Schwerpunkte meines Vortrags

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 Präsentation transkript:

Schwerpunkte meines Vortrags Jungen- (und Mädchen-) Sozialisation zwischen dem 10. und 18. Lebensjahr Schwerpunkte meines Vortrags - Chronologie der Geschlechtersozialisation: Entstehung geschlechtstypischen Verhaltens und geschlechtstypischer Dispositionen - Unterschiede in der Entwicklung, Erziehung und Bildung von Jungen und Mädchen - Jungen: die Verlierer der Erziehungs- und Bildungsreform?

Hinweis Im Vortrag werde ich nicht alle vorbereiteten Folien verwenden. Der komplette Foliensatz steht zum Download bereit auf meiner Webseite www.hartmut-kasten.de Zu Ihrer Information: Es gibt ein Buch von mir mit dem Titel „Pubertät und Adoleszenz – Wie Kinder heute erwachsen werden“ (Ernst Reinhardt Verlag, München).

Für die Entwicklung von Jungen und Mädchen relevante Einflussfaktoren Genetisch bedingte Einflussfaktoren (Anlage) Umweltbedingte Einflussfaktoren Epigenetische Einflussfaktoren (Erfahrungen während des Heranwachsens, welche Gen- Wirkungen unterdrücken oder freisetzen) Selbstregulationskräfte: Selbstbestimmung, seine Individuation mitgestalten Bitte merken: Zwischen diesen Einflussfaktoren bestehen beständige Wechselwirkungen, deren Erforschung noch in den Kinderschuhen steckt

UNESCO-Bericht zeigt Je höher die Bildungsstufe, desto größer die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern Besonders in D ist Mathematik nach wie vor ein Jungenfach Besonders in D entfremden sich Jungen eher von der Schule als Mädchen

Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen (und ihre Ursachen) Biologisch-physiologische U. Gesellschaftliche U. (Geschlechtsrollen und Rollenklischees) Familiale und außerfamiliale Erziehung Selbstgestaltung, Selbstverwirklichung Epigenetische Prozesse Und last, but not least: Schicksal und Zufall

Kurze Erläuterung von zwei in Entwicklungs-psychologie und Sozialisationsforschung immer noch vernachlässigter Begriffe Epigenetische Prozesse: Erfahrungen der Abgrenzung (von den Eltern, Geschwistern usw.), die in den Zellen abgespeichert werden und dazu führen, dass sich die Epigenome verändern und von denen der Eltern immer weiter entfernen Selbstgestaltungskompetenzen: Zu wenig Beachtung findet auch heute noch oft, dass die Pubertät nicht nur ein hormon- u. milieugesteu-ertes Geschehen ist, sondern in beträchtlichem Maße auch von den Pubertierenden mitgestaltet (diese wählen ihre Vorbilder, Ideale und Idole)

Einige Erläuterungen zur Epigenetik Epigenetik trägt zum Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Anlage und Umwelt bei. Epigenetik befasst sich mit vererbba-ren Veränderungen in der Wirkungs-weise von Genen, die zustande kom-men, ohne dass sich die Gene in ihrer Feinstruktur, der DNA-Sequenz, verändern. Solche Veränderungen kommen durch Erfahrungen zustande und können besonders gut nachgewiesen werden, wenn es sich um extreme Erfahrungen (Traumata, Deprivationen) handelt.

Einige Erläuterungen zur Epigenetik (2) Solche Erfahrungen bringen in den Zellen (nicht im Zellkern) biochemische Prozesse in Gang, welche die Wirksamkeit bestimmter Gen-Orte in der DNA-Sequenz blockieren oder freisetzen (Methylierung u. Demethylierung). In den populären Medien besonders ausführlich behandelt wurde der „Amsterdamer Hungerwinter“.

Geburtenquoten Jungen vs Geburtenquoten Jungen vs. Mädchen – nach wie vor gilt: Das Puzzle ist noch nicht komplett Berichtet werden immer wieder Quoten von 51 zu 49 Prozent Details über spontane Aborte Erklärungsversuche (Jungen: chromosomal-hormonell komplizierter; selektive Abtreibungen von weiblichen Föten)

Durch Sozialisation und Erziehung verursachte GU: Im Wandel begriffen Essgewohnheiten der Jungen Essstörungen bei den Mädchen Gewalt(erfahrungen) bei J+M Psychische Probleme (Internalisie-rung: Depressionen, Externalisie-rung: Vandalismus) Alkohol und Nikotin (J+M)

Jungenfreundschaften - Mädchenfreundschaften Jungen haben i. d. R. mehr Freunde als Mädchen – mit denen sie „action“ haben (viel gemeinsame unternehmen) und und dabei auch wetteifern konkurrieren Mädchen haben i. d. R. weniger Freundinnen, mit denen sie mehr Austausch haben, intensiver kommunizieren

These: Die männliche Sozialisation ist heutzutage schwieriger? Evolutionstheoretische Postulate Biologische Handicaps Frühkindliche Erziehung (Mütter und besonders Väter behandeln ihre männlichen Säuglinge und Kleinkinder unterschiedlich) Großes Manko: Bis ungefähr zum 10. Lebensjahr sind kaum Männer aktiv an der Sozialisation von Jungen beteiligt

Biologische Entwicklung – die Entwick-lung des männlichen Geschlechtes ist komplizierter Das „Ur“-Geschlecht ist weiblich, denn die Geschlechtsausbildung beginnt bereits vorgeburtlich und ist eine Sache der Geschlechtshormonen: wenn weder männliche noch weibliche GH gebildet werden, entwickeln sich (vom Phänotyp her, fortpflanzungsunfähige) weibliche Individuen (trotz männlicher XY-Chromosomen) Gehirn(hälften)-Spezialisierung beginnt bereits vom 5. bis 7. intrauterinen Monat an, beim männlichen Geschlecht dauert sie ca. 2 Jahre länger

