Problemfeld Überstunden –

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Problemfeld Überstunden – Anordnung, Erfassung, Abwehr unberechtigter Anspruche Reinbek – 10. Oktober 2017

Begriff Anordnungsbefugnis und -klauseln Vergütung von Überstunden Überstunden und Arbeitszeitkonto Prozessuales

I. Begriff auch Änderungsvertrag, befristet Änderungen

Begriff der Überstunden  Arbeit über die persönlich geschuldete regelmäßige bzw. betriebsübliche Arbeitszeit hinaus Was ist die persönliche oder betriebliche „Normalarbeitszeit“?

Begriff der Überstunden bei flexiblen Arbeitszeitmodellen  Arbeitszeitkonten nicht tägliche Arbeitszeit ist für die Bestimmung von Überstunden maßgeblich maßgeblich ist der individuelle Ausgleichszeitraum Teilzeit wird faktisch wie flexible Arbeitszeitbehandelt, da Überschreitung des täglichen Teilzeitpensums zumindest keine zuschlagspflichtigen Überstunden sein sollen

Normalarbeitszeit als Bezugsgröße nach arbeitsvertraglicher Vereinbarung aus Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag aus den betriebsüblichen Umständen = betriebsübliche Arbeitszeit  sonst Höchstgrenze § 3 ArbZG maßgeblich (= 8 Stunden)

Synonyme Begriffe Plusstunden Mehrarbeit meint häufig die Überschreitung der täglichen Höchstarbeitszeit von 8 Stunden

Höchstarbeitszeiten (§ 3 ArbZG): 8 Stunden täglich Erhöhung auf 10 Stunden bei 6-monatigem Durchschnitt von 8 Stunden Überstunden dürften die absolute Höchstarbeitszeit von 10 Stunden nicht überschreiten

Minusstunden  Arbeitgeber weist zu wenig Stunden zu außerhalb von Arbeitszeitkonten Annahmeverzug § 615 BGB

Wofür ist der Begriff der Überstunden wichtig? Geltendmachung ergänzender Vergütung Geltendmachung tariflicher Zuschläge Frage der Verpflichtung zur Mehrarbeit Fragen der Mitbestimmung § 87 Abs. 1 Ziff. 3 BetrVG

II. Anordnungsbefugnis und -klauseln auch Änderungsvertrag, befristet Änderungen

Feste Arbeitszeitregelungen schließen (angeordnete) Überstunden aus nur die vertraglich geschuldete Arbeitszeit muss erfüllt werden ohne weitere Rechtsgrundlage nur im betrieblichen Notfall ausnahmsweise Anordnung möglich

Betrieblicher Notfall unvorhergesehenes Ereignis hohes Schadenspotenzial

Öffnung für Überstunden durch arbeitsvertragliche Regelungen Betriebsvereinbarung Tarifvertrag

Anordnungsklauseln AGB-Kontrolle arbeitsvertraglicher Klauseln Klauseln sind prinzipiell problematisch, da zahlreiche typischerweise verwendete Begriff auslegungsbedürftig sind („in angemessenem Umgang“, „nach rechtszeitiger Ankündigung“) Klauseln, die Überstunden voraussetzen, enthalten auch die Anordnungsbefugnis, da sie sonst sinnlos wären (auch: Pauschalabgeltungsklauseln)

Weisungsrecht: Nähere Bestimmung der im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig beschriebenen Leistungspflicht des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber nach - Zeit - Art und - Ort der Leistung soweit nicht Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz entgegen stehen

Rechtsgrundlage des Weisungsrechts: § 315 Abs. 1 BGB vorgegebene Grenze:  Ausübung nur nach „billigem Ermessen“ keine Befolgungspflicht bei Verstoß gegen billiges Ermessen bis zur gegenteiligen gerichtlichen Klärung

III. Vergütung von Überstunden auch Änderungsvertrag, befristet Änderungen

Bundesarbeitsgericht: kein allgemeiner Grundsatz zur Vergütung von Überstunden §§ 611, 612 BGB gelten nicht per se Fallgruppenrechtssprechung

Fallgruppe 1:  schlichte Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus keine Vergütungspflicht

Fallgruppe 2:  Anwesenheit ohne Vergütungserwartung keine Vergütungspflicht

Keine Vergütungserwartung bei Diensten höherer Art und insgesamt herausgehobener Vergütung muss den Umständen nach erwartet werden können (Sozialtypik)

Fallgruppe 3:  Überstunden ins Arbeitszeitkonto i.d.R. Vergütungspflicht

Fallgruppe 4:  Angeordnete Überstunden Vergütungspflicht

Anordnung von Überstunden: durch anordnungsberechtigte Person Anordnung – Billigung – Duldung

