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Europa im Zeitalter der Revolutionen: einzelstaatliche Besonderheiten und transnationale Zusammenhänge Vorlesung im Sommersemester 2007 von Norbert.

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1 Europa im Zeitalter der Revolutionen: einzelstaatliche Besonderheiten und transnationale Zusammenhänge Vorlesung im Sommersemester 2007 von Norbert Franz Universität Luxemburg Geschichte der frühen Neuzeit Raum BC 208

2 Anschluss an die dritte Vorlesungsstunde
Wir haben in der letzten Vorlesungsstunde gesehen, dass von der Agrarrevolution entscheidende Impulse für die Industrialisierung ausgingen. Über die Versorgung einer wachsenden Bevölkerung mit Nahrungsmitteln trug sie zu einem reichen Angebot von Arbeitskräften bei. Der hohe Wert agrarisch gebundenen Kapitals förderte die Investitionsbereitschaft in die zunächst weniger kapitalintensiven neuen Industrien. Dadurch wurden neue Unternehmergruppen aus dem agrarischen Milieu zu Aktivitäten in der Textilindustrie angeregt. In der ländlichen Gesellschaft profitierten von der Agrarrevolution – neben adeligen und bürgerlichen Gutsbesitzern – insbesondere die groß- und mittelbäuerlichen Schichten. Die unterbäuerlichen Teile der ländlichen Gesellschaft waren dagegen die Verlierer dieser Entwicklungen. Indem sie neue Existenzmöglichkeiten in den neuen städtisch-industriellen Zentren sichten, wurden sie zu den Hauptprotagonisten der Landflucht und stellen den zahlenmäßigen Kern der Industriearbeiterschaft.

3 4. Sitzung Die Industrielle Revolution als langfristiger Prozess
wirtschaftlichen und kulturellen Wandels in Europa 23. März 2007

4 Relevanz Kein gesellschaftlicher Prozess veränderte das Antlitz der Erde so gründlich und tief greifend wie die Industrielle Revolution und ihre kurz- und langfristigen Folgen. Dieser Prozess ging von Europa aus und wirkte auf anderen Kontinente und Weltgegenden im Rahmen der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Expansion der europäischen Staaten seit dem 15. Jahrhundert, die er erheblich beschleunigte. Trotz vielfältigster nationaler und auch internationaler Forschungen der vergangene zweihundert Jahre gibt es noch immer keine allgemein anerkannte Erklärung für Ursachen und bestimmende Wirkungsfaktoren der Industriellen Revolution.

5 Definition und Fragestellung
„Industrielle Revolution“ nennt man in den Sozialwissenschaften den langfristigen gesellschaftlichen Wandel von einer agrarisch dominierten zu einer gewerblich-industriell dominierten Wirtschaftsstruktur 1. Leitfrage: Welche politischen, ökonomischen, kulturellen und sozialen, Wirkungsfaktoren bestimmten den Prozess der Industrialisierung großer Teile Europas im „langen“ 19. Jahrhundert? 2. Leitfrage: Ist die Industrialisierungsgeschichte der wichtigsten europäischen Staaten als eine Aneinanderreihung individueller Entwicklungsverläufe zu verstehen oder als ein einheitlicher Prozess? 3. Leitfrage: Warum begann die Industrielle Revolution in England? 4. Leitfrage: Wie und auf welche Weise hat die Industrielle Revolution in Großbritannien die Industrialisierung des europäischen Kontinents initiiert und vorangetrieben?

