Univ.-Klinik für Neurologie Wien

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 Präsentation transkript:

Univ.-Klinik für Neurologie Wien Liquordiagnostik Harald Kollegger Univ.-Klinik für Neurologie Wien

Liquor cerebrospinalis Physiologische Grundlagen ► Produktion: Bildung als Primärfiltrat der Plexus choroidei in den vier Ventrikeln des Gehirns ► Austritt über das Foramen Magendie und die Foramina Luschkae in die basalen Zisternen, von dort Aufstieg über die Konvexität der Hemisphären und Abstieg in den spinalen Bereich ► Resorption: über die arachnoidealen (Pacchioni´schen) Granula- tionen an der Innenfläche des Schädeldaches und (in geringer Menge) über die Spinalnerven ► Gesamtmenge: 140-160 ml, Turnover-Zeit 6 Stunden, d.h. in 24 Stunden werden 500-700 ml Liquor produziert ► Aufgaben: Schutz gegen mechanische Traumen – Elektrolyt- Homöostase – Abtransport von Schlackenstoffen

Liquor cerebrospinalis Indikationen zur Liquordiagnostik ► Vd. a. entzündlichen Prozeß im Bereich der Meningen, des Gehirns, des Rückenmarks oder der Nervenwurzeln (bakteriell, viral, durch Pilze oder Parasiten verursacht, auf autoimmunologischer Basis) ► Vd. a. akute spontane Subarachnoidealblutung (SAB), falls nicht bereits mittels CCT eine SAB nachgewiesen wurde ► Tumoren im intrakraniellen oder im spinalen Bereich: ev. zytologische Diagnostik, ggf. Nachweis einer Meningeosis neoplastica (carcinomatosa, lymphomatosa, leucaemica, sarcomatosa)

Liquor cerebrospinalis Entnahme des Liquors ► Lumbalpunktion: erfolgt zwischen den Dornfortsätzen der Lenden- wirbelkörper 3 / 4 oder 4 / 5 ► Subokzipitalpunktion: nur in Ausnahmefällen ► Entnahme aus einem Seitenventrikel: nur in Ausnahmefällen ► benötigte Menge: 5-7 (-12) ml ► Inspektion: der Liquor des Gesunden ist klar, farblos, geruchlos ► Abweichungen: Liquor blutig oder xanthochrom (nach Blutungen in den Subarachnoidealraum), Liquor trüb (bei erheblich er- höhter Zellzahl bzw. deutlich erhöhter Gesamtprotein-Konzen- tration)

Gefahren und Kontraindikationen Lumbalpunktion Gefahren und Kontraindikationen ► erhöhter intrakranieller Druck („Hirndruck“): Gefahr der Einklemmung von Gehirnanteilen im Bereich des Tentoriumschlitzes bzw. des Foramen occipitale magnum – vor jeder Lumbalpunktion müssen obligatorisch die Fundi beurteilt werden (Stauungspapillen ?), ggf. Durchführung einer CCT-Untersuchung ► raumfordernde Prozesse im spinalen Bereich: ev. abrupte Zunahme der neurologischen Ausfälle („spinale Einklemmung“) ► primäre oder sekundäre (iatrogene) Gerinnungsstörungen: orale Anti- koagulation bzw. Thrombozyten-Konzentrationen < 30 G/l gelten als problematisch ► erregerbedingte entzündliche Prozesse auf dem prospektiven Punk- tionsweg (Gefahr der Inokulations-Meningitis)

Liquor cerebrospinalis Quantitative Meßgrößen (1) Zellzahl: ► Zählung in der Fuchs-Rosenthal-Kammer: Volumen ca. 3 µl, daher Angabe als „Drittelzellzahl“ (30/3 Zellen = 10 Zellen/µl) ► Normbereich: 0/3 bis 12/3 Zellen = 0-4 Zellen/µl (kernhältige Zellen, allfällig vorhandene Erythrozyten werden nicht berücksichtigt) ► Meßbereich: 0/3 bis etwa 30000/3 Zellen Gesamtprotein-Konzentration: ► photometrische Messung (Wellenlänge 450 nm) ► Normbereich: 20 bis 45 mg/dl ► Meßbereich: 0 bis > 1000 mg/dl

Liquor cerebrospinalis Quantitative Meßgrößen (2) Glukose-Konzentration: ► Messung mit enzymatischen Methoden ► Normbereich: 50 bis 80% der Blutzucker-Konzentration ► ein Abfall der Glukose-Konzentration ist als pathologisch zu werten Laktat-Konzentration: ► ein Abfall der Glukose-Konzentration geht oft mit einem deutlichen Anstieg der Laktat-Konzentration im Liquor einher ► Normbereich: im lumbal gewonnen Liquor < 2.1 mmol/l; im aus einem Ventrikel gewonnenen Liquor < 3.4 mmol/l ► komatöser Patient, über längere Zeit erhöhte Laktat-Konzentration: prognostisch ungünstiges Zeichen

