Leopoldo Zea Aguilar (1912-2004) „einflussreichste Denker Lateinamerikas“ (J. Estermann) „authentische lateinamerik. Phil.“ Befreiungsphilosophie Lateinamerika.

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Leopoldo Zea Aguilar ( ) „einflussreichste Denker Lateinamerikas“ (J. Estermann) „authentische lateinamerik. Phil.“ Befreiungsphilosophie Lateinamerika als „westliche Variante“ Europas - ?

Literatur Leandro Otto H OFSTÄTTER, Kontextuelle Philosophie: Die lateinamerikanische Geschichtsphilosophie des Leopoldo Zea als Ausgangspunkt und Grundlage einer lateinamerikanischen Philosophie, Aachen Josef E STERMANN, Leopoldo Zea interkulturell gelesen, Nordhausen Francisco L ISCANO, Leopoldo Zea: Una filosofia de la historia, Madrid Tzvi M EDIN, Leopoldo Zea: Ideologia y filosofia de America Latina, Mexiko Lolomon L IPP, Leopoldo Zea: From mexicanidad to a philosophy of history. Waterloo (Kanada) Mario S ÁENZ, The identity of liberation in Latin American thought, Latin American historicism and the phenomenology of Leopoldo Zea, New York/Oxford 1999.

Biographisches * Mexiko-Stadt, Zeit der mex. Revolution (ab ). Bescheidene Herkunft; Studium durch eigene Arbeit (Telegraphengesellschaft) finanziert. Polit. Engagement für J. Vasconcelos bei den Wahlen 1929 gegen Pascual Ortiz Rubio Arbeit f. eine Zeitung, Abendschule 1936 Rechtswissenschaften und Philosophie an der UNAM u. Colegio de México 1943 Magister; M.arbeit unter Anleitung von José Gaos: El positivismo en México: Nacimiento, Apogeo y Decadencia. (4. Aufl., engl. Ü.) 1944 Dissertation: Apogeo y Decadencia del positivismo en México erste Lehrtätigkeit, Philosophiegeschichte an der UNAM (Vorgänger: Antonio Caso Andrade, , Rektor)

USA, Lateinamerikareise (Stipendium) 1947 Seminario sobe Historia de las Ideas de América 1956 Leiter der Reihe Historia de la Ideas de América polit. Engagement; Mitglied des Partido Revolucionario Institucional (PRI); Ernennung zum Generaldirektor für kulturelle Beziehung des Außenministeriums Annäherung an marxistisches Denken: Befreiungsphilosophie, Dependenztheorie 1969: La filosofía americana como filosofía sin más (Befreiungsphilosophie) : Leiter der Zeitschrift Nuestra América 8 Ehrendoktortitel An der UNAM tätig bis zu seinem Tod am 8. Juni 2004 über 50 Bücher, unzählbare Artikel

Deutschsprachige Monographien Signale aus dem Abseits: Eine lateinamerikanische Philosophie der Geschichte (1989) Warum Lateinamerika? (1994) Am Ende des 20. Jahrhunderts: Ein verlorenes Jahrhundert? (1997)

Einflüsse anderer Philosophen auf L. Zea 1.José Gaos ( ), Doktorvater Zeas 2.José Ortega y Gasset ( ) 3.Simón Bolívar ( ) 4.Juan Bautista Alberdi ( ) 5.José Martí ( )

José Gaos ( ), Doktorvater Zeas 1938 flieht Gaos aus Spanien wegen des Bürgerkriegs. Diss. 1928: La crítica del psicologismo en Husserl Vermittelt deutsche Phil.: Hegels Geschichtsphilosophie, Spenglers „Untergang des Abendlands“  Zea: Geschichtsphilosophie, Husserls Phänomenologie, Diltheys Historismus, Heideggers Existenzphilosophie  Zea: Situiertheit des Daseins, Anthropologie Sartres  Zea: Primat der konkreten Existenz. Über Gaos lernt Zea das Denken von J. Ortega y Gasset kennen.

