Analgetika Schmerzmittel; von gr. ἄλγος, „Schmerz“:

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 Präsentation transkript:

Analgetika Schmerzmittel; von gr. ἄλγος, „Schmerz“: ein subjektiv unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, daß mit akuter oder potentieller Gewebeschädigung einhergeht oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird (International Association for the Study of Pain, 1986) Synapsen Vorderseiten- strang Sensorische Endigungen Spinalganglien C - Fasern Ad - Fasern Spinalnerven Gelenke Organe Ad-Fasern C-Fasern

Die molekulare Mechanismen von Nozizeption Nozizeptoren umwandeln Schmerzreizen in ein depolarisierendes elektrisches Potential Spannungsabhängige und/oder ligandengestäuerte Ionenkanäle (Na+, K+, Ca2+) Aktionspotential TRPV1 = transient receptor potential vanilloid receptor 1 (Isoformen TRPV1-6) DEG = Degenerin Proteinfamilie ENaC = epithelial Na channel Rezeptorpotential ASIC = acid-sensing ion channel (Isoformen ASIC 1-4) TRPV1 TRPA1 P2X3R = purinergic rec. TRPV2 DEG / ENaC ASIC P2X3R

„physiologische“ Schmerzen autonome Reaktion Rückzugreflex Spontanschmerzen Schmerzsensi-bilisierung „pathologische“ Schmerzen Spontanschmerzen Schmerz-sensibilisierung Spontanschmerzen Schmerz-sensibilisierung

Deszendierendes anti-nozizeptives System Ursprungskerne Periaquäduktales Grau Locus coeruleus (NA) Nucleus raphe magnus (5-HT) Aktivierung inhibitorischen opioiderger Interneurone im Hinterhorn (Laminae I,II,V) Freisetzung von endogenen Opioid-Peptide: Enkephaline 5AS (1975) Endorphine 13-31AS (1979) Dynorphine 17AS (1982) prä- und post-synaptische Hemmung nozizeptiver Synapsen

Opioide: Molekulare Wirkungen Opiate: Substanzen isoliert aus dem Extrakt des Schlafmohns (Opium): Morphin, Codein etc. Opioide: alle Substanzen, die eine agonistische oder antagonistische Wirkung an Opioidrezeptoren entfalten Zelluläre Wirkungen von Opioiden Aktivierung von Rez.- Gi-Proteinen m,d,k-Opioidrezeptoren Abnahme der Ca2+ -Leitfähigkeit  Transmitterfreisetzung  Abnahme der cAMP-Produktion Zunahme der K+-Leitfähigkeit  Hyperpolarisation

Zentrale Wirkungen Analgesie Psyche Hypothalamus Neuroendokrinium hauptsächlich m-Rezeptoren auf spinaler (Tractusspinothalamicus) und supraspinaler Ebene (periaquäductales Grau, N. raphe magnus, L. coeruleus) Psyche Euphorie, Sedation, Indifferenz, Psychotomimetik, Dysphorie m-Agonisten: Freisetzung von Dopamin  k-Agonisten: Hemmung der Dopaminfreisetzung (nigrostriatal) Hypothalamus Thermoregulation: leichter Abfall der Temperatur bei chronischer Gabe: leichte Temperaturerhöhung Neuroendokrinium Reduktion der GnRH- und CRH-Freisetzung Abfall von LH, FSH und ACTH

Zentrale Wirkungen Miosis: Exzitation parasympatischer Kerne Konvulsion: Auslösung von Krämpfen bei hohen Morphindosen, wahrscheinlich durch Hemmung GABA-erger Systeme Atmung Reduktion der CO2-Ansprechbarkeit des Atemzentrums Atemfrequenz und Atemvolumen betroffen unabhängig von Sedierung bei Schmerz: Effekt reduziert, da Schmerz Atemzentrum aktiviert bei obstruktiven Lungenerkrankungen sowie Emphysem  Vorsicht ! Husten: Hemmung des Hustenzentrums in der Medulla oblongata Erbrechen: Reizung der Area postrema der Medulla oblongata

