Restauration – Reichsgründung – Spätkonstitutionalismus

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Restauration – Reichsgründung – Spätkonstitutionalismus Deutsche Verfassungsgeschichte 1849-1918

Die Restauration: Beispiel Kurhessen 1849-1852 Die Erfurter Union und der kurhessische Verfassungskonflikt 26.5.1849 Dreikönigsbündnis 28.5.1849 Entwurf der Erfurter Unionsverfassung Feb. 1850 Reaktionskabinett Hassenpflug 4.9.1850 Kurhessische Steuer-Notverordnung 7.9.1850 Verhängung des Kriegszustandes 12.9.1850 Aufhebung der Steuer-Notverordnung durch das Kasseler Oberappellationsgericht 10.10.1850 Abschied des Oberbefehlshabers und Offizierskorps der kurhessischen Armee 16.10.1850 Beschluss zur Bundesintervention 29.11.1850 Olmützer Punktation 12.5.1851 Rückkehr Preußens in den Bundestag 13.4.1852 Neue oktroyierte Verfassung Kurhessens Verfassungs- und Fahneneid § 143 Satz 2 der kurhessischen Verfassung von 1831: „Ohne landständische Bewilligung kann vom Jahre 1831 an weder in Kriegs- noch in Friedenszeiten eine direkte oder indirekte Steuer, so wenig als irgend eine sonstige Landesabgabe, sie habe Namen welchen sie wolle, ausgeschrieben oder erhoben werden…“ Rot sind allgemeine, Weiß sind Kurhessische Entwicklungen. Die Restauration – Allgemeine Entwicklungen: 23.8.1851 Bundesreaktionsbeschluß, Aufhebung der Grundrechte Dreikönigsbündnis: Preußen, Sachsen und Hannover. Weitere 27 Staaten treten der Union bei. Restauration des monarchischen Prinzips: Ablösung der liberalen Ministerien, Revision der während der Revolution gegebenen Verfassungen, Disziplinierung der Parlamente. Aufhebung des Grundrechtekatalogs durch Beschluß der Bundesversammlung vom 23.8.1851 (Bundesreaktionsbeschluß, der zudem auf eine Einschränkung der Pressefreiheit und auf eine Abschaffung aller liberalen Einrichtungen in den Einzelstaaten drängt). Neues restriktives Bundes-Preßgesetz vom 6.7.1854. Bedeutung des Verfassungseids am Beispiel des Widerstands des kurhessischen Offizierskorps verdeutlichen. Aufhebung des Verfassungseides und Rückkehr zum reinen Fahneneid 1851. Olmützer Punktation aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie Die Olmützer Punktation oder auch "Olmützer Vertrag" bezeichnet ein diplomatisches Abkommen, das am 29. November 1850 zwischen Preußen, Österreich und Russland über die Beendigung des preußisch-österreichischen Konflikts von 1848/1850 wegen der preußischen Unionspolitik abgeschlossen wurde. Die Konferenzen der Vertreter der drei Mächte fanden vom 28. bis zum 30. November 1850 in Olmütz statt. Einen Konflikt zwischen dem hessischen Kurfürsten und seinen Untertanen nahm der österreichische Kanzler Felix Fürst zu Schwarzenberg zum Anlass, Preußen weiter zu isolieren. Schon am 8. November 1850 war es zu einem Vorpostengefecht zwischen der Österreich nahestehenden bayerischen und der preußischen Armee bei Bronnzell, in der Nähe von Fulda, gekommen, bei dem allerdings nur ein Trompeterschimmel auf dem Platz blieb. Preußen entschloss sich daraufhin zum Einlenken. In dieser Punktation verzichtete Preußen auf den Führungsanspruch in Deutschland. Gleichzeitig wurde der Deutsche Bund, der durch die Revolutionen von 1848 schwer angeschlagen war, unter der Leitung Österreichs wiederhergestellt. Da Preußen durch das Abkommen bedeutend an Ansehen verlor, trug es letztlich zur weiteren Zuspitzung des Gegensatzes zwischen Preußen und Österreich bei. Auszug aus dem Vertrag von Olmütz vom 29. November 1850 [Bearbeiten] 1) Die Regierungen von Österreich und Preußen erklären, daß es in ihrer Absicht liege, die endliche und definitive Regulierung der kurhessischen und holsteinischen Angelegenheit durch die gemeinsame Entscheidung aller deutschen Regierungen herbeizuführen. 2) Um die Kooperation der in Frankfurt vertretenen und der übrigen deutschen Regierungen möglich zu machen, sollen in kürzester Frist von seiten der in Frankfurt vertretenen Bundesmitglieder sowie von seiten Preußens ... je ein Kommissar ernannt werden, welcher über die gemeinschaftlich zu treffenden Maßregelungen in Einvernehmen zu treten haben.

