Die Präsentation wird geladen. Bitte warten

Die Präsentation wird geladen. Bitte warten

Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen

Ähnliche Präsentationen


Präsentation zum Thema: "Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen"—  Präsentation transkript:

1 Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen
9. November 2009

2 Wiederholung wichtiger Punkte der vergangenen Sitzungen
+ Ergänzungen

3 I. SPRACHWANDEL DURCH SPRACHKONTAKT
Substrat  Adstrat  Superstrat wissenschaftsgeschichtlicher Unter Berücksichtigung Aspekte

4 Die Reflexion des Sprachkontaktes vom 15. bis 18. Jahrhundert
Wissenschaftsgeschichtlicher Exkurs über die Diskussion sprachhistorischer Fragestellungen in Italien

5 Der situative Kontext des wissenschaftlichen Disputes
Ausgangsfrage: Wie sprachen die alten Römer und wie ist das Volgare entstanden? Der situative Kontext des wissenschaftlichen Disputes Im März 1435 diskutierten Leonardo Bruni und Flavio Biondo im Vorzimmer des Papstes Eugen IV. (im Florentiner Exil) über die Beschaffenheit der lateinischen Sprache in der Antike und Spätantike und ihr Verhältnis zum Volgare.

6 Die Zwei-Sprachen-These Brunis Argumentation
Leonardo Bruni Die Zwei-Sprachen-These Brunis Argumentation Das Volgare ist ebenfalls antiken Ursprungs und hat daher das Recht, mit dem Lateinischen als Kultursprache zu konkurrieren Volgare Latein Neuzeit Mittelalter Antike

7 Flavio Biondo Die Korruptionsthese Biondos
das Volgare ist aus einer Mischung zwischen Latein und Gotisch/Langobardisch entstanden und daher minderwertig sowie als Kultursprache unbrauchbar Langobarden haben mehr zur Korrumpierung des Lateinischen beigetragen als die Goten [um 1435] Neuzeit Korrumpierung des Lateinischen Volgare Mittelalter Germanisch Diglossie Völkerwanderung Latein Antike

8 Die Frage nach dem Einfluss vorrömischer Sprachen
Bei der Frage nach dem Ursprung der italienischen Sprache rückte sporadisch das Etruskische ins Blickfeld diachroner Sprach-betrachtung, so etwa in Pier Francesco Giambullaris Gello, de l’Origine della lingua fiorentina (1546). Betonung der externen Sprachgeschichte

9 Die Frage nach dem Einfluss vorrömischer Sprachen
Giambullari ist gemäßigter Anhänger des modernen Florentinischen in der Questione della lingua Er spricht in Bezug auf das Volgare nicht von lingua mista, sondern von einem componimento di varie lingue (Griechisch, Etruskisch, Lateinisch, Deutsch, Französisch…) Die Völkerwanderung wird nicht als alleiniges Ereignis bei der Genese des Volgare betrachtet Vertreter einer Minderheitenposition

10 Betonung der externen Sprachgeschichte
Die Frage nach dem Einfluss der Germanen bei der Herausbildung romanischer Sprachen im 16. Jh. Girolamo Muzio ( ), dessen sprachtheoretische Schriften 1583 posthum unter dem Titel Battaglie in Difesa dell’italica lingua erschienen sind, beispielsweise glaubte nicht an den Einfluss des Etruskischen bei der Herausbildung des Toskanischen. Seiner Meinung nach wurde die Sprache der Etrusker vollkommen von der Sprache Roms verdrängt. Für ihn spielten die germanischen Eroberer eine entscheidende Rolle. Er verband die Frage nach dem sprachlichen Einfluss der Germanen vor allem mit ihrer Siedlungsgeschichte. Betonung der externen Sprachgeschichte

11 Die Frage nach dem Einfluss der Germanen bei der Herausbildung romanischer Sprachen im 16. Jh.
Nach Muzio war der Einfluss der Germanen in bestimmten Regionen stärker als in anderen Wenn das volgare durch die Barbaren entstanden ist, muss seine Wiege im Norden gewesen sein, wo die größte Siedlungsdichte herrschte

12 Die Frage nach dem Einfluss der Germanen bei der Herausbildung romanischer Sprachen im 16. Jh.
Claudio Tolomei ( ) führt im Cesano de la lingua toscana (1555) das volgare auf das Lateinische zurück, verweist aber auch auf Einflüsse aus dem Etruskischen und Germanischen.