Liquor cerebrospinalis Qualitative Meßgrößen (1) Zytologie: ► Beurteilung möglichst innerhalb von 2 Stunden nach der Punktion ► im Liquor des Gesunden finden sich Lymphozyten und Monozyten (Verhältnis 2 : 1) ► die Präsenz von Neutrophilen, Eosinophilen oder Plasmazellen ist als pathologisch zu werten Protein-Diagnostik: ► funktionell bedeutsame Liquorproteine: Albumin, Immunglobuline IgM, IgG, IgA ► Normbereich im Vergleich zur Serum-Konzentration bei intakter Blut-Hirn-Liquor-Schranke: Albumin 1/200; IgG und IgA 1/400, IgM 0

Liquor cerebrospinalis Qualitative Meßgrößen (2) ► intrathekale Immunglobulin-Synthese: findet nur statt, wenn im Liquorraum ein Antigen präsent ist (bakterielle A., virales A., Auto-A., Tumor-A.) ► ev. Nachweis erregerspezifischer Antikörper (z.B. Neuro-Borre- liose, Herpes simplex Typ 1-Enzephalitis, HIV-Enzephalitis) ► „oligoklonale Banden“: mittels Elektrofokussierung werden die Liquor- und Serum-Proteine getrennt; durch den Vergleich der isoelektrischen Punkte bzw. Banden wird geprüft, ob im Liquor Proteine vorhanden sind, die im Serum fehlen; im gegebenen Fall besteht der Verdacht auf das Vorliegen einer intrathekalen Immunglobulin-Synthese („positive oligo- klonale Banden“)

Subarachnoidealblutung (SAB) Liquordiagnostik Subarachnoidealblutung (SAB) Differenzierung SAB – artifizielle (iatrogene) Blutbeimengung: ► „Mehrgläserprobe“: der Liquor wird portioniert in mehreren (4-5) Eprouvetten nacheinander aufgefangen; ist der Farbzustand in der 1. Eprouvette deutlich intensiver als in der letzten, ist von einer artifiziellen Blutbeimengung auszugehen; ist der Farbzustand in allen Eprouvetten gleich, ist von einer SAB auszugehen ► Sediment: das Vorliegen von Erythrophagen und/oder Sidero- phagen spricht für eine abgelaufene SAB; das Fehlen von Erythrophagen und Siderophagen spricht für eine artifizielle Blutbeimengung

Meningitiden / Meningoenzephalitiden Liquordiagnostik Meningitiden / Meningoenzephalitiden ► Zytologie: in der Frühphase primär neutrophile Granulozyten, später treten aktivierte Lymphozyten und Plasmazellen hinzu, in der Rekonvaleszenz Monozyten und Makrophagen ► Nachweis bakterieller Erreger: May-Grünwald-Giemsa-, Gram- Färbung ► Nachweis bakterieller und viraler Erreger: PCR (Mykobakterien, Herpes simplex Typ 1-, Typ 2-, Varicellen-Zoster-, Epstein- Barr-, Cytomegalie-Virus, Enteroviren) ► Parasitosen: Anstieg der Eosinophilen-Fraktion auf > 5% ► DD Autoimmunerkrankungen (z.B. Multiple Sklerose): Plasma- zellen im Liquor weisen auf eine gesteigerte intrathekale Produktion von AK gegen Bestandteile der Myelinscheide und somit auf einen aktiven Krankheitsprozeß hin

„dissoziierter Liquor“ Liquordiagnostik „dissoziierter Liquor“ Definition: erhöhte Gesamtprotein-Konzentration im Liquor, Zellzahl (fast) im Normbereich, keine pathologischen Zellen (albumino- zytäre Dissoziation) Ursachen: ► Polyradikulitis vom Typ Guillain-Barrè ► chronische inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP) ► neurodegenerative Erkrankungen ► Neurinome ► Liquorabfluß-Störungen („Sperrliquor“, „Stauungsliquor“)

Liquordiagnostik Tumorzellen ► Primärtumoren des Gehirns, der Gehirnhäute oder des Rücken- marks: Medulloblastom, Ependymom, Plexuspapillom, Pinea- lom, Meningeom, Glioblastom ► Metastasen mit Kontakt zum Liquorraum: z.B. Mamma-, Bronchus-, Prostata-Karzinom ► Infiltration der weichen Hirnhäute mit malignen Zellen (Aussaat in den Liquorraum): Meningeosis neoplastica (M. carcinomatosa, lymphomatosa, leucaemica, sarcomatosa)