XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse

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XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse 1. Fakten Anteil von Normalarbeitsverhältnissen an allen Arbeitsverhältnissen in den vergangenen 20 Jahren deutlich gesunken 2013: 67,5% 1993: 76,8% Anstieg der sog. atypischen Beschäftigung 2013: 21,4% 1993: 13,1%

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse 2. EU-Recht zu atypischen Arbeitsverhältnissen Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinigung über Teilzeitarbeit - Anhang : Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse 3. Befristete Arbeitsverhältnisse Richtlinie 1999/70/EG bewirkt nur „Teilharmonisierung“: Keine Aussage zur Zulässigkeit einer „singulären Befristung“ Weitreichende Gestaltungsspielräume bei Kettenbefristungen (Paragraph 5 RV: Sachliche Gründe, Höchstdauer, Höchstzahl)

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse a) Diskriminierungsverbot § 4 Abs. 2 S. 1 TzBfG: „Ein befristet beschäftigter ArbN darf wegen der Befristung des Arbeitsvertrages nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer unbefristet beschäftigter ArbN, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen“. Besonders problematisch: Jahressonderzahlungen mit „Mischcharakter“ (zurückhaltend BAG, BeckRS 2009, 65971) Kein Anspruch, wenn Sonderzahlung ausschließlich der Vergütung der Betriebstreue dient, also das Bestehen eines (ungekündigten) Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Stichtag voraussetzt.

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse BAG, NZA 2013, 1142 (Bundesagentur für Arbeit): Unzulässige Auswahlentscheidung bei Versetzungen bei ausschließlicher Einbeziehung von Arbeitnehmern mit entfristeten Arbeitsverträgen. „Erfasst sind von [§ 4 Abs. 2 S. 1 TzBfG] jedoch auch die ArbN, die zwischenzeitlich unbefristet beschäftigt sind, wenn Nachteile an die frühere Befristung anknüpfen, ohne dass dafür ein sachlicher Grund vorliegt“.

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse b) Schriftform § 14 Abs. 4 TzBfG: „Die Befristung eines Arbeitsvertrags bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.“ Abschluss eines Arbeitsvertrags: Formfrei möglich. Formbedürftig ist allein die Befristungsabrede Rechtsfolge: Arbeitsvertrag kann auch vor dem vereinbarten Ende ordentlich gekündigt werden (§ 16 S. 2 TzBfG). Tückisch: Spätere schriftliche Niederlegung der zunächst nur mündlich vereinbarten Befristung führt nach der Rspr. nicht dazu, dass die zunächst formnichtige Befristung rückwirkend wirksam wird.

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse c) Wirksamkeit der kalendermäßigen Befristung aa) Rechtsentwicklung Bis zum 31.12.2000 erlaubt § 620 BGB den Abschluss befristeter Arbeitsverträge. Abweichend vom Wortlaut des § 620 BGB hat die Rspr. Einschränkungen entwickelt. Grund: Denkbare Umgehung des KSchG durch Abschluss befristeter Arbeitsverträge

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse GS des BAG, NJW 1961, 798: Befristung eines Arbeitsvertrages rechtswirksam, es sei denn, dass bei Abschluss des Vertrages für die Befristung keine sachlichen Gründe vorgelegen haben. Befristung des Arbeitsvertrags durch Grundsatz der Vertragsfreiheit legitimiert Aber: Gesichtspunkt der Gesetzesumgehung. Sinn und Zweck der zwingenden Rechtsnormen des Kündigungsschutzes machen es erforderlich, dass befristete Arbeitsverträge daraufhin geprüft werden, ob sie eine Umgehung dieses Schutzes darstellen.

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG): Inkrafttreten am 1.1.2001 § 14 Abs. 1 TzBfG: Befristung bedarf grundsätzlich eines sachlichen Grundes. Nur ausnahmsweise kann Arbeitsvertrag ohne sachlichen Grund befristet werden (insbes. § 14 Abs. 2 TzBfG). Vorschrift dient auch der Umsetzung der Richtlinie 1999/70/EG.

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse Allerdings ist der Gesetzgeber über die Vorgaben der RL (Verhinderung von sog. Kettenarbeitsverträgen) hinausgegangen. Er hat jede Befristung einer Kontrolle nach den Maßstäben des § 14 TzBfG unterworfen. Die Zulässigkeit befristeter Arbeitsverträge hebt nicht (mehr) auf die Umgehung des allg. und des bes. Kündigungsschutzes ab. Sie ist eigenständig. BAG, NZA 2005, 218: Richterliche Ankoppelung der Befristungskontrolle an das KSchG abgelöst § 14 TzBfG erfasst auch solche befristeten Arbeitsverträge, die bisher wegen fehlender Umgehung des Kündigungsschutzes kontrollfrei waren. Auch in Kleinbetrieben und bei ArbN in den ersten sechs Beschäftigungsmonaten bedürfen Befristungen daher eines sachlichen Grundes. Keine Ansatzpunkte für eine teleologische Reduktion des § 14 Abs. 2 TzBfG

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse bb) Einzelne Sachgründe des § 14 Abs. 1 TzBfG Fälle sind nicht abschließend („insbesondere“). Doch sind nur Gründe anzuerkennen, die in ihrem Gewicht den ausdrücklich genannten Gründen gleichkommen. Praktisch sind derartige Gründe kaum vorstellbar. Vgl. immerhin BAG, NZA 2016, 1535: Befristete Verlängerung des Arbeitsverhältnisses mit einem Betriebsrats-mitglied (“Sicherung der personellen Kontinuität der Betriebsratsarbeit“) als evtl. Sachgrund

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse Nr. 1: Vorübergehender Bedarf an der Arbeitsleistung Vorübergehend erhöhter Arbeitsanfall, zugleich ist zukünftiger Abfall zu erwarten. Erforderlich ist eine tatsächlich fundierte Prognose, während die bloße Unsicherheit über die weitere Entwicklung keinen sachlichen Grund ergibt. Nicht ausreichend: Bloße Unsicherheit über die künftige Entwicklung des Arbeitskräftebedarfs.

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse Nr. 3: Vertretung eines anderen ArbN Unmittelbare Vertretung: Vertreter übernimmt unmittelbar die zuvor vom Stammarbeitnehmer wahrgenommenen Aufgaben. Mittelbare Vertretung: Tätigkeit des zeitweise ausgefallenen ArbN wird nicht von dem Vertreter, sondern einem anderen ArbN oder mehreren anderen ArbN ausgeübt, der/die dann vertreten wird/werden Sog. „gedankliche Zuordnung“: ArbG kann dem zur Vertretung eines Stamm-ArbN befristet eingestellten ArbN im Rahmen einer Umorganisation auch solche Arbeiten übertragen, die der Stamm-ArbN bislang noch nicht ausgeübt hat, die er diesem aber nach seiner Rückkehr in den Betrieb zuweisen will bzw. könnte (BAG, NZA-RR 2013, 185: Unionsrechtliche Bedenken bestehen nicht).

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse Nr. 4: Eigenart der Arbeitsleistung „Verschleißtatbestand“, Innovations- und Abwechslungsbedürfnis. ArbG Mainz, BeckRS 2015, 66797/LAG Rheinland-Pfalz, NZA 2016, 699 BILD: “Müssen die Bundesliga-Vereine zukünftig Spieler bis zur Rente bezahlen?” BAG v. 16.01.2018, NJW 2018, 1992: „Die Arbeitsvertragsbeziehungen zwischen einem Fußballverein der 1. Bundesliga und einem Lizenzspieler weisen Besonderheiten auf, die regelmäßig geeignet sind, die Befristung des Arbeitsvertrags sachlich zu rechtfertigen.“ Vgl. auch: BAG, NZA 2018, 656: Maskenbildnerin

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse Nr. 6: In der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe Vgl. dazu BAG, NJW 2015, 2682: Bezug von Altersrente BAG, AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 49: Wunsch des ArbN nach einer nur zeitlich begrenzten Beschäftigung

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse Nr. 7: Haushaltsbefristung BAG, NZA 2011, 911: Bundesagentur für Arbeit, „Mindestmaß an Fremdbestimmtheit des Haushaltsplans“ Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV (Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes?) ohne Entscheidung erledigt. BAG, NZA 2018, 1549: Keine (erneute) Vorlage an EuGH Nr. 8: Gerichtlicher Vergleich BAG, NZA 2017, 706 § 278 Abs. 6 S. 1 ZPO: „Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten (…).“).

