Unterschiedliche Weltsichten der Internationalen Beziehungen: die Ontologie einer Wissenschaft.

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Neorealismus: Literatur
Advertisements

3 Sitzung IB Essay-Tutorium Neorealismus NACH KENNETH WALTZ.
3 Sitzung IB Essay-Tutorium Neorealismus NACH KENNETH WALTZ.
IB mit t&t Wintersemester 2004/05 1 Tutorien Mo.12-14Zeljo BranovicIhne 22/E2 Mo.12-14Silke LodeIhne 22/UG2 Mo.12-14Simon SottsasOEI 301 Di.14-16Harald.
Einführung in die Internationalen Beziehungen
Einführung in die Internationalen Beziehungen
Einführung in die Internationalen Beziehungen
IB mit t&t Wintersemester 2004/05 1 Einführung in die Internationalen Beziehungen Internationale Beziehungen und Internationale Politik Internationale.
Einführung in die Internationalen Beziehungen
Einführung in die Internationalen Beziehungen
Das autobiographisch – narrative Interview
Theoretische Grundlagen von den Internationalen Beziehungen
Internationalen Beziehungen. Ein einführender Überblick.
GRUNDKURS III Einführung in die politikwissenschaftliche Teildisziplin Internationale Beziehungen.
Die wissenschaftstheoretische Grundtriade
GRUNDBEGRIFFE UND GRUNDPERSPEKTIVEN INTERNATIONALER BEZIEHUNGEN
Weltordnung, Frieden und Krieg
Theoretische Grundlagen von den Internationalen Beziehungen
SS 06 GK III 11.Sitzung Strukturen I: Klassische Handlungsmilieus der internationalen Beziehungen - Internationale Anarchie, Internationale Staatengesellschaft.
Ohne Krieg ist der Frieden nicht zu denken ??
Weltordnung, Frieden und Krieg
Inhalt Was sind und warum beschäftigen wir uns mit Theorien?
Fallstudie: die Erste Grosse Debatte zwischen Idealismus und Realismus
Friedenstheorien: Idealismus. Diese Datei ist ab sofort downloadbar von unserer Website Doppeldiplom/aktuelles.html.
Weltordnung, Frieden und Krieg Friedenstheorien: Realismus & Co
Internationale Politik
Begriffe und Funktionen von „Theorie“
Fallstudie: die Erste Grosse Debatte zwischen Idealismus und Realismus
Die wissenschaftstheoretische Grundtriade
Prof. Dr. Dr. h.c Reinhard Meyers
GK III Internationale Politik
Begriffe und Funktionen von „Theorie“
WAS WILL WISSENSCHAFT? - Sagen: Was WIE ist
Qualitative Forschung
Diskussion Dezimalklassifikation - Expertendiskussion Seminar I-Prax: Inhaltserschließung visueller Medien, Spree WS 2006/76 Diskusion Woran.
Akteursanalyse im umweltpolitischen Kontext Dr
Theorie Was ist das? Gedankliches möglichst konsistentes Bild oder Modell der (sozialen, politischen) Realität System beschreibender und erklärender Aussage.
Theorien über Massenvernichtungswaffen
Problem des Kaliningrad Gebietes nach der EU Osterweiterung Frolowa Maria Turkowa Olga Laletina Olga Frolowa Maria Turkowa Olga Laletina Olga.
The Crisis of Democracy
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Theorien, Methoden, Modelle und Praxis
EINFÜHRUNG IN DIE INTERNATIONALE POLITIK Univ. Prof
EMPIRISCH- KRITISCH- HISTORISCHER ANSATZ
Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer 3. TOP-Seminar für Abteilungsleiter Moderne Staatsführung – Good Governance 31.1./
Dr. Nicole Gallina Einführung in die Politikwissenschaft Sitzung vom 21.9.
Dr. Nicole Gallina Einführung in die Politikwissenschaft
Politisches System Schweiz
Einführung in die INTEGRATIONSTHEORIEN
Ethische Aspekte in der internationalen Politik

