Selbstreguliertes Lernen durch reflexives Schreiben –

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 Präsentation transkript:

Selbstreguliertes Lernen durch reflexives Schreiben – oder wie und warum Lerntagebücher Behalten, Transfer und weiteres Lernen fördern Alexander Renkl Universität Freiburg i.B. Basierend auf Arbeiten von Kirsten Berthold, Inga Glogger, Sabine Hauser, Sandra Hübner, Matthias Nückles, Rolf Schwonke u.a.

Was war der Ausgangspunkt des Forschungsprogramms? Antworten auf Fragen der folgenden Art: "Sie waren doch letztes Semester in einem XY- Seminar. Um was ging es da?"

Lerntagebuch / Journal Writing: Unsere Konzeption Schriftliche Reflexion über zurückliegende Lernerfahrungen (z.B. Seminarsitzung, Vorlesung, eine Schulwoche Mathematik) Ausformulierter Text (und Bild), aber sprachliche Eleganz und Grammatik nur sekundär Individueller Fokus erlaubt "Ernsthafte" reflektive Auseinandersetzung (für Studierende: ca. 2 Seiten, 1,5 Std.) Ziele: Anwendung von Lernstrategien  Effekte: Behalten, Transfer, künftiges Lernen

Lerntagebuch: Gute Beispiele Nach einer Vorlesung in Entwicklungspsychologie : "Jetzt verstehe ich, warum meine 3 Jahre alte Tina … " Zweiphasiges Seminar (erst: Lernen über e-learning; dann Projektseminar: Weiterbildung für Lehrer): "XY ist ein wichtiger Punkt, den wir für unsere Lehrerweiterbildung im Auge behalten sollten, da …" Nach einer Schulwoche Mathematik – Geometrie: "Ich habe verstanden, wie man die Fläche eines Dreiecks berechnet. Manchmal weiß ich aber nicht so genau, wie man die Höhe bestimmen kann …" Constrain interpetation mit Gabel neben Teller-Beispiel erklären

Lerntagebuch: Was es nicht ist! Stichwortliste Angereicherte Vorlesungsfolien Keine Zusammenfassung Keine Ergebnissicherung / kein Formelheft Keine Methode entdeckenden Lernens (inquiry learning) (vgl. Gallin & Ruf) Keine vordefinierte Textsorte (d.h. kein rhetorisches Schema ist zu berücksichtigen)

Theoretischer Hintergrund Schreibforschung: Writing-to-learn (not learning-to-write) - Schreiben als Problemlösen (z.B. knowledge transforming; Scardamalia & Bereiter): Perspektive für Schreibnovizen nicht besonders geeignet. - "Strong-text view" (e.g., knowledge-constituting theory von Galbraith) - "Self-regulation view" (Bangert-Drowns et al.) Lernstrategie und Selbstregulationsmodelle - Elaboration, Organisation, Metakogniton (Weinstein & Mayer) - Selbstreguliertes Lernen (z.B. Zimmerman) Constrain interpetation mit Gabel neben Teller-Beispiel erklären

Lernstrategien in Lerntagebüchern Elaboration "Jetzt verstehe ich, warum meine 3 Jahre alte Tina … " Organisation "XY ist ein wichtiger Punkt, den wir für unsere Lehrerweiterbildung im Auge behalten sollten, da …" Metakognition / Verständnisüberwachung "Ich habe verstanden, wie man die Fläche eines Dreiecks berechnet. Manchmal weiß ich aber nicht so genau, wie man die Höhe bestimmen kann …"

Selbstregulation beim Lerntagebuch Verständnis- überwachung Organisation & Elaboration Planung remedialer Strategien

Wichtige Befunde zum Lerntagebuch Wenn angemessen implementiert: Lerntagebuch effektiver als wissenschaftlicher Bericht oder Zusammenfassung (z.B. McCrindle & Christensen, 1995) Nückles, Schwonke, Berthold & Renkl (2004). Journal of Educational Media. Nach nur kurzer Einführung: Eingeschränkte Anwendung von (metakognitiven) Lernstrategien (auch bei Psychologiestudierenden im Hauptstudium) Hohe Korrelationen zwischen kognitiven Lernstrategien und Lernerfolg Keine Korrelationen zwischen metakognitiven Lernstrategien und Lernerfolg Constrain interpetation mit Gabel neben Teller-Beispiel erklären

Kognitive und metakognitive Prompts Berthold, Nückles & Renkl (2007). Learning & Instruction Laborexperiment mit 84 Psychologiestudierenden Video-Vorlesung zur Entwicklungspsychologie (Conceptual Change) 2x2-Design: Kognitive und metakognitive Prompts

Prompts: Beispiele Kognitive Prompts Was sind ihrer Meinung nach die Hauptpunkte? Können Sie Bezüge zwischen den Inhalten des Videos und ihrem Schulwissen oder Alltagserfahrungen herstellen? Metakognitiver Prompt Wie könnte ich meine Verständnisprobleme an besten erklären?

Prompt-Effekte: Strategien

Prompt-Effekte: Lernerfolg

Berthold et al. (2007): Diskussion Kognitive Prompts (auch in Kombination mit metakognitiven Prompts) fördern über verbesserte Lernstrategien vermittelt Verstehen und Behalten Metakognitive Prompts / Strategien alleine helfen nicht Metakognition = rubbish? Individualisierte / adaptive Prompts noch effektiver?