Periphere Wirkungen Analgesie (über periphere Opioid-Rezeptoren) Histamin-Freisetzung Hautrötung, Urtikaria und Juckzeiz bei Asthmatikern: Bronchospasmen Herz-Kreislauf Inhibition des Barozeptoren-Reflexes periphere Vasodilatation (Histaminfreisetzung)  Gefahr ortho-statischer Reaktionen ausgeprägtere Effekte bei Herzkranken! Magen-Darmtrakt Magen: Verminderung der Motilität, Tonussteigerung  Verlängerung der Passage, Reflux Dünndarm: Verminderung der Sekretion, Tonussteigerung, Spasmen  Passageverlängerung, Eindickung des Inhalts  Obstipation ! Dickdarm Verminderung der Motilität, Tonussteigerung des Analsphinkters, Hemmung des Defäkationsreflexes (ZNS-verstärkt)  Obstipation ! Galle: Konstriktion des Sphincter oddi  Gallenkolik Harnblase Tonussteigerung des Ureters, Hemmung des Miktionsreflexes Tonussteigerung des Sphincter urethrae  Harnverhaltung

Therapeutischer Einsatz von Opioiden Indikationen Analgesie Karzinomschmerz postoperativer Schmerz trockener Reizhusten (Codein) Diarrhoe UAW bei Dauerschmerztherapie Obstipation (dosisabhängig) 100% Übelkeit, Erbrechen (Früheffekt erste Wo.) 20% Sedierung (dosisabhängig, mit der Zeit ) 20% Verwirrtheit, Halluzinationen 1-2% praktisch nie Atemdepression oder Abhängigkeit! Kontraindikationen Lungenerkrankungen (pCO2) Geburt (Plazentaschranke) Schädelhirntraumen, Hypovolämie Gallen- oder Nierenkolik

Einteilung der Opioid-Analgetika: reine Agonisten partielle Agonisten reine Antagonisten Morphin (nat.) (1) Buprenorphin (30) Naloxon Codein (nat.) (0,2) Pentazocin (0,5) Methylnaltrexon Heroin (nat.) (2,5) Dihydrocodein (halbsynthetisch) (0,2) schwache analgetische Potenz Tilidin (0,1) Tramadol (0,1) Pethidin (0,1) Methadon (2) hohe analgetische Potenz Oxycodon (halbsynthetisch) (3) Hydromorphon (halbsynthetisch) (7) Fentanyl (100)

Morphin (Btm)

Heroin (Diacetylmorphin) Heroin (und Aspirin) beide synthetisiert von Adolph von Bayer (1800s) H O O N C H 3 O N C H 3 Heroin (Diacetylmorphin) penetriert die Bluthirnschranke schneller als Morphin im Gehirn nach i.v. Applikation ins 6-Acetylmorphin metabolisiert “Kick”

Synthetische Opioide (Btm) - Agonisten relat. analg. Potenz Dosis Wirkdauer Plasma HWZ Bemerkungen Levomethadon 4 2,5–5 mg oral, s.c., i.m. (92% BV) 6 – 7 h 35±12 h langsame Toleranzentwicklung Substitutionstherapie Hydromorphon 7,5 4-100mg oral 1-15 mg i.v. (30-50% BV) 3 -5 h 2-3h geringere Nebenwirkungen als Morphin (keine aktive 6-Glucuronid-Metabolite) Fentanyl Durogesic® 100 0,3-0,5 mg i.v. 20-30 min. Neuroleptanalgesie 2,5-10mg transdermal 72 h chronische Tumorschmerz-therapie, HWZ 3,5 h Wirkungseintritt nach 12 h

partielle Agonisten (Btm) Opioid relat. analg. Potenz Dosis Wirkdauer Bemerkungen Buprenorphin 30-40 0,3 mg oral, s.l., i.m. (BV< 20 %) 6-8 h partieller µ-Agonist, k-Antagonist maximale analgetische Wirkung < Morphin geringeres Abhängigkeitspotenzial stärkere Atemdepression, nur partiell Naloxon-reversibel Pentazocin 0,3 30-50 mg oral, i.m. (BV 20-40%) 2-3 h k-Agonist, µ-schwacher partieller Agonist stärkere Dysphorie (Angst, Alpträume, Halluzinationen-k) Tachykardie, Blutdruckanstieg geringeres Abhängigkeitspotenzial Entzugssymptome bei Abhängigen in D. nicht mehr im Handel

