Entwicklungsländer in der Weltwirtschaft Teil II – Kosten-Nutzen-Analysen und Diskontierung Prof. Dr. Renate Schubert, Institut für Umweltentscheidungen (IED) Prof. Dr. Rolf Kappel, NADEL
1 Kosten-Nutzen-Analysen Grundidee: Man vergleicht mehrere Handlungsalternativen und will diejenige mit dem höchsten Nettonutzen auswählen Nettonutzen = Nutzen - Kosten Einzelwirtschaftlich oder gesamtwirtschaftlich
Bedeutung von Kosten-Nutzen-Analysen Wichtiges Instrument der Politikempfehlung / - beratung, weil dadurch verschiedene Massnahmen miteinander verglichen werden können Beispiele: Erhöhung der Staatsausgaben für Bildung; Bau eines neuen Flughafens; Bau eines neuen Tunnels; Durchführung von Klimapolitik (national, international); usw.
Kernfragen bei Kosten-Nutzen-Analysen Welche Kategorien von Nutzen und Kosten gibt es und bei wem fallen sie an? Wie können die Nutzen und Kosten monetär bewertet werden? Wie können Nutzen und Kosten über einen längeren Zeitraum verglichen werden?
Kernfragen bei Kosten-Nutzen-Analysen Wie ist mit der Unsicherheit über künftige Kosten und Nutzen umzugehen? Wie ist mit der unterschiedlichen Verteilung von Kosten und Nutzen umzugehen?
Grundlegende Vorgehensweise bei Kosten-Nutzen-Analysen Investitionskalkül:
Grundlegende Vorgehensweise bei Kosten-Nutzen-Analysen Konzept zur Identifikation der „besten“ Alternative: Kapitalwertmethode (Net Present Value (NPV) Method) Es ist diejenige Handlungsalternative zu wählen, die den höchsten NPV hat
Kategorien von Kosten und Nutzen Sämtliche positiven und negativen Folgen einer Alternative Direkt vs. indirekt; tangibel vs. intangibel Auch zu beachten: Opportunitätskosten (entgangene Gewinne anderer Alternativen)
Kategorien von Kosten und Nutzen Durch die Ermittlung von Nutzen und Kosten entstehen auch Kosten B und C fallen zu unterschiedlichen Zeitpunkten und bei unterschiedlichen Gruppen an Beobachtungen, Inventare und Befragungen als Ermittlungs-Instrumente
Kategorien von Kosten und Nutzen Bewertungsmethoden Indirekt Direkt Reisekostenmethode Hedonische Preise Contingent Valuation Discrete Choice
Vergleich von Kosten und Nutzen über längeren Zeitraum Der Betrachtungszeitraum (T) ist festzulegen Aufsummierte monetär bewertete Kosten und Nutzen sind einander gegenüberzustellen
Vergleich von Kosten und Nutzen über längeren Zeitraum Die Diskontrate ist „geeignet“ festzulegen (der gesellschaftlichen Zeitpräferenz entsprechend) Häufig wird der Marktzinssatz r verwendet Diskontsatz r vs. Diskontfaktor Vorgehen bei Umweltprojekten?
Vergleich von Kosten und Nutzen über längeren Zeitraum
Spezialfragen zu Unsicherheit bei K-N-A Künftige Kosten und Nutzen sind in der Regel nicht mit Sicherheit bekannt Je weiter in der Zukunft die K und N liegen, desto unsicherer Unterschiedliche Formen von Unsicherheit: Risiko; Ambiguität; Unsicherheit i.e. Sinn
Spezialfragen zu Unsicherheit bei K-N-A Vorgehensweise bei Risiko: Erwartungswert von C und B wird ermittelt; Alternative mit dem grössten erwarteten NPV gewählt mit
Spezialfragen zu Unsicherheit bei K-N-A Beispiel: Die Klimaveränderung wird in den nächsten 30-50 Jahren mit einer Wahrschein- lichkeit von 80% die Einnahmen aus dem Tourismus in der Schweiz um ein Drittel des bisherigen Werts (23 Mrd. Fr.) sinken lassen, und mit 20% sogar um zwei Drittel. Ergebnis: erwartete Einbusse (Kosten) der Tourismusbranche (in Mrd. Franken): 0,8∙7,6 + 0,2∙15,2 = 9,12
Spezialfragen zu Unsicherheit bei K-N-A Frage: woher kommen die Wahrscheinlichkeiten? Häufig sehr seltene Ereignisse, so dass relative Häufigkeiten fehlen --> Ausweg: Expertenmeinungen; Experimente Bei Ambiguität: etwa die Wahrschein- lichkeitsverteilung nehmen, die den kleinsten erwarteten NPV ergibt Bei Unsicherheit i.e.S.: Gleichverteilung?
