Hirnnerven-Läsionen N. VIII Karl Zeiler, Christoph Baumgartner

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 Präsentation transkript:

Hirnnerven-Läsionen N. VIII Karl Zeiler, Christoph Baumgartner Univ.-Klinik für Neurologie Wien

N. acusticus (N. cochlearis) Anatomische Grundlagen Sinnesepithel: im Corti´schen Organ der Cochlea (Schnecke; Innenohr) N. acusticus (1. Neuron): zusammen mit dem N. vestibularis und dem N. VII im Meatus acusticus internus → Kleinhirnbrückenwinkel → tritt im kaudalen Teil der Brücke in den Hirnstamm ein → vier Kerngebiete des N. cochlearis (unter dem Boden des IV. Ventrikels, Übergang Brücke/Medulla oblongata; Umschaltung) 2. Neuron: tw. Kreuzung → homo- und kontralateral zum Corpus geniculatum mediale (tw. via Colliculi inferiores), Umschaltung Zentrales Neuron: → Radiatio acustica → primäre und sekundäre kortikale Felder der Hörbahn in den Gyri temporales transversi (Heschl´sche Querwindung, Area 41) bzw. an der lateralen Seite des Temporallappens

Anatomische Grundlagen N. vestibularis Anatomische Grundlagen Sinnesepithel: im Bereich der drei Bogengänge, des Utriculus und des Sacculus (im Innenohr) N. vestibularis (1. Neuron): zusammen mit dem N. acusticus und dem N. VII im Meatus acusticus internus → Kleinhirnbrückenwinkel → tritt am Übergang Brücke/Medulla oblongata in den Hirnstamm ein → Kerngebiet des N. vestibularis (unter dem Boden des IV. Ventrikels, Umschaltung) Weiterleitung der Informationen: → Kerne der Gegenseite, Augenmus- kelkerne, Formatio reticularis, Thalamus, Kleinhirn, Vorderhorn- zellen des Rückenmarks

N. acusticus Klinische Prüfung (1) ► grob orientierende Prüfung: Umgangssprache, Flüstersprache (der jeweils andere Gehörgang wird mit einem bewegten Finger ver- schlossen) ► quantitative Prüfung, Lokalisation allfälliger Läsionen: Audiometrie, Ableitung akustisch evozierter Potentiale ► Weber-Versuch (Prüfung der „Knochenleitung“): eine angeschlage- ne Stimmgabel wird auf den Scheitel des Patienten aufgesetzt: Gesunder: hört den Ton in der Medianen Schalleitungs-Störung: der Ton wird auf der klinisch betroffenen Seite lauter gehört („Weber zur betroffenen Seite lateralisiert“) Schallempfindungs-Störung: der Ton wird auf der klinisch ge- sunden Seite lauter gehört („Weber zur gesunden Seite late- ralisiert“)

N. acusticus Klinische Prüfung (2) ► Rinne-Versuch: Vergleich zwischen „Luftleitung“ und „Knochen- leitung“: eine angeschlagene Stimmgabel wird auf einen Warzenfortsatz aufgesetzt; sobald der Patient keinen Ton mehr wahrnimmt, wird die immer noch schwingende Stimm- gabel vor das gleichseitige Ohr des Patienten gehalten: Gesunder: hört weiterhin einen Ton (doppelt so lange wie über die Knochenleitung, „Rinne positiv“) Schalleitungs-Störung: Patient hört nichts („Rinne patho- logisch“, „Rinne negativ“) Schallempfindungs-Störung: Patient hört weiterhin einen Ton („Rinne positiv“)

N. vestibularis Klinische Prüfung ► Steh- und Gehversuche ► Barany´scher Zeigeversuch: der Patient streckt beide Arme vor und schließt die Augen; dann führt er einen Zeigefinger senk- recht nach unten und versucht, den Zeigefinger des Unter- suchers zu treffen ► Nystagmus-Prüfung: mit freiem Auge, mit der Frenzel-Brille (Ausschaltung der visuellen Fixation durch stark konvexe Linsen), mit Lagerungsproben, mit kalorischer Prüfung

Läsionen des N. acusticus Permanenter Tinnitus Klinisches Bild ► ein- oder beidseitig permanent mit gleicher Intensität wahrge- nommenes Ohrgeräusch ► als Pfeifen, Zischen, Singen, Summen, Rauschen oder Sausen beschrieben Ursachen ► cochleäre Schädigung (meistens) ► retrocochleäre Läsionen ► Erkrankungen im Bereich des Mittelohrs

Läsionen des N. acusticus Pulssynchroner (pulsierender) Tinnitus Klinisches Bild ► pulssynchron an- und abschwellend wahrgenommenes Ohrge- räusch ► Geräusch vom Untersucher mittels Stethoskop ev. hörbar Ursachen ► Gefäßmalformationen (Carotis-Cavernosus-Fisteln, arteriovenöse Malformationen, Dura-Fisteln) ► Glomus-Tumoren ► erhöhter intrakranieller Druck (ev. Verschwinden des Tinnitus durch Druck auf die V. jugularis) ► benigne intrakranielle Hypertension („Pseudotumor cerebri“) ► Dissektion der A. carotis interna NB: eingehende instrumentelle Abklärung erforderlich !