13 Betonung der externen Sprachgeschichte Sub- und Superstrateinflüsse
Die Frage nach dem Einfluss der Germanen bei der Herausbildung romanischer Sprachen im 16. Jh. Benedetto Varchi ( ) betont im Ercolano (1564/1570) weniger die durch die Barbaren herbeigeführte sprachliche Korrumpierung, sondern vielmehr die Geburt einer neuen Sprache. Betonung der externen Sprachgeschichte Sub- und Superstrateinflüsse

14 Der sprachhistorische Diskurs im Italien des 18. Jahrhunderts
Scipione Maffei Die sprachhistorische Forschung des 18. Jahrhunderts entwickelte erneut ein starkes Interesse für das Etruskische, das von vielen Autoren mit dem Hebräischen in Verbindung gebracht wurde, so z.B. von Scipione Maffei (Degli itali primitivi, 1727) und Marco Guarnacci (Origini italiche, 1767).

15 1. Sprachkontakt durch die militärisch-politische Expansion Roms
Vorrömische Völker in Italien

16 Ende des wissenschaftsgeschichtlichen Exkurses…

17 Der Substatbegriff - Externe Sprachgeschichte -

18 Zur Begriffsgeschichte
Der Substrat-Begriff Zur Begriffsgeschichte Eingeführt im Jahre 1876 von dem italienischen Dialektologen Graziadio Isaia Ascoli

19 Der Substratbegriff Was versteht man unter einem Substrat?
Unter einem Substrat versteht man eine besondere Form historischen Sprachkontakts Dieser besteht darin, dass in einer bestimmten Gegend die eingesessene Bevölkerung die Sprache eines Eroberervolkes annimmt und nach einer Epoche der Zweisprachigkeit die eigene Sprache aufgibt

20 Der Substratbegriff Was versteht man unter einem Substrat?
Im Munde der einheimischen Sprecher wirkt sich deren alte Sprache (das Substrat) nun so aus, dass sie Sprechgewohnheiten in die neue Sprache übernehmen und diese auf diese Art langfristig verändern

21 Der Substratbegriff Häufig Seltener
Was versteht man unter einem Substrat? Betroffene Bereiche Häufig Aussprache Wortschatz Orts- und Flussnamen Seltener Morphologie Syntax

22 Der Substratbegriff Bevor sich Sprachen zu Substraten entwickeln, fungieren sie zunächst als Adstrate Dies führt zu einem weiteren historiolinguistischen Begriff…

23 Der Adstratbegriff - Externe Sprachgeschichte -

24 Der Adstratbegriff Der Adstratbegriff wurde erst 1932 von dem niederländischen Linguisten Marius L. Valkhoff in die Sprachwissenschaft eingeführt Er wurde in der Romanistik allerdings nur zögerlich akzeptiert Er bezeichnet den Kontakt von zwei Sprachen aus synchroner Perspektive (d.h. vor der Aufgabe einer der beiden Sprachen in Kontakt) Keine Sprache wird sofort aufgegeben

25 Zurück zum Substratbegriff…

26 Der Substratbegriff Modell Latein = weiterlebende Sprache
Aufgabe der Zweisprachigkeit der gesamten Bevölkerung Oskisch, Etruskisch…, Keltisch,  SUBSTRAT-Sprachen des Lateinischen (in Italien) Phase der Zweisprachigkeit = ADSTRAT-Sprachen

27 Der Substratbegriff Oskisch-Umbrisch Lateinisch
Italische Substrate des Lateinischen Die Nachbarsprachen Oskisch-Umbrisch 1. Phase: Oskisch / Umbrisch als Adstrate des Lateinischen Oskisch-Umbrisch Lateinisch Krieg und Handel Gegenseitige Beeinflussung, z.B. Entlehnung

