Wir beginnen in 2 Minuten

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Von der konstruierten Wirklichkeit Wirklichkeit als Konstrukt kognitiver Systeme Medien als Baustein für Bildung von Wirklichkeitskonsens.
Advertisements

Grundbegriffe der Pädagogik: Bildung, Sozialisation, Erziehung
Kinder befähigen! Anregungen aus der Entwicklungstheorie
Kapitel 8 Der Ort an dem wir leben.
Sozialpsychologie = Beschreibt die Art, wie Menschen soziale Realität konstruieren, wie sich Einstellungen und Vorurteile bilden und verändert werden.
Pro-Skills-Hintergrundphilosophie
Status Quo des Unternehmens
Erwerb von sozialer Kompetenz
Eigenschaftstheorien der Motivation Christina Walther.
"Der Mensch ist das einzige Geschöpf, das erzogen werden muss" – Über (schulische) Erziehung Referenten: Björn Anton: Andy Caspar Michael.
Gewissheit-/ Ungewissheitsorientierung
Modell der Beschreibung der kognitiven Entwicklung des Kindes nach
Begründer Begriffsklärung Zentrale Untersuchungsgegenstände
Theorie soziotechnischer Systeme – 11 Thomas Herrmann Informatik und Gesellschaft FB Informatik Universität Dortmund iundg.cs.uni-dortmund.de.
HCI – Tätigkeits Theorie (Activity Theory)
Systemische Sicht von Lern- und Entwicklungs-schwierigkeiten
Sozialökologische Sozialisationsforschung
Sozialisation 2. Vorlesungseinheit:
Vorlesung: Einführung in die Pädagogische Psychologie
Vorlesung: Einführung in die Pädagogische Psychologie
Vorlesung: Einführung in die Pädagogische Psychologie
Was ist Pädagogik?.
Herzlich Willkommen zum Seminar
Bindung und die Entwicklung des Selbst
Entstehung von Süchten und Drogenmissbrauch durch Modell-Lernen
Modellierungsmethoden in der Verhaltenstherapie
Grundbegriffe von Piagets Theorie
Definition: Anlage - Umwelt
Grundkonzepte der Bindungstheorie
Beurteilung der Wirksamkeit von Schulungen Dr. Barbara Moos
Was ist eigentlich Psychologie????
Körper und Wissen Hans Joas: Kreatives Handeln.
Typologie von Entwicklungstheorien
Gruppenstruktur nach E. Berne
Transkulturalität Transkulturalität bezeichnet Beziehungen zwischen zwei oder mehreren Kulturen. Der Begriff drückt aus 1.) Es gibt Unterschiede zwischen.
Der Spracherwerb des Kindes
Familienföderation e.V.
Sozialisationstheorien
John Bowlby Über das Wesen der Mutter-Kind-Bindung (1959)
Persönlichkeitsstörungen
Der Turm als Bild für unser Leitbild
Religiöse Vielfalt – Bedrohung oder Chance?
Religion unterrichten – aber wie ? Einführung in die Planung und
Selektive Sprachlosigkeit –
„Scheidungswaisen“ Im Jahr 2006 trennten sich verheiratete Eltern von insgesamt Kindern, etwas weniger als drei Viertel davon (72,3 Prozent)
Kompetenzentwicklung in schwierigen Zeiten: Wie man Jugendlichen dabei helfen kann, die eigene Biografie zu gestalten Perspektive Berufsabschluss, Offenbach.
Wertemanagement Die Übergänge zwischen den Wertesystemen.
Vorbild – Selbstbild – Autorität
Von der Fachschaft Pädagogik: Behrends, Fischer, Kussel, Reinecke
Motivation & Motivationsförderung
Die Medienökologie: Sozialökologischer Ansatz
Kinder und Medien – Einführung in die Mediensozialisation
Vienna Conference on Consciousness Teil I "Was ist die neuronale Grundlage des Bewußtseins? Wo ist es im Gehirn?" Beitrag von Michael L. Berger (Center.
Tony Hofmann, Universität Würzburg
Konfliktlösung durch Konfrontation
Der, die , das Fremde Vorurteile Feindbilder
VIA-Elterntraining Inhalt Besprechung der Hausaufgabe
Thema „Hilfe mein Kind ist in der Trotzphase“
Die Rolle der Eltern im Berufswahlprozess ihrer Kinder
Kulturvergleiche in der Entwicklungspsychologie -Theorie-
Theoretischen und Empirischen Vertiefung im Fach Sozialpsychologie!
Theorien der Organisationsentwicklung
Kognitive Methoden  Als eine Auseinandersetzung mit der behavioristischen Lerntheorie Skinners  entsteht in den späten 60-er Jahren eine Verbindung.
Übersicht Sitzung 2: Psychoedukation
Übertragung H. Löffler-Stastka. Die Gesamtsituation Übertragung stellt eine emotionale Beziehung zum Analytiker dar, in der eine unbewusste Phantasie.
Biopsychosoziale Entwicklung Vorlesung „Psychische Störungen“ Prof. Dr. Ralph Viehhauser.
Biopsychosoziale Entwicklung (1) Anlage oder Umwelt?
We are Family! Geschwister von Kindern mit Behinderung.
Klasse Klassenzufriedenheit Strukturmerkmale (Schultyp, Anteil Knaben, Anteil plagender Kinder) Eltern Einstellungen (Erwartungen,Attribution) Verhalten.
Die Bindungsmodelle John Bowlby ( ).
 Präsentation transkript:

Wir beginnen in 2 Minuten

Wir beginnen in 1 Minute

Vorlesung Entwicklungspsychologie I Entwicklung unter ökologischer Perspektive J. Gowert Masche 05.07.2006

Semesterarbeiten in der Entwicklungspsychologie 2 x 3 Semesterarbeiten zum Thema „Elternstress“ Betreuer: Holger Domsch Meldungen (auch einzeln) an domsch@staff.uni-marburg.de siehe auch Aushänge

Semesterüberblick 26.04.: Grundbegriffe der Entwicklungspsychologie 10.05.: Vorgeburtliche Entwicklung, Entwicklung von Wahrnehmung und Psychomotorik 17.05.: Frühe Eltern-Kind-Interaktion, Bindungstheorie 24.05.: Soziale Kognition 31.05.: Kognitive Entwicklung nach Jean Piaget 07.06.: Begriffliches Wissen, Problemlösen 14.06.: Lerntheorien, Sozialisation 21.06.: Motivation, Emotion, Handlungsregulation 05.07.: Entwicklung unter ökologischer Perspektive 12.07.: Familienentwicklung 19.07.: „Zurück zur Natur“: Biologische Entwicklungsgrundlagen

04.07.: Entwicklung unter ökologischer Perspektive Lebensraum, Setting Bronfenbrenners ökologisches Modell Systemtheorie Kultur Beispiele Literatur zu heute: v. a. Oerter & Montada, Kap. 3 und Teile des Flammer-Lehrbuchs (Kopie im Handapparat).

Lebensraum, Setting

Lebensraum Kurt Lewin (1890-1947) psycholog. Vergangenh. Zukunft Gegenwart Irrealität Realität K Lebensraum des jüngeren Kindes K psycholog. Vergangenh. Zukunft Gegenwart weiter näher Irrealität Realität Lebensraum des älteren Kindes Differenzierter hinsichtlich: Anzahl der Umweltbereiche, Spannweite der Zeitperspektive, Abgehobenheit von Realitäts- und Irrealitätsebene.

Lebensraum als ökologisches Konzept Lebensraum nicht nur Repräsentation des Kindes, sondern auch reale Umwelt, in der Kind handelt Wechsel des Lebensraums: von Situation zu Situation im Entwicklungsverlauf, z. B. Familie – Schule – Arbeitswelt

Setting Barker & Wright (50er und 60er Jahre): Schüler Lewins Settings z. B. elterliche Wohnung (einschl. Familie), Klassenzimmer, Kindergarten, Kneipe usw. Definition: Setting = Ort mit bestimmten physikalischen Eigenschaften, in dem Teilnehmer mit bestimmten Rollen zu bestimmter Zeit aktiv werden. Elemente eines Settings: Ort Zeit physikalische Eigenschaften Aktivität Teilnehmer Rolle allgemein: ökologische Umwelten sind physikalische/soziale Milieus, zu denen bestimmte Verhaltensmuster passen („synomorph“ sind) in ökologischer Umwelt (bestimmter Ort/Zeit) tritt personunabhängig bestimmtes Verhaltensmuster auf.