So fängt alles an: Frühe Kindheit (0-3 Jahre) Schon vor der Geburt spielt(e) das Geschlecht eine bedeutsame Rolle (früher galt die Stammhalterphilosophie!) Mädchen kommen physiologisch reifer auf die Welt Ihr Vorsprung, vor allem was sprachliche und soziale Kompetenzen betrifft, hält eine Reihe von Jahren Ergebnisse der „Baby X“-Studien (rosa, hellblau und gelb als Orientierungshilfen) Unterschiedliches elterliches Verhalten ihren männlichen und weiblichen Säuglingen und Kleinkindern gegenüber

Geschlechtssspezifische Diskriminationen von Anfang an Besonders ausgeprägte unterschiedliche Behandlung von männlichen und weiblichen Säuglingen im ersten halben Lebensjahr) Väter diskriminieren stärker nach dem Geschlecht, erziehen sozusagen stereotyper Bau- und Puppenecke in der Kindertagesstätte

Geschlechtssspezifische Diskriminationen von Anfang an (2) Jungen und Mädchen in Bilder- und Schulbüchern, in den Medien Grundschule: Sozialer Druck und Diskriminationen In den ersten 10 Lebensjahren: In der Sozialisation von Jungen haben männliche Bezugspersonen Selten-heitswert (wo sind die Väter, männ-lichen Erzieher und Lehrer?)

Nach dem Geschlecht wird stärker sozial kategorisiert als nach der ethnischen Zugehörigkeit Die Kategorisierung beginnt schon in der Planungsphase zur Elternschaft (Wunschgeschlecht, ggf. gezielte Herbeiführung desselben) Mit Bekanntwerden des faktischen Geschlechts beginnt die soziale Kategorisierung und Diskriminierung

Zeitliche Abgrenzung von Pubertät und Adoleszenz (s. Kasten 1999, S Mädchen Jungen Phase 8-10 Jahre 10-12 Jahre späte Kindheit 12-14 Jahre Vorpubertät 14-16 Jahre Pubertät 14-15 Jahre 16-17 Jahre frühe Adoleszenz 15-17 Jahre 17-19 Jahre mittlere Adoleszenz 19-21 Jahre späte Adoleszenz

Körperliche Unterschiede Mädchen werden im Durchschnitt 167 cm groß 68 kg schwer und haben eine Lebenserwar-tung von 81 Jahren Jungen werden im Durchschnitt 179 cm groß 82 kg schwer und haben eine Lebenserwar-tung von 76 Jahren

Fundamentale Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen Biologische Geschlechtsunterschiede (GU): Chromosomen, Hormone, Phänotyp, Krankheiten, Ernährungsgewohnheiten usw. Soziale (bzw. gesellschaftlich konstruierte) GU: GR-Klischees, GR-Nivellierung, GR-Diskriminierung, Wertewandel usw.

Weitere hervorhebenswerte Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen Aus psychologischer Sicht 1. kognitive GU (mentale Rotation/räumliches Vorstellungsvermögen vs. Wörterfinden-Tempo) 2. sozial-kognitive GU (Empathie und Spiegelneuronen) 3. Was ist dran am Stereotyp, dass Frauen emotionaler sind als Männner?

Ziele der geschlechtsspezifischen Soziali-sation und Geschlechtsrollen-Erziehung Geschlechtersensibilität Betonung der Androgynität der Geschlechter Abbau der gesellschaftlichen Diskriminierungen Späteres Regulationsmaßnahmen: Frauen- und Männerquoten in Erziehung, Bildung, Beruf und Wirtschaft

Androgyne oder geschlechter-sensible Erziehung? Die androgyne Erziehung strebt an, dasss sich Jungen typisch weibliche Attribute (Einfühlung, Kompromiss-bereitschaft und andere soft skills) aneignen und Mädchen typisch männliche (z. B. Selbstbewusstsein, Durchsetzungsvermögen ussw.) Androgyne Erziehung bewirkt ein Stück Geschlechtsrollen-Nivellierung.

Androgyne oder Geschlechtersensible Erziehung Die geschlechtersensible Erziehung fokussiert auf das Verhältnis der Geschlechter zueinander und behält dabei die Unterschiede zwischen den Geschlechtern im Auge, berücksichtigt aber auch die Gemeinsamkeiten und Überschnei-dungen der Geschlechter. Sensibilität für „taffe“ Mädchen und „softe“ Jungen.

Freiwillig stattfindende Segregationen (manifestiert sich deutlich an Gymnasien) Mädchen finden sich signifikant seltener in Leistungskursen aus dem mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich (besonders Physik, aber auch Mathematik und Chemie) und signifikant häufiger im sprachlichen Bereich , aber auch in Biologie und Kunst. Jungen vice versa.

Pädagogisch intendierte, geschlechtersensible Segregation Jungen werden stundenweise unter sich in typischen Mädchen-Fächern unterrichtet Mädchen werden stundenweise für sich in typischen Jungen-Schulfächern unterrichtet Um das wirksam umzusetzen, bedarf es mehr Aufwands (und möglicher-weise auch mehr Personals)

Die lange Suche nach der idealen Schule - innovative Ansätze Einen Überblick gibt der Film von Margarete Hentze, der einen spannenden Beitrag zur Bildungsdiskussion leistet: Titel: „Freistunde – Doing nothing all day“ Sie setzt sich für mehr „demokratische Schulen“ ein (6 behördlich genehmigte gibt es), in denen die Jungen und Mädchen selbst ihre Lerninhalte und ihr Lerntempo bestimmen Die meisten orientieren sich am Sudbury-Konzept

Demokratische Schulen – keine Utopien Die meisten Demokratischen Schulen hierzulande orientieren sich zu einem gerütttelt Maß am Sudburykonzept. Es gibt allerdings einige Besonderheiten. Jeder Schüler wählt sich unter den Mitarbeitern einen Mentor als persönlichen Ansprechpartner. Als Mittel zur Selbstevaluation können die Schüler auf Kompetenzraster zurückgreifen – sie können dieses aber auch ignorieren; Schüler werden an Demokratischen Schulen nur auf Wunsch bewertet. Unterrichtskurse und andere Angebote können nicht nur von Schülern initiiert werden, sondern auch von Mitarbeitern. An Demokratischen Schulen können die Schüler frei über ihre Zeit an der Schule verfügen und vollständig selbst entscheiden, was sie lernen, wann und wie sie lernen. Die Schule ist nicht in Klassenstufen unterteilt, sondern komplett altersgemischt. Es gibt eine Schulversammlung, die über alle Schulregeln und auch über die Neueinstellung und Weiterbeschäftigung von Mitarbeitern entscheidet. Es gibt ein Rechtssystem.