28 Der Substratbegriff Lateinisch Substrate des Lateinischen
Die Nachbarsprachen z.B. Oskisch-Umbrisch 2. Phase: Zunehmende Dominanz des Lateinischen Lateinisch Fremdsprache Latein noch ADSTRATE Oskisch-Umbrisch Handel, Militär, Sprache, Kultur etc. Interferenzen zwischen Lat. und der Muttersprache

29 (diatopische und diastratische Varietät)
Der Substratbegriff Substrate des Lateinischen Die Nachbarsprachen z.B. Oskisch-Umbrisch 3. Phase: Übrig bleibt im ehemals oskisch-umbrischen Sprachgebiet allein eine regionale Varietät des Lateinischen (mit besonderen Aussprachemerkmalen und einigen oskischen Wörtern, die im römischen Latein nicht üblich sind) Oskisch-Umbrisch sind tot  SUBSTRAT-Sprachen Lateinisch (diatopische und diastratische Varietät)

30 Der Substrat-Begriff Einige phonetische Merkmale des Umbrischen
Vokalismus [au] wird zu [oː] lat. taurus vs. umbr. toru (vgl. it./sp. toro) [ai] wird zu [ɛː] lat. quaestor vs. umbr. kvestur (vgl. klat. CAESAREM > it. Cesare)

31 Der Substrat-Begriff VBI ORV MEV EST? VICINVS MEVS OSCVS EST AVRVM !!!

32 Der Substrat-Begriff Einige phonetische Merkmale des Umbrischen
Konsonantismus [m] und [n] sind vor Konsonanten und am Wortende sehr schwach klat. AMICUM > *amicu > it. amico, sp. amigo Das ursprüngliche velare [k] wird vor [e] und [i] palatalisiert klat. CENAM > [tʃena] > it. cena

33 Der Substrat-Begriff *[sumus amitʃi] AMICVS MEVS VMBRVS EST
[amiki] !!!

34 CENTVRIO MEUS OSCVS EST
Der Substrat-Begriff *AMO BALNEV CENTVRIO MEUS OSCVS EST BALNEVM !!!

35 Der Substrat-Begriff Konsonantismus [mb] wird zu [mm] assimiliert
[nd] wird zu [nn] assimiliert [kt] wird zu [tt] assimiliert

36 DISCIPVLUS MEUS OSCVS EST
Der Substrat-Begriff DISCIPVLUS MEUS OSCVS EST *QVANNO FINIT LETTIO? QVANDO FINIT LECTIO !!!

37 Die Substrate und der Wandel des Lateinischen
Halten wir Folgendes fest: Nach Abschluss der Unterwerfung, Romanisierung und Latinisierung der Apenninenhalbinsel hatte die lateinische Sprache eine Reihe von Einflüssen durch benachbarte Sprachen bzw. durch die Sprachen der unterworfenen Völker erfahren. Von Italien aus verbreitete sich das Lateinische in Westeuropa, in Teilen Südosteuropas sowie in Nordafrika und erfuhr hierbei weitere Veränderungen.

38 Die Substrate und der Wandel des Lateinischen
Ferner… In der mündlichen Kommunikation bestand das Lateinische aus unterschiedlichen diatopischen Varietäten, in denen Einflüsse der vormals in der Region gesprochenen Sprachen geblieben sind, insbesondere im Bereich der Aussprache aber auch auf dem Gebiet des Wortschatzes Die schriftliche Sprache hingegen war bis zum Beginn des Mittelalters relativ einheitlich

39 Die Substrate und der Wandel des (gesprochenen) Lateinischen
Von besonderem Interesse ist folgende Tatsache: Die diatopische Variation des Lateinischen hat die Entwicklung der aus dieser hervorgegangenen romanischen Sprachen nachhaltig beeinflusst. Mehr hierzu später…

40 2. Sprachkontakt durch die Völkerwanderung

41 Der Superstratbegriff
- Externe Sprachgeschichte -

42 Der Superstratbegriff
Germanisch- lateinischer Kontakt zur Zeit der Völkerwanderung

43 Der Superstratbegriff
Der Begriff Superstrat wurde 1932 von Walther v. Wartburg entwickelt und bezeichnet eine Sprache oder Varietät, die sich anfänglich (noch) aus machtpolitischen Gründen über eine eroberte Sprache legt, später jedoch nach einer gewissen Zeit der Zweisprachigkeit von den Eroberern aufgegeben wird. Die Eroberer gehen ethnisch und sprachlich in den Einheimischen auf, wobei sie einige lexikalische Elemente in die neue Sprache einbringen.