6 Übersicht I. Erklärungsmodelle 2. Regionalgeschichtliche Ansätze
1. Nationalstaatlicher Erklärungsansatz a) Ursachen der Industrialisierung b) Warum nicht ein anderes Land? c) Ausbreitung der Industrialisierung 2. Regionalgeschichtliche Ansätze 3. Sektorale Erklärungsmodelle 4. Der transnationale Erklärungsansatz II. Der Verlauf der Industriellen Revolution in Europa 1. Wege der Industrialisierung a) Zentren der Industrialisierung b) Technologietransfer c) Unternehmer, Banken und Staat als Akteure der Industrialisierung 2. Die soziale Frage a) Ursachen des Pauperismus b) Ansätze einer staatlichen Sozialpolitik III. Fazit

7 I. Erklärungsmodelle 1. Nationalstaatlicher Erklärungsansatz
Wichtige Vertreter Karl Marx Alfred Marshall Alexander Gerschenkron „Modell England“ Industrialisierung in nationalen Untersuchungseinheiten Argumente für einen nationalhistorischen Ansatz Industrialisierung ist in hohem Maße beeinflusst von politisch-administrativen Rahmenbedingungen und zwischenstaatlicher Machtpolitik Alte Forschungsmeinung: „Die vorauseilenden Nationen zeigen den nachfolgenden ihre Zukunft“ (Karl Marx) ähnlich: Walt Rostow, Alexander Gerschenkron, David Landes

8 a) Ursachen der Industrialisierung
Erste Leitfrage der Industrialisierungsforschung: Warum begann die Industrielle Revolution in England? Traditionelle Lehrmeinung Nach David Landes, Eric Jones und Christoph Buchheim Hauptursachen der Industriellen Revolution in England (nach David Landes): Präzise Fixierung von Eigentumsrechten in der Frühen Neuzeit Hohes Maß an Rationalität und Naturbeherrschung im europäischen Denken Verbürgerlichung der Aristokratie Freie Lohnarbeiterschaft Weniger entscheidende Ursachen (David Landes): Außereuropäische Ressourcen (Kolonien) hier widerspricht Eric Jones, der diesen „fiktiven Nutzflächen“ große Bedeutung beimisst Klimatische und verkehrstechnische Vorteile Rasches Bevölkerungswachstum Erklärungsvariante Christoph Buchheims: Starkes vorindustrielles Wachstum schafft „freie Ressourcen“ Vermeidung der Armutsfalle Institutionalisierung von Wirtschaftswachstum

9 Weitere Elemente der traditionellen Lehrmeinung
Agrarrevolution und Bevölkerungswachstum führten zu einem reichen Arbeitskräfteangebot Blüte von Landwirtschaft und Handel führte zu gesteigerter Kapitalbildung Entfaltung eines einheitlichen nationalen Marktes Manufakturen förderten technologische Innovationen Steigende Nachfrage durch privaten Verbrauch, private Investitionen, Export und staatliche Fördermaßnahmen Flottenbau, Navigation-Act Unternehmer revolutionieren die Wirtschaft, vgl. 3. Sitzung Ergebnis des Zusammenwirkens dieser Faktoren: Baumwollexporte, Staatsnachfrage und Expansion des Binnenmarktes bewirken die Initialzündung der Industriellen Revolution

10 b) Warum nicht ein anderes Land?
Die Niederlande verloren im 17. Jahrhundert ihr Transportmonopol Frankreich litt unter einer kleinbäuerlicher Besitzstruktur und staatlichen Lenkungsversuchen Spanien litt unter Inflation (Edelmetallzuflüsse aus Lateinamerika) und rückständiger Agrarverfassung Deutschland war politisch zersplittert und hatte eine rückständige Agrarstruktur Dies gilt auch für Italien Russland war wirtschaftlich und politisch rückständig und litt unter weiten und ungünstigen Transportwegen

11 c) Ausbreitung der Industrialisierung
Zweite Leitfrage der Industrialisierungsforschung: Wie breitete sich die Industrielle Revolution auf dem europäischen Kontinent aus? Medien des Transfers: Waren Produktionsfaktoren Unternehmer Arbeitskräfte Kapital Produktionstechniken Weiterführende Frage: Folgte die Industrialisierung Kontinentaleuropas dem englischen Muster? Antwort: Nicht Imitation, sondern Variation des englischen Vorbilds, abhängig von den jeweiligen nationalen Besonderheiten Sidney Pollard, Christoph Buchheim Alfred Marshals Erklärung von Unterschieden im Wirtschaftsstil: unterschiedliche „Nationalcharaktere“