Bronfenbrenners ökologisches Modell

Bronfenbrenners Anliegen Validitätsanliegen: ökologische Validität: Entwicklung im Umweltkontext untersuchen und verstehen Entwicklung = Anpassung zwischen aktivem, sich entwickelndem Menschen und Eigenschaften der wahrgenommenen Lebensbereiche dialektische Theorie Urie Bronfenbrenner 1917–2005

Bronfenbrenners Anliegen (2) Methodologisches Anliegen: ökologisch valide Untersuchungen = Versuchsperson erlebt Umwelt mit denselben Eigenschaften, die der Forscher voraussetzt Laborexperimente möglich, aber oft Studien in natürlicher Umwelt wichtig Beforschte in den Auswerteprozess einbeziehen keine Effekte einzelner Variablen auf die Person, sondern Wechselbeziehung mit System von Variablen untersuchen daher nicht nur Einzelperson, sondern Dyaden, Gruppen usw. untersuchen Kontextanliegen: Verschachtelung mehr oder minder unmittelbarer Systeme, in die das sich entwickelnde Individuum eingebettet ist Sozialpolitisches Anliegen: Systeme haben Einfluss auf Individuum, sind aber selbst veränderbar Aufgabe des Forschers, auf wünschenswerte Ergebnisse hinzuarbeiten Veränderungsexperiment als Erkenntnismethode (nach Vorstudien im Labor!)

Bronfenbrenners Entwicklungsbegriff Entwicklung bewirkt veränderte Umweltwahrnehmung: erweitert, differenzierter, zuverlässiger veränderte Auseinandersetzung mit Umwelt Prozesse der Entwicklung: dauerhafte Veränderung Entfaltung Wachstum (von Fähigkeiten) Erwerb (von Vorstellungen) Motivierung (zu weiterer Veränderung) Häufig reziproke Einflüsse, z. B. Mutter/Säugling: glückliche, am Kind interessierte Mutter  liebevolles, anregendes Verhalten  vertrauensvolles, kluges Kind  erfreute Mutter häufig weinendes Kind  wenig Freude, dafür Gefühl der Inkompetenz bei der Mutter, Erschöpfung  entsprechend verändertes Verhalten

Beispiele kontextabhängige Persönlichkeitskonstrukte persönliche Stimuluseigenschaften: Subjekt als Stimulus für andere selektive Responsivität: Subjekt reagiert speziell auf bestimmte Interaktionsangebote Strukturierungstendenzen: Bereitschaft, gewisse Interaktionen zu strukturieren, vertiefen usw. direktive Überzeugungen: Selbstwirksamkeitserwartungen ökologischer Vergleich UdSSR/USA: Kinder in UdSSR in sozialen Netzen, soziale Wahrnehmung der Umwelt Head-Start: starke, aber nur kurzfristige Förderungserfolge benachteiligter Kinder  offenbar nötig, soziale Systeme in Förderung einzubeziehen

Das Mikrosystem Mikrosystem: Individuum in seinen unmittelbaren Beziehungen zu anderen genauer: Mikrosystem = Muster von Tätigkeiten, Rollen und Beziehungen, die ein Individuum in einem bestimmten Lebensbereich erlebt Tätigkeit: über gewisse Zeit fortgesetztes Verhalten, das von Handelndem als bedeutungsvoll erlebt wird Entwicklung = Erwerb immer komplexerer Tätigkeiten. Ermöglicht weitere Entwicklung Beziehung: Entwicklung abhängig von Vielfalt und Komplexität der Tätigkeiten anderer Personen Beobachtungsdyade: Person schaut anderer Person zu Dyade gemeinsamer Tätigkeit Primärdyade: stabile, positive affektive Beziehung Rolle: Menge von Tätigkeiten und Beziehungen, die von einer Person in bestimmter Gesellschaftsstellung erwartet werden. Förderung der Entwicklung durch Interaktion mit Personen, die mehrere Rollen innehaben wechselndes eigenes Rollenrepertoire

