Das Rollenverständnis tauber GebärdensprachdolmetscherInnen

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 Präsentation transkript:

Das Rollenverständnis tauber GebärdensprachdolmetscherInnen Modul: BGSD 20 Forschungspraxis: Gehörlose, Gebärdensprache, Dolmetschen Projektleitung: Sandra Köchy, Prof. Dr. Jens Heßmann Präsentation: Alina Mundt, Lena Zettelmeyer, Neele Wolff & Karoline Zabel 12.07.2017

Verzeichnis Motivation Theoretische Grundlagen Methodisches Vorgehen und Datenerhebung Ergebnisse Reflexion der Forschungsarbeit Ausblick Literatur

Motivation zunehmende Anzahl an Menschen mit Migrationshintergrund Bedarf an tauben GSD steigt Rollenverständnis bisher nicht empirisch erforscht keine Studien mit tGSD Gehörlosengemeinschaft→ Minderheit ausgeglicheneres Machtverhältnis durch tGSD?

2. Theoretische Grundlagen höhere Gebärdensprach-kompetenz (Stone, 2002, S.27) linguistische & kulturelle Gründe für den Einsatz von tSD steigender Bedarf an tGSD im intersprachlichen Bereich (Boudreault, 2005, S.327) kulturelles Verständnis durch Zugehörigkeit zur Gl Gemeinschaft Kennen tGSD das Role Space Modell und andere Modelle zum Rollenverständnis? (Llewellyn-Jones & Lee, 2011) Rollenkonflikt durch Nähe zur Gl Gemeinschaft? anderes Rollenverständnis der tGSD? (Boudreault, 2005, S.347) intuitiver Umgang mit Sprache und Kultur (Cokely, 2008, S.65)

3. Methodisches Vorgehen und Datenerhebung Qualitative Forschungsmethode: narrative Einzelinterviews mittels Interviewleitfaden Forschungsfragen: Welche Inhalte werden tauben Gebärdensprachdolmetschern in ihrer Ausbildung zum Thema Rolle vermittelt? Inwiefern findet das Gelernte Zustimmung und Anwendung im Berufsleben? Wie stehen taube Gebärdensprachdolmetscher zu bereits vorhandenen Rollenmodellen? Wie wirkt sich die Identität des jeweiligen tauben Gebärdensprachdolmetschers auf das eigene Rollenverständnis aus?

3. Methodisches Vorgehen und Datenerhebung Technische Umsetzung Anfrage per E-Mail mit Flyer und DGS-Video 22 7 4 Teilnehmer (2:2) 3 Skype-Interviews, 1 Live-Interview Inhaltliche Transkription

Qualitative Inhaltsanalyse Kategorienbildung in Tabellenform (nach Mayring, 2010)

Qualitative Inhaltsanalyse Kategorieauflistung OK 1: Bewertung verschiedener Rollenmodelle/Ethischer Vorgaben/Begrifflichkeiten UK 1.1: Befürwortung Demand-Control-Schema UK 1.2: Befürwortung Integrität UK 1.3: Einstellung zu Röhrenmodell UK 1.4: Kenntnis Role-Space-Modell UK 1.4.1: Einstellung zu Role-Space-Modell UK 1.5: Benennung BEO UK 1.6: Benennung AFLIC OK 2: Rollenerwartung an GSD aus Kundenperspektive UK 2.1: professionell-neutraler GSD (Einstellung zu „Neutralität”) UK 2.2: Integer-rollenflexibler GSD OK 3: Motivation für den Beruf tGSD UK 3.1: Vorerfahrung zu Dolmetschdienstleistungen UK 3.2: Beeinflussung durch Gl-Gemeinschaft UK 3.3: Vorprägung durch Familie OK 4: Rollenverständnis: Erwartungen an einen GSD im Laufe der Weiterbildung UK 4.1: allgemeine Einflüsse UK 4.2: besonders positive/ negative Erfahrungen UK 4.3: Abgleich mit vorherigem Beruf / früherer Rolle OK 5: Verständnis der eigenen Rolle UK 5.1: verschiedene Rollenerwartungen - Mehrfachrollen UK 5.2: Notwendigkeit klarer Rollentrennung UK 5.3: Rollenkonflikte UK 5.4: Kriterien für Auftragsablehnung OK 6: Mitgliedschaft in Gl-Gemeinschaft UK 6.1: Bewertung der doppelten Zugehörigkeit (Vor- und Nachteile) UK 6.2: Vorbildfunktion OK 7: Verhältnis zu hörenden GSD UK 7.1: Umgang mit Kritik und Feedback an hGSD UK 7.2: Annäherung (verbesserte, kollegiale Beziehung zu hGSD)