Die preußische Verfassung von 1850 Der König Oberbefehl über die Streitkräfte, → auf ihn, nicht auf die Verfassung vereidigt beruft das Abgeordnetenhaus ein und kann es auflösen macht zusammen mit Abgeordneten- und Herrenhaus die Gesetze → alle drei müssen gleichermaßen zustimmen ernennt die Mitglieder des Herrenhauses auf Lebenszeit ernennt und entlässt den Reichskanzler ernennt Richter und Beamte Die Regierung Gegenzeichnung und Verantwortung Dreiklassenwahlrecht: Wähler der Klasse I hat ein etwa 17-25 mal höheren Erfolgswert als ein Wähler der Klasse III. Kuriose Ergebnisse: In manchen Wahlbezirken zahlen einzelne Unternehmer (Wurstfabrikanten) derart viele Steuern, das die dort wohnenden Reichskanzler und Minister in die dritte Wählerklasse abgedrängt werden. Wahlrecht führt für lange Zeit entgegen den Intentionen zu einer Mehrheit nicht der Konservativen, sondern der Liberalen. Unbeliebtheit des Wahlrechts zeigt sich in der geringen Wahlbeteiligung in der III. Klasse, 1903 noch 21%. Öffentliche Wahl der II. und III. Klasse in Anwesenheit der I. Klasse, danach „abtreten“. Auswirkungen auf Beamte - Konservativ wählen.

Die preußische Verfassung von 1850 Das Abgeordnetenhaus ist an Gesetzgebung beteiligt Bes. Einfluss bzgl. Staatshaushalt und Finanzen wird nach indirektem Zensuswahlrecht öffentlich gewählt (Dreiklassenwahlrecht) Das Herrenhaus Mitglieder beider Kammern sind Vertreter des ganzen Volkes und an Weisungen nicht gebunden Die Rechtsprechung im Namen des Königs durch unabhängige, allein dem Gesetz unterworfene Gerichte Grundrechte und Grundpflichten relativiert durch fehlenden Vorrang der Verfassung Dreiklassenwahlrecht: Wähler der Klasse I hat ein etwa 17-25 mal höheren Erfolgswert als ein Wähler der Klasse III. Kuriose Ergebnisse: In manchen Wahlbezirken zahlen einzelne Unternehmer (Wurstfabrikanten) derart viele Steuern, das die dort wohnenden Reichskanzler und Minister in die dritte Wählerklasse abgedrängt werden. Wahlrecht führt für lange Zeit entgegen den Intentionen zu einer Mehrheit nicht der Konservativen, sondern der Liberalen. Unbeliebtheit des Wahlrechts zeigt sich in der geringen Wahlbeteiligung in der III. Klasse, 1903 noch 21%. Öffentliche Wahl der II. und III. Klasse in Anwesenheit der I. Klasse, danach „abtreten“. Auswirkungen auf Beamte - Konservativ wählen.