Unterricht an Demokratischen Schulen (Summerhill, Sudbury) An Demokratischen Schulen gibt es Unterricht. Die Teilnahme daran ist freiwillig. An einigen Demokratischen Schulen werden Unterrichtsangebote gemacht, an anderen kommt Unterricht nur auf Wunsch der Schüler zustande. Unterricht kann ganz unterschiedlich stattfinden: Kurse, Projekte, offene Angebote oder auch Einzel-Lernvereinbarungen. Die konkrete Form des Unterrichts bestimmen Mitarbeiter und Schüler gemeinsam.

Jungen – die neuen Loser? Neue Tendenz, die sich seit zweieinhalb Jahrzehnten abzeichnen: Mädchen erfahren während ihrer gesamten Bildungslaufbahn zunehmend mehr Beachtung Ihre Kompetenzen und Leistungen werden positiv betrachtet und bekräftigt, sie passen besser ins Bildungssystem Jungen geraten mehr und mehr ins Bildungsabseits; Belege:

Jungen – die neuen Loser? (2) Lange Zeit galten Mädchen als die Bildungsverlierer, denn die Absolventen an weiterführenden Schulen und Hochschulen waren überwiegend Jungen. Seit etwa 25 Jahren scheinen sich die Verhältnisse umzudrehen. Bundesweit waren 2012 bei den Schulabgängern ohne Abschluss 39,7 Prozent Mädchen, aber 60,3 Prozent Jungen.

Jungen – die neuen Loser? (3) 41.1 Prozent der Hauptschulabsol-venten waren weiblich, 58,9 Prozent männlich. Bei den Realschulabschlüs-sen waren die Anteile mit 49,5 Pro- zent bei den Mädchen und 50,5 Pro-zent bei den Jungen fast gleich. Bei den Abiturienten zogen die Mädchen mit 54,7 Prozent an den Jungen mit 45,3 Prozent schon weit vorbei.

Schullaufbahnen von Jungen und Mädchen Mädchen vs. Jungen zeigen in allen Altersstufen bessere schulische Leistungen erreichen höhere Bildungsabschlüsse verfügen über mehr und bessere Berufs-ausbildungsabschlüsse stellen 57% der Abiturienten und 55% der Studienanfänger an Universitäten (WS 2012/13)

Geschlechtsdifferenzen in der Bildungslaufbahn: Jungen, die neuen Loser Jungen werden später eingeschult Jungen werden bundesweit häufiger aussortiert in Sonder- u. Förderschulen Die Hauptschule wird immer stärker eine Jungenschule Das Übergangssystem (mehrere einjährige Bildungs-angebote, namentlich das Berufsgrundbildungsjahr, Berufsvorbereitungsjahr und Berufseinstiegsjahr: ein „Exil“ für Jungen Jungen müssen auf dem Weg in das Gymnasium mehr leisten Der Weg auf das Gymnasium: versperrt für viele Jungen

Situation von Jungen Ganz oben, ganz unten: Die Streuung von Intelligenz ist beim männlichen Geschlecht größer. Es gibt mehr hochbegabte, aber auch mehr minderbegabte Jungen als Mädchen.

Jungen: Bildungsverlierer? In allen Negativ-Rankings liegen die Jungen vorn: Sie stellen die Mehrheit der Schulabbrecher (62 Prozent), der verspätet Eingeschulten (5,9 Prozent zu 3,5 Prozent), der Sitzenbleiber (62 Prozent) und der Förderschüler (61 Prozent).

Mathe-Schere bei Mädchen Mädchen haben eine höhere Wahrnehmungs-geschwindigkeit, können zusammengehörige Objekte besser erkennen und sind schneller im Kopfrechnen. Zehnjährige Mädchen schneiden in Mathematik noch fast genauso gut ab wie ihre Altersgenos-sen, danach öffnet sich die Schere zu Gunsten der Jungen. Am Talent kann das nicht liegen, denn bei der Problemlösekompetenz zeigen die Mädchen die gleichen Leistungen. Allerdings trauen sich Mädchen bei gleichen Fähigkeiten stets weniger zu in Mathe als ihre Mitschüler.

Mädchen: Leseköniginnen Von Anfang an lesen Mädchen besser als Jungen; in der Grundschule ist ihr Vorsprung noch klein, aber bis zum Alter von 15 Jahren verstärkt sich die Differenz deutlich. Dann liegen die Mädchen um etwa ein Schuljahr vorn. Gliedert man die Ergebnisse aber auf, zeigt sich ein differenzierteres Bild: Bei Aufgaben mit Sach- und Gebrauchstexten ließen sich kaum Unterschiede festmachen. Beim Erzählen, Kommentieren und Argumentieren lagen die Mädchen vorn.

„Schulklügere“ Mädchen Tatsächlich haben es Jungen in unseren Schulen nicht leicht. Bei der Einschulung hinken sie ihren Altersgenossinnen zwischen einem und drei Jahren im Reifeprozess hinterher. Mädchen sind nicht schlauer, aber „schulklüger“: Sie können stillsitzen, ausschneiden, gerade Striche ziehen, Sachen beieinanderhalten und sich in ihre Lehrerin einfühlen. Sie raufen nicht, sondern zicken sich an – teilweise nicht weniger brutal, aber es fällt nicht so auf im Klassenzimmer

Oft ist Benachteiligung eine Frage der geschlechtsspezifischen Interessen Untersuchungen haben gezeigt, dass Jungen in Diktaten weniger Fehler machen, wenn sie Wörter und Texte schreiben sollen, die sie interessieren, wie Fußball, Entdeckungen oder Abenteuer. In den meisten Diktatsammlungen werden jedoch Themen berührt, die eher Mädchen ansprechen und für Jungen wenig interessant sind. Die Mädchen schneiden dadurch besser ab, die Jungen geraten ins Hintertreffen.