44 Die Ostgoten Germanische Herrscher in Italien

45 Die Langobarden (seit 568)

46 Das Langobardenreich Edictus Rothari (643)
[…] Et si provare non potuerit et cognuscitur dolusae adcusassit, tunc ipse, qui accusavit et provare non potuit, wergild suo conponat, medietatem regi, et medietatem cui crimen iniectum fuerit. […] […] Si hominis liberi inter se in morte alterius consiliaverint sine regis consilio et ex ipso tractato mortuus non fuerit, conponat unusquisque, ut supra, solidos viginti; et si ex ipso consilio mortuus fuerit, tunc ille, qui homicida est, conponat ipsum mortuum, sicut adpraetiatus fuerit, id est wergild. […]

47 Der Superstratbegriff
Der ostgotische Einfluss im Italienischen ist insgesamt geringer als der langobardische, wobei beide Spendersprachen nicht immer klar unterschieden werden können…

48 Der Superstratbegriff
Germanische Lehnwörter im Italienischen balcone (vgl. dt. Balken) gruccia (vgl. dt. Krücke) panca (vgl. dt. Bank) stamberga (vgl. dt. „Steinberge“) stecca (vgl. dt. Stecken) guancia (vgl. dt. Wange) stinco (vgl. dt. Schinken)

49 410 n.Chr. QVID EST? Hilms! …AVT *HELMVS? GALEA EST

50 ca. 500 Jahre später…. elmo

51 Stratum: Latein  Romanisch
Die Sub- und Superstrat-Theorie im Zusammenhang mit der Herausbildung der romanischen Sprachen im Überblick Sprache späterer Eroberer Superstratsprache wird aufgegeben Stratum: Latein  Romanisch ADSTRAT-Phasen Substratsprache Beide hinterlassen ihre Spuren im Lateinischen bzw. Protoromanischen wird aufgegeben Sprache, die vor der römischen Eroberung gesprochen wurde

52 Die STRATA-Theorie im Überblick

53 I. SPRACHWANDEL DURCH SPRACHLICHE VARIATION
Diastratisch  Diatopisch  Diaphasisch

54 Die Reflexion über Sprachvariation im 16. und 17. Jahrhundert
Wissenschaftsgeschichtlicher Exkurs über die Diskussion sprachhistorischer Fragestellungen in Italien

55 Die Frage nach der Variation des Lateinischen im 16. und 17. Jh.
Ludovico Castelvetro ( ) entwickelte in seiner Correzione d’alcune cose del Dialogo delle lingue di Benedetto Varchi (1563/1572) eine sehr ausgeglichene Theorie zum Ursprung des volgare. Er verwirft die These von der Existenz eines italienischen volgare im antiken Rom, die von Leonardo Bruni ins Gespräch gebracht worden war, und verweist implizit auf die Existenz einer vulgärlateinischen Sprache. Berücksichtigung der internen und externen Sprachgeschichte Sprachwandel durch diastratische Variation

56 Die Frage nach der Variation des Lateinischen im 16. und 17. Jh.
Drei Entwicklungsstufen nach Castelvetro Die zunehmende Wichtigkeit der vulgärlateinischen Varietät in Rom. Die Dominanz des Vulgärlateinischen während der Gotenherrschaft. Der Übergang vom korrumpierten Latein zum volgare während der Herrschaft der Langobarden nach mehreren Generationen. Eroberung beschleunigt Sprachliche Variation