Das Mesosystem Mesosystem: Wechselbeziehungen zwischen Mikrosystemen, z. B. Mutter–Lehrerin Arten von Verbindungen: Verbindung durch direkte Beteiligung: Andere Person hat Teil an zwei Lebensbereichen des Subjekts Verbindung über eine Mittelsperson: Das Subjekt ist in unterschiedlichen Lebensbereichen mit zwei Personen verbunden, die ihrerseits einen dritten Lebensbereich gemeinsam haben, dem das Subjekt aber nicht angehört Verbindung durch Kommunikation zwischen Lebensbereichen: Austausch von Informationen zwischen Personen, die unterschiedlichen Lebensbereichen angehören Verbindung via Kenntnisse über andere Lebensbereiche Auch fehlende Kenntnisse können entwicklungsrelevant sein. Ökologische Übergänge: Erschließen von Zugang zu neuen Lebensbereichen Übergang besonders entwicklungsförderlich, wenn nicht allein vollzogen Beteiligung an mehreren Lebensbereichen um so entwicklungsförderlicher, je mehr Kommunikation zwischen Bereichen Übergang begünstigt durch vorherige Kenntnis des neuen Lebensbereiches und verträgliche Rollen zwischen Bereichen

Umfassendere Systeme Exosystem: Lebensbereiche, an denen das Subjekt nicht selbst beteiligt ist, die aber in Wechselwirkung mit Subjekt stehen (über Personen des Exosystems, die in Mikrosystem mit Subjekt verbunden sind) Makrosystem: in Kultur/Subkultur vorhandene Ähnlichkeit zwischen Mikro-, Meso- und Exosystemen, Weltanschauungen und Ideologien, die zu dieser Ähnlichkeit führen Chronosystem: markante biographische Übergänge sind Entwicklung und bedingen nachfolgende Entwicklung normative versus non-normative Übergänge kumulierte Biographie: persönliche Geschichte biographischer Übergänge

Einordnung und Kritik Menschenbild: Mensch als soziales Wesen, aktiv in Wechselbeziehung mit Umwelt  dialektische Perspektive Beschreibungsumfang: prinzipiell uneingeschränkt. Eher Meta-Theorie, die konkretisiert werden muss, auch hinsichtlich der wirksamen Entwicklungsprozesse Lebensspannenperspektive Betonung qualitativer Veränderungen Entwicklung verursacht im komplexen Wechselspiel mit Systemen  längerfristige Vorhersagen kaum möglich Möglichkeit gezielter Beeinflussung, z. B. durch Förderung ökologischer Übergänge mittels Verbindungen zu Mesosystemen hohe erzieherische Relevanz. Bronfenbrenner forderte großzügigere Familienpolitik Kritik: Einteilung der Systeme evtl. zu grob; bei Makrosystem und Chronosystem ist unklar, aus welchen Elementen sie bestehen sollen und wie diese Systeme beeinflusst werden.

Systemtheorie

Negatives Feedback Beispiel: Kühlschrank Thermometer kühlt ab Motor

Negatives Feedback Beispiel: Kühlschrank schaltet ab Thermometer Motor kühlt ab

Negatives Feedback Beispiel: Kühlschrank schaltet ab Thermometer Wärme Motor

Negatives Feedback Beispiel: Kühlschrank schaltet an Thermometer kühlt ab Wärme Wärme Energieverbrauch Motor

Merkmale eines Systems Besteht aus mehreren Elementen (Motor, Thermometer), die interagieren Beispiel: Eltern und Kind Negatives Feedback führt zur Beibehaltung eines bevorzugten Zustands (optimale Temperatur) Beispiel: Konflikt zwischen glücklich Verheirateten eskaliert nicht über einen bestimmten Punkt hinaus Solche bevorzugten Zustände heißen Attraktoren Offenes System: Einflüsse von außen, Einflüsse nach außen Beispiel: Familie durch Arbeitsstress der Eltern beeinflusst (Bronfenbrenners Exosystem) Hierarchie von Systemen and Subsystemen Beispiel: Bronfenbrenners Taxonomie von Systemen