Adaptive Prompts Schwonke, Hauser, Nückles & Renkl (2006). Computers in Human Behavior. eHelp-Programm (electronic help for writing and administration learning protocols) Erst "Galbraith" (25 min.), dann "Selbstregulation" (d.h. Prompts zur Revision, 15 min.) Exp. Bedingungen (N = 81 Psychologiestudierende): Adaptive Prompts – Lernstrategiefragebogen Adaptive Prompts – Metawissenstest "Zufällige" Auswahl von Prompts Keine Prompts

Lernstrategien und Lernerfolg

Metakognition = Rubbish? Nückles, Hübner & Renkl (2009). Learning & Instruction. Laborexperiment mit 103 Studierenden (primär Psychologie) Videovorlesung über Cognitive Load-Theorie 30 min. Entwurf ("Galbraith") and 30 min. Revision mit Textmaterialen zur Vorlesung ("Regulationsmöglichkeit") Gleiche vier Bedingungen wie in Berthold et al.: Mit und ohne kognitive / metakognitive Prompts (eine Bedingung für den Moment ignoriert)

Prompt-Effekte: Lernerfolg

Nückles et al. (2009): Diskussion Metakogniton ist nicht "rubbish", wenn es Regulationsgelegenheit gibt (hier: Text und Zeit) Kognitive and metakognitive Prompts haben additive Effekte (trotz konstanter Promptzahl über alle Bedingungen)

Prompts im Feld Nückles, Hübner, Dümer, & Renkl (in press). Instructional Science – Exp. 1 Feldexperiment mit 50 Psychologiestudierenden – Seminare in Entwicklungspsychologie Gemischte Prompts versus keine Prompts 6 Lerntagebucheinträge in erster Semesterhälfte, 6 Einträge in der zweiten Hälfte. Zusätzliche Erfassung von Motivation (künftiges Lernen)

Nückles et al. (in press)- Exp. 1: Kognitive Strategien

Nückles et al. (2008) – Exp. 1: Lernerfolg

Nückles et al. (in press) – Exp. 1: Interesse/Spass

Nückles et al. (in press) – Exp. 1: Diskussion Over-prompting mit der Zeit Expertise-reversal effect (Kalyuga) Können adaptive ausgeblendete Prompts hier Abhilfe schaffen?

Adaptiv ausgeblendete Prompts Nückles et al. (in press) Instructional Science – Exp. 2 N = 45 (62) Psychologiestudierende Drittautorin analysierte Einträge und blendete ggf. aus (Fading, wenn > 4.5 – Skala 1 to 6) Experimentelle Bedingungen: Adaptiv ausgeblendete Prompts Fortgesetztes Prompten (Zusätzliche Kontrollgruppe)

Nückles et al. (in press) – Exp. 2: Kognitive Strategien Erste 4 Sitzungen Restliche Sitzungen

Nückles et al. (in press) – Exp. 2: Lernerfolg

Lerntagebuch: Förderung künftigen Lernens Hübner, Nückles & Renkl (2010). Learning & Instruction Laborexperiment, 70 Gymnasiasten (mittleres Alter: 17 Jahre) Trainingssitzung "Sozialem Druck" Transfersitzung "Destruktiver Gehorsam" (7 Tage später) Lerntagebuch mit Prompts 2x2 Design während Training: Informiertes Prompten (10 min.) and Beispiel (10 min.)

Hübner et al. (2010): Transfer Lernerfolg zu Gehorsam

Andere Studien und Arbeiten I Lerntagebuchschreiben und Peer Feedback:  Lerntagebuchqualität verbessert / verschlechtert sich in Abhängigkeit von der Ausführlichkeit des Peer Feedbacks! Experiment zu "freiem Schreiben " und "Geplanten Schreiben " (2x2-Design)  Schreiben nicht gleich mit Planungsanforderungen "einengen"! Anpassung von Prompts an weniger fortgeschrittene Lernende (Realschüler)  Realschüler brauchen spezifischere Prompts!

Andere Studien und Arbeiten II Untersuchungen zur Diagnose von Lernstrategien mit Lerntagebuch  Keine Patentlösung, aber guter Einstieg für Lehrer in diese Thematik! Lerntagebuch in der Lehramtsausbildung in Mathematik: Reflexion über "authentisches" Mathematikbetreiben (mit PH Freiburg)  Man wird sehen!?

Theoretische Implikationen Befunde unterstützen einen kombinierten "strong- text view" und "self-regulation view" des Lernen durch Schreibens Befunde unterstützen die Konstrukte "expertise- reversal effect" in Bezug auf Prozessunterstützung  Modifizierter "self-regulation view"

Instruktionale Implikationen: Effektives Lerntagebuchschreiben "Galbraith" ist sinnvoll Kombination aus kognitiven und metakognitive Prompts ist sinnvoll Lerntagebuchschreiben kann gut eingeführt werden über (a) Informiertes Prompting und (b) Beispiel Adaptation 1: Spezifität der Prompts auf Niveau der Lernendengruppe anpassen Adaptation 2: Anpassung an Individuum (wenn machbar) Adaptation 3: Anpassung an Fortschritte (wenn machbar; ansonsten "fixed fading")

Relevant für die Schulpraxis? Nicht untypischer Kommentar von Lehrern und Lehrerbildnern: "Kennen wir schon, haben wir auch schon probiert, bringt's auch nicht wirklich!" (1) "Wenn man's 'mal so probiert", bringen "neue Methoden" ganz selten etwas? (2) Qualität der Implementation einer Methode wichtiger als Auswahl der Methode! (3) Deshalb bringt es auch "einmal probieren" nicht. (4) Vorliegendes Forschungsprogramm ermöglicht "informiertes" und damit aussichtreiches Probieren!

Ich hoffe, Sie fühlten sich nicht so, …

… sondern empfanden es als anregend.