Übungen im Obligationenrecht Besonderer Teil Frühjahrssemester 2017

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 Präsentation transkript:

Übungen im Obligationenrecht Besonderer Teil Frühjahrssemester 2017 Fall 1 – Sechs Mülleramazonen-Papageien 23. Februar 2017 PD Dr. iur. Michael Hochstrasser

Michael Hochstrasser 23. Februar 2017

Veranstaltungsdaten (Gruppe 4) 23.02.2017 Fall 1 Michael Hochstrasser 02.03.2017 Fall 2 Arnold Rusch 09.03.2017 Fall 3 16.03.2017 Fall 4 23.03.2017 Fall 5 30.03.2017 Fall 6 Pause 27.04.2017 Fall 7 Arnold Rusch (8.00 Uhr) Michael Hochstrasser (14.00 Uhr) Michael Hochstrasser 23. Februar 2017

Vorgehen bei der Falllösung Sachverhalt lesen und verstehen evtl. Skizze erstellen Wie ist die Rechtslage? → es sind alle denkbaren Ansprüche zwischen allen Personen zu prüfen Anspruchsmethode: Wer will von wem was woraus? Michael Hochstrasser 23. Februar 2017

Anspruchsmethode: Gliederung der Ansprüche nach Personen beginnen mit der Person, die das grösste Problem hat nach Anspruchsgrundlage - vertragliche Ansprüche - quasivertragliche Ansprüche (GoA, cic etc.) - sachenrechtliche Ansprüche (z.B. ZGB 641 II) - deliktsrechtliche Ansprüche (z.B. OR 41 I) - ungerechtfertigte Bereicherung (→ Eselsbrücke: "Viele Qualen spürt der Bearbeiter.") Michael Hochstrasser 23. Februar 2017

I. Ansprüche aus Sachgewährleistung A. Wahl Wandlung 1. Ansprüche von K gegen V 1.1 auf Rückerstattung des Kaufpreises Fr. 4‘800 (OR 208 II) 1.2 auf Zinsen (OR 208 II) 1.3 auf Schadenersatz Fr. 2 Mio. (OR 208 II oder III) 2. Ansprüche von V gegen K 2.1 auf Herausgabe der Papageien (OR 208 I) 2.2 auf Nutzungsentschädigung (OR 208 I) B. Wahl Minderung K gegen V auf Minderung (OR 205 I) K gegen V auf Schadenersatz Fr. 2 Mio. (OR 97 I) C. Wahl Ersatzlieferung Anspruch von K gegen V auf Ersatzlieferung (OR 206 I) Michael Hochstrasser 23. Februar 2017

II. Ansprüche von K gg. V aus OR 97 I 1. auf Schadenersatz Fr. 2 Mio 2. auf Rückerstattung Kaufpreis (bei Wahl Rücktritt; BGer. und h.L.) III. Anspruch von K gegen V auf Schadenersatz aus OR 41 I IV. Anspruch von K gegen V auf Schadenersatz aus OR 56 I V. Anspruch von K gegen V auf Schadenersatz aus PrHG VI. Ansprüche bei Berufung auf Grundlagenirrtum 1. Ansprüche von K gegen V 1.1 auf Rückerstattung Kaufpreis (OR 62 f.) 1.2 auf Zinsen (OR 62 f.) 1.3 auf Schadenersatz Fr. 2 Mio (OR 41 I; culpa in contrahendo) 2. Ansprüche von V gegen K 2.1 auf Herausgabe der Papageien (ZGB 641 II) 2.2 auf Nutzungsentschädigung (OR 62) VII. Konkurrenz der Ansprüche Michael Hochstrasser 23. Februar 2017

- Prüfungsobliegenheit erfüllt (OR 201 I) I.A.1.1 Anspruch K gg. V auf Rückerstattung Kaufpreis (OR 208 II) a) Zustandekommen und Gültigkeit des Vertrags b) Qualifikation des Vertrags c) Voraussetzungen der Sachgewährleistung - Sachmangel (OR 197 I) - Vorliegen im Zeitpunkt des Gefahrübergangs - Käufer hat keine Kenntnis vom Mangel (OR 200) - Prüfungsobliegenheit erfüllt (OR 201 I) - Rügeobliegenheit erfüllt (OR 201 I/III) - Ansprüche sind nicht verjährt (OR 210 I) - Sachgewährleistung nicht wegbedungen (OR 199) d) Wandlung ist nach den Umständen gerechtfertigt (OR 205 II) e) Folge der Wandlung: Verkäufer muss Kaufpreis zurückerstatten f) Zwischenergebnis Michael Hochstrasser 23. Februar 2017

Abgrenzung von OR 208 II und III «[…] bezüglich der Beschränkung auf den unmittelbar verursachten Schaden auf die Länge der Kausalkette zwischen der Lieferung fehler- bzw. mangelhafter Ware und dem eingetretenen Schaden abzustellen […].» (BGE 133 III 257 ff., E. 2.5.4) Abgrenzung OR 208 II/III nach der Länge der Kausalkette andere Kriterien der Lehre (Mangelschaden/Mangelfolge-schaden, negatives/positives Interesse) sind damit überholt Michael Hochstrasser 23. Februar 2017

