Theorie I: Cleavages und Sozialstruktur

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Struktur Proseminar „Grundbegriffe der Soziologie“
Advertisements

Das Fach vereint Inhalte aus den Bezugswissenschaften
politischen System der EU
Drei gute Gründe eine Berufsausbildung zu haben
Berg-Schlosser : VL : Vergleichende Politikwissenschaft
Berg-Schlosser : VL : Vergleichende Politikwissenschaft Vergleichende Wertewandelforschung Wertewandel in den Industrienationen und zunehmend.
Aktuelle Situation zunehmende Internationalisierung, da sich ökonomische und ökologische, politische und soziale Entwicklungen in hohem Maße in weltweiten.
Modelle der Sozialstrukturanalyse
IB mit t&t Wintersemester 2004/05 1 Tutorien Mo.12-14Zeljo BranovicIhne 22/E2 Mo.12-14Silke LodeIhne 22/UG2 Mo.12-14Simon SottsasOEI 301 Di.14-16Harald.
Einführung in die Internationalen Beziehungen
Gewerkschaftliche Organisation
Vorlesung: Mediennutzung und Medienwirkung
Informationsveranstaltung für Diplomkulturwirte Allgemeine Hinweise Zur Diplomprüfung im Fach Politikwissenschaft Sophie Haring Lehrstuhl für Politikwissenschaft.
Barbara Wörndl Hochschule Merseburg (FH)
Soziale Ungleichheit im internationalen Vergleich
8. Sitzung: 26. Jun. 3. Schichten oder Milieus 4. Soziale Ungleichheit
Fragestellung „Soziale Ungleichheit“
Dahrendorfs „Hausmodell“
Modulforum „Christlicher Glaube in säkularer Gesellschaft“
Religionsbegriffe 1.) Unterscheidung zwischen menschlicher und göttlicher Sphäre: „Sorgfältige Verehrung der Götter“ (Cicero) „Wiederverbindung des Menschen.
Intersectionality ein neues Forschungsparadigma?
Definition Allgemeines, Historisches
Unterrichtsinhalte im Fach Geschichte/Oberstufe
Seminarplan: Sommersemester 2008
Definition: Anlage - Umwelt
Religion und Politik.
Der europäische Wirtschaftsraum
Akzeptierende Jugendarbeit mit rechtsextremen Jugendlichen
Akteursanalyse im umweltpolitischen Kontext Dr
Sozialpolitik.
Titelmasterformat durch Klicken bearbeiten ES GIBT UNS AUS GUTEM GRUND Leitbild des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde e. V.
Lebensgefühl und Wertorientierungen bei Jugendlichen in Deutschland Ergebnisse der Shell Jugendstudien 2002, 2006, 2010 Dr. Thomas Gensicke Senior.
Problem des Kaliningrad Gebietes nach der EU Osterweiterung Frolowa Maria Turkowa Olga Laletina Olga Frolowa Maria Turkowa Olga Laletina Olga.
Lagenmodelle.
Wahr oder Falsch? Richtig oder Unfug?
Kapitel 1 Einleitung Originale (englisch) von Iordanis Petsas
Parteien in der Bundesrepublik Deutschland
Zusammenhang zwischen Lebensqualität und Schulqualität
Übersicht: Grundlagen und Perspek-tiven der Soziologie
Demokratische Erneuerung.
Die Politik in Deutschland
Teil 3: Ideen und Träger im Wandel
Kandidatenanalyse der St. Galler Kantonsratswahlen
Einleitung Politische Ideen und ihre Träger Vorlesung WS 2000/2001 Institut für Politikwissenschaft Universität Bern, Andreas Ladner.
Struktur der kommunalen Elite Einleitung Frage Sozialstruktur der Exekutivmitglieder Theorie/Forschungsstand Hypothese Methoden Ergebnisse und Interpretation.
Stadt Weilburg Vielfalt tut gut – Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie und kompetent. für Demokratie – Beratungsnetzwerke gegen Rechtsextremismus.
Religiöse Vielfalt – Bedrohung oder Chance?
Deutschland Das Politische System
Konflikte. Enduring Freedom: r ealistischer und liberaler Ansätze Vorbereitet von Alexander Ermakov Natalia Davidova Nikita Födorov.
Transformationsforschung: Neoinstitutionalismus
Familienpolitik in Deutschland
Die Parteien & das Wahlverhalten Politische Wertorientierungen
Soziale Bewegungen – damals und heute
Präsentiert von Christian Meder und Michael Zynga
Schadensminderung im Justizvollzug Zusatzmodul: Gefangene aus ethnischen Minderheiten Training Criminal Justice Professionals in Harm Reduction Services.
Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte Sandra KlopschMartin Waltermann.
Advocacy Coalitions Carina Greil und Alena Lauchs.
Der Zukunft getreue Kämpfer? Die SPD zwischen Krise und Erneuerung Zweite Sitzung Siegen – 20. Mai 2006 Christian Krell, M.A. |
Dr. Petra Bendel Der Vergleich in der Politikwissenschaft für: Seminar „Migrationspolitiken in Europa“
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Sozialstruktur der Schweizer Lokalparteien Michael Sorg.
Parteienlandschaft Deutschland
VO G6 H. Gottweis - SoSe 2oo8: (6) Policy Lernen und Rational Choice VO G6: Einführung in die Politikfeldanalyse 6. Stunde am 25. Mai 2008:
Berg-Schlosser : VL : VergleichendePolitikwissenschaft
Berg-Schlosser : VL : Vergleichende Politikwissenschaft Vergleichende Demokratieforschung Entstehung und Verbreitung demokratischer Systeme eine.
Koalitionstheoretische Grundlagen
Umzüge versus Pendeln Referat 4. Oktober 2010 Dominique Braun.
Die klassischen Methoden der historisch-vergleichenden Forschung Universität Zürich Soziologisches Institut Seminar: Methoden des internationalen Vergleichs.
Wandel städtischer Strukturen unter dem Einfluss der Tertiärisierung
Herzlich Willkommen zur 5
 Präsentation transkript:

Theorie I: Cleavages und Sozialstruktur Thomas Behm Lisa Börnecke, Nils Düpont, Christian Rehmer, Katrin Schröder, Theresia Smolka, Matthias Stiel, Markus Unbenannt

Inhalt: Schicht/Lage/Milieu Lazarsfeld Michigan-School Cleavage-Theorie Kritik Fragen

Theoretische Erklärungsansätze für Wahlverhalten man braucht ein theoretisches Fundament für empirische Arbeiten es gibt ABER nicht die Theorie des Wahlverhaltens  da es auch nicht die Theorie des menschlichen Verhalten gib um Wahlverhalten zu erklären muss man mehrere Einflussfaktoren berücksichtigen: kurz- und langfristige, emotionale, rationale und unbewusste drei unterschiedliche Ansätze: das soziologische Modell sozialpsychologisches Erklärungsmodell das Model des rationalen Wählers

Schicht/Lage/Milieu I „Gesamtheit der relativ dauerhaften Grundlagen und Handlungszusammenhänge in den sozialen Beziehungen und sozialen Gebilden (Gruppen, Institutionen und Organisationen) einer Gesellschaft.“ (Bernhard Schäfers)

Schicht/Lage/Milieu II Soziale Schicht: Ähnliche äußere Lebensbedingungen: Beruf, Einkommen, Besitz, Einfluss, Prestige, Qualifikation Ähnliche innere (psychische) Merkmale: ähnliche Lebensbedingungen→ ähnliche Erfahrungen → ähnliche Mentalitäten, Verhaltensweisen, Lebensstile (nicht deterministisch, aber typisch/wahrscheinlicher)

Schicht/Lage/Milieu III

Schicht/Lage/Milieu IV Soziale Lagen: Schicht hieß vertikale Betrachtungsweise (oben/unten) Bei Untersuchungen zu den sozialen Lagen wurde hingegen versucht horizontale Ungleichheiten (Geschlecht, Alter, Religion, Familienstand) mit vertikalen Einordnungen zu koppeln, um vor allem Wohlfahrt zu messen Problem: Unübersichtlichkeit, vieldimensionale Modelle

Schicht/Lage/Milieu V Soziale Milieus: Kritik am Schichtmodell: Nicht von Lebensbedingungen auf Verhaltensweisen schließen Stattdessen Wertorientierung, Lebensstile → soziale Gruppen Leistung: differenziertes Aufzeigen kultureller Vielfalt; es lassen sich mehrere Milieus innerhalb einer Schicht ausmachen Sub- kulturelle Einheiten Arbeit, Freizeit, Konsum Zukunfts-perspek-tive Politische Überzeu-gungen Lebens-stil Familie, Partner-schaft

Schicht/Lage/Milieu VI

Schicht/Lage/Milieu VIII Entstrukturierungsthese: Auflösung schichttypischer Merkmale Identifikation mit Schichten geht verloren Schicht = dynamisch, mobil plural: schichttypische Lebenschancen Schichten lassen sich schwerer erkennen, aber sie sind vorhanden

Lazarsfeld I jeder Mensch ist in mehrere soziale Kreise eingebunden: Familie, Beruf, Freunde, usw. Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Gruppen erzeugt politisch homogenes Verhalten (bei Wechselwählern wie Konstanten) Änderung des Wahlverhaltens erfolgte (meistens) in die Richtung der pol. Prädisposition des sozialen Umfelds

Lazarsfeld II Index der pol. Prädisposition  Kombination von drei Charakteristika: a) sozioökonomischer Status b) Religionszugehörigkeit c) Wohngegend Der Wähler versucht sein soziales Umfeld homogen zu halten Politische Informationen werden nur selektiv wahrgenommen

Lazarsfeld III in der modernen Gesellschaft finden sich homogene soziale Kreise selten cross pressure dies führt zur Wahlenthaltung, Verzögerung der Wahlentscheidung, Rückgang des politischen Interesses Kritik: die Autoren bieten keine Erklärung für ihre Beobachtungen an