12 Die Theorien Alexander Gerschenchrons über die Ausbreitung der Industrialisierung
Grundannahme: Trotz aller regionaler und nationaler Unterschiede ist die Industrialisierung Europas ein einheitlicher Prozess Unterschiede im Grad der industriellen Entwicklung werden nach der „relativen Rückständigkeit“ gegenüber dem „Vorreiter“ England „gemessen“ Kategorien „relativer Rückständigkeit“: Schnelligkeit der Industrialisierung Umfang der Kapitalgüterproduktion Durchschnittliche Unternehmensgröße Konsumverzicht der Bevölkerung Bedeutung der Landwirtschaft Neue Institutionen und Ideologien „Substitute“ der Abweichungen vom englischen Modell: Statt der Innovationskraft englischer Erfinder: ausgezeichnetes technisches Bildungssystem (Deutschland) Statt der unternehmerischen Kapitalbildung in England: Finanzierung der Industrialisierung durch das Bankensystem (Deutschland) oder den Staatshaushalt (Russland) Untersuchungseinheit Gerschenkrons: Der bürokratische Staat des 19. Jahrhunderts Vorteil: gute Erfassung der politisch-administrativen Rahmenbedingungen möglich

13 2. Regionalgeschichtliche Ansätze a) Grundanschauungen und Hauptvertreter
Vertreter: Sidney Pollard, Hubert Kiesewetter u. a. Ansatz: Statt eines nationalstaatlichen Erklärungsmodells: ein regionalhistorischer Ansatz im europäischen Kontext Thesen: (1) Die europäische Industrialisierung vollzog sich innerhalb von Regionen, die in einen europäischen Zusammenhang einbezogen waren. Staatliches Handeln war zweitrangig oder völlig irrelevant. (2) Aus englischen Industrieregionen heraus wurde in einigen kontinentaleuropäischen Regionen Industrialisierung angeregt Europäische Industrieregionen: Belgien (Kohle, Eisen) Nordfrankreich (Kohle, Eisen) Ruhrgebiet und Oberschlesien (Kohle) Sachsen (Textilindustrie) Nordschweiz und Elsaß (Baumwolle) Zentralfrankreich (Seide, Kohle, Eisen)

14 b) Argumente und Gegenargumente des regionalgeschichtlichen Erklärungsansatzes
Sidney Pollards Hauptthese: Der Wettbewerb zwischen den Industrieregionen ist das Hauptmoment industrieller Entwicklung Entscheidend: Angebotsfaktoren Ressourcen, Standort, Produktionsfaktoren, nationale Handelspolitik Argumente für einen regionalhistorischen Ansatz: Industrialisierung vollzieht sich regional, nicht flächendeckend in regionaler Arbeitsteilung Kritik am regional-historischen Ansatz (Toni Pierenkämper u.a): Vernachlässigung der evidenten nationalstaatlichen Einflüsse auf das Wirtschaftsgeschehen

15 3. Sektorale Erklärungsmodelle
Wichtige Vertreter: Rainer Fremdling, Nachoem M. Wijnberg Das Beispiel Eisenindustrie (Rainer Fremdling): Vorbild England: vertikal integrierte große Werke Kontinent (z. B. Belgien): Kombination von englischer Großtechnologie und traditionellem Eisengewerbe Holzkohle, Wasserkraft, saisonale Beschäftigung Symbiose von moderner und traditioneller Technologie: Weiterverarbeitung von englischem Roheisen zu Stabeisen auf traditionelle Weise Betrieb moderner Puddelöfen mit Holzkohle Einsatz moderner Gebläse in traditionellen Holzkohlehochöfen Die Rolle des Staates: das Beispiel Preussen: Schutzzölle gegen englische Stabeisenimporte, Ausnahme bei Roheisen, das der eigenen Industrie als Rohstoff diente (1844) Neue Forschungsmeinung: 1. Es gab keinen optimalen und eindeutigen Entwicklungsweg für alle Nationen 2. Es gab kein „Modell England“