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse cc) Rechtsmissbrauch EuGH, NZA 2012, 135 (Kücük): Kettenbefristung bei dauernder Vertretung grundsätzlich möglich. Aber: Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls (Justizangestellte bei AG Köln; in der Zeit v. 02.07.1996 – 31.12.2007 nicht weniger als 13 befristete Arbeitsverträge)

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse Rspr. des BAG Keine Beschränkung der Prüfung auf den geltend gemachten Sachgrund. Zusätzliche Prüfung nach den Grundsätzen des sog. institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) Alle Umstände des Einzelfalls: V. a. Gesamtdauer und Zahl der mit derselben Person zur Verrichtung der gleichen Arbeit geschlossenen aufeinanderfolgenden befristeten Verträge. Bei einer Gesamtdauer von mehr als elf Jahren und 13 Befristungen ist eine missbräuchliche Gestaltung indiziert. Rechtsmissbrauch wird neben dem Befristungsgrund geprüft. BAG erstreckt seine Rspr. auf alle Tatbestände des Abs. 1 (evtl. Ausnahme: Befristung auf Wunsch des ArbN, vgl. BAG, NZA 2016, 39).

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse BAG, AP TzBfG § 14 Nr. 146: Bei Vorliegen eines die Befristung an sich rechtfertigenden Sachgrunds : Kein „gesteigerter Anlass“ zur Missbrauchskontrolle, wenn die in § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG für die sachgrundlose Befristung bezeichneten Grenzen nicht um ein Mehrfaches überschritten sind. Davon ist auszugehen, wenn nicht mindestens das Vierfache eines der in §14 Abs. 2 S. 1 TzBfG bestimmten Werte oder das Dreifache beider Werte überschritten ist. Befristungsmöglichkeit, solange das Arbeitsverhältnis nicht die Gesamtdauer von sechs Jahren überschreitet und zudem nicht mehr als neun Vertragsverlängerungen vereinbart wurden, es sei denn, die Gesamtdauer übersteigt bereits acht Jahre oder es wurden mehr als zwölf Vertragsverlängerungen vereinbart.

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse dd) Befristung ohne Sachgrund: § 14 Abs. 2 TzBfG Bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG müssen (nur) objektiv vorliegen.

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse Sog. Vorbeschäftigungsverbot (Abs. 2 S. 2). § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG: „Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.“ Tückisch: Verlängerung i.S. des § 14 Abs. 2 S. 1 Halbs. 2 TzBfG setzt nach der Rspr. voraus, dass sie noch während der Laufzeit des zu verlängernden Vertrags schriftlich vereinbart und nur die Vertragsdauer geändert wird, nicht aber die übrigen Arbeitsbedingungen Andernfalls: Neuabschluss eines befristeten Arbeitsvertrags, der nach § 14 Abs. 2 S. 2 ohne Sachgrund unzulässig ist, da zwischen den Parteien bereits ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse Sog. Vorbeschäftigungsverbot (Abs. 2 S. 2). BAG, NZA 2011, 905: Verbot greift nicht ein, wenn frühere Beschäftigung mehr als drei Jahre zurückliegt (verfassungskonforme Auslegung: Vertragsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien und Berufswahlfreiheit des ArbN). BVerfG, NZA 2018, 774: „Die mit einer Beschränkung der sachgrundlosen Befristung auf die erstmalige Beschäftigung bei dem jeweiligen ArbG einhergehende Beeinträchtigung der individuellen Berufsfreiheit ist insoweit gerechtfertigt, als es ihrer für den Schutz vor der Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung einer strukturellen Unterlegenheit und zur Sicherung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses als Regelfall bedarf.“ „Richterliche Rechtsfortbildung darf den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht übergehen und durch ein eigenes Regelungsmodell ersetzen.“

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG bezieht sich auf den „Vertragsarbeitgeber“ (vgl. auch BAG, NZA 2014, 426: EU-Recht steht nicht entgegen) Aber evtl. Gestaltungsmissbrauch: Wenn mehrere rechtlich und tatsächlich verbundene ArbG in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit demselben ArbN aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge ausschließlich deshalb schließen, um über die nach Abs. 2 vorgesehenen Befristungsmöglichkeiten hinaus sachgrundlose Befristungen aneinanderreihen zu können. BAG, NZA 2017, 244: Vorangegangenes Heimarbeitsverhältnis