Veränderungen von Systemen Positives Feedback: Eskalierende Prozesse, die zu neuem Systemzustand führen Beispiele: Eskalierende Konflikte, die zu Scheidung führen Diskussionen zwischen Eltern und Jugendlichen, die zu höherer Autonomie der Jugendlichen führen Phasenübergänge: Reorganisationen des Systems während Zeiten der Instabilität Instabilität verursacht durch äußere Faktoren (Arbeitslosigkeit, Schulwechsel) oder inneren Faktoren (Geburt eines Geschwisters, Scheidung, Entwicklung von Familienmitgliedern) Während Zeiten der Instabilität können selbst kleine Störungen zum Entstehen neuer Systemorganisation mit neuen Attraktoren führen.

Ergänzungen Granic & Patterson (2006) 2 interdependente Zeitskalen: reale Zeit: aktueller Interaktionsablauf Entwicklungszeit: Veränderungen über die Jahre Zirkuläre Kausalität zwischen einem System und seinen Elementen: Bottom-up-Prozesse von Elementen zum System als Ganzem Beispiel: Entwicklung des Kindes  Anpassung der Familie von realer Zeit zu Entwicklungszeit Beispiel: Häufige Konflikte  Abnehmende Ehezufriedenheit Top-down-Prozesse vom System zu seinen Elementen Beispiel: rigide Familienstruktur verhindert die Autonomieentwicklung des Jugendlichen von Entwicklungszeit zu realer Zeit Beispiel: Abnehmende Ehezufriedenheit  schnelle Eskalationen von Konflikten

Einordnung und Kritik Menschenbild: zum Teil mechanistisch (Individuum abhängig von vorangegangenen Systemzuständen) Bronfenbrenner, Granic & Patterson gehen von aktivem, handelnden Individuum im Wechselspiel mit Umwelt aus  organismische/dialektische Theorie Systemansatz ist Meta-Theorie, die konkret gefüllt und überprüft werden muss Lebensspannenperspektive möglich trotz Tendenz zur Quantifizierung Betonung qualitativer Entwicklung, z. B. Phasenübergänge Entwicklungsmotoren: positive Feedbackprozesse, ausgelöst durch Umwelt oder veränderte Systemelemente Damit ist Einflussmöglichkeit von außen gegeben ...und sogar gefordert, vgl. Bronfenbrenner

Kultur

Kultur und Entwicklung Kultur: vom Menschen gemachter Teil der Umwelt (Herskovits, 1948) Enkulturation: Aneignung der Kompetenzen, die für das Leben im menschlichen Ökosystem nötig sind Akkulturation: sekundäre Enkulturation bei Wechsel in andere Kultur Transmissionsformen vertikal: durch Eltern diagonal: durch andere Erwachsene horizontal: durch Peers Zone nächster Entwicklung (Wygotski *1896, †1934): Entwicklung aufgrund Interaktion mit Umwelt, wobei diese „einen Schritt weiter“ sein sollte intentionale Instruktion stimulierende Umgebung Spiel (aber wohl nur bei kompetenteren Spielpartnern)

Kultur und Entwicklung (2) Entwicklungsnische. Merkmale: physikalische und soziale Settings: Settings wechseln innerhalb jeden Alters (horizontal) und lösen einander im Altersverlauf ab (vertikal) Erziehungspraktiken, z. T. absichtsvoll/nicht absichtsvoll, formell (Schule)/informell (Familie) Erziehungstheorien: Überzeugungen zu Erziehung und Entwicklung (Ethnotheorien) Entwicklungsnische ist offenes System Austauschprozesse Individuum–kulturelle Umwelt: Vergegenständlichung: Handlung, die zu bleibendem Ergebnis („Gegenstand“) führt: vom Subjekt nach außen Aneignung: Handlung, die im Individuum zu Wissen, Repräsentationen usw. führt: von außen in das Subjekt Objektivierung: ähnlich Akkommodation: Veränderung der kognitiven Strukturen, um Welt „da draußen“ zu verstehen Subjektivierung: ähnlich Assimilation: Anpassung der Wirklichkeit an kognitive Strukturen, um heimisch zu werden