57 Die Frage nach der Variation des Lateinischen im 16. und 17. Jh.
1. Phase 410: Plünderung Roms durch die Vandalen Ausweitung des vulgärlateinischen Elements Zunehmender Einfluss der Ungebildeten bzw. Halbgebildeten Die Entwicklung wurde durch Kaiser fremder Herkunft gefördert Diejenigen, die noch über eine ausreichende Bildung verfügten, übten Selbstzensur, um nicht in Ungnade zu fallen (Anpassung an die vulgärlateinische Leitkultur) = DIGLOSSIE des Lateinischen

58 Die Frage nach der Variation des Lateinischen im 16. und 17. Jh.
2. Phase Radikaler Wandel nach dem Beginn der Gotenherrschaft Sie konnten ihre eigene Sprache nicht durchsetzen, machten aber hemmungslosen Gebrauch vom VULGÄRLATEINISCHEN 3. Phase Verstärkung dieser Praxis unter den Langobarden Sprachmischung und Entstehung des Volgare

59 Berücksichtigung varietätenlinguistischer
Die Frage nach dem Einfluss der Germanen bei der Herausbildung romanischer Sprachen im 16. und 17. Jh. Mit Celso Cittadinis Schriften Trattato della vera origine e del processo e nome della nostra lingua (1601) und Origini della volgar toscana favella (1604) setzte eine philologische Wende in der diachronen Sprachforschung auf der Grundlage intensiver antiker und spätantiker Quellenstudien ein. Cittadini setzt den Sprachwandel bereits vor der Barbarenherrschaft beim Vulgärlatein der Antike an. Er geht in Übereinstimmung mit Varchi von einer diglossischen Zweiteilung des Lateinischen aus. Berücksichtigung varietätenlinguistischer Aspekte

60 Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des Wandels
Welches Latein entwickelte sich zum Romanischen? Es ist das gesprochene Latein, das von Generation zu Generation weitergegeben wurde und das sich dabei unmerklich in die Sprachen umwandelte, die schließlich “romanisch” heißen würden. Die Sprache, die zur Zeit Caesars in Rom gesprochen wurde, hat man bis heute rund 70 mal an die nächste Generation weitergegeben. Jede Generation glaubte (natürlich), die Sprache der Eltern zu übernehmen. Und doch bezeichnen wir die Sprache der ersten Generation als Lateinisch und die der 70. Generation als Italienisch, Spanisch, Französisch usw.

61 Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des Wandels
Klassisches Latein vs. Vulgärlatein Die lateinische Sprache war kein monolithischer Block wie der Kanon klassischer Texte suggeriert, die im schulischen Lateinunterricht behandelt werden. Die Sprache, die sich - wie letzte Woche dargestellt - allmählich durch das ganze Imperium ausbreitete, war nicht das klassische Latein Ciceros. Es war das Latein, wie es vom gewöhnlichen Volk ausgesprochen wurde.

62 Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des Wandels
Was versteht man unter klassischem Latein? Die Bedeutung von ‚klassisch’ Das lateinische Adjektiv classicus (eine Ableitung von classis ‘servianische Bürger- oder Vermögensklasse’) bezog sich zunächst auf die hohen Gesellschaftsschichten, insbesondere auf die der ersten von insgesamt sechs. Daher entwickelte sich die Bedeutung ‘erstklassig’, ‘mustergültig’ in Bezug auf Sprache und Literatur.

63 Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des Wandels
Klassisches Latein vs. Vulgärlatein Die lateinische Sprache war kein monolithischer Block wie der Kanon klassischer Texte suggeriert, die im schulischen Lateinunterricht behandelt werden.

64 Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des Wandels
Die Bedeutung ‚klassisch’ Das lateinische Adjektiv classicus (eine Ableitung von classis ‘servianische Bürger- oder Vermögensklasse’) bezog sich zunächst auf die hohen Gesellschaftsschichten, insbesondere auf die der ersten von insgesamt sechs. Daher entwickelte sich die Bedeutung ‘erstklassig’, ‘mustergültig’ in Bezug auf Sprache und Literatur. Am besten durch Quellen dokumentiert ist zweifelsohne die klassische Periode, deren Schriftsprache allerdings eine zunehmende Distanz zur lebendigen Sprechsprache entwickelte.