Benachteiligung ist eine Frage der geschlechtsspezifischen Interessen (2) Zu belegen ist, dass schon im Laufe der Grundschuljahre der Vorsprung der Mädchen im Diktatschreiben und Lesen auf ein Jahr anwächst. Jungen führen demgegenüber deutlich bei den Sitzenbleibern, Schulabbrechern und Förderschülern. Das Positive daran ist, dass – trotz der schulischen Misserfolge – das Selbstbewusstsein der meisten Jungen ungebrochen zu sein scheint. In einer Befragung waren 88 Prozent der 14-bis 16jährigen Jungen davon überzeugt, dass sie alles lernen können und bessere Schulnoten bekommen, wenn sie sich richtig anstrengen.

Mehr authentische Männer müssen her – nicht nur in den ersten 10 Lebensjahren der Jungen Mehr männliche Vorbilder für die armen Jungen so hört man an allen Orten. Die Kindheit sei von der Mama über die Kindergärtnerin bis zur Grundschullehrerin, auf die der Erstklässler in neun von zehn Fällen trifft, zu weiblich dominiert. Frauen können sich nicht so gut in Jungen einfühlen, um zu wissen, was sie brauchen, wird argumentiert. Aber die dadurch mitbedingte Benachteiligung bei der geschlechtersensiblen Erziehung von Jungen wird sich allein durch mehr Männerpräsenz nicht ändern lassen.

Jungen passen nicht in die Regelschule Jungen bilden im Gegensatz zu Mädchen zunächst die Grobmotorik, erst ab der Pubertät die Feinmotorik aus. Stillsitzen, schön schreiben und ausmalen sind da oft schlicht Quälerei. Frontalunterricht, der Wissen hauptsächlich über Reden und Lesen erschließt, mögen Mädchen noch einigermaßen wegstecken, Jungen kommen damit nicht zurecht. Sie wollen Dinge selbst ausprobieren, bevor sie darüber nachdenken, während es die Mädchen gern umgekehrt handhaben.

Geschlechtsdifferenzen in der Bildungs-laufbahn: Jungen, die neuen Loser (2) Schulbesuch ohne Abschluss: ein Jungenschicksal Jungen haben schlechtere Startchancen für den Beruf Mädchen auf der Überholspur zum Abitur Leistungsdifferenzen zuungunsten der Jungen vor allem in Hinblick auf Lesekompetenz Hochschulreife: Jungen zunehmend im Abseits An den Hochschulen: Frauen in der Mehrheit

Flucht in die Welt der Medien und Computerspiele Eine Langzeitstudie stellt fest, dass die schulischen Leistungen von Jugendlichen umso schlechter sind, je mehr sie fernsehen oder Computerspiele spielen, weil für Lernen und Hausaufgaben kaum Zeit bleibt. Diese „Medienfaktoren“, wie hohe Gerätedichte im medial vollausgestatteten eigenen Zimmer, lange Mediennutzungszeiten, gepaart mit hoher Präferenz für Mediengewaltinhalten ist in erster Linie Jungensache und entfaltet vor allem bei diesen ihre Wirkung. Daher ihre Leistungsdefizite in der Schule. Die Jungen flüchten wegen ihrer schulischen Misere in die Alternativ- und Traumwelt der Computer und des Fernsehens, in der sie Erfolg haben. Wo sie auch immer besser werden und deshalb dort immer mehr Zeit verbringen, was sie in der Schule noch mehr absinken lässt. Ein Teufelskreis, der seinen Lauf nimmt.

Schritte zum Abbau der Ungerechtigkeit im Bildungssystem Genderpädagogik (umfassendster Ansatz) Kompensatorische Erziehung und Bildung – Stichworte: Androgynität der Geschlechter Partielle Segregation (Jungen: Lese- und Sozialkompetenzen, Mädchen: Mathematik, Technik u. Naturwissenschaften)

Geschlechtsunterschiede - psychische und psychosomatische Beschwerden Bei Mädchen überwiegen internalisierte (nach innen gerichtete) Verhaltensweisen beispielsweise Essstörungen. Bei Jungen überwiegen externalisierte (nach außen gerichtete) Verhaltensweisen, wie Aggressivität.

Geschlechtsunterschiede – gesundheitsrelevantes Verhalten Suchtmittel werden mittlerweile von Jungen und Mädchen nahezu gleichhäufig ausprobiert. Je "härter" aber das Konsumverhalten, also je stärker getrunken und geraucht wurde, desto höher ist der Jungenanteil. Dreimal so viele Jungen wie Mädchen sind alkoholabhängig. Verhaltensweisen wie gefährliche Mutproben oder riskantes Fahrverhalten führen bei Jungs zudem häufiger zu Unfällen. Schönheitsideale stehen gesundheitsrelevantem Verhalten entgegen (stärker ausgeprägt bei Mädchen).

Weitere Geschlechtsunterschiede Mädchen wollen sich drei Mal so oft das Leben nehmen wie Jungen. Allerdings führt der Suizidversuch bei den Jungen drei Mal häufiger zum Tod als bei den Mädchen. Der Grund dafür könnte in den unterschiedlichen Beweggründen für den Suizid liegen. Männliche Jugendliche wählen „härtere “ Mittel, wie z.B. erhängen, erschießen oder sich vor den Zug werfen. Sie wollen den Suizid „durchziehen“, reine Versuche sind seltener.