Abgrenzung von OR 208 II und III «[…] liegt im Sinne von Art. 208 Abs. 2 OR ein unmittelbarer Schaden vor, der innerhalb der Kausalkette direkt durch die Lieferung fehlerhafter Ware und nicht erst durch das Hinzutreten weiterer Schadensursachen verursacht wurde. Wo im Einzelfall die Abgrenzung vorzunehmen ist, beurteilt sich nach richterlichem Ermessen […].» (BGE 133 III 257 ff., E. 3.2) der Schaden nach OR 208 II wird durch die Lieferung mangelhafter Ware verursacht, ohne dass ein weiteres Glied in der Kausalkette hinzutritt die übliche Verwendung der Kaufsache durch den Käufer ist kein weiteres Glied in der Kausalkette das Gericht verfügt über einen grossen Ermessensspielraum Michael Hochstrasser 23. Februar 2017

Unmittelbarer Schaden Mittelbarer Schaden Mangelhafte Geschirrspül- maschine Wasser läuft aus und beschädigt den Boden des Käufers Das auslaufende Wasser dringt in eine elektrische Installation ein und verursacht einen Kurzschluss mit Brand Krankheit einer gekauften Kuh Verlust des Viehbestands des Käufers durch Übertragung der Krankheit Der Bauer kann seine Felder nicht bestellen und als Folge davon seine Schulden nicht mehr bezahlen Michael Hochstrasser 23. Februar 2017

Relative Methode vereinbarter Kaufpreis geminderter Kaufpreis ----------------------------------------------- = ----------------------------------------------- objektiver Wert mangelfreie Sache objektiver Wert mangelhafte Sache vereinbarter Kaufpreis x objektiver Wert mangelhafte Sache geminderter Kaufpreis = ----------------------------------------------------------------------------------- objektiver Wert mangelfreie Sache Minderung = vereinbarter Kaufpreis – geminderter Kaufpreis Michael Hochstrasser 23. Februar 2017

Grundlagenirrtum (OR 24 I Ziff. 4) Voraussetzungen: subjektive Wesentlichkeit objektive Wesentlichkeit Erkennbarkeit Irrtum im Zeitpunkt des Vertragsschlusses keine Genehmigung des Vertrags Geltendmachung innert Frist (OR 31 I) Michael Hochstrasser 23. Februar 2017

Rückabwicklung irrtumsbehafteter Verträge «Der mit einem Willensmangel behaftete Vertrag ist […] nicht zustande gekommen und bildet daher für die erbrachten Leistungen keinen gültigen Rechtsgrund. Er kann daher auch nicht mit geändertem Inhalt Bestand haben und kommt als vertragliche Rechtsgrundlage eines Rückgabeanspruchs nicht in Betracht, der somit seine Grundlage nur im Bereicherungs- oder Vindikationsrecht finden kann. […] Der Tatsache, dass ein – wenn auch irrtumsbehafteter – Vertrag geschlossen wurde, trägt die Rechtsprechung teilweise insofern Rechnung, als die Parteien bei synallagmatischen Verträgen […] nur Zug um Zug gegen Erbringung der Gegenleistung zur Rückleistung verpflichtet sind.» (BGE 137 III 243 ff., E. 4.4.3) Michael Hochstrasser 23. Februar 2017

Rechte bei Mängeln der Kaufsache Der Käufer hat die Wahl zwischen (BGE 107 II 419 ff., E. 1): Sachgewährleistung (OR 197 ff.) Schadenersatz (OR 97 I) Anfechtung wegen Willensmangel (OR 24 I Ziff. 4) Michael Hochstrasser 23. Februar 2017

Konkurrenzen OR 197 ff. zu OR 97 I Alternative Konkurrenz. Die Alternativität ist allerdings insofern eingeschränkt, als das BGer. die sachgewähr- leistungsrechtliche Prüfungs- und Rügeobliegenheit (OR 201) sowie die Verjährung (OR 210/219 III) auf den Anspruch aus OR 97 I überträgt (BGE 63 II 401, E. 3; BGE 133 III 335 ff., E. 2.4). OR 197 ff. zu OR 23 ff. Alternative Konkurrenz (BGE 114 II 131 ff., E. 1a) Dies jedoch nur vor der Wahlausübung. Mit der Wahl der Sachgewährleistung geneh- migt der Käufer den Vertrag (BGE 127 III 83 ff., E. 1b). Möglich ist die Berufung auf OR 23 ff. im Hauptstandpunkt und eventualiter Ausübung der Sachgewährleistungsrechte. Michael Hochstrasser 23. Februar 2017

Lesenswerte BGE BGE 114 II 131 ff. «Picasso» Grundlagenirrtum: Ungültigkeits- und Anfechtungstheorie; Verhältnis zu OR 197 ff. BGE 133 III 257 ff. «Mülleramazonen» Abgrenzung OR 208 II und 208 III BGE 133 III 335 ff. «Brandschutzglas» SE neben Minderung nach OR 97 BGE 137 III 243 ff. «widerrufenes Seminar» Rückabwicklung bei Willensmängeln nach Vindikations- und Bereicherungsrecht Michael Hochstrasser 23. Februar 2017

http://www.schillerlegal.ch/index.php/or-bt.html Michael Hochstrasser 23. Februar 2017