Vogelrassen und Menschenrassen

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 Präsentation transkript:

Vogelrassen und Menschenrassen – das Gleiche oder etwas Anderes? Werner Kunz Universität Düsseldorf www.kunz.hhu.de/

Grampian westl. von Melbourne; Nov. 1997 Flötenvogel Cracticus tibicen Grampian westl. von Melbourne; Nov. 1997 Flötenvogel Cracticus tibicen Lamington National Park/ Brisbane Nov. 1997

3 von 9 Rassen

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Aber was sind überhaupt Rassen ? Sind dies hier Rassen?: dies aber nicht?:

Die Existenz von Rassen wurde fundamental infrage gestellt durch die umstürzlerische 1972-Publikation des Populationsgenetikers Richard Lewontin: Evolutionary Biology 6, 381-398, 1972 Richard Lewontin (Harvard-Professor) behauptete 1972, es gäbe beim Menschen keine Rassen. Ihm folgen bis heute viele Humangenetiker

Welche Merkmale kann man nehmen, um Rassen also solche zu definieren? Sicher nicht die Haarfarbe: Merkmale werden bestimmt durch die Allele von Gen-Loci Ein erhebliches Problem ist, dass sich die meisten Rassen nicht dadurch unterscheiden, dass Rasse 1 ein Allel besitzt, das Rasse 2 gar nicht hat Vielmehr haben beide Rassen dieses Allel. Der Unterschied könnte lediglich sein, dass Rasse 1 eine andere Häufigkeitsverteilung des betreffenden Allels hat als Rasse 2 Es könnte also auf die Häufigkeitsverteilungen (Varianzen) ankommen, um Rassen zu verstehen und zu unterscheiden

Ein Beispiel dafür sind die Blutgruppen: A, B und 0 sind 3 verschiedene Allele eines Gen-Locus Indianer haben eine sehr geringe Häufigkeitsverteilung (Varianz) der Allele des Gens „Blutgruppe“: über 90% aller Individuen haben Blutgruppe 0 Ist das ein Rasse-Unterschied??

und nun kommt die schwer zu verstehende Statistik von Lewontin: Wie hat er die Varianz der Allele in den Populationen berechnet? Lewontins Ansatz: angewendet wird die Shannon-Formel (= ein Maß für die Varianz) H ist die Varianz (= Allel-Häufigkeitsverteilung) in der Population pi ist die Häufigkeit eines ausgesuchten Allels in den Individuen einer jeweiligen Population

Lewontin unterscheidet: 1. Varianz der Individuen in einer Population und zwischen den Populationen 2. Varianz der Individuen in einer Rasse und zwischen den Rassen 3. Varianz der Individuen in einer gesamten Spezies

Lewontin unterscheidet: 1. Varianz der Individuen in einer Population und zwischen den Populationen 2. Varianz der Individuen in einer Rasse und zwischen den Rassen 3. Varianz der Individuen in einer gesamten Spezies

Lewontin hat zunächst die Frage gestellt: Wie stark variieren die Allele von 17 verschiedenen Gen-Loci bei 7 ausgesuchten menschlichen Rassen ? Das Ergebnis war: die Varianz H = 1,5 H = 1,5 ist der Wert, der ausdrückt, wie im Mittel die Allele von 17 verschiedenen Gen-Loci bei 7 menschlichen Rassen in der Art Homo sapiens in ihrer Häufigkeitsverteilung variieren Dieser Wert wird auf 100% gesetzt

Nun kam die Frage: Wie hoch ist demgegenüber die Varianz der Individuen durchschnittlich pro Population einer durchschnittlichen Rasse? überraschendes Ergebnis: H = 1,4 Das ist ein sehr hoher Wert (im Vergleich zu 1,5), der nicht erwartet wurde, weil es sich ja um die Allel-Varianz pro Population handelt (und nicht um die Varianz der Allele in der ganzen Spezies Homo sapiens) Daraus folgt, dass die Varianz der Individuen schon pro Population 93,7% der Varianz der Individuen in der gesamten Spezies Homo sapiens beträgt Das bedeutet: 93,7% der genetischen Diversität der Menschen gehen schon auf das Konto der individuellen Verschiedenheit der Menschen innerhalb ihrer einzelnen Populationen zurück

Und was bleibt also als Variation zwischen den Rassen übrig, worin diese sich unterscheiden?: 100% minus 93,7% = 6,3% Also nur magere 6,3% an genetischer Variation bleiben bei Homo sapiens für „rassebedingte“ Unterschiede übrig. Vergleicht man die Varianz der Allele eines Gen-Locus bei den Individuen innerhalb einer Rasse (intra-rassisch), so unterscheiden sich im Schnitt zwei Menschen europäischer Abkunft nur um einen minimalen Betrag weniger als ein Europäer und ein Schwarz-Afrikaner (inter-rassisch)

Lewontin‘s Resultat: Die Varianz der Individuen in einer Population ist nur um einen minimalen Betrag weniger als die Varianz der Individuen zwischen den Rassen