Weitere Geschlechtsunterschiede (2) Suizidversuche von Mädchen hingegen weisen oft einen deutlicheren Appellcharakter auf und sollen nicht zwangsläufig zum Tod führen. Mädchen und Frauen bringen sich oft in der Nähe des Elternhauses bzw. ihrer Wohnung um. Jungen und junge Männer dagegen wählen vielfach einen weiter entfernt liegenden Ort, so dass die Wahrschein-lichkeit, rechtzeitig aufgefunden zu werden, relativ geringer ist

Männliche und weibliche „Themen“ während der frühen Erwachsenenjahre Stärkere Personbezogenheit bei Frauen Intimität, Nähe, Offenheit und Austausch ist Frauensache Stärkere Sachbezogenheit bei Männern Leistung, Karriere, Status und Erfolg ist Männersache

Entwicklungsaufgaben für die Eltern pubertierender Kinder? Loslassen, endgültig abnabeln lassen bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der emotionalen Verbundenheit und des partnerschaftlichen Kontaktes auf Augenhöhe Eine Gratwanderung, die immer wieder neu austariert werden muss!

Pubertät – eine begriffliche Annäherung Eine kritische Lebensphase, für die es besonderer Ressourcen und Coping-Strategien bedarf Eine Transition (wie viele andere Transitionen im Laufe eines Menschen-lebens), nämlich der Übergang zwischen Kindheit und Erwachsenenalter? Die zeitliche Abgrenzung von Pubertät und Adoleszenz ist relativ willkürlich

Zu belegen ist, dass… die Abläufe während der Pubertät als komplexes Wechselspiel zwischen fünf Faktorenbereichen verstanden werden können: Anlage, Epigeneti-sche Prozesse, Umwelteinflüsse, Einflüsse der Bindungs- u. Bezugspersonen und Selbstgestaltungskompetenzen wirken zusammen Pubertät zu einem großen Teil ein Kulturprodukt ist: Einige Forscher sprechen von kultureller Infantilisierung dieses Entwicklungsabschnitts, was durch einen Blick in andere Kulturen verdeutlicht werden kann

Wann sind Interventionen notwendig? Wie sollten sie erfolgen? Bei totalem Rückzug, Isolation, depressivem Verhalten Bei extrem (auto)aggressivem Verhalten (Gewalt gegen sich selbst und Andere) Bei delinquentem Verhalten (Drogenmissbrauch, Kleinkriminalität) Sorgfältige Analyse der verursachenden und auslösenden Bedingungen Ggf. Hinzuziehen von professionellem Sachverstand

Geschlechtsrollenklischees Mädchen/Frauen sind -abhängig -ängstlich -einfühlsam -anpassungsbereit -launisch -nachgiebig -sanft -schwach -schutzbedürftig -unselbständig -passiv Jungen/Männer sind -unabhängig -mutig -aggressiv -durchsetzungsfähig -entschlusskräftig -rational -stark -aktiv -überlegen -dominant -leistungsorientiert

„Weibliche Expressivität“ und „Männliche Instrumentalität“ - Androgynität Der Gefühle anderer bewusst Fähig auf andere einzugehen Freundlich Herzlich in Beziehungen zu anderen Sanft Verständnisvoll gegenüber anderen Instrumentalität Aktiv Druck gut standhaltend Konkurrenzorientiert Leicht Entscheidungen fällend Nicht leicht aufgebend Selbstsicher Sich überlegen fühlend Unabhängigkeit anstrebend

Geschlechtrollenklischees dominieren vor allem in Bilder- und Schulbüchern TV (Werbung, Vorabendserien, viele Kinderserien), aber auch in Berufsprofilen (typisch männliche und weibliche Berufe) s. nächste Folie

Entmutigung des weiblichen Geschlechts während der Pubertät und Adoleszenz? Heute nicht mehr! Mädchen wurden früher massiv mit traditionellen Rollenerwartungen konfrontiert: in der Schule, im Elternhaus, von den Gleichaltrigen, von den Medien wurden auch auf der weiterführenden Schule seltener aufgerufen und angesprochen von den Lehrern Sind aber auch heute noch tendenziell unterrepräsentiert in naturwissenschaftlichen, technischen und mathematischen Fächern

Pubertät und Adoleszenz Ein komplexer, vielschichtiger, ganzheitlicher Prozess, an dem zumindest die folgenden Faktoren beteiligt sind: Psychische (kognitive, sozial-kognitive, emotionale, motivationale, verhaltensbezogene) Faktoren Soziale (gesellschaftliche, kulturelle, erziehungsbedingte) Faktoren Körperliche (physische, genetische, hormonelle, neurophysiologische) Faktoren Wichtig: Der werdende Jugendliche gestaltet, sozusagen als Ko-Produzent, seine eigene Entwicklung mit

Körperliche Veränderungen beginnen bei den Mädchen früher und sind bei den Jungen umfangreicher – verantwortlich dafür sind die Geschlechtschromosomen XY und XX (unpaariges GH = kompliziertere Entwicklung beim Jungen? Androgen-unempfindlichkeit und die Folgen!) Hormonell: Testosteron und Östrogen bewirken, dass sich der Körper in der Pubertät entweder typisch männlich oder typisch weiblich entwickelt. Physisch: Ausreifung der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale Neurophysiologisch (Gehirn): Vollständiger Umbau, neuronale Neuverschaltungen und synaptische Neuvernetzungen – aus einem Pentium-Prozessor wird ein moderner Dual core-Prozessor Phänomen der Akzeleration

Körperliche Veränderungen (2) Physische Kraft: Stärkeres und schnelleres Muskelwachstum bei den Jungen Grob- u. Feinmotorik: Vorübergehende Unsicherheiten bei Jungen und Mädchen Gehirnwachstum bei Mädchen früher abgeschlossen, bei Jungen dauert die Hemisphärenlateralisation an Geschlechtshormone und die Folgen: bei Mädchen die erste Regelblutung (der Eintritt der Menarche hängt vom Körpergewicht/Körperfett-anteil) ab, bei Jungen der erste Samenerguss Unterschiedliches elterliches Verhalten! Mädchen klagen häufiger über körperliche Beschwerden während der gesamten Pubertät (größere Sensibilität für körpereigene Phänomene?)