Die preußische Verfassung von 1850 latentes Spannungsverhältnis zwischen drei Verfassungselementen Monarch/Staatsregierung (monarchisches Element) Parlament (parlamentarisches E. ) Oberhäuser (aristokratisches E.) Parlamentarische Rechte insb. bei Gesetzgebung und Haushalt Parlament geht hervor aus allgemeinen, ungleichen und nur teilweise geheimen Wahlen Freies Mandat Militär bleibt königliches Reservat Abhängigkeit der Regierung nicht vom Parlament, sondern vom Monarchen Sitzung der ersten Kammer des preußischen Landtags im April 1849; Zeitgenössischer Holzstich Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz

Der preußische Verfassungskonflikt 1858 Beginn der „Neuen Ära“ in Preußen 1862-1866 Preußischer Verfassungskonflikt Konflikt um die Heeresreform Wahlsieg der Liberalen nach Parlamentsauflösung Budgetloses Regiment durch Bismarck – Lückentheorie 14.9.1866 Indemnitätsgesetz Neue Ära Wilhelm, späterer Kaiser Wilhelm I., zunächst wird eine Liberalisierung erhofft.

Der militärpolitische Weg zur Reichsgründung Die innerdeutsche Auseinandersetzung 1864 Dt.-dänischer Krieg 14.6.1866 Rücktritt Preußens vom Bundesvertrag 3.7.1866 Schlacht bei Königsgrätz Innerdeutsche Bündnispolitik Preußens 18.8.1866 Bündnisvertrag Preußens mit den Norddeutschen Staaten 22.8.1866 Bündnis mit Bayern, Württemberg und Baden 20.9.1866 Annektion Hannovers, Kurhessens, Nassaus und Frankfurts 23.8.1866 Frieden von Prag Feb. 1867 Reichstagswahl 16.4.1867 Verfassung des Norddeutschen Bundes

Der militärpolitische Weg zur Reichsgründung Der Konflikt mit Frankreich 13.7.1870 Emser Depesche 19.7.1870 Kriegserklärung Frankreichs an Preußen 2.9.1870 Sieg von Sedan Nov. 1870 Beitritt der süddeutschen Staaten zum (Nord-) Deutschen Bund 18.12.1870 Empfang der Kaiserdeputation des Norddeutschen Reichstages 18.1.1871 Kaiserproklamation im Spiegelsaal von Versailles 1.1.1871 Inkrafttreten der Reichsverfassung 16.4.1871 Gesetz betreffend die Verfassung des Deutschen Reiches "Die Proklamierung des Deutschen Kaiserreiches" Gemälde, 1885, von Anton von Werner (1843-1915), aus: Archiv für Kunst und Geschichte

Die Reichsverfassung von 1871 Der deutsche Kaiser ist zugleich König von Preußen hat den Oberbefehl über die Streitkräfte, die nicht auf die Verfassung vereidigt sind beruft den Bundesrat ein beruft den Reichstag ein und löst ihn auf ernennt den Reichskanzler als Chef der Reichsregierung. Der Reichskanzler ist zugleich preußischer Ministerpräsident und Vorsitzender des Bundesrats zentrale Scharnierfunktion

Die Reichsverfassung von 1871 Der Bundesrat kann den Reichstag auflösen setzt sich aus 58 Vertretern der Länderregierungen zusammen gegen die 17 Vertreter Preußens im Bundesrat kann kein verfassungsänderndes Gesetz ergehen Einheitlichkeit der Stimmabgabe (vgl. auch BVerfG v. 18.12.2002, 2 BvF 1/02 – Art. 51 Abs. 3 S. 2 GG Zuwanderungsgesetz) Vorsitz s. o. Der Reichstag macht zusammen mit dem Bundesrat die Gesetze muss insbesondere auch dem Etat (Staatshaushalt) zustimmen ist nach allgemeinem, gleichem und geheimem Wahlrecht gewählt

Das Deutsche Reich von 1871 Praxis des Föderalismus Die Verfassungspraxis des Reiches ist zunehmend weniger vom Gegensatz zwischen Reich und Ländern geprägt In der Bismarckzeit tritt der immer wieder neu auszutarierende Interessenausgleich zwischen Preußen und den anderen Ländern in den Vordergrund Seit 1900 Betonung der Reichseinheit – Figur des Reichsmonarchen Deutschland 1871, Quelle: DHM, Berlin