Spezialfragen zur Verteilung bei K-N-A Ausgangspunkt: Feststellung, dass K und N jeweils sehr unterschiedlich verteilt sind Frage: wie kann das in einer Gesamtaussage wie NPV zum Ausdruck kommen? Antwort: Eine Möglichkeit ist die Berücksichtigung von Kompensationszahlungen von Gewinnern an Verlierer
Spezialfragen zur Verteilung bei K-N-A Theoretische Basis für Idee der Kompensationszahlungen: Konzept der Pareto- Effizienz Pareto-Effizienz: eine Güterverteilung ist effizient, wenn jede andere mindestens ein Individuum schlechter stellen würde Potentielle Pareto-Effizienz: die besser gestellten könnten die schlechter gestellten Individuen aus ihrem Gewinn kompensieren
Spezialfragen zur Verteilung bei K-N-A Bei Überprüfen von Handlungsalternativen: NPV muss nicht nur möglichst gross sein, sondern auch Kompensationen zulassen Allerdings: Die Frage, wer in welchem Ausmass tatsächlich kompensiert wird, ist eine politische Frage; hier spielen Werturteile eine Rolle
Fazit zur Kosten – Nutzen - Analyse Grundsätzlich gut geeignetes Instrument zum Vergleich von Handlungsmöglichkeiten Allerdings: Vielzahl von Annahmen und Werturteilen geht ein; diese müssen möglichst transparent sein K-N-A basierte Entscheidungen können nie ein „objektiv richtiges“ Ergebnis liefern
2 Diskontierung Grundidee: Zukünftig anfallende Kosten / Nutzen müssen adäquat berücksichtigt werden (NPV). Gewichtung dieser Kosten / Nutzen mit Diskontfaktor d<1 Gründe?
Gründe für dynamische Betrachtung 1 CHF heute hat mehr Wert als 1 CHF morgen, da ... dieser angelegt/investiert werden kann => Zins/Dividende/Kurssteigerung Inflation kann Kaufkraft des Geldes mindern Unsicherheit zukünftiger Realisationen
Investitionsrechnung Opportunitätskosten Marktzinssatz Vergleich mit Projekten identischen Risikos i.d.R. konstante Diskontrate über die Zeit
Umweltprojekte Schwierigkeit bei Festlegung der Diskontrate: längerfristig, d.h. auch zukünftige Generationen sind von Entscheidungen betroffen. grosse Unsicherheit bzgl. Wirkung der Massnahmen, zukünftiger technologischer Möglichkeiten, wirtschaftliche Entwicklung, ... irreversible Entscheidungen?
Umweltprojekte Wahl der Diskontrate determiniert oft, ob der Nettonutzen eines Projekts/Alternative positiv oder negativ ausfällt. Doch welche Diskontrate sollte gewählt werden?
Wahl der Diskontrate / Marktzinssatz Marktzinssätze reflektieren die Rate zu der die Akteure der Ökonomie bereit sind gegenwärtigen gegen zukünftigen Konsum zu handeln, reflektieren somit soziale Präferenzen. Nominale Marktzinssätze vereinen reale Zinssätzes (rel. stabil) und Inflationserwartungen (Variation)
Wahl der Diskontrate / Marktzinssatz Beispiel: 10y US treasury note (risk-free) YTM: 4.34% Annahme erwarteter Inflation entspriche dem Konsumentenpreisindex: 2.6% => realer, risikofreier Zinssatz: 1.74% = Diskontrate
Wahl der Diskontrate / Alternativen sinkende Diskontierungsprofile => hyperbolische Diskontierung (p.ex. Karp, 2005) Unsicherheit bzgl. adäquater Diskontrate einfangen => gamma-verteilte Diskontierung (Weitzman, 2001) u.v.m.
Beispiel Stern Report Wahl der Diskontrate (1.4%) Kritik Fairness Weitere Argumente Kritik inkonsistente Annahmen
Fazit Diskontierung Annahme bzgl. Diskontrate können den Nettonutzen eines Projekts / einer Alternative massgeblich beeinflussen (pos. / neg.) Die Wahl einer geeigneten Diskontrate ist ein kritischer Punkt wenn längerfristige Horizonte und Unsicherheit eine fundamentale Rolle spielen.