Gehirnentwicklung Myelinisierung (Markscheidenreifung) der Nervenbahnen (Geschwindigkeit der Signalübertragung wird erhöht) In der Folge: Zunahme der weißen Substanz (Insgesamt der Nervenfasern) und Abnahme der grauen Substanz (Insgesamt der Zellkörper) Synapsendichte im präfrontalen Kortex (Stirnhirn) nimmt zu (in dem die Steuerungs-, Koordinations- und Regulationsfunktionen lokalisiert sind) Parallel dazu spielt sich eine Reduktion der Synapsendichte in anderen Hirnregionen ab

Gehirnentwicklung (2) Das ermöglicht insgesamt eine erhöhte Effizienz und Feinabstimmung der neuronalen Prozessen Zunahme des (vorübergehenden) Verlustes grauer Substanz mit dem Einsetzen der Pubertät Technisch könnte man sagen: Durch die schnellere Reizweiterleitung und die zahlreichen Neuvernetzungen (auch zwischen weit voneinander entfernten Nervenzellregionen) wird das Gehirn in seiner Funktionalität optimiert. Auch wenn dabei ein paar Millionen Nervenzellen, die kaum benutzt worden waren, auf der Strecke bleiben…

Gehirnentwicklung (3) Die„ Umbauarbeiten“ erfolgen in drei Phasen gegliedert und dauern unterschiedlich lange; generelle Tendenz: Zunahme der weißen Substanz, Abnahme der grauen Substanz (Pruning): Phase 1: Veränderungen in Regionen im Scheitellappen (Informationen über den sich schnell verändernden eigenen Körper betreffend und die sich verändernden Reaktionen der sozialen Umwelt auf sich selbst), Prävalenz des limbischen Systems: hinter einer Fassade von Gelassenheit und Souveränität starke Emotionalität und emotionale Schwankungen

Gehirnentwicklung (4) Phase 2: Veränderungen in Regionen im Stirn- und Schläfenlappen (kognitive und emotionale Prozesse betreffend): Wechsel von der Stufe des konkret-operationalen Denkens auf die Stufe des formal-operationalen Denkens: Dezentrierung (wie nehmen mich andere wahr?); Verbesserung der Gedächtnisleistung, Sprachkompetenz und Leseleistung Phase 3: Veränderungen im vordersten Teil des Stirnlappens (präfrontalen Kortex), die (kognitive, emotionale und moralisch-empathische) Kontroll-, Planungs- und Steuerungsfähigkeiten betreffen

Gehirnentwicklung (5) Das ermöglicht insgesamt eine erhöhte Effizienz und Feinabstimmung der neurophysiologischen Prozessen. Prosaisch könnte man sagen: Durch die schnellere Reizweiterleitung und die zahlreichen Neuvernetzungen (auch zwischen weit voneinander entfernten Nervenzellregionen) wird das Gehirn in seiner Funktionalität optimiert. Auch wenn dabei ein paar Millionen Nervenzellen, die selten oder nie benutzt worden waren, auf der Strecke bleiben. Durchgängig höhere Hirndurchblutung (besonders in Regionen, die für „soziale und emotionale Belange zuständig sind) von der mittleren Pubertät an bei Mädchen, die ein Leben lang bestehen bleibt.

Akzelerationen und Retardationen – Was beeinflusst das Reifungstempo? Genetische Prädispositionen, die zum Tragen kommen können (oder nicht): durch Ernährungsfaktoren, körperliche Belastungen, chronische Krankheiten, niedrigen oder hohen Sozialstatus, innerfamiliale Spannungen, Stress - Vaterabwesenheit. Migrationshintergrund

Körperliche Veränderungen beginnen bei den Mädchen früher und sind bei den Jungen umfangreicher – verantwortlich dafür sind die Geschlechtschromosomen XY und XX (unpaariges GH = kompliziertere Entwicklung beim Jungen? ) Hormonell: Testosteron und Östrogen bewirken, dass sich der Körper in der Pubertät entweder typisch männlich oder typisch weiblich entwickelt. An Fällen von Testosteron-Unempfindlichkeit lässt sich zeigen, dass das Urgeschlecht weiblich ist

Körperliche Veränderungen (2) Physisch: Ausreifung der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale Neurophysiologisch (Gehirn): Umfassender Umbau, neuronale Neuverschaltungen und synaptische Neuvernetzungen – aus einem Pentium-Prozessor wird ein moderner Quadro-core-Prozessor Phänomene der Akzeleration bzw. Retardation und ihre Ursachen (Ernährung, Schichtunterschiede)

Körperliche Veränderungen (3) Physische Kraft: Stärkeres und schnelleres Muskelwachstum bei den Jungen Grob- u. Feinmotorik: Vorübergehende Unsicherheiten bei Jungen und Mädchen Gehirnwachstum bei Mädchen früher abgeschlossen, bei Jungen dauert vor allem die Hemisphärenlateralisation noch länger an Geschlechtshormone und die Folgen: bei Mädchen die erste Regelblutung (der Eintritt der Menarche hängt u.a. vom Körpergewicht/Kör-perfettanteil) ab, bei Jungen der erste Samenerguss Unterschiedliches elterliches Verhalten! Mädchen klagen häufiger über körperliche Beschwerden während der gesamten Pubertät (größere Sensibilität für körpereigene Phänomene?)

Nichtsynchronität des Wachstums – Reihenfolge: 1) Hände und Füße 2) Hüften und Schultern 3) Beine und Arme 4) Rumpf 5) Kopf

Entwicklungsaufgaben während der Pubertät und Adoleszenz Aufbau eines Freundeskreises: Zu Altersgenossen beiderlei Geschlechts werden neue, tiefere Beziehungen hergestellt Akzeptieren der eigenen körperlichen Erscheinung Sich das Verhalten aneignen, das man in unserer Gesellschaft von einem Mann bzw. einer Frau erwartet Aufnahme intimer Beziehungen zum Partner

Entwicklungsaufgaben während der Pubertät und Adoleszenz (2) Von den Eltern unabhängig werden Sich klar werden, was man lernen will und was man dafür können muss Vorstellungen entwickeln, wie Partner/in und die zukünftige Familie sein sollen Sich klar werden, wer man ist und was man will Entwicklung einer eigenen Weltanschauung Entwicklung einer Zukunftsperspektive

Hormone und Verhalten Hormone sind biochemische Botenstoffe, die als Neurotransmitter zwischen den Nervenzellen wirken. Es gibt eine ganze Reihe unterschiedlicher männlicher und weiblicher Hormone. Bekannt sind Testosteron als »typisch männliches« und Östrogen als »typisch weibliches« Hormon. Hormone bestimmen unter anderem mit darüber, wozu wir Lust haben. Sie steuern fürsorgliches, soziales, sexuelles und aggressives Verhalten.