José Ortega y Gasset ( ) „Ratiovitalismus“ Lebensphilosophie (Wilhelm Dilthey 1833–1911) Leben als Grundkategorie im Unterschied zu allem anderen Sein  raciovitalismo – racio vital - lebendige Vernunft - gegen Descartes’ Primat des Denkens von Sein und Leben. Die Vernunft - als Ausdruck des Lebens - schafft zuerst Geschichte, sekundär erst Mathematik und Naturwissenschaft.

O. y G.: „Umständliches Denken“ Geschichte  Umstände Während für gewöhnlich philosophisches Denken allgemeingültige, abstrakte und universelle Einsichten suchte, betont O.y.G. die Kontextualität des Denkens : Dialog mit den Umständen Circunstancialismo (Zirkumstantialismus, Situationalismus) „Ich bin ich und meine Umstände.“ – „Yo soy yo y mi circunstancia, y si no la salvo a ella no me salvo yo.” (Meditaciones del Quijote). Circunstancialismo  Historismus = geschichtsorientiertes Denken, das soziale und politische Faktoren philosophisch berücksichtigt, um konkretes Denken zu sein. Perspectivismo (Perspektivismus): Wahrheiten tragen immer die Prägung des geschichtlich-situativ verorteten Subjekts.  Zea: Denken muss von der Geschichte und den Umständen Lateinamerikas bestimmt sein. (Der Begriff „Historismus“ steht im 19. Jh. für sehr unterschiedliche Konzeptionen von Geschichte [Hegel, Konservativismus, Geschichtsphil., Relativismus] und historischer Forschung [Leopold v. Ranke: „wie es eigentlich gewesen“; Geschichte als Staatengeschichte, nicht sozialer Milieus].)

Einflüsse weiterer lateinamerik. Denker auf Zea: Panamerika Simón Bolívar ( ): Carta de Jamaica „Deseo … ver formarse la más grande nación del mundo, menos por su extensión y riqueza que por su libertad y gloria.“ Bolívars panamerikanischen Ideen der Freiheit inspirieren Zea bei seiner Suche nach einem nicht „anatopischem“ Denken: Anatopismo (Peruaner Víctor Andrés Belaúnde : kontextlose Phil. in LA als remake der europäischen) Zea schreibt 1980 die Monographie Simón Bolívar: Integración en la libertad (Integration in Freiheit)

Juan Bautista Alberdi ( ) Filosofía americana Argentinier, Jurist, Diplomat, Autor Bases y puntos de partida para la organización política de la República Argentina (1852)  Argentiniens Verfassung von in Montevideo / Uruguay: Filosofía americana: es gebe keine „filosofía universal“, sondern nur eine landes- und kulturspezifische. Spezifica einer lateinamerik. Phil.: Freiheit des Menschen. Aus dem Freiheitsgedanken ergeben sich die übrigen Bestimmungen: Gleichheit, Sozialibilität, Volkssouveränität.

Juan Bautista Alberdi  Zea: Befreiungsphilosophie Lateinamerik. Phil. habe zu sein: o sozialpolitisch hinsichtlich ihres Gegenstandes, o prophetisch bzgl. ihrer Instinkte, o organisch in ihrer Methode, o positiv und realistisch in ihren Verfahrensweisen, o republikanisch in ihrem Geist und ihrer Bestimmung. Die Phil. analysiert den Seinsgrund, Fortschritt und Wohlfahrt eines Volkes.

José Martí ( ) Nuestra América (1891): Lateinamerik. Kontextualisierung des Subjekts der Phil. Manifest lateinamerikanischer Identität. Nicht nur eine Kontextualisierung der Themen, sondern zuerst des Subjekts, das Philosophie treibt. Dieses Subjekt muss aus der eigenen Geschichte Lateinamerikas heraus Philosophie betreiben und im Ausgang von den bestimmenden Problemen Lösung aus dieser Geschichte heraus entwickeln: vor allem das Projekt der multidimensionalen Befreiung ist zu nennen. → Keine Applikation europäischer oder nordamerikanischer Prinzipien in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

