(EuGH, Urt. v. 03. Juli 1986, Rs. 66/85, Slg. 1986, S. 2121)

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(EuGH, Urt. v. 03. Juli 1986, Rs. 66/85, Slg. 1986, S. 2121) Fall: Lawrie-Blum (EuGH, Urt. v. 03. Juli 1986, Rs. 66/85, Slg. 1986, S. 2121) Die britische Staatsangehörige Deborah Lawrie-Blum bewirbt sich, nach dem sie an der Uni- versität Freiburg die Prüfung für das Lehramt an Gymnasien abgelegt hat, um die Zulassung zum Vorbereitungsdienst, der mit der zweiten Staatsprüfung, durch die die Befähigung für die Laufbahn des höheren Schuldienstes an Gymnasien erworben wird, abschließt. Der zum Vor- bereitungsdienst zugelassene Bewerber wird unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Studienreferendar ernannt und genießt in dieser Eigenschaft alle mit dem Beamtenstatus verbundenen Vorteile. Zum Vorbereitungsdienst wird nur zugelassen, wer die persönlichen Voraussetzungen für die Berufung in das Beamtenverhältnis erfüllt. Nach dem Landesbeamtengesetz Baden-Württemberg wird dafür die deutsche Staatsangehörigkeit i.S.v. Art. 116 GG verlangt. Das Oberschulamt Stuttgart lässt Frau Lawrie-Blum nicht zum Vorbereitungsdienst zu. Klagen vor dem VG Freiburg und dem VGH Baden-Württemberg blieben erfolglos. Im Rahmen des Revisionsverfahrens legte das Bundesverwaltungsgericht dem EuGH die Fragen vor, ob von einem Arbeitnehmerstatus der Klägerin auszugehen ist und ob ein Vorbe- reitungsdienst in der konkreten Ausgestaltung als Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung anzusehen ist. Univ.-Prof. Dr. Christian Bickenbach – Europarecht II (Vertiefung), SoSe 2019

Fall: Lawrie-Blum Verstoß gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 AEUV? Anwendungsbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit Persönlich: Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats, (+) Britin Sachlich: Arbeitnehmer Gemeinschaftsrechtliche Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs (!), keine eigenen zusätzlichen Voraussetzungen der mitgliedstaatlichen Behörden und Gerichte  weite Auslegung Wesentlichen Merkmale: Leistungen von gewissem wirtschaftlichem Wert: alle Tätigkeitsbereiche, bei denen es sich um eine Teilnahme am Wirtschaftsleben handelt Gegen Vergütung: muss nicht notwendig zur Bestreitung des Lebensunterhalts ausreichen; (-) nur Tätigkeiten von so geringem Umfang, dass sie sich als völlig untergeordnet darstellen In Abhängigkeitsverhältnis/Weisungsgebundenheit: Abgrenzung zu Selbständigen Kein Ausschluss der Arbeitnehmereigenschaft durch Verstoß gegen die guten Sitten Univ.-Prof. Dr. Christian Bickenbach – Europarecht II (Vertiefung), SoSe 2019

Fall: Lawrie-Blum Hier: Referendar muss Unterricht erteilen und erbringt damit zu Gunsten der Schule Dienstleistungen von gewissem wirtschaftlichen Wert Referendar erhält eine pekuniäre Gegenleistung Studienreferendar untersteht während der gesamten Dauer des Vorbereitungsdienstes der Weisung und der Aufsicht der Schule Merkmale nach Art. 45 AEUV erfüllt, d.h. Studienreferendar = Arbeitnehmer Grenzüberschreitender Bezug Hier: (+), da Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der Zugang zum Vorbereitungsdienst verwehrt wird Univ.-Prof. Dr. Christian Bickenbach – Europarecht II (Vertiefung), SoSe 2019

Fall: Lawrie-Blum Bereichsausnahme Art. 45 IV AEUV: Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung? Art. 45 IV AEUV ist als Ausnahme vom Grundprinzip der Freizügigkeit und der Nichtdiskriminierung der Arbeitnehmer in der Gemeinschaft so auszulegen, dass sich seine Tragweite auf das beschränkt, was zur Wahrung der Interessen, die diese Bestimmung den Mitgliedstaaten zu schützen erlaubt, unbedingt erforderlich ist Problem: Knüpft man das Erfordernis der Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung allein an die Ernennung in ein Beamtenverhältnis, gibt man den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, beliebig die Stellen zu bestimmen, die unter die Bereichsausnahme fallen Es kann nicht im Belieben der Mitgliedstaaten stehen, Ausnahmen auszuweiten Grundsatz des effet utile und Ziel der Einheitlichkeit des Unionsrecht verlangen eine unionsrechtliche Definition Nach Rechtsprechung des EuGH ist der Begriff der „öffentlichen Verwaltung“ eng auszulegen Unmittelbare oder mittelbare Teilnahme an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse Wahrung wichtiger Interessen des Staates notwendig, die Einschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit rechtfertigen Hier: (-) Bei Lehramtsanwärter Univ.-Prof. Dr. Christian Bickenbach – Europarecht II (Vertiefung), SoSe 2019