Hormonale Veränderungen während der männlichen Pubertät Testosteron (wird in den Hoden, Eierstöcken und in der Nebennierenrinde gebildet) bewirkt hautpsächlich die sexuelle Entwicklung zum Mann sekundäre männliche Geschlechtsmerkmale (z.B. Bartwuchs, Stimmbruch etc.) Bildung von Samenzellen kann Aggressions- und Sexualtrieb steigern Dihydrotesteron (DHT) wird hauptsächlich in der Prostata gebildet nur bei Jungen und Männern beeinflusst sehr stark das Wachstum der männlichen Geschlechtsorgane

Hormonale Veränderungen während der weiblichen Pubertät Östrogene (Östradiol, Östron, Östriol) Bildungsorgane: Ovarien, Plazenta, Nebennierenrinde Bildung der sekundären weiblichen Geschlechtsmerkmale Freisetzung der Eizellen aus den Eierstöcken (macht die Frau fruchtbar) Gestagene werden in den Ovarien und Hoden produziert Steuern den Menstruationszyklus und die Empfängnis-bereitschaft die Funktion des Progesterons beim Mann ist nach wie vor unbekannt

Psychische (kognitive, emotionale) Faktoren während der Pubertät Ingesamt betrachtet kann man bei beiden Geschlechtern durchaus von einem vorübergehenden, intervallhaft auftretenden, psychischen Derangiert-Sein, einem kognitiven Tohuwabohu und einem emotionalen Chaos sprechen (im Gehirn reifen die Steuerungs- und Kontrollareale im präfrontalen Stirnhirn zuletzt aus): Schwan-kungen zwischen exzessiver Unabhängig-keit und extremer Abhängigkeit Zustände, die jedoch schlussendlich zu einem höheren, in sich konsolidierten Entwicklungs-niveau führen.

Kognitive Veränderungen während der Pubertät und Adoleszenz Jungen wie Mädchen klettern von der Stufe des konkret-operationalen Denkens auf die Stufe des formal-operationalen Denkens Voraussetzung dafür sind (genetisch gesteuerte) Reifungsprozesse im präfrontalen Kortex Sie verabschieden sich ganz allmählich vom anschauungsgebundenen Denken Und lernen es Denkoperationen abstrakt, nur unter Rückgriff auf Zeichen, Symbole und Begriffe, auszuführen

Kognitive Veränderungen während der Pubertät und Adoleszenz (2) Wenn sie die Stufe des formal-operationalen Denkens erreicht haben, können sie hypothetisch-deduktiv vorgehen, d. h. sich mit den Konsequenzen einer vorangehend aufgestellten theoretischen Annahme (Hypothese) beschäftigen. Dies entspricht der höchsten Form des logischen Denkens. Ihr Denken stützt sich jetzt vorwiegend auf verbale bzw. symbolische Elemente und nicht mehr auf anschauliche Gegenstände und Ereignisse.

Kognitive Veränderungen während der Pubertät und Adoleszenz – Jugendliche lernen kognitive Operationen nur abstrakt, unter Rückgriff auf Zeichen und Symbole - durchzuführen. Sie verstehen mathematische Beweisführungen und die Begriffe analytische Wahrheit und logische Notwendigkeit. Sie lernen Hypothesen geleitet zu denken (gesetzt der Fall: was wäre dann?) !

Kognitive Veränderungen während der Pubertät und Adoleszenz – Jugendliche lernen deduktiv zu denken (ohne sich auf konkrete Kontexte beziehen zu müssen) und logische Schlussfolgerungen aus Prämissen zu ziehen. Sie verstehen, dass mehrere Faktoren am Zustandekommen eines Effekts beteiligt sein können. Sie lernen es Variablen zu isolieren und zu kontrollieren.

Kognitive Veränderungen während der Pubertät und Adoleszenz Das Arbeitsgedächtnis nimmt an Umfang zu Die Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit steigt an bis zum 16. Lebensjahr und flacht dann wieder etwas ab Impulse können wirksamer gehemmt und reguliert werden Exekutive Funktionen werden effizienter Intelligente Problemlösungsstrategien werden immer häufiger eingesetzt Der Umfang und der Organisiertheitsgrad des Wissens nehmen zu

Kognitive Veränderungen während der Pubertät und Adoleszenz (2) Zunahme der Leistung in Intelligenztests (abstraktes Denken) nimmt zu, mehr Aspekte eines Problems werden berücksichtigt „Bildungsfreie“ Leistungen steigen, bildungsabhängige sinken eher Enormer Wissenszuwachs in Bereichen, die den Jugendlichen interessieren

Kognitive und sozial-kognitive Veränderungen während der Pubertät und Adoleszenz Die anfänglich nur beschränkt vorhandene Fähigkeit zu dezentrieren und der damit verbundene relative Egozentrismus wandeln sich allmählich zum Relativismus (genereller Zweifel an der Möglichkeit zu absoluter Erkenntnis) Verbunden damit kann es zum Skeptizismus und Dogmatismus kommen Im Bereich der Entwicklung des moralischen, wertbezogenen Denkens: moralischer Relativismus (Geschlechtsunterschiede)

Sozial-kognitive Veränderungen Ausdifferenzierung des Selbstkonzepts (Komponenten) – Aufbau und Ausbau der persönlichen Identität Als Selbstkonzept bezeichnet man das Insgesamt der Kognitionen und Emotionen eines Menschen, die sich auf die eigene persönliche Identität zentrieren, also die Gedanken und Gefühle, die bei der Beantwortung der Frage »Wer bin ich?« entstehen. Das Selbstkonzept entspricht also schlussendlich dem Bild, das man von sich selbst hat. Männliche Sachorientierung vs. Weibliche Personorien-tierung im Selbstkonzept

