Grundlagen 4: Kausalitätsfragen im Personenschadensrecht.

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Grundlagen 4: Kausalitätsfragen im Personenschadensrecht

1. Grundlegende Begriffe und Institute Der natürliche Kausalzusammenhang: –Conditio sine qua non Formel: Eine Ursache gilt dann als natürlich kausal für einen Erfolg, wenn sie nicht hinweg gedacht werden könnte, ohne dass auch der Erfolg entfiele. Beispiel: –Ein Zug muss wegen einer Kuh, die sich auf den Geleisen befindet, eine Notbremsung einleiten. Wegen der Notbremsung löst sich ein Gepäckstück im Wagon und trifft Peter am Kopf. –Die Tatsache, dass sich die Kuh auf den Geleisen befand, ist natürlich kausal (conditio sine qua non) für die Kopfverletzungen von Peter.

1. Grundlegende Begriffe und Institute Die Adäquanz: –Ein Ereignis hat dann als adäquate Ursache eines Erfolges zu gelten, wenn es nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach der allgemeinen Lebenserfahrung an sich geeignet ist, einen Erfolg von der Art des eingetretenen herbeizuführen, der Eintritt dieses Erfolges also durch das Ereignis allgemein als begünstigt erscheint. Die Adäquanz hat zur Funktion, unter den natürlich kausalen Ursachen die rechtlich erheblichen von den rechtlich unerheblichen Ursachen auszuscheiden. Bei der Prüfung der Adäquanz handelt es sich um eine juristische Wertungsfrage.

1. Grundlegende Begriffe und Institute Haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität: –Der haftungsbegründende Kausalzusammenhang betrifft die Frage, ob eine bestimmte Ursache massgeblich ist für eine Einwirkung auf ein Rechtsgut. –Der haftungsausfüllende Kausalzusammenhang betrifft die Frage, ob die wirtschaftliche Einbusse auf die Rechtsgutsverletzung und damit auf die Ursache zurück geführt werden kann. Ursache Rechtsgutverletzung Wirtschaftliche Einbusse Haftungsbegründung Haftungsausfüllung

2. Kausalitätsfragen in den Schadenausgleichsystemen Haftpflichtrecht: –Kausal bei Haftungsbegründung und Haftungsausfüllung Sozialversicherungsrecht: –Kausalitätsfragen unterschiedlich nach Sozialversicherungszweig –Unfallversicherung: Kausal bei Haftungsbegründung und Haftungsausfüllung –Invalidenversicherung / berufliche Vorsorge: Final bei Haftungsbegründung, kausal bei Haftungsausfüllung Privatversicherungsrecht: –Je nach Versicherungsart kausal oder final Sondersysteme: –Meistens final.

2. Kausalitätsfragen in den Schadenausgleichsystemen Die Adäquanz im Haftpflichtrecht, im Unfallversicherungsrecht und im Opferhilferecht:Die Adäquanz im Haftpflichtrecht, im Unfallversicherungsrecht und im Opferhilferecht: –Der Begriff der Adäquanz ist in allen Rechtsgebieten der gleiche (BGE 123 V 98; BGE 123 III 110; Urteil des BGer vom 5. Juni 2007, Aktenzeichen 1A.230/2006). –Gemäss Rechtsprechung kann jedoch die Adäquanz als Wertungselement je nach Rechtsgebiet im konkreten Fall unterschiedlich beurteilt werden. Begründung: Die haftpflichtrechtliche Praxis habe selbst bei weitgehender Preisgabe der steuernden oder begrenzenden Funktion des Adäquanzbegriffs im Gegensatz zum Sozialversicherungsrecht immer die Möglichkeit zu einem differenzierten Schadenausgleich (Art. 43 f. OR), wenn die Haftungsvoraussetzungen im Grundsatz bejaht werden. Demgegenüber sei das Kürzungskorrektiv von Art. 36 UVG im Unfallversicherungsrecht stark eingeschränkt. Der dem Unfallversicherungs- und dem Opferhilferecht gemeinsame Zweck der angemessenen kollektiven und solidarischen Unterstützung lege es nahe, im Opferhilferecht zur Beurteilung der Adäquanz eines Unfallereignisses bei psychischen Unfallfolgen auf die differenzierte sozialversicherungsrechtliche Rechtsprechung abzustellen.

2. Kausalitätsfragen in den Schadenausgleichsystemen Art. 36 UVG: Zusammentreffen verschiedener SchadensursachenArt. 36 UVG: Zusammentreffen verschiedener Schadensursachen –Die Pflegeleistungen und Kostenvergütungen sowie die Taggelder und Hilflosentschädigungen werden nicht gekürzt, wenn die Gesundheitsschädigung nur teilweise Folge eines Unfalles ist. (Absatz 1) –Die Invalidenrenten, Integritätsentschädigungen und die Hinterlassenenrenten werden angemessen gekürzt, wenn die Gesundheitsschädigung oder der Tod nur teilweise die Folge eines Unfalles ist. Gesundheitsschädigungen vor dem Unfall, die zu keiner Verminderung der Erwerbsfähigkeit geführt haben, werden dabei nicht berücksichtigt. (Absatz 2) –Zum Begriff der Erwerbsunfähigkeit gemäss Art. 36 Abs. 2 UVG siehe BGE 121 V 326.

3. Kausalitätsfragen bei psychischen Fehlentwicklungen Die Adäquanzbeurteilung im Unfallversicherungsrecht: –Die Rechtsprechung gemäss BGE 115 V 133 Bei Unfällen, die zu psychischen Fehlreaktionen führen, stellt das Unfallereignis selten die alleinige Ursache, sondern meistens nur eine Teilursache dar. Bei der Beurteilung der Adäquanz in der sozialen Unfallversicherung darf der Blick nicht auf den psychisch gesunden Versicherten beschränkt werden. Vielmehr ist auf eine weite Bandbreite der Versicherten abzustellen. Hierzu gehören auch jene Versicherten, die aufgrund ihrer Veranlagung für psychische Störungen anfälliger sind und einen Unfall seelisch weniger gut verkraften als Gesunde. Als geeigneter Anknüpfungspunkt für eine Einteilung der Unfälle mit psychischen Folgeschäden soll das objektiv erfassbare Unfallereignis selbst dienen. Ausgehend vom augenfälligen Geschehensablauf wird folgende Einteilung vorgenommen: –banale bzw. leichte Unfälle (z.B. gewöhnlicher Sturz oder Ausrutschen) –schwere Unfälle –dazwischen liegende Unfälle des mittleren Bereichs