Spätkonstitutionalismus – Überblick Innenpolitische Spannungen nach Reichsgründung Ausbau des liberalen Rechtsstaats zur innenpolitischen Integration Freiheitliche und rechtsstaatliche Garantien Keine Vereins- und Versammlungsfreiheit Entstehung der Verwaltungsgerichtsbarkeit Bismarcks Kulturkampf Sozialistengesetze Sozialversicherungsgesetze Literarische Vertreter der These von der eigenständigen Staatsform: E. R. Huber, Dt. Verfassungsgeschichte; M. Kirsch, Monarch und Parlament im 19. Jahrhundert, 1999.

Die deutsche konstitutionelle Monarchie – Vorstufe des Parlamentarismus? Eigene Staatsform oder Übergangserscheinung zwischen Absolutismus und demokratischem Parlamentarismus? These von der unselbständigen Mischform Monarchisches Prinzip und parlamentarisch-demokratisches Prinzip unvereinbar Herrschaftskompromiss begrenzter Haltbarkeit Existentielle Dauerkrise besonders deutlich im preußischen Budgetkonflikt 1862-1866 Literarische Vertreter der These von der eigenständigen Staatsform: E. R. Huber, Dt. Verfassungsgeschichte; M. Kirsch, Monarch und Parlament im 19. Jahrhundert, 1999. Georg Waltenberger, Sitzung des Reichstags 1903

Die deutsche konstitutionelle Monarchie – Stabilisierung durch Verfassungspraxis Parlament und Reichsleitung immer neu zum Kompromiss gezwungen Parlament betont Leitfunktion der monarchischen Regierung Konfliktlinien zunehmend auch innerhalb des Parlamentes – Beispiel Steuergesetzgebung Parlament gewinnt Einfluss selbst dem Monarchen gegenüber (Daily-Telegraph-Affäre) Entschiedene Tendenz zur Parlamentarisierung erst in der Endphase Wilhelm II – Photopostkarte 1905, Quelle: DHM, Berlin

Der Aufstieg des Rechtsstaates: Verfassung und Grundrechte Kennzeichnendes Merkmal der deutschen konstitutionellen Monarchie ist Verfassungs- und Gesetzesvorbehalt Seit 1849 sind auch Grundrechtskataloge fest in der deutschen Verfassungstradition verankert Aber: Normative Kraft begrenzt – Tendenz zu Programmsätzen Grundrechte des dt. Volkes 1849, Bundesarchiv