65 Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des Wandels
Das klassische Latein Die Entstehung der klassischen Schriftsprache, die auch in nachklassischer Zeit für die gebildeten Schreiber weiterhin Modellcharakter besaß, ist das Ergebnis eines sprachgestalterischen Eingriffs durch die intellektuelle Elite.

66 Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des Wandels
Wir haben es in erster Linie mit dem Phänomen der Diglossie zu tun, denn das klassische Latein und die Umgangssprache mehr oder minder vulgären Charakters bleiben jedoch Varietäten eines grundsätzlich als einheitlich zu denkenden Lateins, das wie jede entwickelte Verkehrssprache mehrere verschiedene Soziolekte aufweist.

67 Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des Wandels
Was versteht man unter „Vulgärlatein“? Der Terminus Vulgärlatein ist nicht unumstritten, hat sich aber mangels Alternativen in der Wissenschaft durchgesetzt. Er dient in der Regel zur Abgrenzung vom klassischen Latein.

68 Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des Wandels
MERDA!!! Vulgärlatein… … ist die Alltagssprache des Volkes, also die gesprochene Sprache, ohne dass damit eine Stigmatisierung, wie sie dem Wörtchen „vulgär“ innewohnt, verbunden sein muss!

69 Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des Wandels
Wir können folgenden Punkt festhalten: Der Begriff Vulgär- hat in historiolinguistischen Hinsicht nicht den negativen Beigeschmack wie in der heutigen Umgangssprache (= ordinär, unanständig), sondern bezeichnet - völlig wertneutral - die allgemeine Alltagssprache (von lat. VULGVS = Volk), also auch die übliche Sprache der mittleren und gehobenen Schichten und nicht nur den Jargon der untersten Schichten.

70 Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des Wandels
Vulgärlatein Anhand archaischer lateinischer Inschriften kann gezeigt werden, dass das Lateinische wie jede andere lebendige Sprache einem Wandlungsprozess unterworfen war. Der Gesichtspunkt, dass es in jeder Sprache große Unterschiede zwischen der geschriebenen und der gesprochenen Sprache gibt, ist von überragender Bedeutung für das Verständnis von Sprachentwicklung und Sprachwandel überhaupt.

71 Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des Wandels
Vulgärlatein Nicht nur die Bezeichnung Vulgärlatein ist missverständlich, sondern auch dessen zeitliche Eingrenzung ist umstritten. Es wird in der Forschung zwischen drei Grundpositionen unterschieden…

72 Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des Wandels
Vulgärlatein Maximalistische Position: Das Vulgärlatein existierte zu allen Zeiten (ca. 200 v.Chr. bis 900 n.Chr.).  Mittlere Position: Das Vulgärlatein wurde von ca. 200 v.Chr. bis ca. 600 n.Chr. gesprochen. Minimalistische Position: Das Vulgärlatein wurde von ca. 100 v.Chr. bis ca n.Chr. gesprochen und ging dann in eine vorromanische Phase über, die bis ca. 700 n.Chr. andauerte.

73 Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des Wandels
Vulgärlatein Die klassische Sprache, die uns in einer Vielzahl von Texten überliefert ist, war in der Regel bestimmten literarischen oder rhetorisch geprägten Textsorten und formelhaften mündlichen Kommunikationskontexten vorbehalten.

74 Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des Wandels
Vulgärlatein Doch auch die Umgangssprache der Gebildeten wich von der uns überlieferten Schriftsprache ab. Wenn Cicero von sermo plebeius oder vulgaris spricht, so bezeichnet er keineswegs automatisch die Sprache des Pöbels, sondern ebenso eine lockere und lebendige Ausdrucksweise nach Art des Volkes.

75 Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des Wandels
Vulgärlatein In der vorklassischen Epoche herrschte ein Dualismus zwischen einem ländlichen (rusticitas) und einem städtischen Latein der Metropole Rom (urbanitas).

76 Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des Wandels
Vulgärlatein In einem Zeitraum, der von den Komödien des Terentius ( v. Chr.) bis zum Beginn des literarischen Schaffens von Cicero (81 oder 82 v. Chr.) reicht, schritt die innere Variation des (gesprochenen) Lateinischen voran, die nicht mehr nur diatopisch, sondern zunehmend auch diastratisch geprägt war.

