Bewegungsstörungen in der Neurologie Psychologenvorlesung 15.06.2009 S. Behnke, Homburg Saar
Bewegungsstörungen Störung im extrapyramidal-motorischen System Basalganglien: Thalamus, Linsenkern (Putamen + Pallidum), Ncl. caudatus, Substantia nigra, Ncl. subthalamicus
Bewegungsstörungen Hypokinesen Hyperkinesen Choreatiform Athetotisch (Hemi-) Ballismus Dystonie Tremor Dyskinesien
Syndrome Syndrome kombinieren verschiedene Symptome zu einem ganzen (Krankheits-) Bild
Morbus Parkinson
Definition M. Parkinson: Terminologie: idiopathisches Parkinsonsyndrom = M. Parkinson (80%) sekundäres = symptomatisches Parkinsonsyndrom (20%) Definition M. Parkinson: klinisch-pathologisch definierte Erkrankung mit hypokinetisch-rigider Bewegungsstörung, fakultativ Tremor und Degeneration umschriebener Neuronenpopulationen v.a. der dopaminergen Neurone in der Substantia nigra pars compacta Epidemiologie: Prävalenz insgesamt: 0,16 %, bei 60-jährigen: 1%, bei 80- jährigen: 3%, 10% vor 40 Lebensjahr, 30 % vor 50 Lebensjahr; mittleres Erkrankungsalter: 55 Jahre; Frauen=Männer
Morbus Parkinson Klinische Achsensymptome Bradykinese Rigor Tremor Gebeugte Haltung Freezing Störung der Lagestabilität Mot. Sekundärkomplikationen
Bradykinese (Bewegungsverlangsamung) Hypokinese (verminderte Amplitude) Akinese (Hemmung des Bewegungsstarts) (Ruhe)tremor (Zittern in Ruhe, affektiv verstärkt, bevorzugt der Extremitäten, „Pillendreher-“ oder „Münzzählertremor“) Rigor (wächserne Muskeltonuserhöhung, „Zahnradphänomen“)) Störung posturaler (gleichgewichtsregulierender) Reflexe = Halte- und Stellreflexe => Gleichgewichtsstörungen, Stürze!
Bradykinese: Im Kopfbereich Hypomimie, Dysphagie, monotone Stimme Extremitätenmotorik Störung bei rasch alternierenden Bewegungen und Feinmotorik, Mikrographie, vermindertes Mitschwingen des Armes und Nachziehen eines Beines, Startschwierigkeiten und Freezing Stamm Haltungsstörung, gestörtes Umdrehen im Bett
Rigor: Tonuserhöhung zäher und gleichmäßiger „wächsener“ Widerstand bei passiver Bewegung geschwindigkeitsunabhängig Verstärkung bei spiegelbildlichen Bewegungen (Froment-Manöver) Zahnradphänomen
Tremor: Typischerweise Ruhetremor (d.h. bei vollkommener Entspannung) Provokation durch mentale Belastung distal betont Antagonistentremor („Pillendrehen“) TypI: Ruhe und Haltetremor (4-6 Hz) gleicher Frequenz TypII: Ruhe und Haltetremor unterschiedlicher Frequenz TypIII: Aktionstremor
Störung posturaler Reflexe: Pro- bzw. Retropulsionsneigung (Zug- und Stoßtest) Gehäuftes Auftreten von Stürzen Festination
Diagnostische Kriterien Diagnose eines Parkinson-Syndroms Bradykinese plus mindestens 1 der folgenden Symptome: • Rigor • 4-7 Hz Ruhetremor • Haltungsinstabilität Hauptkriterien der British-Brain-Bank für die klinische Diagnose der Parkinson-Krankheit
Diagnostische Kriterien Diagnose der Parkinson-Krankheit Erfüllung der Kriterien für 1 plus mindestens 3 der folgenden Kriterien • einseitiger Beginn • persistierende Asymmetrie • Ruhetremor • progredienter Verlauf • initial gute L-Dopa-Response • Wirksamkeit von L-Dopa 5 Jahre • > 10-jähriger klinischer Verlauf • L-Dopa-getriggerte Dyskinesien
Gegen einen M. Parkinson sprechen: Fehlendes Ansprechen auf L-Dopa Apoplektiformer Verlauf, Remissionen rasche Progredienz Frühe ausgeprägte autonome Störungen, ausgeprägte Gangstörung und häufige Stürze in der Frühphase Neuroleptika bei Beginn der Symptome Zusätzliche Befunde: Pyramidenbahnzeichen, cerebelläre Zeichen, supranukleäre Blickparese, Myoklonien, schwere Demenz Pathologisches CCT oder NMR