Konflikte. Enduring Freedom: r ealistischer und liberaler Ansätze Vorbereitet von Alexander Ermakov Natalia Davidova Nikita Födorov.
Zagorski, Vertiefungsseminar: Europäische Sicherheit Russland im System Europäischer Sicherheit.
Theorien der Internationalen Beziehungen
Aktualität und Geschichte von politischer Theorie und Ideengeschichte 01. April 2008.
Kriegsursachen im historischen Kontext Prof. Dr. Lars-Erik Cederman
Kriegsursachen im historischen Kontext Prof. Dr. Lars-Erik Cederman
Referat „Soziale Wandel“
Die nächste Nato-Osterweiterung: Stand der internationalen Diskussion
Wissenschaftstheorie
Dr. Petra Bendel Vorlesung: Einführung in die Politische Wissenschaft Vorlesungsteil Internationale Politik II: Empirischer.
Berg-Schlosser : VL : Vergleichende Politikwissenschaft Kritischer Rückblick, Perspektiven Themen : Stellenwert der Vergleichenden Politikwissenschaft.
Einführung in die Internationalen Beziehungen
Grundlagen der Internationalen Beziehungen
Einführung in die Internationalen Beziehungen
Konfliktforschung I: Kriegsursachen im historischen Kontext
Tutorium Inhalte heute  Organisatorisches  Einführung in postmoderne Ansätze in den Internationalen Beziehungen.
Das Fach „Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde“ stellt sich vor
Die klassischen Methoden der historisch-vergleichenden Forschung Universität Zürich Soziologisches Institut Seminar: Methoden des internationalen Vergleichs.
Theorien der Internationalen Beziehungen (Denkschulen)
 Präsentation transkript:

Unterschiedliche Weltsichten der Internationalen Beziehungen: die Ontologie einer Wissenschaft

Repetitio mater scholarum… Die wissenschaftstheoretische Grundtriade ERKENNTNISINTERESSEFRAGESTELLUNG SICHT bzw. DEFINITION DES (ERKENNTNIS-)GEGENSTANDES

Die wissenschaftstheoretische Grundtriade II Theoretische WeltsichtFRAGESTELLUNG SICHT bzw. DEFINITION DES (ERKENNTNIS-)GEGENSTANDES

Noch einmal: Funktionen von Theorie System logisch zusammenhängender Aus- sagen, die systematisches und (in Grenzen) generalisierbares Wissen ermöglichen Reduktion komplexer Sachverhalte (oder besser: von komplexen Aussagen über solche Sachverhalte) auf einsehbare Zusammenhänge

Beispiel für Komplexitätsreduktion: Die Genese der Vorstellung vom Staat als eines einheitlichen internationalen Akteurs im Billardballmodell der internat. Politik – oder: das Sinnbild der harten Schale So gehts natürlich auch…

Billiard-Ball-Modell Internationaler Politik Pulling forces Pushing forces

Der neuzeitliche Territorialstaat- Substrat des realistischen Billard-Ball-Modells der Internationalen Politik Prämisse:Legitimation des Staates durch Garantie von Sicherheit und Rechtsfrieden im Binnen- und Schutz vor (militärischen) Angriffen im Außenverhältnis Faktoren des Wandels: Entwicklung der Produktivkräfte und der Destruktionsmittel mittelalterlicher Ausgangspunkt Mauergeschützte Undurchdringbarkeit Flächenstaat: harte Schale von Festungen rings um die Peripherie bei gleichzeitiger Aufhebung der Unabhängigkeit befestigter Plätze im Landesinnern durch die Zentralgewalt Schiesspulverrevolution des späten Mittelalters: Entwicklung der Artillerie und der Distanzwaffen hebt auf Festungsgeschützte Undurchdringbarkeit Äußerungsformen strategisch Militärmacht politisch Unabhängigkeit rechtlich Souveränität Moderner Staat: Im Inneren befriedete und nach aussen durch ihre harte Schale verteidigungsfähige Einheit mit (physischem) Gewaltmonopol militärisch-politisch-rechtlich abgestützte Undurchdringbarkeit Voraussetzung: Verbleib der (Land- und See) Krieg-führung in der Horizontalen Luftkrieg: insbesondere ballistische Trägersysteme und nukleare Massenvernichtungswaffen hebt auf

