Organische Psychosyndrome Prof. Dr. med. Michael Hüll, MSc. Chefarzt der Klinik für Alterspsychiatrie und Psychotherapie.

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 Präsentation transkript:

Organische Psychosyndrome Prof. Dr. med. Michael Hüll, MSc. Chefarzt der Klinik für Alterspsychiatrie und Psychotherapie

Organische Psychosyndrome Lernziele: Definition des Begriffs „organisches Psychosyndrom“ Bedeutung der Unterscheidung zwischen akuten und chronischen organischen Psychosyndromen Symptome und Ursachen chronischer organischer Psychosyndrome

Drei Vorraussetzungen zur Diagnose eines „organischen Psychosyndroms“ 1.organisch bedingte Störung der Hirnfunktion - fokal (Tumor, lokale Blutung; Verletzung) - diffus (hypoxisch, degenerativ, entzündlich) - metabolisch (Intoxikation, Entzug, endokrine Störung) 2.wahrscheinlicher Zusammenhang zum „Psychosyndrom“ - ähnliche psychiatrische Symptome bei der gefundenen organischen Störung bekannt - zeitlicher Zusammenhang zwischen organischer Störung und Psychosyndrom 3. Besserung des Psychosyndroms bei Behandlung der organischen Störung, sofern keine irreversibelen Schäden

Das bio-psycho-soziale Model

Die Diagnose eines akuten hirnorg. Psychosyndroms erfordert immer eine sofortige Untersuchung! Eine vollständige Diagnose bei einem akuten hirnorganischen Psychodrom kann zum Beispiel lauten: -Delir bei Alkoholentzug -postoperatives Delir -Delir bei Hypoglykämie -organisch- manisches Syndrom bei Enzepalitis -hirnorganisch bedingtes mutistisch- stuporöses Bild bei Sinusvenenthrombose -postikaler Verwirrtheitszustand -akuter aggressiver Erregungszustand nach Schädelhirntrauma

Die Therapie eines akuten hirnorganischen Psychosyndroms richtet sich nach dem Auslöser EtOH- Entzugsdelir: Distraneurin Benzodiazepine, Haldol Fieberdelir: Fiebersenkung Medikamentös- induziertes Delir: Absetzen des auslösenden Medikamentes zerebrale Raumforderung: operative Entlastung Symptomatische Therapie: - reizarme Umgebung, Überwachung - Haloperidol 1,5 bis 30 mg - cave EPS - cave Krampfanfall

Symptome bei organischen Psychosyndromen Alle psychopathologischen Symptome können bei organischen Psychosyndromen auftreten. Bewusstseinsstörungen (Somnolenz, Koma) treten nur bei organischen Psychodromen auf. Vegetative Entgleisungen (massive Blutdruckzunahme, massive Tachykardie, Fieber, ausgeprägtes Schwitzen) sind klare Hinweise auf akute organische Psychosyndrome weitere Symtome -Psychomotorische Unruhe, fehlender Nachtschlaf -Störung des formalen Gedankenganges -Manie, Depression, Affektibilität, Halluzinationen -eher selten: Wahn, Ich- Störungen

Synonyme Begriffe Durchgangssyndrom Hirnorganisches Psychosyndrom Akuter Verwirrtheitszustand Akute exogene Psychose Fieberdelir Infektdelir Postoperatives Delir Terminales Delir Alkoholentzugsdelir Benzodiazepinentzugsdelir ICD-10 versus Klinik: klares Syndrom, begriffliche Vielfalt Delir ICD 10 (F05.-): unspezifisches hirn- organisches Syndrom, charakterisiert durch gleichzeitig bestehende Störungen des Bewusstseins und der Aufmerksamkeit, der Wahrnehmung, des Denkens, des Gedächtnisses, der Psychomotorik, der Emotionalität und des Schlaf- Wach-Rhythmus.