16 4. Der transnationale Erklärungsansatz
Hauptvertreter: Jordan Goodman, Katrina Honeyman, Toni Pierenkämper Hauptpositionen des transnationalen Ansatzes: Die Rolle der Technik: Traditionelle Verfahren sind wichtiger als technische Innovationen Der räumliche Bezug: Abhängig von der Fragestellung Wechsel zwischen globaler, kontinentaler, nationaler, regionaler oder lokaler Ebene Die wissenschaftliche Verortung: Integration wirtschaftlicher, kultureller, politischer und sozialer Aspekte im Erklärungsmodell Bewertung: Der transnationale Erklärungsansatz der Industriellen Revolution vereinigt alle Vorzüge der nationalen, regionalen und sektoralen Ansätze und lässt unterschiedliche Fokussierungen zu

17 II. Der Verlauf der Industriellen Revolution in Europa bis 1850 1
II. Der Verlauf der Industriellen Revolution in Europa bis Wege der Industrialisierung a) Zentren der Industrialisierung : Industrielle Revolution in England Zunächst in der Textil-, später in der Eisen- und Stahlindustrie. Entscheidender Energieträger: Steinkohlevorkommen 1815 bis 1850: Herausbildung industrieller Zentren auf dem europäischen Festland Gleichzeitig: Niedergang heimindustrieller Regionen Zentren der industriellen Erschließung des Kontinents: Zunächst England Seit etwa 1840 zusätzlich: Belgien, Frankreich Bis 1850 Deutschland, Österreich (Cisleithanien)

18 b) Technologietransfer
Technologietransfer durch britische Handwerker: Britische Fachleute als „Fremdenlegionäre der Industrialisierung“ (W. Köllmann) Reaktion der britischen Regierung auf diese Form des Technologietransfers: Auswanderungsverbot (bis 1825) für britische Handwerker blieb wirkungslos Transfer durch britische Unternehmer: Bekanntestes Beispiel: die Familie Cockerill, die in Belgien und seinen Nachbarländern Unternehmen gründete Transfer durch den Aufbau eines staatlichen technischen Bildungswesens (Beispiele): Frankreich: École Polytechnique, École des Ponts et Chaussées Deutschland und Österreich: Technische Hochschulen in Aachen oder Wien

19 c) Unternehmer und Banken als Akteure der Industrialisierung
Rolle der Unternehmer auf dem europäischen Festland: Stärker staatlich reglementiert als in England In Russland erhebliche Einschränkungen durch Zunftordnungen Rolle der Banken bei der Industrialisierung des Kontinents: Bis ca Dominanz der Privatbanken Vor allem Staatsanleihen Beispiel: Rothschildt Nach 1850 verstärkt Aktiengesellschaften Neuer Tätigkeitsschwerpunkt: Industriefinanzierung Beispiel: Société générale pour favoriser l´Industrie nationale in Belgien (bereits 1822 gegründet)

20 d) Der Staat als Förderer der Industrialisierung
Neue Felder staatlicher Wirtschaftsförderung Förderung der Eisenbahnen: staatliche und privat-staatliche Mischformen Ausbau der übrigen Verkehrswege: Straßen, Binnenschiffahrt Entscheidender Akteur der Kommunikationsrevolution Post, Bau elektrischer Telegraphen Hoheitliche Maßnahmen: Vereinheitlichung der Währungen, Maße und Gewichte Einführung der Gewerbefreiheit Abbau von Zollschranken z. B. Deutscher Zollverein (Preußens) von 1834