The Maginot Line

Maginot Line: Military marvel, major miscalculation

Internationale Politik Gesellschaft A Akteur A Gesellschaft B Akteur B IGO Aussenpolitik A Aussenpolitik B Internationale Politik

Internationale Politik Staat /Akteur A Staat /Akteur C Staat /Akteur B Aktion Reaktion Aktion Reaktion Aktion Reaktion Aktion Reaktion Aktion Reaktion Aktion Reaktion

Großtheorien internationaler Beziehungen Die Entwicklung der Lehre von den Internationalen Beziehungen hat - in Reaktion auf außerwissenschaftliche, politisch- gesellschaftliche Krisenphänomene - eine Reihe unterschiedlicher Großtheorien internationaler Beziehungen gezeitigt, die die Phänomene der internationalen Politik mit je unterschiedlichem Erkenntnisinteresse und davon abhängiger Fragestellung auf der Grundlage je verschiedener anthropologischer, ethisch- normativer und methodischer Vorverständnisse zu erfassen suchen. Diese Großtheorien differieren im Blick auf ihre ontologischen, d.h. die Natur des Erkenntnisgegenstandes betreffenden Grundannahmen:

Grosstheorien internationaler Beziehungen (II) sie formulieren unterschiedliche Prämissen und Annahmen über die Beschaffenheit, Qualität und Struktur des internationalen Milieus, d.h. des Handlungs(um)feldes internationaler Akteure; über Beschaffenheit, Qualität und Charakter der in diesem Handlungs(um)feld (überwiegend) handelnden Einheiten, d.h. der internationalen Akteure selbst; über die von diesen verfolgten Interessen und Ziele sowie über die Mittel, die zur Verwirklichung dieser Interessen und Ziele gemeinhin eingesetzt werden.

Die Wissenschaftsgeschichte der IB als Abfolge von Debatten zwischen Grosstheorien Gemeinhin wird die Entwicklung der IB-Theorie als eine Abfolge von Debatten zwischen verschiedenen Grosstheorien dargestellt: Erste Debatte: Idealismus versus Realismus Zweite Debatte: Traditionalismus versus Scientismus oder Realismus versus Behavioralismus Dritte Debatte: Interparadigmadebatte zwischen Liberalismus, Realismus, und radikalen IB-Theorien Vierte Debatte: Rationalisten versus Reflektivisten oder Positivisten versus Post-Positivisten Problem: jede Grosstheorie ist reduktionistisch und essentia- listisch – aber in je unterschiedlichem Masse. Man könnte sie mit K.J.Holsti mit unterschiedlich eingefärbten Sonnenbrillen vergleichen, die dem Träger nur jene Phänomene zu sehen erlauben, die von der jew. Grosstheorie für relevant gehalten werden.

Das methodologisch-ontologische Bezugsfeld Wiederholung REALISMUS NEOREALISMUS TRADITIONALISMUS qualitativ, historisch- hermeneutisch SZIENTISMUS quantitativ, empirisch- nomologisch IDEALISMUS Spinnweb-Modell internationaler Politik GLOBALISMUS, REGIME-ANSÄTZE Billard-Ball-Modell internationaler Politik

Theorienkonkurrenz, nicht Theorienwechsel Jede Großtheorie zeichnet ein für sie charakteristisches Weltbild internationaler Beziehungen; Großtheorien und wissenschaftliche Weltbilder konkurrieren miteinander, ohne daß letztlich entschieden werden kann, welche dieser Großtheorien und Weltbilder die (einzig) richtige Deutung der internationalen Wirklichkeit darstellt. Denn dazu würde die Wissenschaft einen archimedischen Punkt über und außerhalb der Konkurrenz ihrer Großtheorien - oder gleichsam eine Meta-Großtheorie - benötigen, die es erlaubte, Kriterien für die Wahrheit oder Falschheit jener Prämissen zu etablieren, auf die die einzelnen Großtheorien ihre Aussagen zurückführen. Ein solcher archimedischer Punkt ist gegenwärtig nicht in Sicht!