77 Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des Wandels
Vulgärlatein Auf der einen Seite entstand als high variety eine kodifizierte Standardsprache der Elite, auf der anderen setzte sich eine volkstümliche Umgangssprache der breiten Volksmassen als low variety fort, die aufgrund der ethnischen Heterogenität der Sprachgemeinschaft raschen Veränderungen unterworfen war.

78 Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des Wandels
Vulgärlatein Die diastratische Variation der lateinischen Sprache war den Gebildeten der Antike durchaus bewusst. So schreibt Gellius Aulus (ca n. Chr.): „classicVs ... scriptor, non proletariVus”

79 Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des Wandels
Vulgärlatein Ihre Blüte erlebte die lateinische Sprache in der klassischen Epoche sowohl in der Rhetorik als auch in der Literatur. Damit war auch eine Kodifizierung verbunden, die eine zunehmende Auseinanderentwicklung von geschriebener und gesprochener Sprache bewirkte.

80 Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des Wandels
Innovationen der gesprochenen Sprache Die Aufgabe des lateinischen Kasussystems beispielsweise geschah mithilfe von Präpositionen, deren Funktionen ausgeweitet wurden.

81 Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des Wandels
Innovationen der gesprochenen Sprache Der bestimmte Artikel, den das Lateinische nicht kannte, entstand aus Formen der Demonstrativartikels ILLE und IPSE.

82 Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des Wandels
Innovationen der gesprochenen Sprache Viele romanische Präpositionen, die keine Entsprechung im Lateinischen haben, sind aus Zusammensetzungen aus klassischen Präpositionen, z.B. ab + ante > it. avanti

83 Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des Wandels
Vulgärlatein Der Wandlungsprozess vom Lateinischen zum Romanischen muss als Kontinuum gesehen werden. Wichtig: Im Prinzip waren alle strukturellen Neuerungen der romanischen Sprachen bereits im gesprochenen Lateinischen angelegt.

84 Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des Wandels
Innovationen der gesprochenen Sprache Sogar für das ursprünglich analytisch gebildete romanische Futur gibt es erste Belege bereits in klassischer Zeit.

85 Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des Wandels
Innovationen der gesprochenen Sprache In nachklassischer Zeit öffnet sich die Schere zwischen dem klassischen und dem sich selbständig weiterentwickelnden Vulgärlatein immer weiter, bis am Ende der Antike literarisches und „vulgäres“ Latein gleichsam zu verschiedenen Sprachen auseinanderfallen.

86 Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des Wandels
Innovationen der gesprochenen Sprache Eine diglossische Zweiteilung innerhalb des Lateinischen zeichnete sich bereits im ersten vorchristlichen Jahrhundert mit der Etablierung der klassischen Schriftsprache ab.

87 Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des Wandels
Schrift- und Sprechsprache In der Frühzeit des Lateinischen standen gesprochene und geschriebene Sprache relativ nahe beieinander, wirkten aufeinander ein und entwickelten sich stetig fort, wie es normal und üblich ist. Die dynamische Entwicklung hat sich in der literarischen Zeit (ab etwa 300 v. Chr., vor allem aber ab etwa 100 v. Chr.) rapide beschleunigt. In dieser Epoche entfernte sich das gesprochene zunehmend vom geschriebenen Latein.

88 Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des Wandels
Schrift- und Sprechsprache Ab dem ersten vorchristlichen Jahrhundert (der Epoche der sog. goldenen Latinität in der römischen Literatur) stagnierte jedoch die Entwicklung der geschriebenen Sprache. Die von Cicero und Caesar sowie die von Vergil und Horaz verwendete Sprache erlangte nun Vorbildcharakter und veränderte sich kaum noch.

