Das Resistenzproblem Ursachen, Mechanismen, mögliche Auswege

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 Präsentation transkript:

Das Resistenzproblem Ursachen, Mechanismen, mögliche Auswege Ao.Univ.-Prof. Dr. Gerhard Ecker Institut für Pharmazeutische Chemie Universität Wien Universität Wien Institut für Pharmazeutische Chemie

Das Resistenzproblem Intrinsische Resistenz Erworbene Resistenz Unter Resistenz versteht man eine Insensitivität oder verringerte Sensitivität gegenüber Arzneistoffen, die das Zellwachstum verringern oder zum Zelltod führen Intrinsische Resistenz Erworbene Resistenz

Daten Methicillin-resistente S. aureus Penicillin-resistente S. pneumoniae

Das Resistenzproblem - Ursachen Verwendung im Humanbereich Gentransfer Verwendung von Antibiotika in der Tierfütterung

Verwendung im Humanbereich Verschreibung auch wenn nicht nötig In Ländern mit hoher Verschreibungsrate ist auch die Resistenzrate hoch Schlechte Compliance der Patienten Zu frühes Absetzen, Aufheben, ... Oft wird sofort das neueste Arzneimittel verschrieben Fördert rasche Resistenzentwicklung

Gentransfer Transformation: lösliche DNA-Stücke Die häufigste Ursache für Antibiotikaresistenz in der Klinik ist der Transfer von DNA-Segmenten. Dies erfolgt durch: Transformation: lösliche DNA-Stücke Transduktion: Plasmidtransfer über Phagen Konjugation: direkter Plasmidtransfer

Gentransfer Transformation: lösliche DNA-Stücke werden aufgenommen; eher unbedeutend Transduktion: Plasmide werden mittels Phagen von einem Bakterium zum anderen übertragen; z.B. Penicillin-resistente Staphylococcen Konjugation: Plasmide werden durch direkten Kontakt übertragen; vorwiegend bei gram-negativen Bakterien (Enterobacteriae)

Plasmide Plasmide sind kleine zirkuläre DNA-Moleküle, die unabhängig vom Genom vermehrt werden. Sie werden vielfach als Vektoren für die Klonierung von DNA verwendet; Resistenzplasmid R100: Tetracyclin, Sulfanilamid, Streptomycin, Chloramphenicol

Plasmide Plasmide enthalten meist mehrere Resistenzgene Antibiotikaresistenz in Shigellae (Japan): Jahr Anzahl Sm Tc Cm Sm,Cm,Tc 1953 4900 5 2 0 0 1956 4399 8 4 0 0 1958 6563 18 20 0 193 1960 3396 29 36 0 308 Streptomycin (Sm), Tetracyclin (Tc) und Chloramphenicol (Cm) Plasmidtransfer von multidrug-resistenten E. coli

Plasmide Bedeutung der coliformen Bakterien beachten Penicillin G-Resistenz in S. aureus durch Selektion von S. aureus Stämmen mit R-Plasmid mit -Laktamase Gen (85% innerhalb von 20 Jahren) Ampicillin Resistenz bei Haemophilus influenca Penicillin Resistenz bei Neisseria gonorrhoeae Carbenicillin Resistenz bei P. aeruginosa Bedeutung der coliformen Bakterien beachten

Plasmide Antibiotika-Resistenz von coliformen Bakterien in Abwasserkanälen: %Sm %Cm %Tc Krankenhaus 48.8 0.4 24.3 Wohngegend 0.6 0.007 0.1 Psych. Klinik 9.5 0.03 0.4 Sm: Streptomycin; Cm: Chloramphenicol; Tc: Tetracyclin trotzdem 95% der gesamten R-Plasmide der Stadt nicht von Krankenhäusern

Tierfütterung Etwa die Hälfte der in den USA verwendeten Antibiotika wird in der Tiermast verwendet Antibiotika im Tierfutter erhöhen die Performance, stabilisieren die Darmflora und verbessern das Wachstum (z.B. Flavomycin) Antibiotika im Tierfutter erhöhen Auftreten resistenter coliformer Bakterien Übertragung auf Darmflora der Bauern ist möglich

Tierfütterung Multidrug-resistente Salmonella Stämme von Tieren verursachen schwere Erkrankungen beim Menschen Verwendung von Fluorochinolonen in Hühnern zur Verhinderung von E. coli Infektionen (USA ab 1996) führt zum Auftreten von resistenten Champylobacter Stämmen (1999: C. jejuni 17.6% und C. coli 30%) Anteil der Verwendung von Antibiotika in der Tiermast am Auftreten resistenter Keime nicht geklärt

