Sporenbildner und anaerobe Bakterien

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Sporenbildner und anaerobe Bakterien Bettina Löffler Institut für Medizinische Mikrobiologie Universitätsklinikum Jena Wintersemester 2016/17

Sporenbildner Sporenbildner: Bakterien, die befähigt sind, umweltresistente Endosporen zu bilden. Die Endospore als Ruhestadium kann lange Zeit (Jahre) überdauern Hohe Widerstandsfähigkeit gegen Hitze, Kälte, Austrocknung, Strahlung, niedrigen pH-Werten, chemische Agentien (Sterilisation notwendig) Extrem reduzierter Stoffwechsel Kaum anfärbbar; spezielle Sporenfärbung für Mikroskopie Reaktion auf Stresszustände (z.B. Hunger), v.a. in der Umwelt Extreme Überlebensform „Schlafzustand“

Sporenbildner Mechanismus der Endosporenbildung  Mehrschichtige Hülle mit geringem Wassergehalt

Sporenbildner Keimung Bildung aktiver („vegetativer“) Entwicklungsstadien Aktivierung der Spore durch Permeabilitätssteigerung der Sporenhülle Signalstoffe dringen von außen ein (z.B. bei Alterung) Keimung bei günstigen Bedingungen, z.B. bei Glucose und Aminosäuren Wachstum und Wasseraufnahme  Sprengung der Sporenhülle, Bildung einer neuen Zellwand  Extreme und dynamische Anpassungsfähigkeit unter ständiger Wahrnehmung der Umwelt

Sporenbildner - Bacillus anthracis  Milzbrand Medizinisch wichtige Gattungen Gram-positive Bakterien Bacillus: wachsen aerob und fakultativ anaerob - Bacillus anthracis  Milzbrand - Bacillus cereus  Lebensmittelvergiftung Clostridium: wachsen anaerob - Clostridium tetani  Wundstarrkrampf - Clostridium perfringens  Gasbrand - Clostridium botulinum  Botulismus - Clostridium difficile  antibiotika- assoziierte, pseudomembranöse Colitis

Bacillus anthracis Milzbrand: Geschichte/Bedeutung 1855: Der Landarzt Aloys Pollender (1800 - 1879) beschreibt stäbchenförmige Bakterien, die er regelmäßig im Blut von an Milzbrand verendeten Schafen mikroskopisch vorfand. 1876: Robert Koch (1843-1910) klärt die bakterielle Ätiologie des Milz- brandes auf und weist Sporulierung des Erregers Bacillus anthracis nach. Milzbrand ist eine Infektion der Paarhufer Wiederholter Einsatz von Bacillus anthracis als Biowaffe / Terroranschlägen: Beispiele: Im April 1979 werden von einer Biowaffenfabrik in Swerdlowsk Milzbrandsporen freigesetzt. In der Abwindzone erkranken mindestens 77 Personen, von denen 66 versterben. USA: 18. Sept. 2001: drei Nachrichtenagenturen in New York erhalten Briefe mit einem Granulat von Anthrax-Sporen. Drei Wochen später wurden zwei Briefe mit Anthrax Sporenpulver an Senatoren der Demokraten verschickt. 22 Personen infizierten sich mit Milzbrand, 5 Personen starben daran.

Bacillus anthracis Virulenzfaktor Funktion Milzbrand: Erreger, Virulenz Bildet im lebenden Organismus und auf Nährböden Ketten und Fäden. „Bambusform“ der Zellen im mikroskopischen Präparat Die Spore liegt mittig in der Zelle, ohne diese aufzutreiben. Virulenzfaktor Funktion Bakterienkapsel: D-Glutaminsäure-Poypeptid; (Plasmid pXO2-kodiert) Hemmung der Phagozytose Exoenzyme (z.B. Kollagenase, Proteasen) Gewebeschädigung und Eindringen ins Gewebe Toxin (Plasmid pXO1-kodiert); AB-Toxin Ödemfaktor (EF) Schutzantigen (PA) Letaler Faktor (LF)  Alle Wirtszellen sensibel für das Toxin PA bindet an Wirtszelle und fördert die Aufnahme von EF und LF ins Zytoplasma; EF ist Adenylatcyclase  cAMP   Ödembildung, Gewebeschaden LF ist Protease, greift in MAPK-Signalwege ein

Bacillus anthracis Milzbrand: Klinik Hautmilzbrand ca. 95% der Verläufe Kleinste Hautverletzung  Sporenaufnahme Pustula maligna in der Eintrittspforte: juckende rote Papel mit schwarzem Zentrum  schwarzer Schorf Gutartiger Verlauf: lokal begrenzt, ohne Fieber, Heilung nach 10-15 Tagen Bösartiger Verlauf: Eindringen der Keime in den Körper  Lymphadenitis, Sepsis, Organschäden, Meningitis, Tod . betroffen: Landwirte, Gerber, Tierärzte, Schlächter

Bacillus anthracis Milzbrand: Klinik Lungenmilzbrand Einatmen der Sporen Schlagartig schwere Bronchopneumonie mediastinale Erweiterung endet unbehandelt nach wenigen Tagen immer tödlich in der Woll-Industrie beschrieben; Biowaffe Darmmilzbrand Infektion nach Verzehr von ungenügend erhitzten, infizierten Fleisch Gastroenteritis mit blutigen Durchfällen, blutigem Erbrechen, geschwollener Hals Sehr selten, aber meist tödlich .

Bacillus anthracis Milzbrand: Diagnostik Pustula maligna: nicht inzidieren, austretendes Sekret abstreichen, Blutkultur Lungenmilzbrand: Sputum, Blutkultur Darmmilzbrand: Stuhl, Blutkultur Kontaktpersonen: Nasenabstrich, Rachenabstrich, regelmäßige Temperaturkontrolle (keine Einweisung erforderlich) Labordiagnostik: Gram-Präparat, Kultur aerob (L-3-Labor) biochemische Differenzierung (cave B. cereus), PCR: pXO1- und pXO2-Fragmente

Bacillus anthracis Milzbrand: Therapie Penicillin i.v. (8-10 Mil. E./d; Kinder 0,5 Mil. E./Kg/d) Alternativ (Unverträglichkeiten/Resistenzen): Ciprofloxacin, Doxycyclin Erythromycin, Amoxycillin, Augmentan, Cephalosporine Postexpositionelle Antibiotikaprophylaxe: RKI-Empfehlung: Erwachsene: Ciprofloxacin 2x500mg/Tag 8 Wochen oder Doxycyclin 2x100 mg/Tag 8 Wochen Kinder: Doxycyclin ab 9 Jahre, 5 mg/Kg/Tag in 2 Dosen Amoxycillin bis 8 Jahre, 40-80 mg/Kg/Tag in 3 Dosen nur bei Personen mit unmittelbarem Kontakt zu verdächtigem Material bis zum Ausschluss des Verdachtes Unter rechtzeitiger Antibiose ist die Letalität des Hautmilzbrandes gleich 0.

Bacillus anthracis Milzbrand: Epidemiologie, Prophylaxe Wenige Sporen genügen, um beim Menschen eine Erkrankung auszulösen (10-10.000) In Mittel- und Nordeuropa, sowie in Nordamerika ist Milzbrand selten In Afrika, Asien und Südamerika v.a. bei Tieren verbreitet Inaktivierung: Sporen werden bei trockener Hitze und 150 °C erst nach 60 Minuten zerstört In feuchter Hitze und 100 °C erfolgt die Inaktivierung nach 5-10 Minuten Formalin in einer 0,1%igen Lösung tötet die Sporen innerhalb von 20 Minuten Prophylaxe: Schutzkleidung Vermeidung des Kontaktes mit infizierten Tieren

Bacillus cereus Saprophyt in Wasser und Boden. Morphologisch leicht mit Bacillus anthracis zu verwechseln. Nahrungsmittelverunreinigungen, v.a. in Reis, Milch, können zu einer Toxin-vermittelten, selbst-limitierenden Lebensmittelvergiftung führen. Bei immunsupprimierten Patienten kann es zu systemischen Erkrankungen mit tödlichem Verlauf kommen.

Clostridien Gram-positive anaerobe Sporenbildner C. tetani Große (3-8 µm lange), Gram-positive Stäbchen Spindelförmige Auftreibung der Bakterien durch die Endospore Zur Gattung gehören zahlreiche Gärungs- und Fäulniserreger, viele Arten sind apathogen Vorkommen: in der Umwelt, im Erdboden und im Darm (gehören zur Normalflora) von Mensch und Tier Wichtige Krankheitserreger, die durch ihre Toxinbildung schwere Intoxikationen hervorrufen: - Clostridium tetani  Wundstarrkrampf - Clostridium perfringens  Gasbrand - Clostridium botulinum  Botulismus - Clostridium difficile  Antibiotika-assoziierte, pseudomembranöse Colitis Meldepflicht

Clostridium tetani Klinischer Fall 1: In die Augenpoliklinik wird vom niedergelassenen Kinderarzt ein vierjähriges Mädchen mit dem Symptom „Doppelsehen“ eingewiesen. Bei der Untersuchung kann bisher keine Ursache erhoben werden und das Symptom nicht eindeutig bestätigt werden. Bei der Entlassung fällt der Arzthelferin ein „eigenartiges Grinsen“ des Mädchens auf. Nach wenigen Stunden entwickelt das Mädchen eine Kieferklemme

Clostridium tetani Erreger des Wundstarrkrampf (Tetanus) Tetanus (Wundstarrkrampf): Erreger Erreger des Wundstarrkrampf (Tetanus) Vor Entwicklung der Antiseren Sterblichkeit von ca. 90%. Heute um 50%. Sporenbildung am Ende der Zelle (terminal) →„Trommelschlegel“ Sporen ubiquitär in Erde, Staßenstaub, Holz usw. verbreitet. Tetanus setzt eine Wunde und das Eindringen von C. tetani in die Wunde voraus, doch eine Bagatellverletzungen reicht aus (anaerobe Wundinfektion) v.a. bei Mischinfektionen

Clostridium tetani Virulenzfaktor Funktion Tetanus (Wundstarrkrampf): Virulenz, Pathogenese und Klinik Virulenzfaktor Funktion Exoenzyme (z.B. Kollagenase, Proteasen) Gewebeschädigung und Eindringen ins Gewebe Toxin Tetanospasmin (neurotoxisch, AB-Toxin) Tetanolysin Neurotoxin Neurotoxisch (zweitstärkstes bakterielles Toxin) hämolytisch Weiter neurotoxisch Tetanus stellt eine Wundinfektion mit vorrangiger Wirkung auf das zentrale Nervensystem dar. Erreger lokal in der Wunde → produziert dort Tetanospasmin (Erreger breitet sich nicht im Gewebe aus) Tetanospasmin → Vorderhornzellen des Rückenmarks → toxische Wirkung (ist Endopeptidase/Metalloproteinase und spaltet Synaptobrevin) Signalübertragung der hemmenden Neuronen wird blockiert → spastische Lähmung mit tonisch-klonischen Krämpfen. Inkubationszeit: wenige Tage bis Wochen. Je kürzer die Inkubationszeit, desto höher die Letalität Tetanustoxin erzeugt keine lokale Nekrose, sondern wirkt nur auf die Nervenzellen

Clostridium tetani Tetanus (Wundstarrkrampf): Klinik Tonuserhöhung der Muskulatur, v.a. der Kaumuskulatur: der Mund kann schwer /nicht geöffnet werden, sprechen und schlucken fällt schwer  Trismus („Kieferklemme“), Risus sardonicus („Teufelsgrinsen“) Generalisierte Krämpfe, Opistotonus, Lähmung der Atemmuskulatur  Erstickungstod Der Opisthotonus ist ein Krampf in vor allem der Streckmuskulatur des Rückens. Er führt zu einer starken Rückwärtsneigung des Kopfes und zur Überstreckung von Rumpf und Extremitäten. ... Opistotonus Tetanus neonatorum; durch ungenügende Nabelschnurhygiene Opisthotonus by Sir Charles Bell (1809)

Clostridium tetani Tetanus (Wundstarrkrampf): Diagnose Klinische Diagnose Einsenden von Wundmaterial oder Blut Anzucht der Tetanusbakterien sehr schwierig Nachweis des Toxins im Tierversuch an Mäusen Infiziertes Gewebe an Schwanzwurzel, Neutralisationstest “Robbenstellung“ Tetanus (Wundstarrkrampf): Therapie Ein Patient mit Tetanus gehört in die Intensivtherapie  Relaxation, Beatmung, Schmerztherapie, „antitoxisches Serum“  ausgiebige Wundtoilette  antitoxisches Serum, systemisch und evtl. lokal (250 IE Hyperimmunglobulin vom Menschen)  Simultanimpfung (bei unbekanntem Impfstatus oder weniger als 3 aktiven Schutzimpfungen, letzte Impfung > in den letzten 5 Jahren)  Antibiotika Der Opisthotonus ist ein Krampf in vor allem der Streckmuskulatur des Rückens. Er führt zu einer starken Rückwärtsneigung des Kopfes und zur Überstreckung von Rumpf und Extremitäten. ...

Clostridium tetani Tetanus (Wundstarrkrampf): Verbreitung sehr stark verbreitet stark verbreitet verbreitet ein paar Fälle sehr wenig Fälle Quelle "Karte": http://de.wikipedia.org/wiki/Tetanus Der Opisthotonus ist ein Krampf in vor allem der Streckmuskulatur des Rückens. Er führt zu einer starken Rückwärtsneigung des Kopfes und zur Überstreckung von Rumpf und Extremitäten. ... Tetanus (Wundstarrkrampf): Prophylaxe Schutzimpfung als wichtigste Maßnahme - aktive Schutzimpfung beruht auf der immunisierenden Wirkung des inaktivierten Toxins (Toxoid), Grundimmunisierung: 3., 4., 5.,11.- 14. Monat, 6 LJ; 10-17 LJ; mit Tetanus-Toxoid, alle 10 Jahre Auffrischung Sorgfältige Wundsanierung

Clostridium perfringens Klinischer Fall 2: 18-jähriger Mann nach schwerem Motorradunfall mit Knochenbrüchen/Knieverletzung, teils offen, wird unfallchirurgisch primär adäquat – konservativ und operativ – versorgt; nach 2 Tagen Intensivüberwachung ohne Beatmung Verlegung auf Normalstation; 3 Tage nach dem Unfallereignis klagt der Patient am Morgen bei sonstigem Wohlbefinden über zunehmend starke Schmerzen im Knie (Z. n. Plattenosteosynthese einer offenen knienahen Femurtrümmerfraktur mit primärem Wundverschluss); das Pflegepersonal inspiziert die mit Gips-Halbtutor versorgte Extremität und lockert den „strammen“ Verband; nach ca. 1 Stunde meldet sich der Patient wieder mit unerträglichen Schmerzen und Spannungsgefühl; Patient wirkt unruhig und ängstlich.

Clostridium perfringens Klinischer Fall 2: Nach Entfernung des Verbandes: Kniebereich über die eigentlichen Wunden hinaus hochrote, stellenweise livide verfärbte Haut; eigentliche Wundränder/Narben „reizlos“, kein Sekretfluss; insgesamt stark geschwollene Extremität. Nach etwa weiteren 15 Minuten kommt der diensthabende Chirurg hinzu; bei der Palpation des Gewebes stärkste schmerzbedingte Abwehrreaktion des Patienten; „knisterndes“ Geräusch im Gewebe; Patient ist tachykard, hypoton und äußert „Todesangst“.

Clostridium perfringens Gasödem: Erreger, Virulenz Clostridium perfringens (Typ A, C) Clostridium novii Clostridium septicum Clostridium histolyticum Disposition: - Tiefe, traumatisierte Weichteilverletzung, - anaerobe Wundverhältnisse (Fremdkörper, Minderdurchblutung, Mischinfektion) Virulenzfaktor Funktion Exoenzyme (Kollagenase, Hyaluronidase, Desoxyribonuclease) Gewebeschädigung und Eindringen ins Gewebe Toxin a-Toxin = Lectinase (Phospholipase C) Hämolysin Starke Gewebeschädigung: Myonekrose und Zerstörung von Erythrozyten und Leukozyten; Ödem- und Gasbildung

Clostridium perfringens Gasödem: Klinik IKZ: 5 – 48 Std. nach Verletzung oder OP Anaerobe Bedingungen, Auskeimen und Proliferation der Erreger und Toxinbildung, Gewebezerstörung Wundschmerz, Ödem, Gewebsemphysem (Knistern im Gewebe), stinkende Flüssigkeit, Verfärbung Patient ist bei vollem Bewusstsein, heftige Unruhe  kann innerhalb von Stunden tödlich sein Gasbrand ist eine klinische Diagnose: Mischinfektion mit C. perfringens (z.B. bei Dekubitus) Clostridien-Zellulitis mit Gasbildung Gasbrand mit Myonekrose und Toxinämie

Clostridium perfringens Gasödem: Therapie breite Eröffnung des Wundgebietes, Entfernung aller Nekrosen; ggfs. Amputation weit proximal Penicillin G, hoch dosiert hyperbare Sauerstoff-Therapie in Druckkammer Universitätsklinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Halle Hyperbare Oxygenation Gasödem: Prävention Intensive Wundreinigung und Nekrosenabtragung Antibiotikaprophylaxe

Clostridium botulinum Botulismus Botulismus ist eine Intoxikation C. botulinum bildet Toxine A-G (nur unter anaeroben Bedingungen) unzureichend sterilisierte Konserven (Bombage); Spuren auch in Honig: Säuglingsbotulismus humanpathogen: Toxine A, B, E Neurotoxin; Metalloproteasen, hemmen Exozytoseapparat für Acetylcholin an motorischer Endplatte  schlaffe Lähmung  Tod durch Atemlähmung Toxin A: ist das stärkste bakterielle Toxin: 10-6µg sind tödlich für die Maus Ist hitzelabil: wird durch 15 min Kochen zerstört Die Darmflora von Babys befindet sich in den ersten zwölf Lebensmonaten noch in der Entwicklung. Keime haben es somit leicht, sich anzusiedeln und eine schädliche Wirkung auszuüben. Im Falle von Clostridium botulinum kommt es dabei zum Aufkeimen der Sporen, beziehungsweise zur Vermehrung der Bakterien und zur Produktion von Toxinen. Dieses Botulinumgift tritt über die Darmschleimhaut in den Blutkreislauf des Säuglings über, gelangt so an die Nerven-endigungen und hemmt dort die Ausschüttung des neuronalen Botenstoffes Acetylcholin. Eine zunehmende Lähmung aller Muskeln ist die Folge.

Clostridium botulinum Botulismus: Klinik IKZ Stunden bis wenige Tage: Übelkeit, Schwindel, Erbrechen, Lähmung der Augenmuskulatur  Doppelbilder, Lichtscheu Lähmung der Schlundmuskulatur  kloßige Sprache, trockener Mund Lähmung der Atemmuskulatur  Letalität 25 – 70 % Schwere des Krankheitsbilds kann beträchtlich schwanken Lebensmittelintoxikation, aber Botulismus kann auch von Wundinfektionen ausgehen Botulismus: Diagnose Die Darmflora von Babys befindet sich in den ersten zwölf Lebensmonaten noch in der Entwicklung. Keime haben es somit leicht, sich anzusiedeln und eine schädliche Wirkung auszuüben. Im Falle von Clostridium botulinum kommt es dabei zum Aufkeimen der Sporen, beziehungsweise zur Vermehrung der Bakterien und zur Produktion von Toxinen. Dieses Botulinumgift tritt über die Darmschleimhaut in den Blutkreislauf des Säuglings über, gelangt so an die Nerven-endigungen und hemmt dort die Ausschüttung des neuronalen Botenstoffes Acetylcholin. Eine zunehmende Lähmung aller Muskeln ist die Folge. Nachweis des Toxins im Lebensmittel, Mageninhalt, Zitratblut mit Neutralisationstest im Tierversuch (weiße Maus) oder mittels real time PCR Toxin + Antiserum Toxin, kein Antiserum Botulinum-Toxin Nachweis „Wespentaille“

Clostridium botulinum Botulismus: Therapie polyvalentes Antitoxin, Intensivtherapie (wegen Atemlähmung) Botulismus: Prophylaxe Lebensmittelhygiene, Wundhygiene, kein Honig für Kinder <2 Jahre Therapeutische Anwendung des Toxins: Botox zur medizinischen und kosmetischen Anwendung aufbereitetes Botulinustoxin Indikationen: Muskelspasmen, Hyperhidrosis, Stressfalten, Krähenfüße Antibiotika für die Therapie meist bedeutungslos

Clostridium difficile Pseudomembranöse Kolitis Postantibiotische, pseudomembranöse Enterokolitis C. difficile gehört bei 4-14% der Erwachsenen und 40% der Kleinkinder zur Flora des Darmes Störung der Darmflora durch Antibiotikatherapien  Wachstumsvorteil von C. difficile Toxinproduktion: Enterotoxin TcdA vermehrte Sekretion von Elektrolyten und Flüssigkeit Zytotoxin TcdB  Schädigung von Enterozyten Blutige Durchfälle und toxische Wirkung im Kolon, bis zum toxischen Megacolon auf Pathogenitätsinsel Toxisches Megacolon

Clostridium difficile Pseudomembranöse Kolitis Risikofaktoren für die C. difficile assoziierte Diarrhoe: Antibiotikatherapie, Alter, Dauer des Krankenhausaufenthaltes, Sondenernährung, Schwere der Grunderkrankung Letalität der C. diff. assoz. Diarrhoe 1 bis 2 % der pseudomembranöse Kolitis 6 bis 30 % Infektionen mit einem neuen hochvirulenten Stamm (Europa, USA; Ribotyp O27) zeigen eine deutlich erhöhte Letalität Inzidenz der C. diff.-assoziierten Erkrankungen stieg in den letzten Jahren deutlich an geschätzte Mehrkosten in Europa: ca. 3 Milliarden Euro pro Jahr Clindamycin, Cephalosporine

Clostridium difficile Pseudomembranöse Kolitis: Diagnose Nachweis der Toxine im Stuhl mittels Enzym-Immuno-Assay oder molekularbiologisch Pseudomembranöse Kolitis: Therapie Absetzten von laufenden Antibiotikatherapien (v.a. Clindamycin und Cephalosporine) Orale Therapie mit Metronidazol oder Vancomycin „Stuhltransplantation“ mittels einer Magen- oder Kolonsonde zur Restauration der gestörten Darmflora (bei schweren Fällen)  bis zu 90% Heilungsraten Clindamycin, Cephalosporine Koloskopie

Nicht-Sporen-bildende , anaerobe Gram-negative Stäbchen Bacterioides Die Familie der Bacteroidaceae mit 20 Gattungen umfasst eine große heterogene Gruppe. Bacteroides spp. sind klassifiziert in der Bacteroides fragilis-Gruppe (humanmedizinisch wichtig) und anderen Viele der Bacteroides-Arten gehören zur normalen gastrointestinalen Schleimhautflora (16-20 % der Mundflora!) Fast immer Mischinfektionen mit anderen anaeroben oder aeroben Keimen; Abszesse Prädisponierende Faktoren sind Antibiotikabehandlung und Immunsuppression. Clindamycin, Cephalosporine

Nicht-Sporen-bildende , anaerobe Gram-negative Stäbchen Bacterioides Häufige Infektionen: Intraabdominale Infektionen: postappendizitische Abszesse; mischinfizierte Prozesse, z.B. Peritonitis; Extraabdominale Gewebeinfektionen: mischinfizierte Phlegmone; infizierte Amputationsstümpfe Diagnose: Material luftverschlossen einsenden; Anzucht auf Schaedler-Agar: Therapie: Metronidazol, Clindamycin, Carbapeneme, Tazobactam Clindamycin, Cephalosporine

Proprionibakterien Proprionibacterium acnes Gram-positive anaerobe Stäbchen Wachsen sehr langsam P. acnes wird eine Beteiligung an der Ätiologie der Akne zugeschrieben Wichtiger Verursacher von Fremdkörper-assoziierten Infektionen Clindamycin, Cephalosporine

Actinomyces Aktinomykose (Fadenbekterien) Gram-positive Stäbchen mit echten Verzweigungen, sporenlos, unbeweglich, anaerob wachsend medizinisch bedeutsam: A. israeli, A. naeslundi, A. viscosus Nocardia: Lipide in Zellmembran → partielle Säurefestigkeit Actinomyces sp. sind Bestandteil der Normalflora des Mundes, Darm- und Genitaltraktes Infektion (endogen) im Zusammenhang mit lokaler Anaerobiose durch Fremdkörper, Karies oder Minderperfusion und mit anderen Bakterien (z.B.: Staphylokokken, Actinobacillus actinomycetemcomitans u.a.m.)

Actinomyces Aktinomykose: Pathogenese Erreger dringen über die Schleimhaut ein Granulomatöse eitrige chronische Entzündungen (aerob-anaerobe Mischinfektionen) Zervikofaziale Aktinomykose: häufigste Form (90%); harte tumorartige nekrotische durchbrechende Abszesse Kanalikulitis/Dakrozystitis: Entzündung der Tränenkanäle Thorakale Aktinomykose: Fortgeleitet aus dem Halsbereich od. hämatogen Abdominale/genitale Aktinomykose: Verletzung des Darms oder Genitalbereichs Drusen sind harte Konglomerate kleiner Aktinomyces-Kolonien im Fisteleiter einer Aktinomykose, die von einem Lymphozytenwall

Actinomyces Aktinomykose: Diagnose und Therapie klinische Diagnose: brettharte Infiltration, oft schmerzlos, drusenhaltiger Eiter Mikrobiologische Diagnose: Primärpräparat, aerobe und anaerobe Kultur, Mischflora beachten Therapie: 1. chirurgische Sanierung 2. Aminopenicillin (Begleitflora beachten) Keine Prophylaxe möglich, da endogene Infektion Nachweis: Eine Besonderheit der Aktinomyzeteninfektion ist die Ausbildung von Drusen, Ansammlungen von Bakterien, umgeben von einem Lymphozytenwall, aus dem radiär filamentöse Aktinomyzeten herausragen

HACEK-Gruppe Gram-negative, fakultativ anaerobe Bakterien H: Haemophilus A: Actinobacillus C: Cardiobacterium E: Eikanella K: Kingella Gehören zur Normalflora von Mensch und Tier (Mund- und Darmflora) Häufig an Mischinfektionen beteiligt Mögliche Erreger von bakteriellen Endokarditis (ca. 3 % der Endokarditiden) Clindamycin, Cephalosporine

HACEK-Gruppe Endokarditis-Diagnostik Wiederholtes Abnehmen von Blutkulturen (mind. 3 mal) Jeder Erreger kann eine Endokarditis verursachen Bei Beimpfen der Blutkulturflasche eine aerobe und anaerobe Flasche Manche Keime wachsen langsam (z.B. HACEK-Gruppe)  Kultur der Flaschen für 3 Wochen Clindamycin, Cephalosporine

Zusammenfassung: Sporenbildner und Anaerobier Sporenbildner: Überlebensformen unter Extrembedingungen B. anthracis: Haut-, Lungen- und Darmmilzbrand; invasive Infektionen durch Toxinbildung im Gewebe Clostridien: anaerobe Sporenbildner; nur Wachstum im anaeroben Milieu - Clostridium tetani  Wundstarrkrampf - Clostridium perfringens  Gasbrand - Clostridium botulinum  Botulismus - Clostridium difficile  Antibiotika-assoziierte, pseudomembranöse Colitis Infektion durch Toxinbildung; stärkste bakterielle Toxine Anaerobier: viele Arten gehören zur Normalflora im Mund und Darm; dennoch können sie Mischinfektionen verursachen; Actinomyces: endogene Mischinfektionen mit weiteren Bakterien, z.B. Fremdkörperinfektionen, Karies,.. HACEK-Gruppe: wichtige Erreger der Endokarditis

Frage: Clostridien sind Gram-positive anaerobe Sporenbildner, die je nach Toxinbildung verschiedene Intoxikationen/Krankheitsbilder hervorrufen können? Welche Aussage dazu ist falsch? A: Das Botulismus-Toxin ist das stärkste derzeit bekannte bakterielle Toxin. B: Das Botulismus-Toxin wird therapeutisch genutzt. C: Das toxische Megacolon ist eine Komplikation einer Clostridium difficile- Infektion. D: „Stuhltransplantationen“ werden derzeit als Therapie der pseudomembranösen Colitis eingesetzt. E: Clostridium perfringens wird mit Meropenem + Vancomycin therapiert.

Staatsexamensfrage Ein junger Mann kommt mit Fisteln im Zervikofazialbereich in Ihre Sprechstunde. Bei der Palpation fühlt sich die betroffene Region sehr hart an und weist livide verfärbte Indurationen auf. Allerdings bestehen keine ausgeprägten Schmerzen. Es gelingt, Eiter aus den Fistelgängen zu gewinnen. Dieser wird zunächst makroskopisch betrachtet und anschließend mikroskopisch untersucht. Unter dem Lichtmikroskop fallen grampositive, teils verzweigte stäbchenförmige Strukturen auf. Welche Aussage zu der hier am wahrscheinlichsten vorliegenden Erkrankung trifft am ehesten zu? (A) Sie kann durch eine serologische Untersuchung auf Antikörper gegen Corynebacterium minutissimum nachgewiesen werden. (B) Sie kann durch die typische karminrote Fluoreszenz über den Indurationen im Wood-Licht nachgewiesen werden. (C) Die beschriebene Erkrankung entsteht fast ausnahmslos auf dem exogenen Infektionsweg, da die ursächlichen Erreger nicht im Rahmen der Normalflora vorkommen. (D) Da es sich hierbei um eine Mykose handelt, ist Fluconazol die Therapie der Wahl. (E) Die Verdachtsdiagnose lässt sich durch den makroskopischen Befund von Drusen im Eiter erhärten. Charakteristisch ist die karminrote Fluoreszenz unter Wood-Licht (Ultraviolett- A-Strahlung), die auf der Porphyrinbildung der Corynebakterien beruht.