Die Pestalozzi-Schule

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 Präsentation transkript:

Die Pestalozzi-Schule Der „Pesta“ in Tumbaco bei Quito/Ecuador 1977 - 2005

Wir können unsere Kinder nur mit der Wirklichkeit in Berührung bringen, sie aber nicht anleiten, sie zu assimilieren. Das Beste, was wir tun können, ist, ihnen eine unaufhörliche und vielseitige Aktivität in wirklichen Lebenssituationen zu erlauben. R. und M. Wild

Rebeca Wild geb. 1939 in Berlin lebt seit 1961 in Ecuador arbeitete zusammen mit ihrem Mann Mauricio (geb. 1937 in Ecuador als Sohn Schweizer Eltern) als Plantagenleiterin, anschl. als Angestellte einer Import-Export-Firma mit Mauricio: 1965 -1970 Studium der Sozialwissenschaften in New York und Puerto Rico danach gemeinsame Leitung eines landwirtschaftlichen Entwicklungsprojekts in Ecuador

Leonardo, der älteste Sohn: Dorfschule, Prügelstrafe, Lernen im Chor mit 55 Kindern Schulmüdigkeit und Lebensunlust auf der höheren Schule Eltern wollten Rafael, dem Zweitgeborenen, dieses Schicksal ersparen. 1977 in Tumbaco (15 km außerhalb von Quito) in 2500 m Höhe Mieten eines Hauses, das zugleich Wohnhaus und Kindergarten wurde. Zur Finanzierung ihres Projekts arbeiteten die Wilds nachmittags und abends in Quito.

1980 (Rafael war nun 5): Eröffnung einer Grundschule (Primaria) 1981 Gründung der Stiftung „Fundación Educativa Pestalozzi“ (FEP), die keine staatlichen Zuschüsse erhielt 1986 Eröffnung einer Sekundarschule (Sekundaria) 1989 Anerkennung als Experimentalschule und Erlaubnis zur Vergabe eines Realschulabschlusses (Weiterlernen zur Vorbereitung auf das externe Abitur ist möglich)

insgesamt 190 Schüler bis 18 Jahre (Kindergarten ca insgesamt 190 Schüler bis 18 Jahre (Kindergarten ca. 40, Grundschule 120, Sekundarschule etwa 30 Kinder) mühevoller Prozess, Ringen um Anerkennung und Finanzierung viele Eltern konnten kaum oder kein Schulgeld aufbringen => Schließung drohte immer wieder erwachsene Betreuer und die Wilds selbst bekamen nur minimale Gehälter

Pädagogische Leitideen Besonders prägend für die Konzeptentwicklung waren die Ideen von Maria Montessori, Pestalozzi, Piaget, Freinet, aber auch Erkenntnisse der Neurobiologie und Hirnforschung (-> Humberto Maturana, einer der Begründer des Radikalen Konstruktivismus).

Kinder lernen gerne, wenn man sie lässt. Bei gut vorbereiteter Umgebung lernen Kinder von selbst; ihre Lernaktivität wird von innen gesteuert. Es bleibt den Kindern überlassen, selbstständig das zu nutzen, was ihnen angeboten wird [Unterschied zu Summerhill: Wer will, kann dort nach formellem Unterrichtplan lernen. Und zu den Sudbury Schools: Erwachsene vermeiden es dort bewusst, Kinder auch nur durch die Bereitstellung von Material anzuleiten.]. Förderprogramme und Therapien sind abzulehnen.

Die Kinder haben sehr viel Freiheit; der Pesta ist jedoch „keine antiautoritäre Schule“ (R. Wild). Bevorzugte Beschreibung: Der Pesta ist eine „Aktive Schule“. Der Pesta wird nicht demokratisch geführt. Kinder dürfen zwar zusätzliche eigene Regeln aufstellen, aber die wenigen Grundregeln werden von Erwachsenen entschieden und durchgesetzt. Allerdings gibt es regelmäßige Vollversammlungen, bei denen ein Kind den Vorsitz hat und ein anderes Sekretärin ist => erinnert an Summerhill; und wie dort sind das die einzigen verpflichtenden Veranstaltungen in der Schule.

Freies Spiel erhält auch im Schulalltag einen zentralen Ort. Die Kinder dürfen sich ihren Bedürfnissen entsprechend für eine Beschäftigung oder Arbeit entscheiden. Den Kindern werden so viele konkrete Erfahrungen wie möglich erlaubt, wobei „der Rhythmus der Verarbeitung von Erfahrungen respektiert“ werden soll.

Die Schule ermöglicht zahlreiche Anlässe, auf eigene Faust zu experimentieren, Dinge zu erforschen und zu erleben. Die Einrichtung der Schule spiegelt Piagets Entwicklungsstufenlehre (z. B. Mathematik: in Räumen für die Jüngeren große Mengen konkreten Materials). Es gibt keine vorgeschriebenen Unterrichtspläne, keine Benotung, keine Klassen, keine Pflichtstunden.

Umsetzung des Konzepts Schultag von 8 bis 12. In der Woche 30 Unterrichtseinheiten, in denen Erwachsene Angebote machen, die aber vor allem von den Sekundarschülern angenommen werden, während die Jüngeren lieber spielen.

