Fraueninformation/Patientinneninformation: Entscheidungen unterstützen - Kontroversen nicht vorenthalten DNEbM-Akademie 2015: Gemeinsam informiert.

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 Präsentation transkript:

Fraueninformation/Patientinneninformation: Entscheidungen unterstützen - Kontroversen nicht vorenthalten DNEbM-Akademie 2015: Gemeinsam informiert entscheiden 04.09.2015 LEUCOREA Wittenberg

Über mich: Arbeit am Thema Brustkrebs aus der Patientinnenperspektive seit 15 Jahren Mitarbeit in Gremien AG Brustkrebs Netzwerk Frauengesundheit Berlin, AG Brustkrebs AKF, Patientinnenvertretung nach PatBeteiligungsV in Berlin (bis 2012) gesundheitsziele.de (bis 2012) Zusammenarbeit mit Frauengesundheitsorganisationen national / international Women in Europe for a Common Future (WECF) Health and Environment Alliance (HEAL) Breast Cancer Action US & CA verortet in unabhängiger Frauengesundheitsbewegung größter Zusammenschluss unabhängiger Frauengesundheitsorganisationen in D

Brustkrebs / Aktueller Stand Erhebliches Gesundheitsproblem für erkrankte Frauen hohes Angstpotential / ständige Risikokommunikation Desinformation, Überschätzung von Erkrankungsrisiko Verschweigen von Behandlungsrisiken Erhebliche Anstrengungen für Qualitätsverbesserungen! Kontroversen, die öffentlich wenig diskutiert werden: bisher wenig sichtbarer Erfolg hinsichtlich Brustkrebssterblichkeit erheblicher Anstieg der Diagnosen seit Umsetzung von Gesundheitsreform & Mammographie-Screening Überdiagnose und Übertherapie viele Diagnostik- und Therapieverfahren helfen immer nur Wenigen, jeweils bei nicht unerheblichen Risiken für die Frau

Entscheidungen mit Tragweite: Von welchen Entscheidungen reden wir im Zusammenhang mit Brustkrebs? Alle Frauen: Selbstuntersuchung? (Information fehlt) Mammographie-Screening? (Information ist in Bearbeitung) IGeL-Leistungen? (z.B. Brustultraschall, IGeL-Monitor) Familiär gehäuft auftretender bzw. genetisch bedingter Brustkrebs: Beratung? (Leistungsanbieter) Gentest? (Leistungsanbieter) prophylaktische Chirurgie / maximal invasive Strategien*? (Leistungsanbieter) Evidenzbasierte Entscheidungshilfen bei KID, IQWiG, Krebshilfe und Fachgesellschaften nicht verfügbar. Von Diagnose betroffene Frauen: Behandlung von Vorstufen? (Patientinnen-Leitlinie, unzureichend/ungeeignet in aktueller Version) Brust erhaltende Therapie / Mastektomie / Rekonstruktion? (dito) Kontralaterale Entfernung der Brust? (fehlt) Chemotherapie? (Patientinnen-Leitlinie, unzureichend/ungeeignet in aktueller Version) Strahlentherapie? (Patientinnen-Leitlinie, unzureichend/ungeeignet in aktueller Version) Weitere Therapien? * Schmutzler R. Dtsch Arztebl 2015; 112(20): A-910 / B-762 / C-7

Komplexe Erkrankung / schwerwiegende Entscheidungen für Frauen These: Patientinnenaufklärung (ärztlich u. juristisch) Patientinneninformation (schriftlich) und Patientinnenberatung (niedrigschwellig, z.B. BCN) sind essentiell für Entscheidungsfindungen, mit denen betroffene Frauen langfristig gut weiterleben können.

Entscheidungshilfen: Wie sollen Frauen mit Brustkrebs informiert werden? S3-Leitlinie: „Qualifizierte und sachdienliche Informationsmaterialien (Print- oder Internetmedien) sollen nach definierten Qualitätskriterien für Gesundheitsinformationen erstellt und Patientinnen zur Verfügung gestellt werden, um sie durch eine verständliche Risikokommunikation (z.B. Angabe von absoluten Risikoreduktionen) in ihrer selbstbestimmten Entscheidung für oder gegen medizinische Maßnahmen zu unterstützen.“ Welche Qualitätskriterien? Transparenz Informationsanbieter / Ausschluss Interessenkonflikte?