Das Resistenzproblem - Mechanismen Intrinsische Resistenz Mikroorganismen sind von Beginn an resistent gegen die Chemotherapeutika Erworbene Resistenz Mikroorganismen erwerben Resistenz während der Behandlung

Intrinsische Resistenz Rezeptor fehlt Fehlen von Sterolen in der Zellmembran von Bakterien führt zu Resistenz gegen antifungale Polyene (Amphotericin B, Nystatin). Isoniazid hemmt Synthese von Mycolsäure, das nur in Zellwänden von Mycobakterien vorkommt

Intrinsische Resistenz Konzentration am Rezeptor zu gering gram-negative Bakterien besitzen eine wesentlich komplexere Zellwand, sodaß Penicillin G nicht zum Wirkort (Penicillin-bindendes Protein) gelangt

Intrinsische Resistenz Konzentration am Rezeptor zu gering Rifampin hemmt die DNA-abhängige RNA-Polymerase. Wirkt jedoch nicht bei Pilzen, da es Zellwand nicht permeieren kann; zusätzliche Gabe niedriger Dosen von Polyenen führt zur Hemmung fungaler RNA-Synthese. Aufnahme von Aminoglycosiden benötigt Energie vom Membranpotential, das über ein bakterielles Elektron-Transportsystem aufrechterhalten wird. Hemmung des Transportsystems (CN, Anaerobia) führt zu Resistenz gegen Aminoglycoside

Erworbene Resistenz Verringerte Aufnahme oder Erhöhter Efflux In Analogie zur Multidrug-Resistenz bei Tumoren (P-Glycoprotein) werden auch bei Bakterien in verstärktem Ausmaß aktive Effluxsysteme identifiziert

Aktiver Efflux In der Tumortherapie ist der aktive Efflux von Zytostatika aus der Tumorzelle einer der Hauptmechansimen für das Auftreten von Multidrug Resistenz. Vorwiegend 2 Proteine beteiligt: P-Glycoprotein (PGP) Multidrug Resistance Related Protein (MRP)

Substrate für P-Glycoprotein Vinca Alkaloide Epipodophyllotoxine Vincristin Etoposid Vinblastin Teniposid Anthracycline Taxane Doxorubicin Daunorubicin Actinomycin D C.R. Leveille-Webster, I.M. Arias, J. Membrane Biol. 143, 89-102 (1995)

Effluxsysteme in Bakterien und Pilzen PGP Cluster pfMDR1 Plasmodium falciparum Cdr1p Candida albicans Pdr5p Saccharomyces cerevisiae Snq2p Saccharomyces cerevisiae LmrA Lactococcus lactis MRP Cluster Ycf1 Saccharomyces cerevisiae Yor1 Saccharomyces cerevisiae ltPgpA Leishmania tarentolae ceMRP1 Caenorhabditis elegans BCECF Lactococcus lactis H.W. van Veen, W.N. Konings, Sem. Cancer Biol. 8: 183-191 (1997)

Effluxsysteme in Bakterien und Pilzen MFS Familie caMDR1 Candida albicans LmrP Lactococcus lactis NorA Staphylococcus aureus RND Familie AcrB Escherichia coli MexB Pseudomonas aeruginosa MtrD Neisseria gonorrhoea SMR Familie EmrE Escherichia coli QacC Staphylococcus aureus QacE Klebsiella aerogenes H.W. van Veen, W.N. Konings, Sem. Cancer Biol. 8: 183-191 (1997)

Effluxsysteme in Bakterien Spezies Resistenz Escherichia coli Tetracyclin, Chloramphenicol, Ampicillin Pseudomonas aeruginosa Tetracyclin, Chloramphenicol, Norfloxazin Salmonella typhi Chloramphenicol Mycobacterium tuberculosis Isoniazid, (Azidothymidin)

Erworbene Resistenz Enzymatische Inaktivierung Grundlegender Mechanismus der Resistenz gegen: Penicilline: -Laktamasen Aminoglykoside: N-Acetyltransferase, O-Phosphotransferase, O-Adenylyltransferase Chloramphenicol: Chloramphencol-acetyltransferase

Enzymatische Inaktivierung Aminoglycoside N-Acetyltransferase (AAC) Acetyl-CoA + AG CoASH + N-Acetyl-AG O-Phosphotransferase (APH) ATP + AG ADP + Phospho-AG O-Adenylyltransferase (ANT) ATP + AG Ppi + AMP-AG Kanamycin B

Enzymatische Inaktivierung Chloramphenicol Chloramphenicol-Acetyltransferase acetyliert CM an 3-OH 3O-Acetyl-CM bindet nicht mehr an die 50S Untereinheit des bakteriellen Ribosoms CM-Acetyltransferase wird durch R-Plasmid übertragen R-Plasmid kann von S. typhi od. H. influenza auf E. coli und von diesen auf Salmonella übertragen werden (Tiermast!)