Schwache Opioidanalgetika (nicht Btm) relat. analg. Potenz Dosis Wirkdauer/HWZ Bemerkungen Codein 0,1 30-50 mg oral BV 40-60% 4-6 h 3-6 h µ-Agonist, Prodrug (CYP2D6)  Morphin (8-12%) Sedierung, Obstipation Hustendämpfung Tilidin + Naloxon 0,2 50 mg + 4 mg oral oral BV 60-70% + 1-2% 3-5 h + 1 h Wirksubstanz: Nortilidin (µ-OR Agonist) keine Abhängigkeit dank Naloxonzusatz Sedierung

µ-Opioidagonisten mit hemmender Wirkung auf NA/5-HT-Wiederaufnahme relat. analg. Potenz Dosis Wirkdauer/HWZ Bemerkungen Tramadol (nicht Btm) 0,1 25-100 mg oral, sc., i.v. BV 60-70% 6-10 h 6 h Metabolit O-Demethyl-Tramadol höhere µ-OR Affinität als Tramadol selbst keine Abhängigkeit geringer spasmogener Effekt geringe Atemdepression auch bei chronischen Schmerzen wirksam Tapentadol (Btm) 0,3 – 0,5 2 x 50 (max. 500) mg/d BV ~ 30% 4-6 h 4 h besser verträglich als Oxycodon, v.a. weniger Erbrechen, Übelkeit, Obstipation und Juckreiz häufige Nebenwirkungen: Schwindel, Benommenheit, Kopfschmerzen, Übelkeit (laut Fachinformation) teuer! (ca. 2 x Oxycodon, 5 x Morphin ret.) neu seit Mitte Sept. 2010 auf dem Markt:

Antagonist Naloxon Wirkungen Pharmakokinetik Anwendung C 2 Wirkungen Aufhebung der Akupunktur- und Opioid-Analgesie kein Effekt auf Normalpersonen Entzugssyndrom bei Opiatabhängigen Pharmakokinetik Antagonist an allen Opioid-Rezeptoren orale Bioverfügbarkeit 2%, Plasma-HWZ 1-2 h Dosis: postoperativ: 0,1–0,2 mg i.v. alle 2–3 min Intoxikation: 0,4–2 mg i.v., i.m. oder s.c., ggf. wiederholt Anwendung akute Opioidintoxikation Diagnose einer Opioidabhängigkeit Neugeborene: Aufhebung der Atemdepression nach mütterlicher Opioidmedikation Kombipräparate für Prophylaxe: Missbrauchprophylaxe: Valoron N (mit Tilidin) Obstipationsprophylaxe: Targin (mit Oxycodon)

Opioid–Toleranz stark gegen: Analgesie Atemdepression Erbrechen Toleranz: Abnehmende Wirkung nach wiederholter Gabe bei gleicher Dosis; bei Opioid-Toleranz v.a. pharmakodynamische Mechanismen, z.B.: Rezeptorzahl ↓; vermindertes Ansprechen nachgeordneter Signaltransduktionsvorgänge stark gegen: Analgesie Atemdepression Erbrechen Euphorie ggf. schon nach 1–2 Wo. wenig gegen Miosis, Obstipation nach Entzug, wieder volle Wirkung

Physische (körperliche) Abhängigkeit nach chronischer Einnahme: bei abruptem Absetzen  Auftreten von Entzugssymptomen (meist vegetativer Natur) 48–72 h: volle Ausprägung: Erregtheit, Schlaflosigkeit, Schwächegefühl, Erbrechen, Diarrhö, Tachykardie, Blutdruckanstieg, Kollaps, Frieren, Schwitzen („Cold turkey“), Muskel- und Knochenschmerzen (Dauer 7–10 d) nach: 8–12 h: Tränen Schnupfen Gähnen „Morphinhunger“ (Craving) 12–14 h:unruhiger Schlaf

Psychische Abhängigkeit Opioide aktivieren das dopaminerge Belohnungssystem (andere „Rewards“: Essen,Trinken, Sex) „Morphinhunger“ (Craving): fehlende Aktivierung des Belohnungssystems dopaminerges Belohnungssystem Glutamat exzitatorisches Neuron Dopamin Rez. dopaminerges Neuron VTA NAc Belohnung GABAA Rez. m-Opioid Rez. GABA Neurone prä-synaptische Opioid Rez. (m, d?) GABA inhibitorisches Neuron GABA inhibitorisches Feedback Ventral Tegmental Area (VTA) Nucleus Accumbens (NAc)