Akute (und chronische). inflammatorische. Polyradikuloneuropathien

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 Präsentation transkript:

Akute (und chronische). inflammatorische. Polyradikuloneuropathien Akute (und chronische) inflammatorische Polyradikuloneuropathien (Guillain Barré Syndrom) Gabriele Hoffmann

Übersicht 1. Einführung 2. Synonyme 3. Geschichtliches 4. Klassifikation 5. Ursachen 6. Symptome 7. Verlauf und Prognose 8. Diagnostik 9. Therapie 10. Varianten und Differentialdiagnosen 11. Fallbeispiele ? 12. Literatur

1. Einführung Das Guillain-Barré-Syndrom (GBS), auch Landry-Guillain-Barré-Strohl-Syndrom, ist ein neurologisches Krankheitsbild, das durch ein Polyradikulitis verursacht wird. Dabei handelt es sich um eine entzündliche Erkrankung der aus dem Rückenmark hervorgehenden Nervenwurzeln (Radikulitis) und der peripheren Nerven mit Lähmungserscheinungen, die typischerweise an den Beinen beginnen und sich bis zur Atemlähmung ausbreiten können. Ursache: wahrscheinlich eine autoimmune Zerstörung der isolierenden Myelinschicht Häufigkeit: in Deurtschland 1000 bis 1500 Erkrankungen jährlich

Drei Formen der Ausprägung: AIDP – akute entzündliche demyelinisierende Polyneuropathie (Ziel der Autoantikörper: Schwann-Zellen, peripheres Myelin) AMAN – akute Motor-Axonale Neuropathie (Ziel: motorische Axone) AMSAN – akute Motor-Sensorische axonale Neuropathie (Ziel: motorische/sensorische Axone)

2. Synonyme - Polyradikulitis Guillain-Barré - Idiopathische Polyradikuloneuropathie - Akute Inflammatorische (=entzündliche) Demyelinisierende Polyneuropathie Im deutschen Sprachraum häufig nur - Polyradikulitis Im angelsächsischen Sprachraum auch Akute Polyneuropathie (Radikuli Radikula?!)

3. Geschichtliches - Das GBS wurde als erstes bereits erwähnt 1859 von dem französischen Arzt Jean Landry Benannt ist das Syndrom nach den beiden französischen Ärzten Georges Charles Guillain (1876-1961) und Alexandre Barré (1880-1967), die es 1916 zusammen mit André Strohl an zwei Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg beschrieben und zum ersten Mal die charakteristische Eiweißvermehrung im Nervenwasser feststellten

4. Klassifikation der immunvermittelten Neuropathien Akut (Progredienz < 4 Wochen) Guillain-Barré Syndrom: AIDP (90%), AMAN (<10%), AMSAN (<1%) Miller-Fischer-Syndrom (1-5%) Andere Varianten: Polyneuritis cranialis, oropharyngeale V., sensibel-ataktisches GBS, akute Pandysautomatie, u. a. Subakut (Progredienz 4-8 Wochen) Subakute inflammatorische demyelinisierende Neuropathie Chronisch (Progredienz >8 Wochen) - Chronisch inflammatorische demyelinisierende Neuropathie

Anatomie

5. Ursachen - Die genaue Ursache des GBS ist unbekannt - Höchstwahrscheinlich immunpathologischer Mechanismus mit - Bildung von Autoantikörpern (IgG oder IgM) gegen - Ganglioside oder Myelin bzw. - Zellmembrane der Axone des peripheren Nervensystems Postuliert werden Mimikry, das sind molekulare Ähnlichkeiten Zwischen Antigenen, die im Rahmen viraler bzw. bakterieller Infektionen in den Körper gelangen - Und den Strukturen, die beim GBS angegriffen werden

bei zwei Drittel der Patienten lassen sich vorausgegangene virale oder bakterielle Infektionen nachweisen In 40% Infekte der oberen Luftwege In 20% Gastrointestinale Infektionen Nachweisbare Erreger: Campylobacter jejuni, Epstein-Barr-Virus, Zytomegalievirus, Varizella-zoster-virus, Mycoplasma-pneumoniae - Es gibt auch Fallbeispiele, wo GBS nach Insekten- oder Zeckenstichen, Schwangerschaften oder Operationen aufgetreten ist Auch Impfungen werden als Auslöser diskutiert, z.B. gegen Tollwut oder Influenza (deswegen wurde in den 1950er Jahren in den USA ein Grippeimpfstoff vom Markt genommen) Aktuell: Panvax® Impfstoff gegen „Schweinegrippe“ führt GBS als seltene Nebenwirkung des Impfstoffs auf

6. Symptome Motorische Symptome stehen im Vordergrund: Sich innerhalb weniger Tage rasch entwickelnde Schwäche mit kontinuierlicher Verschlechterung Nach längstens vier Wochen ist das Maximum der Erkrankung erreicht Typischerweise steigen die Lähmungen von den Beinen über Rumpf und Arme zum Kopf hin auf Die zuerst betroffenen Muskeln sind in der Regel schwerer beeinträchtigt als die später befallenen Üblicherweise symmetrische Schwächung oder Lähmung der Muskeln Problematisch: Lähmungen von Atem- und Schluckmuskulatur, die eine intensivmedizinische Therapie erfordern