Drei frühe Aufsätze Zeas En torna a una filosofía americana (1941) América como conciencia (1953) América en la Historia (1957) ensayistas.org/filosofos/mexico/zea/bibliograf ia/acc/IV.htm

L. Zea: En torna a una filosofía americana (1941) Welche Ideen bestimmen die eigene Identität? Dilemma: „Wir fühlen uns nicht als Erben einer autochthonen Kultur, weil diese für uns keinen Sinn macht; und jene, die, wie die europäische, für uns Sinn macht, nehmen wir nicht als unsere wahr.“ Lösung: Mestizaje / Mestizentum als Drittes; diese „Rassenvermischung“ begründet eine lateinamerikanische Kultur, in welche indigene und afro-amerikanische Kulturen integriert sein müssen.

Zur Beschreibung des Dilemmas: Amerika = die „Neue Welt“ = idealisierende Projektion Europas Kulturelle Identität ist folglich Europa  Kollektiver Minderwertigkeitskomplex, weil die kulturelle Nachahmung Europas nicht gelingt; LA bleibt „minderjährig“, „minderwertig“ Zea: dennoch kein phil. „Vatermord“ zwecks „Volljährigkeit“ und Identitätsgewinn wie hingegen von Vertretern eines phil. Indigenismus vorgeschlagen, keine Ent-Europäisierung, sondern die eine „Latinität“ Lateinmaerikas gelte es zu entwickeln.

Ideengeschichtlicher Identitätsgewinn – ohne Indigene América como conciencia (1953) Frage nach dem Anfang der Geschichte LAs: Nicht die indigenen Kulturen bilden den Anfang, den Anfang des Identitätsmarkers Mestizentum / Latinität ist die Conquista: der Beginn Amerikas als europäisches Ideal, als Land unbegrenzter Möglichkeiten, als ein Neubeginn Europas (tabula rasa). Die „Geschichte Amerikas beginnt mit seiner Entdeckung und Eroberung, alles andere zählt nicht, ist etwas Exotisches, etwas Sinnloses für die Existenz Amerikas, d.h. für die Deutung, die ihm Existenz verleiht.“ Die Geschichte der Indigenen sei vergleichbar mit der der Barbaren, die die Wahrheit nur stammelten, denen aber der Logos fehlte ( ba,rbaroj = Stammler, Stotterer). Eine vorkoloniale Philosophie gibt es nicht.

Ideengeschichtlicher Identitätsgewinn – mit Hegel „Amerika tat sich als neue Erde, also ohne Geschichte und Vergangenheit vor.“ “América en relación con la cultura occidental no ha sido otra cosa que tierra de proyectos. Tierra ideal y, por lo mismo, tierra del futuro. Europa ha sido la primera en negar una historia a América. Le ha dotado de futuro pero arrancándole todo posible pasado. América es un Mundo Nuevo y, por serlo, un mundo continuamente sin historia. El hombre europeo ha visto siempre en América la tierra en que pueden llegar a ser realizados sus sueños. Por esto no acepta una América que haya creado algo; América es sólo posibilidad, no realidad. …. En este ser el futuro de Europa … está la continua novedad de América, su ser siempre tierra nueva, tierra de proyectos.”…. “América se presentaba como tierra nueva, esto es, sin historia, sin pasado.”

Descartes‘ Neue Welt Zea vergleicht die europäisch-konquistatorische Neukonstruktion der Welt in und als Amerika mit René Descartes‘ ( ) Ansatz, der durch Zweifel die „Welt alter Gewissheiten“ zerstört und von dem im Zweifel gewissen Ich voraussetzungslos eine neue Welt der Gewissheit erschafft. Die Geschichte Lateinamerikas ist nicht Lehrmeisterin, sondern Produkt eines Projekts.

América en la historia (1957) Der Ursprung der modernen Welt basiert auf einem Religionskonflikt: Spanisch-portugiesischer Katholizismus: Übertragung des „cristianidad“ in die Neue Welt, Utopie, Neues Europa. Ergebnis: Mestizaje („Rassenvermischung“) Phil. Konsequenz: Perpetuierung der Scholastik

América en la historia (1957) Angelsächsischer Protestantismus und Puritanismus: Projekt der Moderne und Religionsfreiheit: Vernichtung der Indigenen, keine „Rassenvermischung“. Berufung auf: Ralph Barton Perry ( ): Puritanism and Democracy, (1944). Heilsindividualismus - Individualistische Lebensentstellung; Liberalismus, Demokratie: was alle angeht, sollen alle entscheiden

Debatte mit Augusto Salazar Bondy ( ) Existe una filosofía de neustra América? (1968) Bestreitung einer eigentlichen und eigenständigen lateinamerikanischen Philosophie; sie ist Instrument der Herrschenden.  Anthropologie der Herrschaft und der Befreiung Eine vorkoloniale Phil wird nicht in Erwägung gezogen.

Reaktion von Zea: La filosofía americana como filosofía sin más (1969) Lateinamerikanische Philosophie gehört zu abendländisch-westlichen Tradition. Originalität der lateinamerik. Phil. besteht in der Spezifikation durch Applikation auf konkrete Umstände. Universalität der abendländischen Philosophie zeigt sich in ihrer Inkulturationskapazität. Lateinamerikanische Phil ist „echte“ Phil mit eigenen Themen: Mestizentum, Kolonialismus, Identität, Befreiung, Überwindung der Entmenschlichung. Indigene Weisheit gehört nicht zur lateinamerikanischen Phil. Auffällig: 1) filosofía AMERICANA, nicht latinoamericana 2) filosofía sin más - als solche, d.h. Phil. ist universalistisch.

Themen 1.Auseinandersetzung mit der Befreiungsphilosophie 2.Anthropologie der Befreiung 3.Geschichtsphilosophie 4.Integration

Zeas Sympathie für die Befreiungsphilosophie Hintergründe: Dependenztheorie (André Gunder Frank )* Berlin, Mexiko, Arbeiten zu Chile. Unterentwicklung durch Abhängigkeit von entwickelten Länder. Übertragung auf die geistige Ebene durch A. Salazar Bondy: Befreiung von wirtschaftl. Abhängigkeit als Bedingung für die Befreiung von geistiger Abhängigkeit und die Genese einer eigenen lateinamerik. Phil.

Zeas Kritik Kritik an Salazar Bondy und Enrique Dussel („phil. Vatermord“) wegen deren Geschichtslosigkeit: von der Phil. der Beherrschung (Salazar Bondy) springe man in die Phil des Marxismus, die wiederum ein westlichen Produkt ist. Alternativen, die Zea ebenso kritisch betrachtet: 1. konzeptionelle Befreiung durch Rekurs auf indigene Weisheit (J. C. Scannone u.a.) 2. Befreiung durch Modernisierung (Modell: USA)

Zea: Anthropologie der Befreiung 1973: La filosofía latinoamericana como Filosofía de la Liberación Auffällig: 1) jetzt lateinamerik. Phil. 2) Phil. nicht „sin más“, sondern spezifisch: der Befreiung Historischer Ansatz (weder marxist., noch populistisch-indigener): die Geschichte Lateinamerikas, keine abstrakten Theorien oder Modelle. In dieser Geschichte steht am Anfang die Frage nach dem Menschen: Juan Ginés de Sepúlveda ( : “hombrecillos”) und Bartolomé de Las Casas (1484 – 1566). Es entwickelt sich eine Phil. der Beherrschung. Zweitteilige Anthropologie: 1) Freiheit zur Selbstbestimmung (Aufklärung); 2) vorenthaltene Freiheit durch Unterdrückung Niemand ist Zentrum, niemand Peripherie, jeder ist Zentrum (vgl. Dussel). Freiheit muss mit dem Prinzip der Verantwortung verbunden werden. Freiheit als Prinzip aufgeklärter Selbstdurchsetzung ist inakzeptable. Zu LA: Jeder Mensch muss als Zentrum begriffen werden, nicht Menschengruppen als Peripherie eines Zentrums. Trotzdem bleibt die indigene Bevölkerung phil. ausgeblendet.

Geschichtsphilosophie Die Geschichte LA habe verschiedene proyectos hervorgebracht: Projekt - der Befreiung (Simón Bolívar): - der Bewahrung (Andrés Bello ) - der Zivilisation (USA) - des Mestizentum

Projekt der Befreiung politische Unabhängigkeit; bleibende geistige Unterminierung; Rassenminderwertigkeit (mestizaje als Verunreinigung); Notwendigkeit einer geistigen Befreiung: – aus dieser Notwendigkeit folgte ein + konservatives und + zivilisatorisches Projekt

Konservativ-bewahrendes Projekt vertreten von Andrés Bello ( ): Andrés Bello (1781, Venezuela – 1865, Santiago, Chile) Philosoph, Völkerrechtler, Philologe, Dichter. Chilenisches Zivilgesetzbuch von Ziel: Bewahrung der spanischen Traditionen – aus freier Überzeugung

Zivilisatorisches Projekt Abwendung von der Rassenvermischung (mestizaje), Hin wendung zum Lebensstil Europas (Englands, Frankreich) und der USA vertreten von Domingo Faustino Sarmiento Albarracín ( , Präsident von Argentinien). 1845: Barbarei und Zivilisation. Das Leben des Facundo Quiroga. Dt: Frankfurt am Main 2007 (Civilización i barbarie, vida de Facundo Quiroga i aspecto físico, costumbres y ábitos de la Republica Argentina): „Klassiker des lateinamerikanischen Liberalismus“ (Michael Riekenberg: Kleine Geschichte Argentiniens, München 2009, 80) „Gründungsbuch der argentinischen Nation und ganz Lateinamerikas“ (Berthold Zilly im Nachwort der deutschen Übersetzung, 421). Es schildert die Situation Argentiniens von der Unabhängigkeit 1810 bis 1840 anhand der Hauptfigur Juan Facundo Quiroga ( ), eines argentinischen Caudillo, der als den „barbarischen“ Typos vertritt, an politischem Einfluss gewinnt, aber den Fortschritt des Landes nicht befördert. „Er fühlte sich stark und willens zu handeln; ihn trieb ein blinder, unbestimmter Instinkt, dem er gehorchte; er war der Landkommandeur, der gaucho malo, ein Feind der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der bürgerlichen Ordnung, des gesitteten Menschen, des Gelehrten, des Fracks, mit einem Wort: ein Feind der Stadt.“

Zivilisatorisches Projekt Sarmiento : Schlusskapitel „Gegenwart und Zukunft“: die jungen Kräfte des Landes studieren im Ausland, vor allem in Frankreich. Nach ihrer Rückkehr machen sie in kurzer Zeit die Entwicklung möglich, für die die USA lange Zeit brauchte: „Die Ingenieure der Republik werden an allen geeigneten Stellen den Grundriss von Städten und Dörfern zeichnen, die sie für die Einwanderer bauen werden, und ihnen die fruchtbaren Landstücke zuteilen; und in zehn Jahren werden alle Flüsse von Städten gesäumt sein, und die Republik wird ihre Bevölkerung mit fleißigen, gesitteten und erfinderischen Einwohnern verdoppeln“ (319). Eine Oligarchie europäisch-nordamerikanisch-aufgeklärter Prägung soll das Land führen.

Das assumptive, integrative Projekt …. das aus den eigenen Ressourcen schöpft: Vorbilder: Bolívar (keine Nachahmung des Auslandes), Martí (gegen geistigen Kolonialismus). Gegen ein „querer ser como…“ Konkret: Mestizaje („unkopierbar“) Die mestizische Identität verwirklicht sich im Befreiungsprogramm: politisch u. geistig (Bartolomé de Las Casas)

Pluraler, dialogischer Logos Engagement für einen pluralen und dialogischen Logos der Philosophie „Es gibt keinen universellen Logos mehr, sondern eine Pluralität von Logoi, deren Unterschiedlichkeit allerdings die zur Kommunikation notwendige Übereinstimmung nicht ausschließt.“ Ziel ist die Entwicklung neuer, nicht eurozentrischer Konzepte in der Philosophie

Zeas – prekäres – Integrationsmodell „ “ 1987 Koordinator der 500-Jahr Hrsg. der Reihe 500 años después 1985: Descubrimiento o encubrimiento?: Entdeckung oder Verdeckung Amerikas? Enthüllung der Verdeckung: Annahme des mestizischen Identität und Latinität, in der die ganz unterschiedlichen Kulturen verbunden sind. Zea bezieht die Verhüllungsmetapher nicht auf die indigenen Populationen, sondern auf das Mestizentum!

Chiapas-Konflikt : Beginn des Chiapas-Aufstand : NAFTA (North American Free Trade Agreement: Kanada, USA, Mexiko)

Chiapas-Konflikt Zentrum der Maya – Kultur, 300 n. Chr. erste Städte Eroberung durch die Spanier Gründung von Chiapa de Corzo und Chiapa de Españoles, ab 1844 San Cristóbal de las Casas Mexiko-Stadt unterstellt, 1531 Guatemala, 1824 Volksentschied für den Beitritt zum mexikanischen Bundesstaat.

Konflikt Mehr als 1 Mill. Indigenas Konflikte mit Großgrundbesitzern Indigene sind oft arme Landarbeiter ca Tote durch an sich medizinisch zu überwindenden Krankheiten Probleme mit Kanalisation, Elektrizität, Trinkwasser, Infrastruktur 31 % Analphabeten 1994 Eskalation; Zapatisten (EZLN: Ejército Zapatista de Liberación Nacional) kämpfen für die Rechte der indigenen Bevölkerung

Emiliano Zapata Salazar ( ) El Caudillo del Sur, Bundesstaat Morelos, vor 1910 Kampf um Rechte der Landbevölkerung März 1911: Beteiligung am Aufstand gegen den Diktator Porfirio Díaz Formierung einer Guerillaarmee 1914 besetzten die "Zapatistas“ zeitweilig Mexiko-Stadt. Ziel: Verteilung der Großländereien an die land- und rechtlosen Bauern Motto: "Tierra y Libertad“ 1919 Ermordung durch den ehemaligen Mitstreiter und späteren mex. Präsidenten Venustiano Carranza ( )

Zea: Aufstand als Komplott Der Aufstand untergräbt die mex. Einheit Die indigene Bevölkerung muss in sich den Mestizen-Staat integrieren; sie bilden keine eigene Nation  Gefährdung der Identität, neue Rassentrennung. NAFTA hätte zu mehr Wohlstand für alle geführt….

Globale Versöhnung Zea spricht sich für die Versöhnung aller kulturellen Gegensätze aus, nicht für einen Kulturenpluralismus. Universelle Gleichberechtigung der Kulturen im Zeichen einer Verwestlichung

Kritik an Zea: Santiago Castro Gómez, Crítica de la razón latinoamerica (Kolumbien 1996) Kritik an Zeas Geschichtsphilosophie. Der „Lernprozesse“ gehe über die Opfer hinweg. Zea installiere den Menschen als den Herrn seiner eigenen, universalen Geschichte des einen Konzepts, der einen neoliberalen Vernunft. Willkürliche Auswahl der „Momente“ des Lernprozesses. Zea Mitglied des Partido Revolucionario Institucional  Zurückweisung der Zapatisten? Zapatisten als die neuen unzivilisierten Barbaren?

Intrakulturelle Phil. Raúl Fornet-Betancourt, Josef Estermann u.a. sehen in Zeas Denken die Verwirklichung eines intrakulturellen, aber nicht eines interkulturellen Dialogs: Zea führt sein Gespräch mit den Denkern Europas und der USA, er sehnt sich nach einem iberoamerikanischen Logos. Einen Dialog der Kulturen, der auch die indigene Weisheit einschließen würde, kennt er nicht.