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse Tarifvertragliche Regelungen § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG: „Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden.“ BAG, NZA 2013, 45: Auch kumulativ, aber Dispositionsbefugnis der Tarifvertragsparteien ist nicht völlig unbegrenzt Gesetzgeberisches Konzept darf nicht konterkariert werden Verwirklichung der aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden staatlichen Schutzpflicht BAG, NZA 2013, 515: „Systematischer Gesamtzusammenhang und Sinn und Zweck des TzBfG sowie verfassungs- und unionsrechtliche Gründe gebieten eine immanente Beschränkung der durch § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG eröffneten Dispositionsbefugnis der Tarifvertragsparteien.“ BAG, NZA 2017, 463: Keine Überschreitung um mehr als das Dreifache

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse Rechtsschutz des ArbN § 17 S. 1 TzBfG: „Will der ArbN geltend machen, dass die Befristung eines Arbeitsvertrages rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis auf Grund der Befristung nicht beendet ist.“

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse ee) Befristung von Arbeitsverträgen älterer Arbeitnehmer § 14 Abs. 3 TzBfG Neufassung dient der Anpassung an das Europarecht (Rs. Mangold). Befristung setzt zusätzlich „Beschäftigungslosigkeit“ voraus (und ist auf fünf Jahre begrenzt). Auch hier greift (zusätzlich) Rechtsmissbrauchskontrolle ein.

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse d) Grundsätzlicher Ausschluss der Kündigung § 15 Abs. 3 TzBfG: „Ein befristetes Arbeitsverhältnis unterliegt nur dann der ordentlichen Kündigung, wenn dies einzelvertraglich oder im anwendbaren Tarifvertrag vereinbart ist.“ § 11 Nr. 2 Mustervertrag der Deutschen Fußballliga und Ablösesummen BAG, NZA 2013, 1206: „Entschädigung“ (Ablösesumme) als Gegenleistung für die Bereitschaft zur vorzeitigen Vertragsaufhebung

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse d) Ende des befristeten Arbeitsvertrags Bemerkenswert: § 15 Abs. 5 TzBfG: „Wird das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Zeit, für die es eingegangen ist, (…) mit Wissen des ArbG fortgesetzt, so gilt es als auf unbestimmte Zeit verlängert, wenn der ArbG nicht unverzüglich widerspricht (…)“. BAG, NZA 2017, 55: „Der Kenntnis des Verleihers steht die Kenntnis des Entleihers von der Weiterarbeit des Leiharbeitnehmers nur gleich, wenn der Verleiher den Entleiher zum Abschluss von Arbeitsverträgen bevollmächtigt hat oder wenn ihm dessen Handeln nach den Grundsätzen der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht zurechenbar ist.“

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse Sonderregelung zur sog. Zweckbefristung § 15 Abs. 2 TzBfG: „Ein zweckbefristeter Arbeitsvertrag endet mit Erreichen des Zwecks, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Zweckerreichung.“

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse 2. Teilzeitarbeitsverhältnisse a) Diskriminierungsverbot § 4 Abs. 1 S. 1 TzBfG: „Ein teilzeitbeschäftigter ArbN darf wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter ArbN, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen.“ Zusammenhang mit Verbot der mittelbaren Diskriminierung von Frauen (Art. 157 AEUV, Art. 2 Abs. 2 Buchst. b RL 2000/78/EG)

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse Sachlicher Grund BAG: Eine unterschiedliche Behandlung kann nur gerechtfertigt sein, wenn sich ihr Grund aus dem Verhältnis von Leistungszweck und Umfang der Teilzeitarbeit herleiten lässt (strenger Maßstab). Allein das unterschiedliche Arbeitspensum der Teil- und Vollzeitbeschäftigten rechtfertigt eine unterschiedliche Behandlung nicht. Die Sachgründe müssen anderer Art sein, sie können etwa auf Arbeitsleistung, Qualifikation, Berufserfahrung oder unterschiedlichen Arbeitsplatzanforderungen beruhen.

