsprozesse als Interaktionen in soziokultureller Lebenswelt analysieren -> Familienbeobachtungen Abgrenzung gegen 1. standardisierte Forschung: Sinnstrukturiertheit statt Merkmalsausprägungen zum Verständnis von Handeln 2. Subjektivismus: objektiver Sinn statt subjektive Sinnzuschreibung Ute Fischer 1.7.2009 3 3

1.1 Analyseebene: objektive Sinnstrukturen 1. Objektive Hermeneutik 1.1 Analyseebene: objektive Sinnstrukturen Erkenntnisebene: nicht beabsichtigte, sondern faktische Handlungen und Folgen in ihrer Bedeutung und Funktion für die Beteiligten Gegenstand: objektiviert in Ausdrucksgestalt, „Spuren“ (Protokoll) Annahme: Handeln folgt Regeln, wird durch Regeln objektiv erzeugt => objektive Bedeutungs- und Sinnstrukturen sind Analyseebene Zum Regelbegriff: unterscheide 1. universelle und epochal-, kultur-spezifische Regeln 2. konstitutive und regulative Regeln (Searle, Bsp. Schachspiel) Zum Sinnbegriff: unterscheide 1. objektiven von normativem Sinn (Bsp. Begrüßung) 2. objektiven von subjektivem Sinn Ute Fischer 1.7.2009 4 4

1.2 Erhebungsinstrumente, Protokolle V11 1. Objektive Hermeneutik 1.2 Erhebungsinstrumente, Protokolle nicht-standardisierte, natürliche oder wörtliche Protokolle über Interaktionen falls Interview: konfrontativ interviewen, damit Entscheidungen (als Sprechakte sowie als Berichte über Erlebtes) deutlich werden sowie Deutungsmuster zur Handlungsbegründung (nicht narratives Interview, da zu sehr Selbstpräsentation, nicht Leitfadeninterview, da zu starr) Dokumente von Objektivationen des Handelns (auch Architektur, Kunstwerke, Fotos, politische Reden, Parteiprogramme etc.) Grundsatz: Material muss vollständige Handlungsabläufe abbilden Zielpunkt: Sequenzialität des Handelns als Gegenstand der Analyse suche geeignetes Material für jeweilige Fragestellung! Ute Fischer 1.7.2009 5 5

1.3 Analyseprinzipien Analyseebenen: V11 1. Objektive Hermeneutik 1.3 Analyseprinzipien Analyseebenen: a) objektiver Sinn: Realität möglicher Lesarten b) subjektiv intentionaler Sinn: Deutungsmuster c) Fallstruktur: typische Handlungsentscheidungen und Begründung d) Genese der Fallstruktur: z.B. Subjektbildung Interpretationsregeln: 1. Selektivität erschließen: das Besondere als realisierte gegenüber den nicht realisierten Möglichkeiten 2. Sequenzialität: Interpretation folgt Ablauf des Handelns Ute Fischer 1.7.2009 6 6

1.3 Interpretationsregeln II V11 1. Objektive Hermeneutik 1.3 Interpretationsregeln II 3. Lesartenbildung: mögliche Bedeutungen der Interaktionssequenz ausloten oder Kontexte variieren => Spezifisches erkennen 4. Sparsamkeit und Wörtlichkeit: extensive Auslegung unter strenger Bezugnahme auf das Protokoll 5. Totalität: kein vorschnelles Aussortieren von Textstellen 6. innerer Kontext: kontextfreier Interpretationsbeginn, erste Ergebnisse werden dann zum inneren Kontext äußerer Kontext: Situierung der Interaktion in reale Begebenheit Welt- und Regelwissen: notwendig zur Auslegung 7. Interpretationsgruppe: möglichst viele Lesarten, Plausibilisierungszwang Ute Fischer 1.7.2009 7 7

1.3 Interpretationsregeln III V11 1. Objektive Hermeneutik 1.3 Interpretationsregeln III 8. Fallstrukturhypothesen: These über Reproduktionsgesetzlichkeit des Falles = innere Logik der Entscheidungen + gezielte Falsifikation 9. Strukturgeneralisierung: Am Besonderen des Falles Aufschluss über das Allgemeine gewinnen. Kontrastierungen helfen, Generalisierung zu überprüfen Ute Fischer 1.7.2009 8 8

1.4 Schritte der Analyse von Interviews 1. Objektive Hermeneutik 1.4 Schritte der Analyse von Interviews Bestimmung: Was ist der Fall? Wie lautet die Forschungsfrage? Interpretation der objektiven/biografischen Daten Ziel: Entscheidungen des Falles vor Hintergrund seiner Möglichkeiten analysieren => Fallstrukturhypothese Segmentierung des Interviews => Vorbereitung der Feinanalyse Analyse der Eingangssequenz => Interaktionsstruktur, „Motto“ a. pragmatische Rahmung: welches Handlungsproblem liegt vor? Welche Handlungsmöglichkeiten sind prinzipiell eröffnet? [b. Paraphrase der Bedeutung des Interaktes] c. Selektivität: Welche der möglichen Handlungen werden realisiert? d. Analyse der sprachlichen Äußerung e. Explikation der Motiviertheit Ute Fischer 1.7.2009 9 9

1.4 Analyseschritte II Analyse der Eingangssequenz (Forts.) V11 1. Objektive Hermeneutik 1.4 Analyseschritte II Analyse der Eingangssequenz (Forts.) f. Analyse der objektiven Bedeutung des Interakts und seine Folgen: ‚Geschichten erzählen‘ (in welche Situation passt Äußerung?) g. Lesarten bilden: In welchem Kontext ist Handlung sinnvoll? h. Einordnung in konkreten Kontext: Ausschluss von Lesarten i. gesamte Sequenz in Analyse einbeziehen j. Fallstrukturhypothese bilden: gemeinsames Strukturmuster der Entscheidungen der Gesamtsequenz? k. Strukturgeneralisierung mit Hilfe vorhandener Theorien Feinanalyse weiterer Sequenzen: Zur Vertiefung und Ausarbeitung der Charakteristik => synthetisierte Fallstrukturhypothese Falsifikationsversuche anhand weiterer Sequenzen und Fälle Ute Fischer 1.7.2009 10 10

Vorbereitung für die nächste Sitzung 2. Zum nächsten Mal Vorbereitung für die nächste Sitzung Diskursanalyse (Keller: Wissenssoziologische Diskursanalyse) mit Augenmerk auf: Bezugstheorie Diskursanalyse als Forschungsprogramm Methodische Umsetzungsmöglichkeiten Fragen zur Diskussion: Welche Sinnebene wird in der Analyse angezielt? Für welche Fragestellungen ist die Methode geeignet? Wie gelingt der methodische Anschluss an die wissenssoziologische Hermeneutik? Welche Gütekriterien werden an die Ergebnisse angelegt? Ute Fischer 1.7.2009 11 11