21 2. Der Stand der Industrialisierung in Europa um 1850
Das Beispiel der Roheisenproduktion im Jahre 1850 (in 1000 Tonnen): Großbritannien Frankreich Russland Deutschland Österreich-Ungarn Belgien Angaben nach: Dieter Langewiesche, Europa zwischen Restauration und Revolution, S. 35

22 3. Die soziale Frage a) Ursachen des Pauperismus
Soziale Strukturen auf dem Kontinent um 1850: Anteil der Landwirtschaft an der Erwerbsbevölkerung: 70 % der Einwohner lebten von der Landwirtschaft Anteil der Industriearbeiterschaft an der Erwerbsbevölkerung: 4-5 % Ursachen der Massenarmut („Pauperismus“) bis 1850: 1. Erträge (v. a. der Landwirtschaft) blieben gegenüber dem Bevölkerungswachstum zurück 2. Krise der Heimindustrie unter dem Druck der Industrialisierung (z. B. Schlesien: „Weberaufstand“)

23 b) Ansätze einer staatlichen Sozialpolitik Das Beispiel England
Speenhamland-System: Lohnsubventionen als Element der Armenfürsorge Folge: Explosion der Sozialfürsorgekosten Reduzierung der Aufwendungen für Armenfürsorge durch das Armengesetz von 1834 Zentrale Armenbehörde (Poor Law Commission) Verbot von Lohnsubventionen Armenarbeit in Arbeitshäusern zu niedrigen Löhnen (um 1850: ca 20 % der Armen) Stigmatisierung von Armut Seit 1833 Fabrikgesetze Kinder zwischen 8 und 12 Jahren dürfen lediglich 6 ½ Stunden pro Tag in Fabriken arbeiten Ab 1847 gesetzlicher Zehnstundentag für Frauen und 13 bis 18-jährige Jugendliche

24 Das Beispiel Frankreich
Armenfürsorge seit dem 16. Jahrhundert im Wesentlichen Aufgabe der Kommunen, seit dem 18. Jahrhundert Einschränkung der Zuständigkeit auf ortsansässige Arme Einführung der „Bureaux de Bienfaisance im Jahre 1797 (Gesetz vom 7. Frimaire des Jahres V der Französischen Republik) Fürsorgeberechtigt in der Gemeinde geborene Arme, im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts Wohnortsprinzip (Unterstützungswohnsitz) Bureaux de Bienfaisance zumeist in Städten, ländliche Gemeinden mit „Buros“ in der Minderheit. Im Laufe des 19. Jahrhunderts allmählich verstärkte Anstrengungen der Gemeinden in der Armen- und Gesundheitsfürsorge Zunächst vor allem Findel- und Waisenkinder Geburtshilfe für arme Mütter Zunächst wachsende Zahl der Hilfsempfänger, gegen Ende des „langen“ 19. Jahrhunderts abnehmend Ende der 1840er Jahre: ca. 0,7 Mio Anfang der 1870er Jahre: ca. 1,1 Mio am Vorabend des Ersten Weltkriegs: 1,2 Mio

25 Das Beispiel Luxemburg
Nach 1815: Armenfürsorge ländlicher Gemeinden von Kantons- auf Gemeindeebene verlagert (Bureaux de Bienfaisance) Armenfürsorgeberechtigt in der Gemeinde geborene oder länger als fünf Jahre ortsansässige Personen Armengesetz von 1843: Armenhilfen grundsätzlich nur für arbeitsunfähige Personen Überwachung der Lebensführung der Armen Bettelei kriminalisiert Verstärkt Armenarbeit bei öffentlichen Baumaßnahmen oder im Bettlerhaus in der Stadt Luxemburg Im Laufe des 19. Jahrhunderts zunehmende Armenhilfen, insbesondere der Kommunen ähnlich der Entwicklung in Frankreich