Organische Psychosyndrome: akut versus chronisch chronisch: lange Anamnese (Monate, Jahre) meist schleichender Beginn gelegentlich Dauerzustand nach akuter Hirnschädigung keine Bewusstseinsstörung oft umgeschriebene Merkfähigkeitsdefizite Leistungsdefizite meist testbar geringe psychomotorische Symptome

Veränderte Rahmenbedingungen Fernere Lebenserwartung

Solhaug IPA 2012 Prävalenz von Depression und Demenzen im Alter Depression

Verwandte Begriffe zum Begriff „chron. organisches Psychosyndrom“ Demenz hirnorganischer Persönlichkeitswandel Pseudoneurasthenisches Syndrom postenzephalitisches Syndrom chron. Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma organische Halluzinose organische affektive Störung

Merkfähigkeitsstörungen bei Demenzen... betreffen das Neugedächtnis führen zum Vergessen ganzer Episoden (episodisches Gedächtnis) lassen sich kaum durch Stichwörter beheben lassen das Altgedächtnis (Schulgedächtnis) lange Zeit unbeeinträchtigt Das Vergessen von Namen, Telefonnummern und ähnlichen Fakten ist nicht demenzspezifisch.

Zur Demenzdiagnose müssen folgende Punkte erfüllt sein: Merkfähigkeitsstörung Einschränkung einer weitern kognitiven Leistung Dadurch bedingte Beeinträchtigung der privaten oder beruflichen Leistungsfähigkeit Einschränkung besteht seit mehr als 6 Monaten

Differentialdiagnose Depression/ Demenz Kennzeichen für Depression: detalierte Schilderung von Fehlleistungen Fehlleistungen in der Selbstdarstellung größer als in der Fremdamnanese Appetit und Schlafstörungen Schuldgefühle, wahnhafte Symptome Kennzeichen für Demenz: Fremdamnanese zeigt stärkere Fehlleistungen als Selbstdarstellung Dissimulation von Schwierigkeiten (Orientierung, Haushalt)

Differentialdiagnose Depression/ Demenz Psychpathologischer Befund: Kennzeichen für Depression: Grübelzwänge Anhedonie Appetit und Schlafstörungen Schulgefühle, wahnhafte Symptome Kennzeichen für Demenz: Wortfindungsstörungen Benennstörungen „kommunikative Fertigware“ Perseversationen mangelndes Urteilsvermögen

Neuropsychologie TestWort- zahl Durch- gänge Gesamte Testzeit MMSE3 3 Versuche 1 Spätabruf (5min) 15 min MOCA5 2 Versuche 1 Spätabruf (10min) (cueing, Auswahl) 25 min CERAD10 3 Durchgänge 1 Spätabruf (20min) 1 Wiedererkennen 50 min RAVLT15 3 Durchgänge 1 Ablenkerliste 1 Spätabruf (30min) 1 Wiedererkennen 60 min

Hausarzt Ambulanter Spezialist

asymptomatische Alzheimerkrankheit MCI bei Alzheimerkrankheit Alzheimerdemenz bei Alzheimerkrankheit CSF-tau CSF-A  PET-A  PET-FDG MOCA IQCODE MRT CERAD

Herausforderndes Verhalten bei Demenz BPSD Behavioural and Psychological Symptoms in Dementia (umfasst alles von Apathie bis Aggression) Organische Persönlichkeitsstörung Ablehnendes Verhalten Aggressivität und Agitation

Agitiertheit Tag-/Nacht- rhythmus Reizbarkeit Herumirren Aggression Halluzinationen Stimmungs- schwankungen Sozial untragbar Wahnvorstellungen Sexuell unangemessenes Vh. Anklagend Suizid- gedanken Paranoia Depression Monate vor/nach der Diagnose einer Demenz Angst Sozialer Rückzug –40–30–20– Häufigkeit (% Patienten) Jost & Grossberg, 1996 Herausforderndes Verhalten

Gesprächsführung bei Menschen mit kognitiven Defiziten Vermeidung von Schachtelsätzen Wörtliche Wiederholung von Substantiven, Vermeidung von Pronomina Defizite testen, aber konfrontative Rückmeldung vermeiden Wichtige Informationen (Terminabsprachen, Medikation) aufschreiben, Partner mitteilen nicht bevormunden

Hirnorganischer Persönlichkeitswandel reduzierte zielgerichtete Aktivität kann Bedürfnisbefriedigung nicht aufschieben fehlende Steuerung durch den sozialen Kontext inadäquate Emotionalität, emotionale Labilität, Reizbarkeit thematisch eingeengtes Denken verändertes Sexual- und Essverhalten

Hirnorganischer Persönlichkeitswandel bei Frontallappenläsionen Dorsolateral: -Planungsdefizite -Perseverationsneigung Orbitofrontal: -sozial inadäquat, -distanzlos -impulsiv -emotional labil Mediofrontal: -Apathie -fehlende Motivation -Mutismus