Drei Abteilungen, die in etwa den Entwicklungsphasen entsprechen: Kindergarten (bis etwa 6/7 Jahren – aber Übergang erst, „wenn sie dafür bereit sind“): Entwickeln manueller Fertigkeiten, Internalisieren der „Qualität der äußeren Wirklichkeit“. Primaria (ca. 7 – 12/13 ~ Piagets operative Phase): Regellernen, Bestimmen der Wirklichkeit, Herausfinden von Ergebnissen. Secondaria: Hauptthema: „Wer bin ich?“

Schulgelände 2 Hektar groß, toller Blick auf die Anden, großer Sportbereich, Abenteuerspielplatz. Kindergarten: großes rundes Holzhaus mit Innenhof und Gras auf dem Dach, komplett umgeben von Veranda (Spielfläche und Werkraum). Im Innenraum einige „Boxen“: Puppenraum, Verkleidungsecke, Küche, Geschäft, Ruheplatz, Mal-, Bauecke, Musikinstrumente, Montessori-Materialien.

Grundschule: großes rechteckiges Gebäude mit großem Mathematik- und kleinerem Sprachbereich, Küche, Werk- und Naturwissenschaftsräume, sehr viel Ausstellungs- und Lernmaterial zum Selbstauswählen. Sekundarschule: Gemeinschaftsraum, großer Versammlungsraum, Raum mit Brett- und Kartenspielen und ganz oben mit dem einzigen Klassenzimmer der Schule (wer will, kann sich hier mit oder ohne Lehrer zum Lernen verabreden).

LehrerInnen, Kinder, Eltern Jeder Lehrer ist für einen Bereich verantwortlich, was aber wöchentlich wechselt. Hauptaufgabe der LehrerInnen: Beobachten und Notieren (kodiert), was jedes einzelne Kind tut. Bei den Beziehungen zwischen Erwachsenen und Heranwachsenden steht ein „nicht-direktiver Umgang“ im Vordergrund. Erwachsene geben keine Anweisungen und kontrollieren nicht. Zwischen Lehrer und Eltern besteht eine enge Kommunikation.

Konferenzen: Viermal in der Woche tauschen sich die erwachsenen Betreuer nachmittags untereinander aus (Fallbesprechungen, Fortbildung, intensive Elterngespräche). Leistungsbewertung: Es gibt in Einvernehmen mit den Schulbehörden keine Zensuren. Stattdessen: Computerprogramm von Mauricio Wild mit 650 genau beschriebenen und klassifizierten Aktivitäten von Kindern im Pesta. Jeder Betreuer ist für 15 Kinder zuständig und notiert im PC regelmäßig die Aktivitäten der Kinder nach den Kategorien Dauer / Konzentration / Autonomie. Zweimal im Jahr erhalten die Eltern einen ca. 50seitigen persönlichen Bericht des zuständigen Betreuers, zu dem sie (und ab 14 auch die Schüler) Stellung nehmen.

Regelmäßige Angebote außerhalb der Schule: Fahrradexpeditionen (starten wg. der Hitze morgens um 6), Ausflüge; ab 10 ist an drei Tagen im Monat Arbeiten erlaubt (z. B. Bedienen im Restaurant oder in Geschäften, Mitarbeit im Tierheim o.ä.). Es gibt immer wieder besondere Projekte (z. B. 6.000 km lange Radtour mit 45 Teilnehmern nach Manaus/Brasilien).

Zum Nachdenken „Kindern, die sich über lange Zeit für keine persönliche Aktivität entscheiden können, werden Grenzen gesetzt, meist, indem für sie die Wahl der Möglichkeiten eingeschränkt und die Entscheidung für eine Aktivität verlangt wird.“ (Gründler 2000, 4).

Eltern werden verpflichtet, auch zu Hause die pädagogischen Leitlinien der Schule zu übernehmen. Die Eltern der Grund- und Sekundarschüler werden zu vorbereitenden Kursen verpflichtet, um das Schulkonzept kennen zu lernen. Es ist nicht erlaubt, außerhalb der Schule Unterricht zu besuchen, z. B. Musikstunden, bevor das Kind nicht mindestens zwölf ist, und auch dann nur, wenn die Schule zustimmt.

Vom Fernsehen zu Hause wird streng abgeraten („führt zu neurologischer Schädigung“); Kassettenrecorder und Radios sind ebenfalls nicht erlaubt, „weil sie ein unvorbereitetes Element einführen würden“. „Kinder sind bei den Elterntreffen nicht zugelassen, weil sie keine vorbereitete Umgebung für die Kinder darstellen.“

M. Wild: „Wir sind keine Pädagogen M. Wild: „Wir sind keine Pädagogen. Wir haben als Eltern gehandelt, die für ihr Kind eine bessere Schule wollten.“ Sehr strenge Auflagen für Besucher (nicht mit Lehrern sprechen, nicht mit den Kindern sprechen – außer man wird angesprochen - , kein Beobachten von Gruppen, sondern nur von einzelnen Kindern, keine Filme oder Fotos).

Aussagen ehemaliger Schüler „Ich denke, dass ich alles, was ich weiß, im Pesta gelernt habe, und ich hätte es in keiner anderen Schule lernen können, wegen der Freiheit, die man mir gegeben hat, Entscheidungen zu treffen und die Dinge dann zu tun, wenn ich sie tun will.“ „Ich glaube, dass man hier mehr tut, als dass man bestimmte Themen lernt: man lernt zu leben, sein Leben zu leben.“