Elektromyographie (EMG)

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 Präsentation transkript:

Elektromyographie (EMG) Josef Zeitlhofer, Christian Wöber Univ.-Klinik für Neurologie Wien

Elektromyographie (EMG) Indikationen ► Plexus-Läsionen ► Wurzel-Läsionen (Untersuchung der paravertebralen Muskulatur und der sog. „Kennmuskeln“) ► traumatisch bedingte Läsionen peripherer Nerven ► Nervenkompressions-Syndrome ► Polyneuropathien ► Muskeldystrophien, Myotonien, Myositiden, andere Myopathien ► Muskelschwäche ungeklärter Ätiologie ► Erkrankungen der Vorderhorn-Ganglienzellen ► akuter Tetanus (entscheidende technische Zusatzuntersuchung !) ► Abgrenzung von psychogenen und simulierten Lähmungen (elektrische Aktivität intakt)

Elektromyographie (EMG) Aussagen ► Objektivierung von Läsionen ► Feststellung des Stadiums (des Alters) des Prozesses ► Differenzierung komplette vs. inkomplette Läsionen ► Lokalisierung von Läsionen (Untersuchung mehrerer Muskeln) ► Differenzierung neurogene vs. myogene Läsionen ► Reinnervation

Elektromyographie (EMG) Grundlagen (1) ► EMG: ermöglicht eine objektive und quantifizierbare Untersuchung der elektrischen Aktivität des Skelettmuskels ► eine konzentrische Nadelelektrode wird an mehreren Stellen in den Muskel eingestochen ► drei Untersuchungsschritte: in Ruhe (Muskel entspannt) wird auf pathologische Spontanaktivität geachtet; bei geringer Muskel- aktivität werden Potentiale motorischer Einheiten untersucht; bei maximaler Innervation wird das Interferenzmuster beurteilt ► die Potentialschwankungen werden auf einem Bildschirm beobach- tet und über Lautsprecher akustisch vermittelt ► invasive Untersuchung, u.U. schmerzhaft ► Kontraindikation: manifeste primäre oder sekundäre (iatrogene) Blutgerinnungsstörungen

Elektromyographie (EMG) Grundlagen (2) Spontanaktivität: ► Untersuchung in Ruhe, bei entspanntem Muskel ► „Einstichaktivität“: sehr kurze Entladungssalve, ausgelöst durch das Einstechen oder Vorschieben der Nadel (beim Gesunden); fortgeschrittene Atrophie: keine Einstichaktivität nachweisbar; Übererregbarkeit der Muskelfasern: gesteigerte Einstichaktivität (über sec. oder min.) ► nach der Einstichaktivität keine weitere Aktivität (beim Gesunden), der Muskel ist „elektrisch still“, abgesehen von einem „Endplat- tenrauschen“ im Bereich der motorischen Endplatte ► pathologische Spontanaktivität: Fibrillationen, positive scharfe Wel- len, myotone Entladungen, komplexe repetitive Entladungen („pseudomyotone Entladungen“), Faszikulationspotentiale

Elektromyographie (EMG) Grundlagen (3) Potentiale motorischer Einheiten: ► es werden Form, Dauer und Amplitude der Potentiale motorischer Einheiten beurteilt ► Untersuchung bei leichter Willkürinnervation ► neurogene Läsionen: im EMG üblicherweise verlängerte Dauer und vergrößerte Amplitude der Potentiale motorischer Einheiten ► myogene Läsionen: im EMG üblicherweise verkürzte Dauer und reduzierte Amplitude der Potentiale motorischer Einheiten ► erhöhte Polyphasierate (vermehrt Potentiale, die die Grundlinie mehr als viermal überqueren): bei neurogenen wie auch bei myogenen Läsionen

Elektromyographie (EMG) Grundlagen (4) Aktivitäts- bzw. Interferenzmuster: ► Untersuchung bei maximaler Willkürinnervation ► beim Gesunden findet sich ein „dichtes“ Interferenzmuster ► neurogene Läsionen: gelichtetes Interferenzmuster (es wird eine verminderte Zahl motorischer Einheiten rekrutiert), Amplitude üblicherweise vergrößert; ev. können nur noch Einzelpoten- tiale abgeleitet werden; bei totaler Denervation fehlen moto- rische Einheiten ► myogene Läsionen: dichtes Interferenzmuster bereits bei sub- maximaler Willkürinnervation (die maximale Zahl motorischer Einheiten wird schon frühzeitig rekrutiert), Amplitude üblicher- weise reduziert