Ausmaß der Lähmungserscheinungen ist sehr variabel, es reicht von kaum merkbaren Bewegungseinschränkungen bis zur vollständigen Lähmung des gesamten Körpers bei erhaltenem Bewusstsein MER nach einigen Tagen abgeschwächt bis erloschen - Bei 25 von 100 Betroffenen kommt es zur beatmungspflichtigen Atemlähmung In diesen Fällen treten oft Oneiroide auf, das sind komplexe Träume, während derer sich die Betroffenen als wach empfinden und die ihnen im Nachhinein noch sehr real erscheinen In bis zu 90 % mehr oder weniger ausgeprägte radikuläre neuralgiforme Muskelschmerzen häufig sensible Reizerscheinungen, rein sensible Formen sind selten Störung der Tiefensensiblität führt zur Stand- und Gangataxie

Hirnnervenbefall am ehesten in Form ein- oder beidseitiger Fazialisschwäche, selten Augenbewegungsstörungen, Hypoglossusparese, pharyngealer oder Kaumuskelschwäche (Polyneuritis cranialis) Wesentlich ist auch die Beteiligung des vegetativen Nervensystems mit Über- oder Unterfunktion des Sympathicus und Parasympathicus, Mögliche Symptome sind - schneller Anstieg oder Abfall des Blutdrucks - Tachycardie oder Bradycardie mit Frequenzstarre - Blasen- und Darmstörungen, z.B. paralytischer Ileus - vermehrtes Schwitzen

7. Verlauf und Prognose Die Erkrankung entwickelt sich über Tage und dauert Wochen bis Monate Krankheitsmaximum definitionsgemäß nach vier Wochen Zwei bis vier Wochen nach dem Höhepunkt beginnt die Rückbildung der Symptome, die sich über Monate und Jahre hinziehen kann Die meisten Patienten erholen sich gut, (Erkrankung tritt auch bei Kindern auf) Je ausgeprägter die Lähmungserscheinungen und je länger der Verlauf, umso schlechter die Prognose

Etwa 5 von 100 Patienten vers Etwa 5 von 100 Patienten versterben am GBS, meist durch Komplikationen des Kreislaufsystems z.B. durch reflektorischen Herzstillstand oder fulminante Lungenembolie bei tiefer Beinvenenthrombose Oder schwere Infektionen, meist beatmungsbezogene Pneumonie Bei 2 von 10 Patienten bleiben Funktionsstörungen zurück Rezidive sind selten Die Prognose der axonalen Verlaufsform ist ungünstiger, hier verbleiben oft mehr oder weniger ausgeprägt Lähmungen Etwa 5 von 100 Patienten vers

8. Diagnostik Nach der ersten Woche im Liquor cerebrospinalis typische Eiweissvermehrung bei normaler Zellzahl (Zytoalbuminäre Dissoziation) Die Nervenleitgeschwindigeit der peripheren Nerven ist deutlich vermindert Nachweis von Antikörpern gegen das Gangliosid GM1, bei Miller-Fisher-Syndrom gegen Gangliosid GQ1b Erregernachweis in Sputum oder Stuhl oder durch serologische Reaktion

9. Therapie Vollständige Heilung möglich bei rechtzeitiger Diagnosestellung! Bei leichteren Verlaufsformen prophylaktische Maßnahmen: Pneumonie-, Ulcus-, Thrombose- und Kontrakturprophylaxe Bei schwereren Fällen Immuntherapie: Gabe von Immunglobulinen 0,4 g/kg KG an 5 aufeinanderfolgenden Tagen alternativ 1 g/kg KG an 2 aufeinanderfolgenden Tagen Plasmapherese oder selektive Immunadsorption bei rasch fortschreitenden und schweren Verläufen möglich Kortikosteroide sind unwirksam

Symptomatische Therapie der autonomen Funktionsstörungen, z. B Symptomatische Therapie der autonomen Funktionsstörungen, z.B. der Blutdruckregulationsstörungen oder der Herzfrequenz Schmerzbehandlung Falls erforderlich Intubation und Beatmung: 15-30% der Erkrankten werden beatmungspflichtig, mittlere Beatmungsdauer 15-45 Tage - Im Anschluss Frührehabilitation B-Phase, später C-Phase

10. Varianten und Differentialdiagnosen Landry-Paralyse: sehr rapide fortschreitende Form, bei der innerhalb von wenigen Stunden eine Beatmung erforderlich wird Miller-Fisher-Syndrom: Ophthalmoplegie, Areflexie und Ataxie AMAN: akute motorische axonale Neuropathie AMSAN: akute sensomotorische axonale Neuropathie Chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyradikuloneuropathie (CIPD) ist im Anfangsstadium nicht vom GBS zu unterscheiden (Progredienz < 8 Wochen, Ansprechen auf Kortikosteroide)

Differentialdiagnosen - FSME-induzierte Polyradikulitis (mit Pleozytose) Toxinvermittelte Zeckenparalyse (tick paralysis, ohne Pleozytose) Flavivirale poliomyelitis-artige Erkrankungen (mit Pleozytose) Akute transverse Myelitis Diphterische Neuropathie Fulminante vaskulitische Neuropathie Critical Illness-Neuropathie HIV-Neuropathie Neuroborreliose Botulismus Poliomyelitis Entzündliche Myopathien

11. Fallbeispiele ? 12. Literatur Th. Brandt, J. Dichgans, H. Ch. Diener: Therapie und Verlauf neurologischer Erkrankungen DGN Leitlinien Wikpedia

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