Therapieaufklärung: Wie sollen Frauen mit Brustkrebs informiert werden Therapieaufklärung: Wie sollen Frauen mit Brustkrebs informiert werden? S3-Leitlinie: „Als Inhalte eines Therapieaufklärungsgesprächs sollten in jedem Fall folgende Punkte angesprochen werden: • Operative Therapie: Möglichkeiten der brusterhaltenden Operation mit obligater Radiotherapie als gleichwertig zur ablativen Therapie mit unterschiedlichen Varianten einer primären und sekundären Rekonstruktion oder der Versorgung mit einer äußeren Prothese • Systemische Therapie: Prinzipien und die angestrebten Behandlungsziele einer (neo-)adjuvanten oder palliativen Therapie, Dauer und die Durchführung der Therapie, ihre Nebenwirkungen und mögliche Spätfolgen sowie über die Behandlungsmöglichkeiten der Nebenwirkungen • Strahlentherapie: Prinzipien und die angestrebten Behandlungsziele, Dauer und Nachbeobachtung, mögliche Akut- und Spätfolgen, Behandlungsmöglichkeiten der Nebenwirkungen • Teilnahme an klinischen Studien, Prinzipien und angestrebte Behandlungsziele, Dauer und Durchführung der Therapie; bisher bekannte Wirkungen und Nebenwirkungen, Besonderheiten (Monitoring, zusätzliche Maßnahmen, Mitwirkung, Datenspeicherung und -verarbeitung) • Sonstige: Möglichkeiten der Prophylaxe und Behandlung therapiebedingter Nebenwirkungen (z. B. Emesis, Osteoporose, Lymphödem etc.), Notwendigkeit der Nachsorge, Möglichkeiten der Rehabilitation, psychoonkologische Unterstützung sowie Leistungen der Selbsthilfegruppen, Aspekte der Eigenverantwortung und Mitwirkung (z.B. Mitteilung von Symptomen und Problemen, Therapiecompliance)“ Es ist unmöglich, die genannten Inhalte in einem Therapieaufklärungsgespräch angemessen zu vermitteln .

Entscheidungshilfen Patientinnen-Leitlinie (beruhend auf S3-Leitlinie) als Beispiel: erhältlich bei der Deutschen Krebshilfe sowie als Internetdownload Stand 2009, keine Aktualisierung Kardinalfehler wie bei Therapieaufklärungsgespräch wiederholt sich: Überfrachtung der Patientin mit sämtlichen Therapieoptionen Die Patientin braucht regelmäßig nur einen Teil der angebotenen Information Geringe Informationstiefe zu komplexen Einzelfragen Problematisch: Gemeinsame Abhandlung von Brustkrebs und Vorstufe DCIS in einer Broschüre Erhebliche Risiken nicht adäquat behandelt

Entscheidungshilfen Beispiel: Risiko verharmlost? Welche Therapie kann Leukämie verursachen? Absolute Zahlen? (s. Vorgabe S3-Leitlinie) Angabe zu durch Strahlentherapie + Chemotherapie zusätzlich erhöhtem Risiko fehlt Beispiel: Risiko wird verschwiegen Obwohl Tamoxifen durch die WHO als Karzinogen eingestuft wurde und der Zshang lange bekannt ist: kein Hinweis auf Risiko für Endometriumkarzinom keine gynäkologischen Kontrolluntersuchungen entsprechend empfohlen

Entscheidungshilfen Patientinnen-Leitlinie (beruhend auf S3-Leitlinie): Interessenkonflikte nicht benannt: Transparenzmangel zum Beispiel: Fraueninteressenvertretung Women‘s Health Coalition e.V. = bekannte Nähe der Organisation zur pharmazeutischen Industrie Unabhängige Frauengesundheits-netzwerke sind nicht beteiligt.

Fazit: Aktuelle Patientinnen-Leitlinie Eine faire Entscheidungsfindung, mit der betroffene Frauen langfristig gut weiterleben können, ist mit Patientinnen-Leitlinie in der aktuellen Version nicht sichergestellt.

Wie geht es besser? (Beispiel schriftliche Information) Patientinneninformation, die zur Entscheidung befähigt: keine “one fits all”-Patientinnen-Leitlinien Leitlinien für Ärzte sind nicht die geeignete Vorlage zur Entwicklung von Patientinneninformation modular aufgebaute, evidenzbasierte Entscheidungshilfen zu relevanten Fragestellungen bessere Informationstiefe zu Einzelentscheidungen vollständige und nachvollziehbare Informationen über Risiken von großer Tragweite (z.B. weitere therapiebedingte Krebserkrankungen, absolute Zahlen) Kontroversen nicht paternalistisch ausklammern, sondern explizit benennen und darlegen, auch wenn es um schwierige Entscheidungen geht! Integration Bandbreite Therapieoptionen (Patientinnen kann nur das helfen, was als Therapie gewollt und akzeptiert ist) Last but not least: Ausschluss von Interessenkonflikten bei der Erstellung von schriftlichen Informationsmaterialien

Wie geht es besser (Beratung) Patientinneninformation, die zur Entscheidung befähigt: Breast Care Nurse / niedrigschwellige Beratung in Brustzentren als Bestandteil partizipativer Entscheidungsfindung: Anforderungen an spezialisierte Brustzentren EUSOMA v. Mai 2000 „Ausgebildete Brustschwestern müssen zur Beratung verfügbar sein und praktischen Rat und emotionale und informelle Unterstützung für neu diagnostizierte Patientinnen mit Brustkrebs zum Zeitpunkt der Diagnose anbieten sowie Behandlungspläne mit den Patientinnen besprechen. Ähnliche Unterstützung sollte in der Nachsorge-Sprechstunde bei primärem Brustkrebs sowie in der Behandlung der fortgeschrittenen Erkrankung zur Verfügung stehen. Mindestens zwei spezialisierte Brustschwestern werden je Brustzentrum benötigt, und ein gutes Kalkulationsverhältnis für die Bedarfsermittlung sind zwei spezialisierte Brustschwestern für je 100 neu diagnostizierte Brustkrebsfälle.“