Periphere N. vestibularis-Läsionen Schwindel ► meistens heftiger Schwindel, bes. in der Akutphase ► fast immer systemisierter Schwindel, meistens im Sinne eines Dreh- schwindels in eine bestimmte Richtung, selten Schwank- oder Liftschwindel ► charakteristisch: ausgeprägte vegetative Begleitsymptome (Übel- keit, Erbrechen, Schweißausbrüche, Kollapsneigung) ► keine neurologischen Ausfälle, abgesehen von einer allfälligen Mit- beteiligung des N. acusticus

Zentrale N. vestibularis-Läsionen Schwindel ► meistens gering ausgeprägter Schwindel, bes. in der Akutphase ► ev. kein Schwindel, selbst bei deutlichem Nystagmus ► meistens unsystemisierter Schwindel, selten Schwankschwindel, sehr selten Liftschwindel oder Drehschwindel in eine bestimmte Richtung ► kaum vegetative Begleitsymptome (Ausnahme: Affektion vegeta- tiver Zentren im Hirnstamm) ► sehr oft neurologische Ausfälle, die auf eine Hirnstamm-Läsion hin- weisen; meistens keine Mitbeteiligung des N. acusticus

Periphere N. vestibularis-Läsionen Nystagmus ► gewöhnlich horizontaler Spontannystagmus zur Gegenseite, oft mit rotatorischer Komponente (Akutphase) ► Verstärkung des Nystagmus durch Kopfschütteln, Kopfbewegungen ► kalorische Prüfung: homolateraler Vestibularapparat vermindert oder nicht erregbar ► meistens zentrale Kompensation des Nystagmus innerhalb von wenigen Wochen

Zentrale N. vestibularis-Läsionen Nystagmus ► horizontaler Spontannystagmus bzw. Blickrichtungsnystagmus mit rotatorischer Komponente ist ebenso möglich wie vertikaler Nystagmus ► oft richtungswechselnder Lage-Nystagmus (schlägt beim Liegen auf dem rechten Ohr nach links, beim Liegen auf dem linken Ohr nach rechts) ► ev. dissoziierter Nystagmus

Periphere N. vestibularis-Läsionen Klinische Symptomatik ► meistens heftiger Drehschwindel (s.o.) ► meistens ausgeprägte vegetative Begleitsymptome (s.o.) ► ev. Mitbeteiligung des N. acusticus ► keine sonstigen neurologischen Ausfälle ► gewöhnlich horizontaler Spontannystagmus zu Gegenseite (s.o.) ► homolateraler Vestibularis-Apparat kalorisch vermindert oder nicht erregbar ► Romberg-Versuch: Zug- bzw. Falltendenz zur Seite der Läsion ► Unterberger-Tretversuch: Drehtendenz zur Seite der Läsion ► Strich-, Blindgang: Abweichen zur Seite der Läsion ► Vorhalteversuch der Arme: ev. Abweichen beider Arme zur Seite der Läsion ► Barany´scher Zeigeversuch: Abweichen des Fingers zur Seite der Läsion

Neurologisch relevante Ursachen einer erworbenen Hörverminderung / Ertaubung ► entzündliche Erkrankungen (basale Meningitiden, Borreliose, Hirnnerven-Polyneuritiden, Otitis media) ► Traumen (Schädelbasis-Frakturen, Contusio labyrinthi, Schall- traumen, Barotraumen) ► ischämisch bedingte Durchblutungsstörung im Versorgungs- bereich der A. labyrinthi ► Tumoren (Kleinhirnbrückenwinkel-Tumoren, Glomus-Tumoren, Cholesteatome) ► Meningeosis ► medikamentös-toxisch (Streptomycin, Gentamycin, Aminoglyko- side, diverse Zytostatika) ► Morbus Menière

Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel (1) Ursache, Pathophysiologie ► Cupulolithiasis als Folge der Loslösung von Otolithen-Partikeln ► Manifestation meistens spontan, ev. durch Traumen oder andere Erkrankungen des Labyrinths ► meistens fallen die Partikel in die Endolymphe des hinteren Bogen- ganges ► Lageänderungen des Kopfes: Stimulation der Cupula, Auslösung von Nystagmus und Schwindel ► Manifestation in jedem Lebensalter möglich

Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel (2) Klinisches Bild ► Auslösung des Schwindels gewöhnlich durch immer die gleiche Bewegung ► häufige Auslöser: sich Niederlegen in die Horizontale, sich Auf- setzen, Aufstehen, sich nach vorne Neigen (Bücken), sich Aufrichten aus gebückter Stellung, nach oben Blicken, ev. Drehen des Kopfes zur Seite, Lagewechsel im Liegen ► Lageänderung („Lagerung“): Auslösung des Schwindels, der i.a. nur wenige Sekunden (max. 30 sec) lang anhält ► heftiger Drehschwindel, der mit vegetativen Begleitsymptomen (Übelkeit, Brechreiz, Schweißausbrüche) einhergehen kann ► keine Hörminderung, kein Tinnitus ► keine sonstigen neurologischen Ausfälle

Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel (3) Diagnostik ► der sitzende Patient erhält die Frenzel-Brille ► die HWS wird um 30° nach rechts bzw. links gedreht ► der Patient wird auf den Rücken gelegt, die HWS wird um 30° rekliniert („Kopfhängelage“) ► Effekt: innerhalb weniger Sekunden tritt starker Schwindel auf, der wenige Sekunden (max. 30 sec) anhält ► gleichzeitig ist über die Frenzel-Brille ein Nystagmus zu beobachten, der ebenfalls innerhalb weniger Sekunden verschwindet ► der Nystagmus ist zum unten liegenden Ohr gerichtet und weist bei Blickwendung zum unten liegenden Ohr eine deutliche rotatori- sche Komponente auf, bei Blickwendung zur Gegenseite eine vertikale Komponente ► nach dem Aufsetzen des Patienten ist kurzfristig ein Nystagmus in die Gegenrichtung zu beobachten

Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel (4) Diagnostik ► die auslösende Lagerung hängt davon ab, welcher Bogengang betroffen ist: Kopfhängelage und Drehung der HWS, Seit- wärtsdrehen des Kopfes im Liegen (Lagerung auf das be- troffene Labyrinth), sich Bücken Therapie ► „Befreiungsmanöver“ ► ev. wiederholte freiwillige Provokation Prognose ► meistens Spontanremission innerhalb von wenigen Wochen

Kleinhirnbrückenwinkel-Tumoren ► meistens Neurinome (Ausgang vom N. vestibularis) ► homolaterale Hörminderung (gewöhnlich erstes Symptom), ev. Tinnitus ► Schwindel eher im Hintergrund bzw. erst spät, unsystemisiert oder Zug- und Falltendenz auf die Seite der Läsion ► objektiv: fast immer Zeichen eines homolateralen peripheren N. vestibularis-Ausfalls ► später: auch Symptome einer zentralen N. vestibularis-Schädigung ► letztlich: homolateral periphere N. VII-Parese, sensible Ausfälle im Versorgungsgebiet des N. V mit fehlendem Cornealreflex, ev. N. VI-Parese

Läsionen des N. stato-acusticus Diagnostik (1) Allmählich progrediente Hörverminderung, permanenter Tinnitus ► HNO-ärztliche Untersuchung (inkl. Audiometrie, Ableitung von AEP) Pulsierender Tinnitus ► Auskultation des Schädels und der perikraniellen Abschnitte ► ophthalmologische Untersuchung: Stauungspapillen ? ► CCT / kraniale MRT ► MR-Angiographie: Gefäßmalformation ? Glomus-Tumor ? ► Duplex-Sonographie der Carotiden: arterielle Dissektion ? ► ev. konventionelle Angiographie (in Zweifelsfällen)

Läsionen des N. stato-acusticus Diagnostik (2) Affektionen des vestibulären Systems ► kraniale MRT: bei Hinweis auf zentrale Läsion ► Röntgen der HWS: bei Hinweis auf zentrale Läsion Progrediente Symptome von seiten des N. acusticus und des N. vestibu- laris ► CCT / kraniale MRT: Beurteilung des Kleinhirnbrückenwinkels Beidseitige Läsion des N. stato-acusticus ► CCT / kraniale MRT ► Lumbalpunktion, Liquordiagnostik: bei Vd. a. entzündliche oder neo- plastische (Meningeosis) Ursache