Großtheorie AkteurMilieuStrukturprinzip Realismus Nationalstaat Staatenwelt als anarchischer (Natur-) Zustand vertikale Segmentierung, unlimitiertes Nullsummenspiel um Macht, Einfluss, Ressourcen Englische Schule (auch: Pluralismus genannt) Staatenwelt als rechtlich verfasste internationale Staatengesellschaft vertikale Segmentierung, durch Norm und Übereinkunft geregeltes Nullsummenspiel Idealismus IndividuumWeltgesellschaft als internationale Gesellschaft der Individuen universalistische Verfassung GROßTHEORIEN INTERNATIONALER BEZIEHUNGEN

GroßtheorieAkteurMilieuStrukturprinzip Interdependenz- orientierter Globalismus individuelle oder gesellschaftliche Akteure transnationale Gesellschaft funktionale, grenzübergreifende Vernetzung Imperialismus- theorien individuelle oder gesellschaftliche Akteure, die Klasseninteressen vertreten internationale Klassengesellschaft gesellschaftlich: horizontale grenzübergreifende Schichtung; (macht-)politisch: vertikale Segmentierung der imperialistischen Konkurrenten Dependenzorientier ter Globalismus: Dependenztheorien und Theorien des kapitalistischen Weltsystems gesellschaftliche und nationalstaatliche Akteure, die Klasseninteressen vertreten kapitalistisches Weltsystem als Schichtungssystem von Metropolen und Peripherien horizontale Schichtung nationaler Akteure im Weltsystem; strukturelle Abhängigkeit der Peripherien von den Metropolen; strukturelle Heterogenität der Peripherien

RealismusPluralismusStrukturalismus Hauptakteure Staaten Staaten und nichtstaatliche gesellschaftliche Akteure gesellschaftliche und nationalstaatliche Akteure, die Klasseninteressen vertreten Kernfragen und Hauptprobleme Internationale Anarchie; Sicherheitsdilemma; Machtstreben Transnationalismus und Interdependenz, aber keine klaren Problem- hierarchien zwischen Sachgebieten Ausbeutung, Imperialismus, (Entwicklung der) Unterentwicklung in Zentrums-Peripherie- Relationen HauptprozesseStreben nach militärischer und/ oder ökonomischer Sicherheit; Balance of Power Bargaining; Management von Problemkomplexen; Veränderung der Wertehierarchien Streben nach ökonomischer Dominanz HauptergebnisseKrieg oder (negativer) Frieden Erfolgreiches Management komplexer Interdependenz Spaltung der Weltgesellschaft zwischen Zentrum und Peripherie; kontinuierliche Ausbeutung der (armen) Peripherie durch das (reiche) Zentrum Perspektivische Konsequenzen unterschiedlicher IB-Theorien

Literaturtipp Gert Krell: Weltbilder und Weltordnung. Einführung in die Theorie der Internationalen Beziehungen. 4. Aufl. Baden-Baden: Nomos 2009 Siegfried Schieder/Manuela Spindler (Hrsg.): Theorien der Internationalen Beziehungen. 2.Aufl. Opladen: B.Budrich 2006 [UTB 2315] Dario Battistella: Théories des relations internationales. 2e ed.rev.& augm. Paris: Presses Science Po 2006

Nützliche Website zu John Baylis & Steve Smith (eds.), The Globalization of World Politics, 3.Aufl. Oxford 2005 The 1999 Kosovo Crisis The Gulf War 1990 – 1991 The Iraq War 2003 Jeweils aus der Sicht von: # Realist, # Liberal, # Marxist & Radical,# Alternative Theories Hinweis: die Fallstudien sind abgespeichert auf der Seminar-CD unter A. INTRODUCTIONS & OVERVIEWS\CASE STUDIES

Nochn Hinweis Versuch einer Gesamtübersicht der Entwicklung auf der Seminar-CD unter: E. THIRD DEBATE\H. PARADIGM DEBATE Debatte (Word-Datei)

Mittagspause