Sozial-kognitive Veränderungen (2) Geschlechtsrolle: Hohe traditionelle Konformität während des gesamten Jugendalters bei beiden Geschlechtern – Sexualmoral und Sexualverhalten Moral- und Wertorientierungen: männliche und weibliche Moralmaßstäbe (generelle Regeln vs. situationsangepasste Bewertungen, männliche und weibliche Werte (Leistung, Kontrolle und Ordnung vs. Zwischenmenschlichkeit, soziale Interessen und (Aus-)Bildung

Emotionale Veränderungen Empathie (Mitgefühl und Einfühlung) Mitgefühl als emotionale Basis von Empathie variiert um das aus der Kindheit mitgebrachte Niveau, verändert sich aber im Wesentlichen nicht Einfühlung als kognitive Komponente von Empathie wird qualitativ verbessert und ausdifferenziert Gezieltes (auch strategisches) sich in die Lage einer anderen Person Versetzen wird ausgebaut

Motivationale Veränderungen Vorübergehende Leistungseinbußen in der Pubertät in Funktionen, die vom präfrontalen Kortex gesteuert werden, z.B. also Einbußen im Bereich der Selbstkontrolle und im Hinblick auf sozial-kognitive Leistungen (Schwanken zwischen Egozentrik oder Dezentrierung) Misserfolgsängstliche Mädchen und erfolgszuversichtliche Jungen: u. U. stabil über das gesamte Jugendalter hinweg (im Wandel!)

Soziale Veränderungen Gesellschaftliche Fundierung: Schichtunterschiede (Benachteiligung durch Armut und Bildungsferne) Bedeutung der Gleichaltrigengruppe als soziales Lernfeld nimmt zu Sekundäre Sozialisationseinflüsse über die modernen Medien: Smartphones, Netzwerke und die Folgen Parallel dazu: Soziale Ablösung und Distanzierung vom Elternhaus

Wegen Umbauarbeiten vorübergehend geschlossen… Klare Regeln während dieser Zeit oder flexibles, situationsangepasstes elterliches Verhalten? Ein Balance-Akt zwischen emotionalem Verbundenbleiben und faktischem Loslösen Bitte bedenken Sie: Jede Pubertät ist ein einzigartiges singuläres Ereignis – jedes Kind pubertiert auf seine Weise – es gibt nicht nur Frühreife und Spätentwickler Manche Forscher meinen, es gibt mehr individuelle Unterschiede zwischen einzelnen Kindern und Jugendlichen als zwischen den Geschlechtern im Pubertätsverlauf

Achtung! Baustelle… Stereotype oder nicht? Mädchen neigen zu mehr Stimmungsschwankungen in der Pubertät (himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt, auch das Selbstbewusstsein leidet darunter: Depressivität) Jungen sind in der Pubertät auf der Suche nach dem Kick (agieren ihre überschüssigen körperlichen Kräfte häufiger aus) Einige Heranwachsende pubertieren heftig über Jahre, andere entwickeln sich fast unbemerkt und „nebenbei“ zum Mann oder zur Frau

Geschlechterspezifische Berufswahl - Mädchen wählen eingeschränkter Schon im Jahr 2008 wurde festgestellt, dass die Jungen vielfältigere Berufswahlen treffen. Mehr als drei Viertel der Mädchen fanden sich in gerade mal 25 Berufen wieder. Im Falle der Jungen entschieden sich nur knapp 16% für eine der 25 jungentypische Berufsausbildungen. Mädchen scheinen also in dieser zentralen Entwicklungsauf-gabe, der Wahl ihrer Berufsausildung (Havighurst, 1952), durch geschlechterrollentypische Wahlen eingeschränkt

Geschlechtersozialisation in der Schule Gestalten Lehrer/-innen (unbewusst und automatisch) die Interaktion im Unterricht geschlechtsspezifisch, geben sie z. B. einem der Geschlechter bevorzugt das Wort oder sprechen sie Ermahnungen vermehrt in Bezug auf ein Geschlecht aus? Wenn ja, ist dies im tatsächlichen Verhalten der Lernenden begründet oder drückt sich darin lediglich eine subjektive Wahrnehmung aus? Was ist dran am Klischee, dass Mädchen sprachlich und musisch „begabter“ sind und Jungen in Politik und Naturwissenschaften? Warum bekommen Jungen im Sportunterricht selten die Möglichkeit an rhythmischer Sportgymnastik teilzunehmen bzw. Mädchen, am Boxen teilzunehmen? Wodurch ergibt sich die geschlechtsspezifische Verteilung des Lehr- und Führungspersonals, z. B. die Dominanz von Frauen an Grundschulen oder von Männern in leitenden Positionen?

Wege des Erwachsenwerdens Es gibt 13jährige in Highheels und Top-Make up Und es gibt 19jährige, die sich nie schminken, abgewetzte Turnschuhe tragen und in Jeans und XL-Sweatshirts herumlaufen Dazwischen entfaltet sich eine breite Palette unterschiedlicher Wege ins Erwachsenenalter Die Peergroup bestimmt i. a. entscheidend mit, was man macht und was man lässt, was angesagt ist und was „out“ ist Eltern sind nicht selten sehr irritiert , wenn ihre heranwachsenden Kinder etwas wollen oder nicht wollen, das ihnen (aus welchen Gründen auch immer) überhaupt nicht (in ihre Wertewelt) passt: „generation gap“

Psychische (kognitive, emotionale) Faktoren Ingesamt betrachtet kann man durchaus von einem vorübergehenden, intervallhaft auftretenden psychischen De-Rangiertsein, einem kognitiven Tohuwabohu und einem emotionalen Chaos sprechen, Zustände, die jedoch schlussendlich zu einem höheren, in sich konsolidierten Entwicklungsniveau führen

Entwicklungsaufgaben für die Eltern pubertierender Kinder? Loslassen, endgültig abnabeln bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Kontaktes auf Augenhöhe und emotionalem Verbundenbleiben Eine Gratwanderung, die immer wieder neu austariert werden muss!