Anpassung an den Klimawandel in der Praxis: Wo stehen wir heute, was brauchen wir für morgen? Risikobasierte Raumplanung in Österreich: Diskussionsstand.

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 Präsentation transkript:

Anpassung an den Klimawandel in der Praxis: Wo stehen wir heute, was brauchen wir für morgen? Risikobasierte Raumplanung in Österreich: Diskussionsstand und Umsetzung Univ.-Prof. Dr. Arthur Kanonier Fachbereich für Bodenpolitik und Bodenmanagement Bern

2 Naturgefahrenmanagement und Raumordnung  Erhebliche Schäden durch Naturkatastrophen, insb. 2002, 2005, 2007, 2013  Widerspruch zur den Raumordnungszielen  Gestiegene Anforderungen an die Raumplanung  Intensive Beschäftigung mit Naturgefahren und (Raum)Planung Vielzahl von Veranstaltungen und Publikationen Verstärkte fachübergreifende Zusammenarbeit Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen  EU: Hochwasser-RL  National: Wasserrechtsgesetz  Länder: Raumordnungsgesetze und Bauordnungen Risikobasierte Raumplanung

3

4 Risiko und Raumordnung  Risikoorientierte Betrachtungsweise nicht im Vordergrund  Raumordnung als Maßnahme der präventiven Gefahrenvorsorge Einschränkung von Bauführungen in Gefahrenbereichen Freihalten von Gefährdungsbereichen durch Widmungsverbote In der örtlichen Widmungs- und Baugenehmigungspraxis teilweise Risikoansätze  Differenzierte Berücksichtigung des Risikos Darstellungen in Karten und Plänen Überörtlichen und örtlichen Raumpläne Abgestufte Nutzung- und Bauverbote Arten von Naturgefahren: Hochwasser/Lawinen bzw. Massebewegungen Risikobasierte Raumplanung

5 Raumordnungssystematik Europäische Ebene: Insb. (HW-)Richtlinien Verfassung: Differenzierte Kompetenzzuweisung  Raumplanung als Landesmaterien  Örtl. Raumplanung: Eigener Wirkungsbereich der Gemeinden Raumordnungsgesetze der Länder  Ziele und Widmungskriterien in den ROG´s als Vorgaben  Umsetzung durch ua. hoheitliche Planungsmaßnahmen: auf überörtlicher Ebene auf örtlicher Ebene  Baurecht Umsetzung der raumplanerischen Festlegungen im Bauverfahren Bebauungsgrundlagen (naturgefahrensicherer Bauplatz) Bautechnischen Vorschriften  Tatsächliche Bautätigkeit

6 Planungs- instrumente zur Umsetzung der HWRL Quelle: Rudolf-Miklau, 2012, 186 Risikobasierte Raumplanung

7 Gestuftes System zur Bewertung und Minimierung des Hochwasserrisikos Vorläufige Bewertung des Hochwasserrisikos (Art 4-5) Hochwassergefahrenkarten und Hochwasserrisikokarten (Art 6) Hochwasserrisikomanage- mentpläne (Art 7-8) Liegt seit 2016 vor Risikobasierte Raumplanung Hochwasser-RL: Planungssystematik

8 Gefahrenzonenplanung als zentrale Fachgrundlage  Gefahrenzonenpläne Wesentliche Informationen über Naturgefahren werden von überkommunalen Fachabteilungen erstellt (nicht von der Raumordnung) Systematisiertes Gutachten Parzellenscharf  Gefahrenzonenplan WLV (für Wildbäche- und Lawinen) gemäß § 11 Forstgesetz (seit 35 Jahren) Hochwasser, Muren, Lawinen, (Steinschlag, Rutschungen)  Gefahrenzonenplan BWV (für Flüsse, Seen) gemäß WRG Hochwasser  Gefahrenzonenpläne informieren Abgestufte Gefahreneinschätzung nicht über das Risiko Risikobasierte Raumplanung

9 Auslegungspraxis bei Naturgefahren  Auslegungspraxis der Widmungsverbote durch die Planungs- und Aufsichtsbehörden ist unterschiedlich Orientierung an den Gefahrenzonenplänen ist gängige Praxis und weniger rechtliche Verpflichtung Rechtswirkung der Gefahrenzonenpläne ist komplex  Insb. heikler Umgang mit Gelben Gefahrenzonen: Werden nicht in allen Ländern als Widmungs- und Bauverbotsbereiche betrachtet Rote Zonen: Werden von Planungsträgern fallweise als „störend“ empfunden  Frage nach Reduzierung der Gefährdung häufig Restrisikobereiche: Kaum gesetzliche Regelungen Risikobasierte Raumplanung

10 Risikobasierte Raumplanung ÖREK 2011

11 Maßnahmen des Hochwasserrisikomanagementplans (Resznik, 2016, S 63 ) Risikobasierte Raumplanung

12 HWRMP: Maßnahmen des Hochwassermanagements Risikobasierte Raumplanung

13 Raumordnungsgrundsätze und -ziele  Raumordnungsgrundsätze und –ziele bestimmen die öffentliche Interessen an der räumlichen Entwicklung  Gesetzgeber bestimmen Gefahrenabwehr als zentrale Aufgabe Ziele verdeutlichen, dass durch sorgsame Standortentscheidungen ein Beitrag zur präventiven Gefahrenabwehr erfolgen soll  Einzelne Ziele, die sich unmittelbar auf Naturgefahren beziehen Einzelne Länder haben ihre Zielkataloge überarbeitet (Stmk 2003, Oö 2005, Vlbg 2011) § 2 Abs. 1 Z 2a Oö ROG: Vermeidung und Verminderung des Risikos von Naturgefahren für bestehende und künftige Siedlungsräume  Inhaltliche Vorgaben für die Umsetzung auf der überörtlichen Planungsebene und in der örtlichen Raumplanung Risikobasierte Raumplanung