89 Antike Quellen des sprachwandels
Vom Lateinischen zum Romanischen

90 Vom Lateinischen zum Romanischen
Quellen des sprachlichen Wandels antike und spätantike Texte objektsprachlich (z.B. literarische Texte, Sachtexte) Metasprachlich (Äußerungen über die Sprache, z.B. in Traktaten zur Rhetorik, in Briefen etc.) antike Grammatiken antike Glossare

91 Vom Lateinischen zum Romanischen
Übereinstimmung zwischen dem vorklassischen Latein und den romanischen Sprachen In die altlateinische Epoche fällt das Auftreten erster literarischer Werke. Insbesondere die Komödiendichter Titus Maccius Plautus (ca ) und Publius Terentius (ca ) gewähren einen kleinen Einblick in die lateinische Umgangssprache ihrer Zeit.

92 Vom Lateinischen zum Romanischen
Morphosyntax und Phonetik Die ersten Spuren des künftigen präpositionellen Genitivs (entstanden aus der Präposition DE + Ablativ), der sich erst in spätantiker Zeit endgültig durchgesetzt hat, finden sich bereits bei den vorklassischen Dichtern Plautus („nil gustabit de meo“) und Terentius („expers patris… de nostris bonis“). Die Belege nehmen in spätantiker Zeit stark zu.

93 Vom Lateinischen zum Romanischen
Morphosyntax und Phonetik Es ist ferner interessant, dass einige Neuerungen der klassischen Latinität von der Umgangssprache nicht aufgenommen worden sind, so dass wir punktuelle Übereinstimmungen zwischen dem vorklassischen Latein auf der einen Seite sowie zwischen dem späten Vulgärlatein und den romanischen Sprachen auf der anderen vorfinden.

94 Vom Lateinischen zum Romanischen
Morphosyntax und Phonetik So verwendet der vorklassische Schriftsteller Terentius Afer durchgäng die Pronominalform VOSTER (vostra, vostrum etc.), während die Autoren der klassischen Epoche vester (vestra, vestrum etc.) bevorzugen. Vgl. die tradierte Form in den romanischen Sprachen It. vostro, -a Sp. vuestro, -a Frz. vôtre

95 Vom Lateinischen zum Romanischen
P. Terentius Afer, Heauton timorumenos […] arbitrium vostrum, vostra existumatio valebit. Quare omnis vos oratos volo, ne plus iniquom possit quam aequom oratio. facite aequi siti', date crescendi copiam novarum qui spectandi faciunt copiam

96 Vom Lateinischen zum Romanischen
In der klassischen Literatur hat sich die Variante VESTER, -TRA, -TRUM als alleinige Norm durchgesetzt, wir zitieren einen Textausschnitt aus dem Geschichtswerk von *Titus Livius. "Etsi nihil ultra malorum est, patres conscripti, quam quod passi sumus, ut ad ultimum fidem vobis praetaremus, tamen ea vestra merita imperatorumque vestrorum erga nos fuerunt, ut nos cladium nostrarum non paeniteat. *Titus Livius (* 59 v. Chr. in Patavium, (Padua); † 17 n. Chr.), römischer Geschichtsschreiber zur Zeit des Augustus.

97 Vom Lateinischen zum Romanischen
…tamen ea vestra merita imperatorumque vestrorum erga nos fuerunt… [LIVIVS] …arbitriVm vostrVm, vostra existVmatio valebit… [TerentiVs] Schriftliche Norm Verschriftung Wird in der populären Sprechsprache aufgegeben [voster], [vostra], [vostrum] …  [vostru], [vostra]  … Variante: [vester], [vestra], [vestrum] … Wird weiter benutzt Mündliches Kontinuum 200 v.Chr n.Chr.

98 Vom Lateinischen zum Romanischen
Die Grammatiker und die Volkssprache Der spätantike Grammatiker Aelius Donatus wollte im späten 4. Jahrhundert (n.Chr.) in seiner Ars minor die klassischen Formen festschreiben: […] singularis vester vestri vestro vestrum a vestro, et pluraliter vestri vestro vestrum a vestro, et pluraliter vestri vestrorum […] Durchgesetzt hat sich, wie wir gesehen haben, in allen romanischen Sprachen ausschließlich die ältere Form…

99 Fortsetzung folgt…


Herunterladen ppt "Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen"

Ähnliche Präsentationen


Google-Anzeigen