Der Ausbau des Rechtsstaates: Entstehung der Verwaltungsgerichtsbarkeit Verwaltungsmacht wird strikt an Gesetze gebunden Eingriffe in Freiheit und Eigentum nur bei gesetzlicher Ermächtigung Gerichtliche Kontrolle dieses Gesetzesvorbehaltes zunächst teilweise durch die ordentliche Gerichtsbarkeit Verwaltungsrechtspflege und Verwaltungsgerichtsbarkeit Rudolf von Gneist (1816-1895) 1863 Badischer Verwaltungsgerichtshof 1875 Gründung des preußischen OVG „Restkompetenzen“ der Zivilgerichtsbarkeit Abschaffung der VGe im Nationalsozialismus und in der DDR Verwaltungsrechtspflege meint die Binnenkontrolle der Verwaltung durch eigene Ausschüsse. Ihre Abschaffung und Überführung in die ordentliche Gerichtsbarkeit war eine der Forderungen der Frankfurter Nationalversammlung. Artikel X §182 Abs.1. An eine unabhängige Verwaltungsgerichtsbarkeit war in der nationalsozialistischen Zeit nicht zu denken. Bereits mit Erlass des Führers und Reichskanzlers vom 28. August 1939 wurde „an die Stelle der Anfechtung einer Verfügung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren [...] die Anfechtung im Beschwerdewege bei der vorgesetzten Behörde oder der Aufsichtsbehörde“ gesetzt. „Die Beschwerdebehörde [konnte] im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung oder die besonderen Umstände des Einzelfalls statt der Beschwerde das verwaltungsgerichtliche Verfahren zulassen.“ Ein Reichsverwaltungsgericht wurde erst am 3. April 1941 durch einen Führererlaß eingerichtet. Dieses bildete jedoch keine Oberinstanz oberhalb der Oberverwaltungsgerichte bzw. Verwaltungsgerichtshöfe, sondern ersetzte aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung das Preußische Oberverwaltungsgericht, den Verwaltungsgerichtshof des Landes Österreich, den Reichsdienststrafhof, das Reichswirtschaftsgericht, die Oberste Spruchstelle für Umlegungen, die Oberste Spruchbehörde für Wasser- und Bodenverbände, das Entschädigungsgericht nach dem Gesetz über die Landbeschaffung für Zwecke der Wehrmacht und das Reichskriegsentschädigungsamt. 1944 wurde die Verwaltungsgerichtsbarkeit generell abgeschafft. In der DDR wurde die Verwaltungsgerichtsbarkeit 1952 abgeschafft, da sie als "bürgerlich" galt. Die Möglichkeiten der Bürger sich gegen den Staat zu schützen, beschränkte sich auf das Eingabewesen. Neue Ansätze einer sozialistischen Verwaltungsgerichtsbarkeit beim Obersten Gericht traten erst im Juli 1989 in Kraft, wurden aber nicht mehr praxiswirksam. Lepsius, Bildnis des Rudolf von Gneist (1902), Stiftung preußischer Kulturbesitz

Die deutsche konstitutionelle Monarchie und die deutsche Staatsrechtslehre Seit etwa 1860 entsteht deutsche Staatsrechtslehre als eigene Disziplin Schwache Wirkung der Grundrechte Neuansätze aber bei Georg Jellinek (1851-1911) Gedanke der staatlichen Selbstbindung Konzeption der Statuslehre status activus status passivus status negativus status positivus Georg Jellinek, Bildarchiv Uni Heidelberg

Literatur Werner Frotscher/Bodeo Pieroth, §§ 12-15 Dietmar Willoweit, Verfassungsgeschichte, §§ 31-36 Bärbel Holtz, Hartwin Spenkuch (Hrsg.), Preußen auf dem Weg in die Moderne, Berlin 2001 vertiefend zur Debatte um die Struktur der konstitutionellen Monarchie: Ernst-Wolfgang Böckenförde, Der Verfassungstyp der deutschen konstitutionellen Monarchie, in: Conze (Hrsg.), Beiträge zur deutschen und belgischen Verfassungsgeschichte im 19. Jahrhundert, Stuttgart 1967, 70 - 92, wieder abgedruckt in: Ernst-Wolfgang Böckenförde/ Wahl (Hrsg.), Moderne deutsche Verfassungsgeschichte 1815 - 1914, 2. Auflage Königstein (Taunus) 1981 (= Neue Wissenschaftliche Bibliothek, 51), 146 - 170, weiterhin abgedruckt in: Ernst-Wolfgang Böckenförde, Recht, Staat, Freiheit. Studien zur Rechtsphilosophie, Staatstheorie und Verfassungsgeschichte, Frankfurt a. M. 1991 (= suhrkamp taschenbuch wissenschaft, 914), 273 – 305 Christoph Schönberger, Die überholte Parlamentarisierung. Einflußgewinn und fehlende Herrschaftsfähigkeit des Reichstags im sich demokratisierenden Kaiserreich, in: Historische Zeitschrift 272 (2001), 623-666 Andreas Thier, Steuergesetzgebung und Verfassung in der konstitutionellen Monarchie, Frankfurt a. M. 1999 (= Studien zur Europäischen Rechtsgeschichte, H. 119), 1-14, 72-89