Was wird aus dem Zappelphilipp? ADHS bei Kindern und Erwachsenen

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 Präsentation transkript:

Was wird aus dem Zappelphilipp? ADHS bei Kindern und Erwachsenen Fortbildung ADHS Montag, 05. Juli 2004 Dorsten Was wird aus dem Zappelphilipp? ADHS bei Kindern und Erwachsenen PD Dr.S.Schröder/Dr.R.Meyers Zentrum für Psychiatrie und Psychotherapie Ruhr-Universität Bochum

AUFMERKSAMKEITS-DEFIZIT- HYPERAKTIVITÄTS-STÖRUNG Schröder/Meyers: Was wird aus dem Zappelphilipp? ADHS bei Kindern und Erwachsenen „ A D H S “ AUFMERKSAMKEITS-DEFIZIT- HYPERAKTIVITÄTS-STÖRUNG

DSM-IV-Kriterien (für Kinder) Schröder/Meyers: Was wird aus dem Zappelphilipp? ADHS bei Kindern und Erwachsenen DSM-IV-Kriterien (für Kinder) Unaufmerksamkeit 1. viele Flüchtigkeitsfehler 2. nicht ausdauernd 3. scheint nicht zuzuhören 4. unvollständige Erledigung 5. organisiert schlecht 6. vermeidet lange geist.Tät. 7. verliert viele Dinge 8. leicht ablenkbar 9. vergesslich (mind. 6 in den letzten 6 Mon.) Hyperaktivität/Impulsivität 1. zappelt, rutscht herum 2. steht häufig auf 3. läuft herum (J+E: Unruhe) 4. kann kaum ruhig spielen 5. häufig wie „getrieben“ 6. redet häufig überm. viel 7. platzt vorzeitig heraus 8. kann nur schwer warten 9. unterbricht/stört häufig (mind. 6 in den letzten 6 Mon.) bereits vor dem 7. Lj./in mind. 2 Lebensber./Beeinträcht./nicht anderweitig bed.

ADHS-Subtypen nach DSM-IV* Schröder/Meyers: Was wird aus dem Zappelphilipp? ADHS bei Kindern und Erwachsenen ADHS-Subtypen nach DSM-IV* Mischtyp Hyperaktiver Subtyp Unaufmerksamer Subtyp nach ICD-10 (nur ca. 50%) *DSM = Diagnostic and Statistical Manual of Diseases; IV = 4. Auflage (Diagnoseglossar der Amerikanischen Psychiatervereinigung)

Prävalenz bei Kindern ca. 6 % Prävalenz bei Erwachsenen ca. 2 % Schröder/Meyers: Was wird aus dem Zappelphilipp? ADHS bei Kindern und Erwachsenen Epidemiologie Prävalenz bei Kindern ca. 6 % Prävalenz bei Erwachsenen ca. 2 % männl. vs. weibl. = 3 : 1

Genetik Erblichkeit 0,6-0,8 (Smidt et al. 2003) SchröderMeyers: Was wird aus dem Zappelphilipp? ADHS bei Kindern und Erwachsenen Genetik Erblichkeit 0,6-0,8 (Smidt et al. 2003) Polygene Vererbung; Heterogenität Erster Genomscan publiziert (Fisher et al. 2002) mehrere Kandidatengene verschiedener Neurotransmittersysteme untersucht

ADHS-Kandidatengene DAT1 DRD4 Gen-Polymorphismen vermuteter Effekt Schröder/Meyers: Was wird aus dem Zappelphilipp? ADHS bei Kindern und Erwachsenen ADHS-Kandidatengene DAT1 DRD4 Gen-Polymorphismen 10-R,9-R 2-R,4-R,7-R, andere Dopamintransporter mit ineffizentem Wiederaufnahmeprozess subsensitiver Rezeptor für Dopamin vermuteter Effekt regionale Verteilung im Gehirn hohe Dichte in nigrostriatalen Arealen hohe Dichte in mesokortikolimbischen Arealen (insbesondere im Bereich des Frontallappens) neuropsycho-logische Konsequenz z. B. Intensität der Aufmerksamkeit z. B. exekutive Aufmerksamkeit