Elektromyographie (EMG) Unterschiede neurogene ─ myogene Läsionen Läsion Läsion pathologische Spontan- aktivität in Ruhe fakultativ fakultativ Potentiale motorischer verlängerte Dauer, verkürzte Dauer, Einheiten bei leichter vergrößerte reduzierte Willkürinnervation Amplitude Amplitude Interferenzmuster bei maximaler Willkür- innervation gelichtet dicht

Elektromyographie (EMG) Traumatische Läsionen peripherer Nerven (1) totale Denervation (Neurotmesis, komplette Axonotmesis): ► keine Willkürinnervation möglich ► das EMG ist „stumm“ ► innerhalb von 2 Wochen nach dem Ereignis treten Fibrillations- potentiale und positive scharfe Wellen auf, die dann wieder verschwinden partielle Denervation: ► ein Teil der motorischen Einheiten bleibt willkürlich aktivierbar ► Fibrillationspotentiale

Elektromyographie (EMG) Traumatische Läsionen peripherer Nerven (2) Reinnervation (gesunde Axone sprossen in denervierte motorische Einheiten ein): ► zunehmend weniger, letztlich keine Fibrillationspotentiale mehr ► Zunahme der Dauer und der (zunächst niedrigen) Amplituden der Potentiale ► dann: erhöhte Polyphasie-Rate, Verlängerung der mittleren Potentialdauer, aufgesplitterte Potentiale (ev. für immer) ► Interferenzmuster bei maximaler Willkürinnervation: wird zu- nehmend dichter

Elektromyographie (EMG) Vorderhornzell-Erkrankungen ► Voraussetzung: EMG-Untersuchung von proximal und distal ge- legenen Muskeln in mindestens zwei von vier Etagen (kranial, zervikobrachial, thorakal, lumbosakral) ► generalisiertes Auftreten von pathologischer Spontanaktivität ► zunehmend verlängerte Potentialdauer ► Amplitudenerhöhung ► erhöhte Polyphasierate ► Amyotrophe Lateralsklerose: pathologische Spontanaktivität und zunehmend neurogene Veränderungen im Vordergrund ► Spinale Muskelatrophien, abgelaufene Störungen (z.B. Z. n. Poliomyelitis): Riesenpotentiale im Vordergrund

Elektromyographie (EMG) Muskelerkrankungen (1) Myopathien: ► pathologische Spontanaktivität ► gelegentlich Faszikulationspotentiale ► kurze, niedrigamplitudige, meist aufgesplitterte Potentiale moto- rischer Einheiten bei leichter Willküraktivität Myositiden: ► myogene Veränderungen: oft inselförmig (fleckförmig) ► chronisches Stadium: auch höheramplitudige Willkürpotentiale ► Interferenzmuster bei maximaler Willkürinnervation: meistens dicht, Amplitude jedoch niedrig

Elektromyographie (EMG) Muskelerkrankungen (2) Myotonien: ► myotone Entladungen („Sturzkampfbombergeräusch“) ► pseudomyotone Entladungen ► myogene Veränderungen (kurze, ev. auch polyphasische Potentiale)

Elektromyographie (EMG) Myasthenia gravis, Lambert-Eaton-Syndrom ► „repetitive Stimulation“: wiederholte Stimulation eines peripheren Nerven mit niedriger Reizrate (z.B. 3 Reize/sec. über 2 sec.) ► beim Gesunden: Amplituden bleiben (fast) gleich hoch ► Myasthenia gravis (postsynaptische Störung): Ausgangsamplitude normal, bei repetitiver Stimulation jedoch deutlicher Abfall („Dekrement“) der SPA; ein Abfall der 5. SPA gegenüber der 1. SPA um mehr als 10% ist diagnostisch relevant; wenn un- mittelbar vor der Messung Edrophonium (Tensilon®) i.v. injiziert wird, wird der Abfall der SPA reduziert bzw. er bleibt aus ► Lambert-Eaton-Syndrom (präsynaptische Störung): Ausgangs- amplitude niedrig (< 2 mV); bei hochfrequenter repetitiver Sti- mulation (Reizrate 20-50/sec.) Zunahme der Amplitude

Elektromyographie (EMG) Tetanus ► permanente Muskelkontraktionen infolge neuromuskulärer Über- erregbarkeit ► EMG aus dem M. masseter (oft initial betroffen) ► Daueraktivität der motorischen Einheiten mit abrupter Zunahme auf taktile, akustische oder elektrische Reize ► Verkürzung oder Aufhebung der „silent period“: die elektrische Daueraktivität wird auch im Anschluß an eine elektrisch oder reflektorisch induzierte Muskelkontraktion nicht unterbrochen (keine postreflektorische Innervationsstille)