14 Überörtliche Raumplanung  Verbindliche überörtliche Vorgaben sind selten Häufig Konzepte, Gutachten, Masterpläne diverser Planungsträger Kaum parzellenscharfe Planinhalte  Keine gesetzlichen Verpflichtungen für Festlegungen in überörtlichen Raumplänen für Naturgefahren Ersichtlichmachung von Gefährdungs-, Retentionsbereichen Reduktion des kommunalen Ermessens, überörtliche Widmungsverbote für Bauland  Planerischer Umgang mit Naturgefahren - nach wie vor - als örtlicher Schwerpunkt Tw. verstärkte Planungsaktivitäten Risikobasierte Raumplanung

15 Widmungsverbote im Flächenwidmungsplan  Örtl. Raumplanung im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden  IZm Naturgefahren kommt vor allem dem Flächenwidmungsplan Bedeutung zu  Gesetzliche Verbote beseitigen kommunales Ermessen  ROG bestimmen im Zusammenhang mit Naturgefahren insb. für Bauland bei fehlender Eignung Beschränkungen und -verbote  § 3 Abs. 1 lit b Ktn GplG: Nicht als Bauland festgelegt werden dürfen insb. Gebiete, die im Gefährdungsbereich von Hochwasser, Steinschlag, Lawinen, Muren u. ä. gelegen sind Gesetzgeber möchten Bauland in Gefährdungsbereichen – unabhängig von Gefährdungsintensität und -häufigkeit – generell ausschließen Parzellenscharfe Abgrenzung zwischen Gefährdungs- und Eignungsbereichen für Bauland In der Praxis wird nicht in allen Gefährdungsbereichen Bauland ausgeschlossen Risikobasierte Raumplanung

16 Widmungsverbote für Bauland GesetzeWidmungsverbote für Bauland § 14 RplGGebiete, die sich wegen … der Hochwassergefahr nicht für die Bebauung eignen § 3 Ktn GplGGebiete im Gefährdungsbereich von Hochwasser, Steinschlag, Lawinen, Muren u. ä. § 15 Abs. 3 NÖ ROG Flächen, die bei 100-jährlichen Hochwässern überflutet werden; rutsch-, bruch-, steinschlag-, wildbach- oder lawinengefährdete Flächen § 21 Abs. 1 Oö ROG Flächen, die sich wegen der natürlichen Gegebenheiten (wie Grundwasserstand, Hochwassergefahr, Steinschlag, Bodenbeschaffenheit, Lawinengefahr) für eine zweckmäßige Bebauung nicht eignen § 17 Abs. 5 lit b Slbg ROG Flächen im Gefährdungsbereich von Hochwasser, Lawinen, Murgängen, Steinschlag u.dgl oder die als wesentliche Hochwasserabfluss- oder -rückhalteräume zu erhalten sind § 23 Abs. 1 Stmk ROG Grundflächen, die auf Grund der natürlichen Voraussetzungen (… Hochwassergefahr, Klima, Steinschlag, Lawinengefahr u. dgl.) von einer Verbauung ausgeschlossen sind § 37 Abs. 1 lit. a TROG Grundflächen, soweit sie insb. unter Bedachtnahme auf Gefahrenzonenpläne wegen einer Gefährdung durch Lawinen, Hochwasser, Wildbäche, Steinschlag, Erdrutsch oder andere Naturgefahren für eine widmungsgemäße Bebauung nicht geeignet sind § 13 Abs. 2 lit a Vlbg RplG Flächen, die sich wegen der natürlichen Verhältnisse (Grundwasserstand, Bodenbeschaffenheit, Lawinen-, Hochwasser-, Vermurungs-, Steinschlag-, Rutschgefahr u. dgl.) für eine zweckmäßige Bebauung nicht eignen Risikobasierte Raumplanung

17 Schutzziele bei Naturgefahren  Widmungsverbote infolge Naturgefahren unterscheiden sich – zunehmend – bezüglich Sicherheitsniveaus und Schutzzielen Gefahrenart oder -klasse  HQ-30-, HQ-100-Bereiche versus rutsch-, bruch-, steinschlaggefährdete Bereiche  Zunehmend Bezug auf (gelbe und rote) Gefahrenzonen  Bezug auf bestehende Bauten und Gefährdungslage Widmungskategorien  Bauland-Grünland  kaum Differenzierungen zwischen Bauland  Diskussion um differenzierte Schutzziele, die auf quantifizierbaren Grundlagen beruhen sollen Risikobasierte Raumplanung

18 Risikobasierte Raumplanung Risikobasierte Raumplanung – Resümee  Naturgefahrenmanagement zentrales öffentliches Anliegen  Verbesserungen in den Rechtsgrundlagen Auf allen Ebenen des Naturgefahrenmanagements Erhebliche rechtliche Einschränkungen in den letzten Jahren  Risikobasierte Raumplanung kommt – in Ansätzen – vor Konzepten, Zielen und Empfehlungen In der praktischen Widmungs- und Bauverfahren  Wenig risikobasierte Ansätze im Raumordnungsrecht Vergleichsweise undifferenzierte Widmungsverbote für Bauland Kaum Abstufungen nach Gefahrenzonen, Nutzungen oder Schadenspotential Umstellung auf Risikoansätze wird teilweise als Lockerung der Widmungsverbote missverstanden Aufklärungs- und Beratungstätigkeit der Bevölkerung sowie Entscheidungsträger ist erforderlich