Ätiologische Vorstellung Schröder/Meyers: Was wird aus dem Zappelphilipp? ADHS bei Kindern und Erwachsenen Ätiologische Vorstellung Fronto- striatale Dysfunktion Impulsi- vität Inhibitions- störung ADHS- Symptome Hyper- aktivität Dopamin Imbalance zentraler Katecho- lamine Unauf- merksam- keit Nor- adrenalin

Wirkmechanismus von Medikamenten für ADHS Guanfacin wirkt als selektiver alpha2A-Agonist. Es wird davon ausgegangen, dass Guanfacin die postsynaptischen alpha2A-Adrenozeptoren aktiviert. Dies führt zu einer Senkung der lokalen cAMP-Konzentration und zum Schließen offener Ionenkanäle (HCN-Kanäle). Hierdurch verbessert sich die Signalübertragung im präfrontalen Cortex (1). Stimulanzien und Atomoxetin entfalten ihre Effekte hingegen vorwiegend präsynaptisch und bewirken eine erhöhte Konzentration von Dopamin und/oder Noradrenalin im synaptischen Spalt (2). 1. Wang M, et al. Cell 2007; 129: 397–410. 2. Clement HW, Schulz E. Pharm Unserer Zeit 2011 Nov; 40 (6): 503–9. Adaptiert nach Clement HW, Schulz E. α2-Agonisten und adrenerge Pharmaka bei ADHS, Pharm Unserer Zeit. 2011; 40 (6): 503–9.

Prognose der kindlichen Form Schröder/Meyers: Was wird aus dem Zappelphilipp? ADHS bei Kindern und Erwachsenen Prognose der kindlichen Form Persistenzraten von 10 bis 60 % Klinisch relevante ADH-Symptome bei bis zu 2/3 der Erwachsenen mit kindlicher ADHS Prädiktoren für ADHS-Persistenz: Verhaltensstörungen, Aggressivität und hyperkinetisch-impulsive Symptome (Hart et al. 1995, Gittelman et al. 1985) Höhere ADHS-Remissionsrate bei: geringerer Komorbidität, geringeren sozialen Risikofaktoren und fehlender familiärer Belastung (Klein & Mannuzza 1991)

Beschwerden der Erwachsenen Schröder/Meyers: Was wird aus dem Zappelphilipp? ADHS bei Kindern und Erwachsenen Beschwerden der Erwachsenen Depressive Verstimmungen u. Folgen Mangelnde Konzentration Schwierigkeiten, Arbeiten zu beginnen Arbeiten im Zeitrahmen fertigzustellen Ordnung in Arbeitsabläufe zu bringen Probleme am Arbeitsplatz u. in Familie

ADHS = „Summendiagnose“ Schröder/Meyers: Was wird aus dem Zappelphilipp? ADHS bei Kindern und Erwachsenen ADHS = „Summendiagnose“ SKID-II (Strukturiertes klinisches Interview für DSM-IV) ADHS-Skalen (Selbst- und Fremdbeurteilung) WURS (Wender Utah Rating Scale) SDQ (Robert Goodman, 1997) Brown ADD Scales CAARS (Conners Adult Rating Scales) Psychometrische Testung (z.B. Wiener Testsystem) Vigilanz, Daueraufmerksamkeit, Reaktionssicherheit/-schnelligkeit

Bei 85 % weitere psychische Störung, am häufigsten: Depression Schröder/Meyers: Was wird aus dem Zappelphilipp? ADHS bei Kindern und Erwachsenen Komorbidität Bei 85 % weitere psychische Störung, am häufigsten: Depression Angststörung Suchterkrankung Persönlichkeitsstörung

Lebenszeitprävalenzen von Schröder/Meyers: Was wird aus dem Zappelphilipp? ADHS bei Kindern und Erwachsenen Substanzmissbrauch Lebenszeitprävalenzen von • Drogen: 38% (v. a. THC) • Alkohol: 43% • Nikotin: über 50% Edel 2003, Bochumer ADHS-Studie (69 erwachsene ADHS-Pat.)