Aus diesem (unerwarteten) Ergebnis zog Lewontin folgende Schlüsse: Ein Weißer und ein Schwarzer unterscheiden sich genetisch kaum mehr (in vielen Fällen sogar weniger) voneinander als ein Weißer von irgendeinem anderen Weißen Es ist nicht möglich, Menschen aufgrund ihrer Allel-Varianz bestimmten Rassen zuzuordnen Der Begriff der „Rasse“ sei biologisch unbrauchbar

Dieser Schluss wurde von vielen Humangenetikern (und später auch von vielen Philosophen) übernommen Der erfolgreiche Privatunternehmer und profilierte Biochemiker und Humangenetiker Craig Venter, der im Jahre 2000 das Rennen um die Sequenzierung des menschlichen Genoms gewonnen hat, verkündete auf der Pressekonferenz im Weißen Haus in Washington die berühmten Sätze: The concept of race has no genetic or scientific basis The concept of race is ‘‘biologically meaningless’’

Diese Erkenntnis wurde zur weltweiten Verdammung des Rasse-Begriffs an die UNESCO weitergereicht

Es passte halt so ins Weltbild, nachdem der Begriff der Rasse im Nationalsozialismus aufs Fürchterlichste missbraucht worden war:

Fritz Lenz: deutscher Rassenhygieniker an der Universität München nach dem Kriege ordentlicher Professor für Humangenetik an der Universität Göttingen habilitierte sich mit der Arbeit: „Erfahrungen über Erblichkeit und Entartung an Schmetterlingen“

Aber kaum jemand aus der Humangenetik fragte sich: Was ist mit den zoologischen Rassen; was ist mit den Haustieren? Gibt es da auch keine Rassen?:

Selbstverständlich war es Lewontin klar, dass man Schwarze, Weiße und Asiaten an Merkmalen unterscheiden kann: Nase, Lippen, Hautfarbe, Augenform, Haarform ….. Aber diese Merkmale hielt Lewontin für eine subjektive Auswahl, die der Mensch spontan (aus dem Bauch heraus) trifft. Nähme man bestimmte Enzyme, käme man zu einer ganz anderen Rassen-Einteilung Also sei die Rassen-Einteilung nach äußeren Merkmalen wertlos

Es war erst 30 Jahre später, dass der Wissenschaftstheoretiker, Dobzhansky-Preisträger und dreifache Doktor der Biologie, Genetik und Philosophie Massimo Pigliucci Lewontin auf einen entscheidenden Fehler hinwies:

Merkmalsunterschiede, die es rechtfertigen, Rassen zu definieren und abzugrenzen, sind dann kein subjektives Machwerk des Menschen (aus dem Bauch heraus), wenn es sich um geografische Anpassungen handelt Rassen definieren Ökotypen

Und ebenfalls erst 30 Jahre später wurde Kritik an der Schlussfolgerungen aus der Lewontin`sche Statistik erhoben, und zwar von: Anthony William Fairbank Edwards, FRS, britischer Statistiker, Genetiker und Evolutionsbiologe

Lewontin irrte keineswegs in seinen Berechnungen: die Statistik ist ok Aber Lewontin zog seine Schlüsse aus einer Gen-Locus-zu-Gen-Locus-Einteilung Lewontin berücksichtigte nicht, dass verschiedene Gene (genau wie Merkmale) oftmals miteinander korreliert sind Man darf die Allele bei der Gruppierung zu Rassen nicht einzeln betrachten, sondern man muss die Miteinander-Kombination mehrerer Allele betrachten Berücksichtigt man die Kombination der Allel-Varianzen mehrerer Gene miteinander, dann können die Individuen sehr wohl bestimmten Rassen zugeordnet werden. Intra-rassische Allel-Varianzen unterscheiden sich dann sehr wohl von inter-rassischen Varianzen

Berücksichtigt man die Kombination der Allel-Varianzen mehrerer Gene miteinander, dann sinkt die Wahrscheinlichkeit einer Fehlklassifikation mit der Zahl der gleichzeitig betrachteten Gen-Loci: Lewontins Aussage, Individuen könnten den Rassen nicht zugeordnet werden, ist also falsch

Für den Naturwissenschaftler sollte es zum Nachdenken anregen, dass hier auch gesellschaftliche Ideologien die Wissenschaft beeinflusst haben Neven Sesardic, serbischer Philosoph, lehrt an der Lingnan University, Hong Kong

Schluss-Bemerkung Es ist von vornherein ein gefährlicher Fehler, die moralische Gleichberechtigung der Menschen aus ihrer biologischen Ähnlichkeit heraus begründen zu wollen Man sollte auch nicht die moralische Gleichberechtigung von Mann und Frau aus ihrer biologischen Ähnlichkeit heraus begründen

So spannend kann Taxonomie sein Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Rassen von Pachycephala pectoralis (Mayr & Diamond 2001): Geografische Rassen als Folge adaptiver Anpassung an verschiedene Umwelten