4. Ergebnisse Häufige Nennung: Bewertung verschiedener Rollenmodelle, ethischer Vorgaben und Begrifflichkeiten Berufs- und Ehrenordnung “Neutralität” “Integrität” “Das ist noch ein Ausprobieren. Ja, da habe ich schon auch ein Problem mit meiner Grenze. Wie weit kann man gehen? Das ist – wie schon gesagt – in der Berufs- und Ehrenordnung nicht klar.” (B2) “Ich finde die Dolmetscherin sollte sich auch als Person einbringen und nicht nur Sprachen hin und her schieben […] Die Dolmetscherin ist ja dabei, mit im Boot und muss dafür sorgen, dass alles von der einen Seite zur anderen übermittelt wird und es rund läuft. Das ist wichtig. […] Hier spielt Integrität eine Rolle […] “ (B2)

4. Ergebnisse Eigenes Rollenverständnis Mitgliedschaft in Gehörlosengemeinschaft Eigenes Rollenverständnis “Also man sollte sich bewusst machen, dass man eine Doppelrolle inne hat: man ist eben zum Einen selbst Dolmetscher aber eben auch Kunde. [...] Also wenn man sich mit gehörlosen Freunden kritisch über Dolmetscher äußert sollte man nie dabei vergessen, dass das auch die eigenen Kollegen sind.” (B1) Notwendigkeit klarer Rollentrennung Mehrfachrollen

4. Ergebnisse Verhältnis zu hörenden GSD “Aber ab dem Moment, als ich selbst Dolmetscher wurde, konnte ich mich mit hörenden Dolmetschern wirklich identifizieren. Früher als ich Außenstehende war, hatte ich keine große Verbindung, obwohl ich beruflich auch vorher mit ihnen zu tun hatte. Der Kreis der Dolmetscher war für mich trotzdem nicht zugänglich.” (B2)

4. Ergebnisse: Fazit tGSD … … ziehen ihre individuelle Rollenauslegung weniger aus den Inhalten der Ausbildung als aus persönlichen Erfahrungen und Berufspraxis. … haben durch ihre Mehrfachfunktion einen besonderen Status, der mehr Beachtung und tiefergehende Diskussion (Forschung) erfahren muss. … sind möglicherweise zu mehr Aufklärungsarbeit und Schutz des Berufsbilds gezwungen (im Vergleich zu hGSD).

5. Reflexion der Forschungsarbeit einwandfreie Durchführung der Interviews auch über Skype Rücklauf → Interesse unter tGSD Reflexion unserer Forschungsarbeit ggf. Beeinflussung: Im Interview zu explizit nach Rollenmodellen gefragt? Interpretation bereits durch eigene Übersetzung Fragenkatalog stärker verinnerlichen für schnelleres Nachfragen wenig Erfahrung in qualitativer Forschung

6. Ausblick Forschung speziell zum Thema “Doppelrolle” Allgemein besseres Verständnis des Dolmetscherberufs Anpassung der BEO mit Erweiterung für taube Dolmetscher Mehr Öffentlichkeitsarbeit? Sowohl für Hörende als auch Gehörlose Kunden Entwicklung eines neuen Rollenmodells speziell für taube Dolmetscher Ausbildung erweitern: mehr Informationen zu Rollenmodellen Ausbildung erweitern: Klare Trennung von der Privatperson und dem Dolmetscher

“Viele Gehörlose [GSD] folgen der BEO, die uns eine Art Richtlinie vorgibt für ein professionelles Handeln. Ich meine wir haben ja auch eine Art Doppelfunktion […] Ich bewege mich quasi zwischen zwei Rollen, in denen ich immer hin und her switchen muss. Dazu muss ich klar mein Berufsbild repräsentieren [...]. Ob man sowas groß im Unterricht lernen kann weiß ich jetzt nicht, aber viel Übung und Praxis geben einem die nötige Orientierung.” (B4)

7. Verwendete Literatur Boudreault, P. (2005). Deaf Interpreters. In: T. Janzen (Hrsg.), Topics in Signed Language Interpreting. Theory and Praxis. (S. 323- 355). Philadelphia: John Benjamins Publishing Cokely, D. (2008). Never our Language; Never our Culture: The Importance of Deaf Community Connectedness for Interpreters. In: C. J. Kellett Bidoli, & E. Ochse (Hrsg.), English in International Deaf Culture Communication (S. 57-74). Germany: Peter Lang Llewellyn-Jones, P., & Lee, R. G. (2011). 'Rolle', die zweite: Plädoyer für eine multidimensionale Analyse des Dolmetscherverhaltens. In: Das Zeichen (88), S. 363- 367 Mayring, P. (2010). Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Weinheim und Basel: Beltz Stone, C. (2002). Toward a Deaf Translation Norm. Washington D.C.: Gallaudet University Press Schwab, F., Schweizer, S. (2014). Konferenzdolmetschen und Dolmetschen bei Gericht. Analyse der Teamarbeit zwischen tauben und hörenden Gebärdensprachdolmetschern. Universität Hamburg Vogt, S. & Werner, M. (2014). Forschen mit Leitfadeninterviews und qualitativer Inhaltsanalyse. Skript. Köln: Fachhochschule Köln.