Beispiele

Wechselwirkung Kind-Bezugsperson Kindliche Compliance committed compliance: aktives Folgen und Mitmachen situational compliance: Sich-Fügen, solange die Bezugsperson das Verhalten überwacht passive non-compliance: Ignorieren der Aufforderungen (bei eher ruhigem Temperament) defiance: Aktives Abwehren Ursachen: Temperament, elterliche Feinfühligkeit, Qualität früher Kommunikation, Geschlecht Folgen: Gewissenhaftigkeit, Fähigkeit zum Belohnungsaufschub bei non-compliance: Coercive Cycles zwischen nörgelnden und nachgebenden Eltern und trotzigen Kindern. Langfristig Gefahr von aggressiven und devianten Verhaltensweisen (Granic & Patterson, 2006)

Zusammenspiel verschiedener Systeme und Kontexte Permissive Erziehung und außerfamiliales Stützsystem: Permissive Erziehung in 30er-40er Jahren eher positiv, später fehlte Kontrolle außerhalb Familie  negative Folgen Weltwirtschaftskrise 30er Jahre (Conger & Elder): Väter oft aggressiver, Mütter übernahmen Teil der Versorgerrolle ältere Jungen: Verantwortungsgefühl, Initiative, langfristig positive Effekte jüngere Jungen: schlechtere Schulleistungen, langfristig weniger Selbstbewusstsein Mädchen: generell positive Entwicklung, da Beziehung zum Vater unverändert und zur Mutter eher gestärkt

Zusammenspiel verschiedener Systeme und Kontexte (2) Minoritäten Enkulturation an Kultur des Herkunfts- und Aufenthaltslandes Anpassung an Hauptkultur abhängig von Familie Asiaten in USA besonders gut angepasst und an Universitäten überrepräsentiert. Mögliche Ursachen: Werte wie Leistung und Selbstdisziplin; Feedback durch Lehrer und Peers; Motiv, besser sein zu wollen als Hauptgruppe Afro- und Iberoamerikaner weniger an Hauptkultur angepasst. Mögliche Gründe: Armut; Vaterabwesenheit; konfligierende Wertorientierungen als Schwarze, Minorität und Amerikaner; Erfahrung, dass selbst „weißes“ Verhalten nicht zum Erfolg führt.

Kulturelle Universalien Elternverhalten gegenüber Säuglingen Gesicht-zu-Gesicht-Position im optimalen Abstand „Begrüßung“, Zulächeln Intonationsmuster zur Stimulierung oder Beruhigung Ausdrucksverhalten des Kindes bei Freude, Trauer, Wut, Ekel Fremdenangst mit 0;8 (wenngleich in manchen Kulturen kaum Fremde vorhanden) etwas umstritten: Bindungsverhalten. Streitpunkt: Japaner sehen Bindung im Zusammenhang mit Abhängigkeit, Bewohner westlicher Länder als Voraussetzung für Unabhängigkeit Abfolge der sensumotorischen und der weiteren kognitiven Entwicklung bis konkret-operationaler Phase. Entwicklungstempo aber kulturell verschieden.

Kulturelle Besonderheiten Chinesisch-amerikanische Säuglinge (2-3 Tage alt) weniger erregbar und von gleichmäßigerem Erregungszustand als euro-amerikanische Säuglinge Mütterliches Interaktionsverhalten: Gusii (Kenia) versuchen, Erregung des Kindes minimal zu halten, damit dieses überlebt. Daher Vermeidung von Blickkontakt. Kinder entwickeln sich der Umgebung angepasst. Japanische Mütter wenden Aufmerksamkeit der Kinder von Umwelt/sich selbst auf das jeweils Andere, US-Mütter verstärken die jeweilige Aufmerksamkeit Kollektivistische Kulturen betonen Bindung, individualistische Kulturen Unabhängigkeit Geldbeispiel höhere Aggression und Aggressionshemmung in westlichen Ländern US-Großstadt versus Maya-Dorf in Guatemala: Kinder abgesondert versus integriert; „Lehrspiele“ versus Einbezug in Alltagstätigkeiten Sauberkeitserziehung in Schweiz: Von 50er bis 80er Jahre später begonnen, weniger intensiv betrieben (dennoch gleiches Ergebnis): Bedeutung elterlicher Überzeugungen