Fall: Fußballer (nachgebildet: EuGH, Urteil v. 15. Dez. 1995, Rs. C-415/93, Slg. 1995, S. I-4921 - Bosman) Der Fußballverein SK Sturm Graz ist seit Jahren abstiegsgefährdet. Vor Beginn der neuen Saison beschließt der Manager M daher, durch den Einkauf internationaler Größen den Ver- ein endlich wieder zu Erfolgen zu führen. Es bieten sich vor allem zwei spanische Stürmer sowie ein niederländischer Verteidiger an, die das Team verstärken könnten. Als alles abgemacht ist, wird M darauf hingewiesen, dass nach einer österreichischen Fuß- ballverbandsregelung höchstens drei ausländische Spieler pro Mannschaft eingesetzt werden dürfen. Es spielen schon ein Italiener, ein Franzose und ein Slowene bei Graz. Die Einkäufe wären somit zwecklos, wenn die Spieler kaum auf dem Platz stehen dürf-ten. M fragt sich, ob die österreichische Regelung nicht das EU-Recht verletzt. Schließlich seien Fußballer ebenso Arbeitnehmer wie andere und müssten daher in der EU Freizügigkeit ge- nießen. Stellt die österreichische Regelung einen Verstoß gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit dar? Univ.-Prof. Dr. Christian Bickenbach – Europarecht II (Vertiefung), SoSe 2019

Fall: Fußballer Verstoß gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 AEUV? Anwendungsbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit Persönlicher Anwendungsbereich: Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats Sachlicher Anwendungsbereich: Profifußballer = Arbeitnehmer? Wirtschaftlicher Wert der Leistung? Art. 45 AEUV gilt auch für Privatrechtsverhältnisse Trennung der wirtschaftlichen und der sportlichen Aspekte beim Profifußball schwierig Transferregeln betreffen auch wirtschaftliche Aspekte Weiter Begriff der Erbringung einer wirtschaftlichen Leistung Entgeltliche Beschäftigung (+) Leistungen für jemand anderen (+), Verein Weisungsabhängig (+), Verein Grenzüberschreitender Bezug Hier: (+), Transfer in einen anderen Mitgliedstaat bzw. nach Österreich Univ.-Prof. Dr. Christian Bickenbach – Europarecht II (Vertiefung), SoSe 2019

Fall: Fußballer Beeinträchtigung Handeln eines Adressaten der Arbeitnehmerfreizügigkeit Hier geht es um das Handeln eines an Art. 45 AEUV gebundenen Privaten Private können auch indirekt (durch Sekundärrecht) gebunden sein  Verbot der Diskriminierung in Kollektiv- und Einzelarbeitsverträgen nach Art. 7 I, IV VO 492/2011 Hier: Ausländerklauseln und Transferbeschränkungen von privaten Sportverbänden führen zu kollektiven Regelungen der unselbständigen Arbeit der Berufssportler Qualifizierung des Handelns als Diskriminierung, Art. 45 II AEUV Begrenzter Zugang zur „Beschäftigung“ im Verein Zwar wird nicht die Beschäftigung als solche betroffen, wohl aber das wesentliche Ziel der Beschäftigung, nämlich der Einsatz im Spiel (weiter Begriff der Beeinträchtigung) Es werden also wesentliche Beschäftigungsmöglichkeiten eingeschränkt Kriterium: ausländische Staatsangehörigkeit Daher: (+) offene Diskriminierung, EU-Staatsangehörigkeit umfasst Univ.-Prof. Dr. Christian Bickenbach – Europarecht II (Vertiefung), SoSe 2019

Fall: Fußballer Rechtfertigung Geschriebene Rechtfertigungsgründe: Art. 45 III AEUV sieht eine Rechtfertigung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit vor Hier: Nichtwirtschaftliches und gerechtfertigtes Interesse an begrenzter Zahl ausländischer Spieler in den Vereinen, die aus der Natur des sportlichen Wettkampfs folgen? Traditionelle Verbindung des Vereins an sein Land; Identifikation des Publikums Ausreichende Reserve an heimischen Spielern für die Nationalmannschaft Aufrechterhaltung des sportlichen Gleichgewichts zwischen den Vereinen Aber: Es geht nicht um eine Nationalmannschaft, sondern um Vereinsfußball (!) Ergebnis: Die österreichische Regelung ist nicht mit der in Art. 45 AEUV garantierten Freizügigkeit der Arbeitnehmer vereinbar Univ.-Prof. Dr. Christian Bickenbach – Europarecht II (Vertiefung), SoSe 2019