Anordnung: Wer hat wann auf welche Weise wie viele Überstunden angeordnet oder die Weisung erteilt, sich zur Arbeitsaufnahme bereit zu halten? konkludente Anordnung möglich, wenn zugewiesenes Pensum innerhalb Normalarbeitszeit nicht machbar

Billigung und Duldung: Billigung: AG gibt zu erkennen, dass er mit der Ableistung von Überstunden einverstanden ist Duldung: AG ergreift trotz Kenntnis von Überstundenanfall keine Maßnahmen gegen Ableistung

Konkludente Anordnung von Überstunden – BAG Urt. v. 10.04.2013 – 5 AZR 122/12 konkludente Zuweisung von Überstunden durch schlichte Zuweisung von Arbeit, die innerhalb Normalarbeitszeit nicht zu schaffen ist Vortrag zur Nicht-Machbarkeit ist ausreichend Arbeitgeber muss sich sodann entlasten Duldung der Überstunden durch Hinnahme in Kenntnis deren Leistung ohne Vorkehrungen zur Verhinderung

Schätzung des Mindestumfangs von Überstunden – BAG Urt. v. 25.03.2015 – 5 AZR 602/13 Schätzung bei Feststehen der Leistung von Überstunden auf Veranlassung des Arbeitgebers zulässig, wenn AN nicht jede einzelne Überstunde darlegen kann Freie Überzeugung des Gerichts zum Feststehen (§ 286 ZPO) Schätzung nach § 287 ZPO

Abgeltungsklauseln: müssen Volumen der abgegoltenen Überstunden erkennen lassen können durch das Grundgehalt abgelten oder durch Zahlung einer Pauschale müssen gleichwohl Mindestlohn wahren

IV. Überstunden und Arbeitszeitkonto auch Änderungsvertrag, befristet Änderungen

Pflicht zur ordnungsgemäßen Führung erfasst auch Gutschriftspflicht von (angeordneten und geleisteten) Überstunden Verrechnung mit Minusstunden nur bei Vereinbarung möglich

Auskunft über Kontenstände vorbehaltslose Saldenmitteilung stellt Anerkenntnis dar (str.)

Arbeitszeitkonto und Freizeitausgleich Regelung zum Arbeitszeitkonto entscheidet über finanzielle Abgeltung oder Freizeitausgleich Festlegung des Ausgleichszeitpunktes durch den Arbeitgeber, falls keine speziellere Regelung

V. Prozessuales auch Änderungsvertrag, befristet Änderungen

Problembereiche: Klagen/Anträge auf Auskunftserteilung (z.B. Arbeitszeitkonto, Fahrtenscheiben u.s.w.)

Konzept der abgestuften Darlegungs- und Beweislast die an sich darlegungs- und beweisbelastete Partei muss nur bis zu einem gewissen Grad vortragen (soweit möglich) die Darlegungs- und Beweislast wechselt dann auf die gegnerische Partei, die ihrerseits darlegen und beweisen muss kann mehrstufig hin und her wechseln

Grundsatz: Arbeitsnehmer muss A. u. A. von Überstunden beweisen  trägt vor, was in seiner Kenntnis steht Arbeitgeber muss jetzt aufgrund besserer Kenntnis des Betriebs unter Darlegung und ggf. erwidern  trägt vor, was in seiner Kenntnis steht Arbeitnehmer muss seinerseits auf Vortrag des Arbeitgebers nach seinem Kenntnis- und Wissenstand erwidern  ggf. Beweisaufnahme

Ausschlussklauseln § 3 MiLoG Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam.  Ausschlussklauseln für den Mindestlohn sind unzulässig Folge für „pauschale“ Ausschlussklauseln, wie „ … sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen … “ ?  Gesamtunwirksamkeit? Vertragsanpassungsbedarf? oder geltungserhaltende Reduktion?

Klauselvorschlag: „Al­le ge­gen­sei­ti­gen Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis verfallen, wenn sie nicht in­ner­halb ei­ner Frist von drei Mo­na­ten nach Fällig­keit ge­genüber der an­de­ren Ver­trags­par­tei schrift­lich gel­tend ge­macht wer­den. Da­von aus­ge­nom­men sind Ansprüche, die auf ei­ner vorsätz­li­chen ei­ner Ver­trags­par­tei, sowie auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Arbeitgebers be­ru­hen. Weiter gilt dies nicht für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit des Arbeitnehmers im Fall einer fahrlässigen Pflichtverletzung. Ferner gilt die Regelung nicht für die Ansprüche des Arbeitnehmers auf einen gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn bzw. auf nach dem AEntG bindende Mindestarbeitsbedingungen, sowie für Ansprüche aus einem normativ auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag.“