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse b) Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit § 8 TzBfG   Normzwecke Umsetzung (und „Überfüllung“) der RL 97/81/EWG über Teilzeitarbeit Beschäftigungspolitische Zielsetzung Vereinbarkeit von Familie und Beruf Rechtspolitisch umstritten: Zurückführung auf Arbeitnehmer mit familiären Pflichten? Seit 01.01.2019: Anspruch auf zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit (§ 9a TzBfG)

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse Anspruchsinhalt Zum einen: Verringerung der Arbeitszeit. Anspruch auf Abgabe einer WE des ArbG Keine Aussage über das Schicksal der Gegenleistung: Anteilige Reduzierung, soweit nichts anders vereinbart wird Zum anderen: Festlegung der Lage der Arbeitszeit. Recht, eine bestimmte Festlegung der Lage der Arbeitszeit gegenüber dem ArbG durchzusetzen Auch insoweit Anspruch auf WE des ArbG Anspruch kann nur zusammen mit dem Anspruch aus § 8 Abs. 4 TzBfG geltend gemacht werden (Annex zum Verringerungsanspruch)

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse Voraussetzungen ArbN-Eigenschaft (§ 8 Abs. 1 TzBfG): Anspruchsberechtigt ist auch der ArbN, der bereits in Teilzeit arbeitet. Wartezeit: Länger als sechs Monate (§ 8 Abs. 1 TzBfG) Ankündigungsfrist: Drei Monate (§ 8 Abs. 2 TzBfG): Faktische Wartezeit von neun Monaten Mindestbeschäftigtenzahl: Mehr als 15 ArbN (§ 8 Abs. 7 TzBfG). Bezugsgröße ist der ArbG und nicht der Betrieb. Berechnung – anders als z. B. bei § 23 Abs. 1 S. 3 KSchG – pro Kopf, d. h. unabhängig vom Beschäftigungsumfang

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse Geltendmachung des Anspruchs Verhandlungsphase: Verhandlungsobliegenheit (§ 8 Abs. 3 TzBfG) Mitteilung der Entscheidung: Mitteilungspflicht (§ 8 Abs. 5 S. 1 TzBfG) Gesetzliche Fiktion Umfang der Arbeitszeit (§ 8 Abs. 5 S. 2 TzBfG) Lage der Arbeitszeit (§ 8 Abs. 5 S. 3 TzBfG) Spätere Änderung der Lage (§ 8 Abs. 5 S. 4 TzBfg) Vgl. hierzu BAG, NZA 2015, 483 (Abgrenzung zu § 106 GewO).

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse Betriebliche Gründe   Umfang der Arbeitszeit (§ 8 Abs. 4 S. 1 TzBfG) Anforderungen Streichung des Wörtchens „dringend“ im Gesetzgebungsverfahren Regelbeispiele (§ 8 Abs. 4 S. 2 TzBfG) wurden aber beibehalten Verfassungsrechtlicher Rahmen („kommunizierende Röhren“) In Betracht kommende Gründe: Unverhältnismäßige Kosten, Gewährleistung eines reibungslosen Arbeitsablaufs und der Sicherheit im Betrieb, organisatorische Gründe.

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse Organisatorische Gründe 1. Stufe: Liegt der vom ArbG als erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung überhaupt ein betriebliches Organisationskonzept zu Grunde liegt und – wenn das ja – um welches Konzept handelt es sich?  2. Stufe: Inwieweit steht die diesem Organisationskonzept folgende Arbeitszeitregelung dem Arbeitszeitverlangen tatsächlich entgegen?  3. Stufe: Prüfung des Gewichts der entgegenstehenden betrieblichen Gründe

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse Rechtsprechung zur Konkretisierung der Gründe BAG, AP § 8 TzBfG Nr. 3: Pädagogisches Konzept im Kindergarten (durchgängige Betreuung u. ständiger Kontakt mit den Eltern). BAG, NZA 2004, 382: „Kundenorientiertes servicefreundliches Organisationskonzept“ (Öffnungszeiten, Teppichhandel). BAG, NZA 2008, 289: „One face to the customer“ bei Kassierern einer Bank (Kassenkräfte vs. Kundenberater u. -betreuer). BAG, NZA 2010, 339: Einheitlichkeit des Marktauftritts (Art Directorin, Arbeitsplatzteilung während Elternzeit). Keinesfalls genügt „unternehmerische Vorstellung vom richtigen Arbeitszeitumfang“ Zuletzt LAG Mecklenburg-Vorpommern, BeckRS 2014, 66935 (Leitungs-funktionen in einem Orchester): „Homogenität des Klangs“