26 IV. Fazit der vierten Vorlesungsstunde
Die Antworten auf die entscheidenden Fragen der Industrialisierungsgeschichte bleiben strittig. Neuere Autoren halten eine zwangsläufige Entwicklung hin zur Industrialisierung für eher unwahrscheinlich. Unbestritten ist, dass sich die Industrialisierung bedeutender Teile Europas bis 1890 unumkehrbar durchsetzte. Jene Erklärungsansätze, die wie Alexander Gerschenkron den Industrialisierungsprozess in nationalen Untersuchungseinheiten fassen wollen, sollten durch jene ergänzt werden, die im Anschluss an Sidney Pollard regionale Industrialisierungszonen vergleichend betrachten. Besonders viel versprechend ist der Ansatz von Jordan Goodman und Katrina Honeyman, die die Industrialisierung weder als nationale noch als regionale Entwicklung betrachten, sondern als einen Prozess mit wechselnden räumlichen und sektoralen Bezügen.

27 Fazit (2) Darüber hinaus sollten politisch-administrative Einflüsse stärker als bislang gewichtet und die zeitweilig etwas vernachlässigte Frage nach der Rolle der Landwirtschaft in diesen Prozessen wieder aufgegriffen werden. Gleichzeitig muß die Betrachtung der Schwerindustrie, die unbestritten eine Schlüsselrolle im Industrialisierungsprozess spielte, in den Zusammenhang der Agrarrevolution und des Aufbaus der Textilindustrie gestellt werden. Wichtig sind auch die außereuropäischen Bezüge dieser Prozesse: Angesichts der wirtschaftlichen und politischen Expansionsbewegungen Europas in die übrigen Weltregionen hinein, sind die Wirkung dieser Bewegungen und ihre Rückwirkung nach Europa von besonderem Interesse.

28 Fazit (3) Die Industrialisierung begann in England, zunächst in der Textil-, dann auch in der Eisen- und Stahlindustrie. Dabei wurde zunehmend Steinkohle als Energieträger eingesetzt. Seit 1815 bildeten sich auf dem europäischen Festland industrielle Zentren, zunächst in Belgien, später in Frankreich, bis 1850 auch in Deutschland und Russland – hier allerdings noch auf der Grundlage von Holzkohle. Der Technologietransfer vollzog sich über englische Waren, Handwerker und Unternehmer, sowie durch den Ausbau technischer Hochschulen. Neben den Unternehmern und Banken traten zunehmend die Regierungen als Akteure und Forderer der Industrialisierung auf, insbesondere durch den Ausbau der Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur und durch hoheitliche Maßnahmen. Als wichtigstes gesellschaftspolitisches Ergebnis dieser Umwälzungen stellte sich die soziale Frage, die allmählich, wenn auch völlig unzureichend, durch staatliche Maßnahmen berücksichtigt wurde.

29 Literaturhinweise Jean-Pierre Bardet, Jacques Dupâquier, Histoire des Populations de l´Europe, Bd. 2, Paris 1998. Christoph Buchheim, Industrielle Revolutionen. Langfristige Wirtschaftsentwicklung in Großbritannien, Europa und Übersee, München 1994. Felix Butschek, Europa und die Industrielle Revolution, Wien, Köln, Weimar 2004 William O. Henderson, The Industrial Revolution on the Cnotinent. Germany, France, Russia , London 1967. Peter Kriedte, Hans Medick, Jürgen Schlumbohm, Industrialisierung vor der Industrialisierung. Gewerbliche Warenproduktion auf dem lande in der Formationsperiode des Kapitalismus, Göttingen 1978. René Leboutte, Vie et mort des bassins industriels en Europe , Paris 1997. Pierre Lebrun, Essai sur la révolution industrielle en Belgique , Brüssel Toni Pierenkämper, Umstrittene Revolutionen, Frankfurt am Main 1998 Richard Sylla, Gianni Toniolo (Hgg.), Patterns of European Industrialization. The Nineteenth Century, London 1991.

30 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!


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