Erworbene Resistenz Verringerte Affinität des Rezeptors durch zufällige single-point Mutation wird Zielprotein so verändert, dass es den Arzneistoff nicht mehr bindet, aber trotzdem seine biologische Funktion erfüllt: ribosomales Protein - Streptomycin Penicillin bindendes Protein - Penicillin G Affinität nur verringert, zusätzliche Mutationen

Mögliche Auswege Entwicklung neuer Antibiotika Linezolid (Zyvox™) Dalfopristin/Quinupristin (Synercid®) Daptomycin Verwendung von Resistenzmodulatoren Effluxinhibitoren selbstregenerierende Aminoglycoside Verringerung der Antibiotika in der Umwelt lichtsensitive -Laktame

Antiinfektiva - Neuzulassungen Moxifloxacin Gatifloxacin Quinupristin/Dalfopristin Zanamivir Oseltamivir Abacavir Amprenavir

Neue Antibiotika Linezolid: Vertreter der neuen Klasse der Oxazolidinone aktiv gegen gram-positive Keime bindet an das bakterielle Ribosom und verhindert Proteinsynthese Resistenz durch Mutationen am Ribosom

Neue Antibiotika Dalfopristin/Quinupristin Streptogramin hemmen Proteinsynthese über Interaktion mit der Peptidyltransferase-Domäne der ribosomalen 50S Untereinheit jede Substanz für sich bakteriostatisch, Kombination ist bakterizid

Neue Antibiotika Daptomycin cyclisches Lipopeptid aktiv gegen Vancomycin resistente Enterococci Methicillin resistente Staphylococci Vancomycin resistente S. aureus

Resistenzmodulatoren Effluxinhibitoren - P-Glycoprotein Verapamil, Dexverapamil Dexniguldipin Cyclosporin Valspodar (SDZ-PSC 833) Allerdings: Notwendige Konzentrationen in vivo oft nicht erreicht Blut-Hirn Schranke geöffnet

Resistenzmodulatoren Effluxinhibitoren MC-207,110 (Microcide Pharm.) blockiert Effluxpumpen in P. aeruginosa hebt Resistenz gegen Fluorochinolone (Levofloxacin) wieder auf

Resistenzmodulatoren selbstregenerierende 3´-Ketoaminoglycoside Sebstregeneration nach enzymatischer Desaktivierung S. Mobashery et al., J. Am. Chem. Soc. 121, 11922 (1999)

Selbstregenerierende 3´-Ketoaminoglycoside

Verringerung in der Umwelt lichtsensitive -Laktame Selbstzerstörung durch UV-Licht S. Mobashery et al., J. Med. Chem. 43, 128 (2000)

Überwachung - Dokumentation

Überwachung - Dokumentation European Antimicrobial Resistance Surveillance System (EARSS) Reduktion der Antibiotikaresistenz in der EU Sammeln von Daten Analyse regionaler Unterschiede Korrelation der Unterschiede mit Risikofaktoren Neue Richtlinien für Verwendung von Antibiotika S. pneumoniae & S. aureus (E. faecium/faecalis, E. coli)

EARSS

World Antibiotic Resistance Network Globales Informationssystem über den gegenwärtigen Resistenzstatus in bestimmten Regionen Dateneingabe und Datenabfrage möglich

Das Resistenzproblem - Vorschläge Verschreibung von Antibiotika nur bei klarer Indikation (Südamerika, Osteuropa, ...) Zuerst „klassische“ Antibiotika verwenden Bei Therapieversagen Resistenzprofil bestimmen Finnland: Ansteigen der Resistenzen gegen Erythromycin Anfang 1990 Richtlinien zur sparsameren Verwendung - Verschreibungen sanken von 2.4 tägl. Dosen/1000 Einwohner auf 1.4 tägl. Dosen/1000 Einwohner Resistenz von Streptococcen sank von 16.5% (1992) auf 8.6% (1996)

Das Resistenzproblem - Vorschläge Auch im Veterinärbereich Verwendung von Antibiotika nur bei klarer Indikationsstellung Antibiotika zur Wachstumsperformance? seit 1.1.2000 sind in der EU nur noch Flavophospholipol, Salinomycin, Monensin und Avilamycin zugelassen Using the same antibiotics in people and animals is a bad idea Stanley Falkow & Donald Kennedy, Science 291, 19.1.2001