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse Weitere Rspr: BAG, NZA 2004, 382: Häufung von Teilzeitwünschen kann im Einzelfall zu einer Überforderung des ArbG führen. Betrieblicher Grund zur Ablehnung aber erst dann, wenn das Teilzeitverlangen die Überforderungsgrenze überschreitet. BAG, NZA 2013, 373: Anforderungen an den ArbG, wenn im Betrieb weitere Arbeitsplätze vorhanden sind, die der ArbG dem ArbN in Ausübung des ihm nach § 106 S. 1 GewO zustehenden Direktionsrechts zuweisen kann. ArbG darf sich nicht auf Gründe beschränken, die den bisherigen Arbeitsplatz betreffen LAG Köln, BeckRS 2018, 19349: Einem Teilzeitbegehren nach § 8 TzBfG kann der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehen.

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse c) Anspruch auf Verlängerung der Arbeitszeit § 9 TzBfG: „Der ArbG hat einen teilzeitbeschäftigten ArbN, der ihm den Wunsch nach einer Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, bei der Besetzung eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes bei gleicher Eignung bevorzugt zu berücksichtigen, es sei denn, dass dringende betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter ArbN entgegenstehen.“ Seit 01.01.2019: § 9 S. 1 TzBfG: „Der ArbG hat einen teilzeitbeschäftigten ArbN, der ihm (…) den Wunsch nach einer Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, bei der Besetzung eines Arbeitsplatzes bevorzugt zu berücksichtigen, es sei denn, dass 1. es sich dabei nicht um einen entsprechenden freien Arbeitsplatz handelt oder 2. der teilzeitbeschäftigte ArbN nicht mindestens gleich geeignet ist wie ein anderer vom ArbG bevorzugter Bewerber oder 3. Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter ArbN oder 4. dringende betriebliche Gründe entgegenstehen.“

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse 3. Arbeitnehmerüberlassung a) Vorliegen ArbG (Verleiher) überlässt einem Dritten (Entleiher) seine ArbN (LeihArbN) vorübergehend zur Arbeitsleistung. Wegen § 613 S. 2 BGB ist Einverständnis des ArbN erforderlich.

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse b) Rechtsbeziehungen   Arbeitnehmerüberlassungsvertrag: Vertrag, durch den sich Verleiher gegenüber Entleiher verpflichtet, ihm ArbN (LeihArbN) zur Verfügung zu stellen Arbeitsverhältnis: Besteht nur zwischen dem Verleiher und dem LeihArbN. Rechtsbeziehung von Entleiher und Leih-ArbN Auch Entleiher hat gegenüber dem ArbN gewisse Rechte und Pflichten Rechtsdogmatische Erfassung der Rechtsbeziehung zwischen Entleiher und LeihArbN ist umstr. H. M.: Entleiher erhält beim echten Arbeitsvertrag zugunsten Dritter ein eigenes Forderungsrecht auf die Arbeitsleistung gegen den LeihArbN. In dessen Rahmen ist er zur Ausübung des Direktionsrechts befugt.

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse c) Abgrenzung zu anderen Formen drittbezogenen Personaleinsatzes Eingliederung und Weisungsunterworfenheit nur beim LeihArbN Notwendigkeit der Abgrenzung zum projektbezogenen Anweisungsrecht (§ 645 BGB). Unterschiedliche Rechtsfolgen Haftung des Verleihers nur für sorgfältige Auswahl Haftung des Unternehmers nach § 278 BGB

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse d) Wichtigste Regelungen des AÜG Erlaubnispflicht (§ 1 Abs. 1 S. 1 AÜG) Versagungsgründe (§ 3 AÜG) Rechtsfolge fehlender Erlaubnis (§ 10 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 AÜG): Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt

XIII. Atypische Arbeitsverhältnisse § 8 AÜG: Gleichstellung Für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher hat der Verleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewährten (§ 8 Abs. 1 S. 1 AÜG). Ein Tarifvertrag kann grundsätzlich abweichende Regelungen zulassen (§ 8 Abs. 2 S. 1 AÜG).