Multi Treatment Assessment Schröder/Meyers: Was wird aus dem Zappelphilipp? ADHS bei Kindern und Erwachsenen Multi Treatment Assessment The MTA Cooperative Study Group (Arch Gen Psychiat 56, 1999, 1073-1986) n=579, Alter der Patienten 7-9 J., Dauer 14 Mon. 4 Therapie-Arme: 1. Medikament plus Facharztbehandl. (Platz 2, 56% unauff.) 2. Verhaltensth. (Kind, Eltern, Lehrer) (Platz 3, 34% unauff.) 3. Kombin. aus 1 und 2 (Spitzenplatz, 68% unauff.) 4. Standardbehandlung, 2/3 medik.(Platz 4, 25% unauff.)

Therapiemöglichkeiten Schröder/Meyers: Was wird aus dem Zappelphilipp? ADHS bei Kindern und Erwachsenen Therapiemöglichkeiten „Kann durch eine adäquate Therapie eine Verbesserung der Aufmerksamkeitsleistung, eine Reduktion der Impulsivität sowie eine Verringerung der depressiven Begleitsymptome erreicht werden, so ist es hierauf aufbauend möglich, die psycho- und/oder sozialtherapeutische Behandlung zu intensivieren.“ (Blocher et al. 2001)

Indikation für Medikation Schröder/Meyers: Was wird aus dem Zappelphilipp? ADHS bei Kindern und Erwachsenen Indikation für Medikation Störung ausgeprägt / Leidensdruck groß Compliance vorhanden Welches Medikament? Methylphenidat beim hyperaktiv-impulsiven oder Misch-Typ Antidepressivum (noradrenerges) beim unaufmerksamen Typ oder bei Depression /Angststörung Strattera® (Atomoxetin) Amphetaminpräparate (Amphetaminsulfat oder Lisdexamphetamin) Guanfacine XR (Intuniv) überarbeitet 2.2016

Schröder/Meyers: Was wird aus dem Zappelphilipp? ADHS bei Kindern und Erwachsenen Bewährte Therapie 1. Evidenzbasierte psychiatrische Behandlung mit problembasierender und lösungsorientierter Beratung 2. Medikamentöse Behandlung 3. Teilleistungsstörungsbezogene Förderung

Unfallrisiko 122 80 5 Jahre später 32 19 9 J. 8 M. 14 J. 7 M. Schröder/Meyers: Was wird aus dem Zappelphilipp? ADHS bei Kindern und Erwachsenen Unfallrisiko ADHS-Kinder haben ca. 4 mal häufiger Unfälle Grützmacher 2001 DAGEGEN: Behandelte ADHS-Pat. haben keine erhöhte Unfallrate Conners 2002, nach Trott 2003 122 ADHS n=55 80 ADHS n=53 5 Jahre später 32 19 K n=55 K n=53 9 J. 8 M. 14 J. 7 M. Grützmacher 2001

Schröder/Meyers: Was wird aus dem Zappelphilipp? ADHS bei Kindern und Erwachsenen Zusammenfassung ADHS ist eine häufige Störung (K.+Jug.: 3-6%, Erw.: 2-4%) Frühzeitige Diagnostik und Therapie ist entscheidend, um negative Folgen der Erkrankung zu vermeiden Die Leitlinien der DGKJPP und der DGPPN sind erschienen Ambulante fachärztliche Behandlung ist die beste, patientenfreundlichste und kostengünstigste (MTA 1999) Diagnosestellung und Behandlung ziehen eine gute Prognose nach sich (Conners 2002)

Danke für die Mitarbeit Schröder/Meyers: Was wird aus dem Zappelphilipp? ADHS bei Kindern und Erwachsenen Danke für die Mitarbeit OA Dr. M.-A. Edel Bochum ChA Dr. R. G. Siefen Marl-Sinsen D. Hartelt