Einteilung Typen: Äquivalenztyp: Akinese, Rigor und Tremor annähernd gleich Akinetisch-rigider Typ: Tremor fehlt oder ist minmal Tremordominanztyp: Akinese und Rigor minimal Schweregrad gemäß klinischer Bewertungsskalen: Hoehn und Yahr Unified Parkinson´s Disease Rating Scale (UPDRS) Webster-Scale
Ätiologie und Pathogenese: Verlust melanisierter Dopaminneurone mit reaktiver Gliose v.a. in Zona compacta der Substantia nigra v.a. im ventrolateralem Anteil Typisch ist das Auftreten von Lewy-Körperchen (=intraneuronale eosinophile Einschlußkörperchen) in der Substantia nigra, Substantia incominata, Locus caerulus und im dorsalen Vaguskern Gegenwärtig wichtigste Hypothese zur Ätiopathogenese= oxydative Streßhypothese Ursache hierfür ungeklärt, bei familiäre Fälle (meist autosomal dominant) Untersuchung der Funktion von Genprodukten
Substantia Nigra – Morbus Parkinson
Morbus Parkinson Bei Auftreten erster klinischer Symptome: 60% der Zellen in der SN sind degeneriert 80% Reduktion des Dopamins im Striatum 100% Normaler Alterungsprozess 80% 60% SN-Neuronenzahl Wie lange dauert die preclinische Phase der Erkrankung Wie langsam entwickeln sich die Symptome 40% Dauer der Erkrankung in der präklinischen Phase? 20% symptomatische Phase 20 40 60 80 100 Alter in Jahren
Verlauf und Prognose: Ohne medikamentöse Therapie Erreichen der Pflegebedürftigkeit nach durchschnittlich 14 Jahren (bei großer interindividueller Streubreite) Mit med. Therapie Erreichen der Pflegebedürftigkeit nach durchschnittlich 20 Jahren „Juvenile Parkinson´s disease“(Erkrankungsbeginn vor 40 Lj): Praktisch nie Auftreten von Demenz, besonders schnelles Auftreten von L-Dopa Neben- wirkungen
Nachweis des ‚präklinischen‘ Morbus Parkinson: Besser: „prämotorisch“ Obstipation Riechfunktionsstörungen Farbsehensstörungen Neuropsychologische Defizite Bewegungsanalyse Depression!
Pathologie: Morbus Parkinson ist Systemdegeneration Pathologischer Prozeß geht weit über die Substantia nigra hinaus Aufsteigende Neurodegeneration, beginnend im vegetativen Nervensystem (dorsaler Vaguskern), über Olfactoriussystem weitere Ausbreitung bis in die Hirnrinde
Riechfunktionsstörungen: Riechen Riechen o.B. PD-Index-Patient Angehörige b-CIT SPECT Berendse et al., 2001, Ann Neurol
Frühe Bewegungsstörungen Minimale Bewegungsreduktion oder -asymmetrie: - Bewegungsanalyse - Ganganalyse - Schriftbild
Morbus Parkinson Behandlung Medikamentös mit L-Dopa oder Dopaminagonisten Tiefenhirnstimulation Hilfsmittel Angehörige
Differentialdiagnosen: Andere neurodegenerative Erkrankungen z.B.: supranukleäre Paralyse, Multisystematrophien, bei jungen Patienten M. Wilson Medikamenten induziert: D2-Antagonisten (Neuroleptika, Antiemitika, Reserpin), Ca-Antagonisten (Flunarizin), alpha-methyl- Dopa Intoxikationen: MPTP, Mangan, CO, Cyanid, Methanol, Quecksilber Basalganglienläsionen: vaskulär, entzündlich, tumorös, Speicherkrankheiten Sonstige: NPH, essentieller Tremor, SAE, endogene Depression, M. Alzheimer, JC, etc.
Dystonien Oppenheim 1911 Def.: Syndrom anhaltender Muskelkontraktionen, das häufig zu verzerrenden und repetitiven Bewegungen oder abnormalen Haltungen führt Klassifikation nach Manifestationsalter juvenil / adult Ursache primär (idiopathisch ) / sekundär (symptomatisch )
Klassifikation nach klinischer Manifestation – fokale / segmentale / generalisierte Dystonien
Dystonien Behandlung mit Botulinumtoxin oder Tiefenhirnstimulation