Michigan-School I Sozialpsychologisches Erklärungsmodell: Individuum steht stärker im Mittelpunkt Determinanten-Trias: Parteienidentifikation (PID), Kandidatenorientierung, Sachthemen (issues)

Michigan-School II

Michigan-School III PID überträgt sich von den Eltern auf die Kinder, wird im Alter stabiler und intensiver PID wird unmittelbar vor der Wahl von kurzfristigen Einflüssen beeinflusst von Kandidaten- Issueorientierung PID wirkt aber auch als ein Filter bei Kandidaten- und Issueorientierung

Michigan-School IV Issues haben nur dann Einfluss wenn: vom Wähler wahrgenommen als wichtig erachtet werden Wähler muss eine pos. oder neg. Präferenz haben und dies einer Partei zuordnen können Normalwahl: Kandidaten- und Issueorientierung sowie PID deckungsgleich Kritik: Gewichtung der 3 Einflussfaktoren und das Konzept der Parteienindentifikation

Michigan-School V

Cleavage-Theorie I Cleavage-Ansatz geht auf die Norweger Seymour Lipset und Stein Rokkan zurück Aufsatz: „Party System and Voter Alignments“ von 1967 Makrosoziologischer Ansatz Zusammenhang zwischen der Sozialstruktur und dem Wahlverhalten auf der Makroebene Von Bedeutung, welche Rolle Cleavages bei der Wahlentscheidung spielen

Cleavage-Theorie II Cleavages sind „grundlegende, in der Struktur einer Gesellschaft verankerte Konfliktlinien“ Merkmale von Cleavages: Etliche soziale Konflikte (Gender-, Generationenkonflikt) erfüllen diese Bedingungen nicht oder nur zum Teil und sind daher keine Cleavages Verankerung Dauerhaftigkeit Trägergruppen kollektive Akteure Koalition Ideologie

Kulturelle Mehrheit - Minderheit Cleavage-Theorie III Zentrum Kapital - Arbeit Staat - Kirche Stadt - Land Kulturelle Mehrheit - Minderheit Wirtschaft Kultur Peripherie

Cleavage-Theorie IV Cleavages Historische Phase Sachfrage Parteifamilie Zentrum vs. Peripherie Reformation- Gegenreformation; 16.-17. Jahrhundert Nationale vs. Supranationale Religion Parteien auf ethnischer und sprachlicher Basis Staat vs. Kirche Nationale Revolution; 1789 und später Staatliche vs. kirchliche Kontrolle über das Bildungssystem religiöse Parteien Land vs. Stadt Industrielle Revolution; 19. Jahrhundert Preisniveau für Agrarprodukte; Kontrolle vs. Freiheit für Industrieunternehmen Bauernparteien; konservative vs. liberale Parteien Kapital vs. Arbeit Russische Revolution; 1917-1991 Integration in das nationale politische System vs. Verbundenheit mit der internationalen revolutionären Bewegung sozialistische und kommunistische Parteien Materialismus vs. Post- Materialismus Studentenrevolution; Wohlfahrtsstaat und Bildungsexpansion; 1968 und später materialistische Werte der Existenzschaffung vs. post- materialistische u. ökologische Werte der Existenzsicherung ökologische und Bürgerrechts- parteien

Cleavage-Theorie V Vier Schwellen sind maßgeblich für die Übersetzung von Cleavages in Parteiensysteme: Je höher die Schwellen, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass entstehende Cleavages zur Gründung einer neuen Partei führen „Freezing-Hypothese“: Die Ende des Ersten Weltkriegs vorhandenen gesellschaftlichen Konfliktstrukturen wurden eingefroren und die sie abbildenden Parteiensysteme blieben bis in die späten 60er Jahre konstant Legitimation Inkorporation Repräsentation Macht der Mehrheit

Cleavage-Theorie VI Cleavages Relevanz in Deutschland Parteien Zentrum vs. Peripherie Irrelevant BP, DP, (CSU) Staat vs. Kirche Relevant: Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Zunächst konfessioneller Konflikt Seit 1949 abnehmende Bedeutung Zentrum, CDU/CSU vs. SPD, Liberale Land vs. Stadt (DNVP) Kapital vs. Arbeit Dominantes Cleavage seit Ende des 19. Jahrhunderts Höhepunkt in der Weimarer Republik SPD, KPD, Linke vs. Konservative, Liberale Materialismus vs. Post-Materialismus Seit 70er Jahre Grüne vs. ?

Diskussionsfragen Ist das Konzept der sozialen Schicht/Lage/Milieu ein mikro- oder makrosoziologischer Ansatz? Inwieweit haben soziale Kreise noch einen Einfluss auf unser Wahlverhalten? Verliert der Kausalitätstrichter an Erklärungskraft, da auch die PI in den letzten Jahrzehnten stark abgenommen hat? Welchen Konflikt beinhaltet das Cleavage Kapital- Arbeit? Handelt es sich beim „Cleavage Materialismus - Postmaterialismus“ wirklich um ein Cleavage? Wenn ja, wie relevant ist es in Deutschland?