Wahnsinn: eine Frage der Macht

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 Präsentation transkript:

Wahnsinn: eine Frage der Macht doris.aigner@univie.ac.at 2. Dezember 2016, Berlin

Das Persönliche ist politisch… Die Ausgeschlossenen und Die Eingeschlossenen „psychisch kranke Obdachlose“ und „demente HeimbewohnerInnen“ Zentrale Fragestellung: Umgang mit dem Wahnsinn und seinem Ausschluss/Einschluss anhand konkreter Praktiken… Umgang: rechtlicher Umgang, medialer Umgang, administrativer Umgang, medizinisch-rechtlich, menschenrechtlich… Rechte und Zynismus? Privileg zu studieren, Aussage, was an den Rändern passiert.

Freiheitsbeschränkungen durch Psychiatrie -Begrifflichkeiten Hoheitliche Zwangsmaßnahme Heimaufenthaltsgesetz (2005)/Unterbringungsgesetz (1991) Psychiatrie als „verschiedenartige, komplexe und umkämpfte Beziehungen zwischen unterschiedlichen Berufsständen, die für sich beanspruchen, Schwierigkeiten im Verhalten in Form von theoretischem und praktischem Wissen über die Wechselfälle der Psyche zu identifizieren und angesichts dieses Wissens auf Menschen einwirken“ (Rose 1996:3f. übersetzt und Hvhg. DA) Rose Psychiatry as a political science 1996

FBM durch Psychiatrie – Regieren von Wahnsinn… Verschränkung von juristischen und medizinischen Diskursen Dogma der „medizinischen Notwendigkeit“ Medizinisches Modell in Gesetzesmaterialien These: UN-BRK und OP-CAT machen es möglich, FBM neu zu verhandeln -> Machtfrage Machtfrage politikwissenschaftlich, wird ausgeübt, nicht besessen,

Critical Disability Studies/kritische Behinderungsforschung …..soziales Modell…impairment-disability Aktivismus und Akademie „nothing about us without us!“ „wir SIND nicht behindert/krank, wir WERDEN behindert/gekränkt!“ -> Behinderung ist sozial konstruiert und somit strukturelles Unrecht Allerdings: MmP lassen sich nicht automatisch zu MmB zählen. Dazu gibt es eine Debatte, aber WNUSP bei der Formulierung dabei. MpP können davon profitieren. Kritik an sozial konstruierten Kategorien

Mad Studies transformative Re-Evaluation der Kategorie „madness“, Selbstermächtigung und Erinnerungsarbeit Anleihen aus kritischer Psychiatrie, Antipsychiatrie, kritischen TherapeutInnen, Bewegungen der Mad Community, Mad Pride… Publikationen: Mad Matters. A Critical Reader in Canadian Mad Studies (2013) Le Francois, Menzies, Reaume Searching For A Rose Garden, Challenging Psychiatry, Fostering Mad Studie (2016) Russo,Sweeney

UN-BRK Paradigmenwechsel von einem medizinischen zu einem sozialen Modell von Behinderung aktive Mitwirkung an Entscheidungsprozessen über politische Konzepte und Programme… …jede Diskriminierung aufgrund von Behinderung eine Verletzung der Würde und des Wertes darstellt…. Artikel 12: gleiche Anerkennung vor dem Recht Artikel 14: Freiheit und Sicherheit (…das Vorliegen einer Behinderung in keinem Fall eine Freiheitsentziehung rechtfertigt…)

UN-BRK Artikel 15: Freiheit von Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe Artikel 16: Freiheit von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch Artikel 17: Schutz der Unversehrtheit der Person Artikel 19: Unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft Artikel 25: Gesundheit

Kooperative Forschung Zugang: Stellungnahme zu OP-CAT durch die PatientInnen-Initiative Kuckucksnest Verein Freiräume in Wien www.freiraeume.at Trialog Arbeitsgruppe Menschenrechte und Psychiatrie

Policy-Wandel 2008-2013 Juli 2008 Ö ratifiziert UN-BRK „kein materieller Umsetzungsbedarf“ (BMASK 2009:73) Juli 2008 „Nowak-Report“ Oktober 2010 1. Staatenbericht an die UNO „Kontrolle überall, wo Menschen eingesperrt werden“ Dezember 2012: OP-CAT Durchführungsgesetz in Kraft

Policy Wandel top-down Februar 2013 „Méndez-Report“ …„impose an absolute ban on all forced (…) medical interventions“… 2013 Staatenprüfung und Handlungsempfehlungen: - „Gesetzgebung in Konflikt mit Artikel 14“ - „Strategien zur Deinstitutionalisierung“ - „Fixierungen und andere nicht einvernehmliche Praktiken abzuschaffen..“

Policy Wandel bottom up Öffentliche Sitzungen des Monitoring-Ausschusses Schattenberichte der Zivilgesellschaft UN-BRK als Instrument „speaking back to power/psychiatry“. Trialog-Debatten, Identitätsfragen,… OP-CAT/nationalen Präventionsmechanismus veröffentlichen

UN-BRK und OP-CAT 1. Juli 2015 „Netzbett-Erlass“ Dogma der medizinischen Notwendigkeit kann mit dem Antidiskriminierungsschutz der UN-BRK, dem Artikel 14 und der Forderung nach Artikel 25 hinsichtlich Zwang hinterfragt werden Diskursive Veränderung: Orte der Fürsorge AUCH Orte der Freiheitsbeschränkung Kritik von Menschen mit Psychiatrieerfahrung ist kein „silenced discourse“ mehr. Partizipation als politische Herausforderung

Zwang abschaffen! Ein altes Problem der Psychiatrie… Soziales Modell im Bereich der Psyche Rechte anerkennen, Zwang ist keinesfalls immer die „ultima ratio“ Recht auf Gesundheit…(Ressourcen und Macht) Zuschreibungen von Gefährlichkeit/Gefährdung basiert auf und fördert Stigma Alternativen denken (Kommunikation, Peers, Risiken, Normalisierungsmacht,…) Nachbesprechen von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen