Sinnloser Formalismus? Organisiertes Quälen von Schülern durch Mathematikunterricht?

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 Präsentation transkript:

Sinnloser Formalismus? Organisiertes Quälen von Schülern durch Mathematikunterricht?

Seminar zum semesterbegleitenden fachdidaktischen Schulpraktikum Mathematik Dozent: Uwe Peters Vortrag: Michael Gorges

„Was hat ein Zahnarzt davon, wenn er in der Schule gelernt hat, zu begründen, dass eine gewisse Funktion in einem gewissen Intervall genau eine Nullstelle besitzt?“ (Malle 2002, Mathematik lehren Heft 110) „…,weil der Mathematikunterricht wie kein anderer zeigen kann, was systematisches Argumentieren ausmacht.“ (Lutz Führer, Vom Begründensollen zum Vermutenwollen)

Beweisen: Was ist das? Ein Beweis ist in der Mathematik die als fehlerfrei anerkannte Herleitung der Richtigkeit oder auch Unrichtigkeit einer Aussage aus einer Menge von Axiomen, die als wahr vorausgesetzt werden, und anderen Aussagen, die bereits bewiesen sind. AxiomenAussagen Mathematisch:

Beweisen: Was ist das? Allgemein ist ein Beweis die gültige Herleitung der Richtigkeit (Verifikation) oder Unrichtigkeit (Falsifikation) einer Aussage aus wahren Prämissen, das heißt ein förmlicher, sich nur auf als wahr anerkannte Prämissen stützender und zumindest vom Anspruch her zwingender Nachweis dafür, dass die zu beweisende Aussage (Konklusion) zutrifft.VerifikationFalsifikationPrämissenKonklusion Logisch:

Beweisen: Was ist das? Der Beweis bezeichnet die Feststellung eines Sachverhalts als Tatsache in einem Gerichtsverfahren aufgrund richterlicher Überzeugung. SachverhaltsTatsacheGerichtsverfahrenÜberzeugung Rechtswesen:

Warum ist es notwendig „Beweisen und Begründen“ als Aufgabe zu stellen?

„Ein guter Beweis ist ein Beweis, der uns klüger macht.“ ( Führer, Vom Begründensollen z… S. 172) -> Durch Beweise lernen -> Das Beweisen / Argumentieren lernen

Durch Beweise lernen „Begründensollen“ -> „Vermutenwollen“ Nicht der formale Beweis steht im Zentrum Der Weg ist das Ziel! „Ist es im MU nicht die Aufgabe höchsten Ranges das Beweisen zu lehren? NEIN – sie ist es nicht! Es gibt eine Tätigkeit, die noch höher steht - … : Das ist das Selber-auf-die- Suche-gehen... neugierig werden … hoffen, das man zu etwas kommt … Vermutetes mit eigener Kraft aufklären … die Freude gemeinsam genießen.“ ( Röhrl 1980, S.35)

Das Beweisen lernen Im Zentrum steht die „Argumentationsbasis“ Schüler/-innen müssen in der Lage sein: sich verschiedene Argumentationsbasen bewusst zu machen mit vorgegebenen Argumentationsbasen zu arbeiten Übergänge und Transferleistungen zwischen Argumentationsbasen zu leisten und auch mit einer Veränderung der Argumentationsbasis umgehen zu können E-I-S ???

Beweisbedürftigkeit nach Fischer und Malle Demonstrative Funktion von Beweisen: Mittel zur Ordnung, Darstellung und Sicherung mathematischen Wissens Mittel des rationalen Argumentierens und Überzeugens Explorative Funktion von Beweisen: Mittel zum Erkennen und Forschen von Zusammenhängen Mittel zur Entwicklung von Begriffen

Ein paar Aufgaben für euch! Finde verschiedene Argumentationsbasen für: Bruchzahl Addition Der Umfang des Trapez ist größer als die Summe der beiden Diagonallängen Binomische Formeln E-I-S!!!

Nach Malle und Fischer Graphische Beweise „wortlose“ Beweise

Arten des Beweisens nach Malle und Fischer Berufung auf eine Autorität Deduktives Schließen Induktives Schließen Reduktives Schließen Analogieschlüsse

Malle und Fischer - Berufung auf eine höhere Autorität Glaubwürdige Zeugen Fachbücher Professoren Gott Wikipedia.de?

Malle und Fischer - Deduktives Schließen Prinzip des Folgerns. Man geht von etwas Richtigem aus und folgert daraus neue Erkenntnisse. Meist vom Allgemeinen Fall zum Sonderfall Bsp: a) Alle Kater sind schwarz b) Felix ist ein Kater -> Felix ist schwarz (!)

Malle und Fischer - Induktives Schließen Typisch für das klassische naturwissenschaftliche Arbeiten Vom Sonderfall auf die Allgemeinheit Bsp: a) Felix ist ein Kater b) Felix ist schwarz -> Alle Kater sind schwarz

Malle und Fischer - Reduktives Schließen Ausführen von Folgerungen aus a, die von B als richtig angesehen werden, deren Richtigkeit aber nicht hinreichend für die Richtigkeit von a ist. Bsp: Die Straße ist nass. ->Also hat es geregnet.

Malle und Fischer -Analogieschlüsse Aufgrund von Analogien Schlüsse ziehen. Bsp:.

Graphische Beweise Formale, visuelle und konzeptuelle Denkstile (1) Felix Klein unterschied: Analytiker (die mit Formeln operieren) Geometer (die sehen, was sie denken) Philosophen (die begrifflich arbeiten) Leone Burton hat diese Denkstile bei Mathematikerinnen und Mathematikern empirisch erfasst: 66 % denken visuell (in Bildern, oft dynamisch) 37 % denken formal, symbolisch 47 % denken konzeptuell, begrifflich in Ideen, klassifizierend 60% haben zwei Zugänge, 36% einen und 4% alle drei. Unterschiedliche Denkstile können zu unterschiedlichen mathematischen Interessen führen. Das macht den Reichtum der Mathematik aus. (vgl. Lambert 2003)

Graphische Beweise Der formale und der visuelle Denkstil in der Schule (2) Beispiel: Schnittpunkt von zwei Geraden. Immer algebraisch (formal) und grafisch (visuell) bearbeiten lassen. Und Verfahren vergleichen lassen! Noch ein Beispiel: Anderer Denkstil – Andere Frage: Wo liegen alle Schnittpunkte?

Graphische Beweise Satz des Pythagoras ?!

Graphische Beweise Mittelwerte?!

„Wortlose“ Beweise (a+b)² = a² + 2ab + b² (a + b)² = (a + b)(a + b) = a² + ab + ba + b² = a² + 2ab + b² ABER: Wie wortlos sind „wortlose“ Beweise, wenn man den Zusammenhang nicht kennt?

Literatur Fischer & Malle: Mensch und Mathematik. Eine Einführung in didaktisches Denken und Handeln. BI Führer: Vom Begründensollen zum Vermutenwollen. In: Ludwig et al. (Hrsg.): Argumentieren, Beweisen und Standards im Geometrieunterricht. Malle: Begründen. In: mathematik lehren, Heft 110, 2002, Nelsen: Proofs without words. Exercises in visual thinking. MAA 1993 Wikipedia.de Stangel-taller.at