Positive Diskriminierung durch Recht. von ao. Univ-Prof. Dr

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 Präsentation transkript:

Positive Diskriminierung durch Recht. von ao. Univ-Prof. Dr Positive Diskriminierung durch Recht? von ao.Univ-Prof. Dr. Michael Ganner 16.1 2007

Diskriminierung Nach der Rechtsprechung des EuGH liegt eine Diskriminierung vor, wenn unterschiedliche Vorschriften auf gleiche Sachverhalte angewendet werden oder wenn dieselbe Vorschrift auf ungleiche Sachverhalte angewendet wird. Sachlichkeitsgebot

IUSTITIA = Gerechtigkeit VfGH: 4 Frauen, 10 Männer

Formelle Gleichheit  Jedem wird von der Rechtsordnung der gleiche Handlungsspielraum eingeräumt Unabhängig von den eigenen materiellen Möglichkeiten und persönlichen Fähigkeiten Eine Differenzierung zB nach Geschlecht unterbleibt in jedem Fall Auch Ungleiches wird gleich behandelt  Umsetzung Für alle gleicher rechtlicher Rahmen durch ein striktes formales Diskriminierungsverbot oder ein striktes formales Gleichbehandlungsgebot

Materielle Gleichheit Ziel ist die Gleichheit im Ergebnis = grundsätzliche gleichmäßige Verteilung zwischen Männern und Frauen Umsetzung durch Einschränkung des Handlungsspielraums auf einer Seite Halbzwingendes Recht zB Konsumentenschutz, Mietrecht, Arbeitsrecht Im Geschlechterverhältnis „Positive Maßnahmen“; § 8 GBlG Besondere Fördermaßnahmen für Frauen; B-GBlG

Einfachgesetzliche Rechtsgrundlagen Bundesgleichbehandlungsgesetz – B-GlBG ( 1993) gilt nur für Bundesbedienstete  Landesgleichbehandlungsgesetz – L-GBG ( 2004) Gilt für Landesbedienstete  Gleichbehandlungsgesetz ( 1979, aktualisiert 2004) Regelt Gleichbehandlung von Mann und Frau im Arbeitsleben Novelle 1990: vorübergehende Sondermaßnahmen zur beschleunigten Herbeiführung der de-facto-Gleichberechtigung von Frau und Mann sind keine Diskriminierung (§ 2 Abs 3) Gesetze müssen verfassungskonform sein Deutschland: Neu! Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), seit 18. 8. 2006 in Kraft

§ 4a B-GlBG und § 5 GlBG Unmittelbare Diskriminierung wenn eine Person auf Grund ihres Geschlechtes in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Mittelbare Diskriminierung wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einem Geschlecht angehören, in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechtes benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich. 

Instrumente des B-GBlG Bundes-Gleichbehandlungskommission Gleichbehandlungsbeauftrage Arbeitsgruppen für Gleichbehandlungsfragen Interministerielle Arbeitsgruppe für Gleichbehandlungsfragen Besondere Fördermaßnahmen für Frauen; B-GBlG Frauenförderungsgebot; § 11 Frauenförderungspläne; § 11a Vorrangige Aufnahme in den Bundesdienst; § 11b Vorrang beim beruflichen Aufstieg; § 11c Vorrang bei der Aus- und Weiterbildung; § 11d 

Instrumente des GBlG „Positive Maßnahmen“; § 8 GBlG „Die in Gesetzen, in Verordnungen, in Instrumenten der kollektiven Rechtsgestaltung oder in generellen mehrere Arbeitnehmerinnen umfassende Verfügungen des/der Arbeitgebers/Arbeitgeberin getroffenen Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern, insbesondere durch Beseitigung tatsächlich bestehender Ungleichheiten im Sinne des Art. 7 Abs. 2 B-VG, gelten nicht als Diskriminierungen im Sinne dieses Gesetzes. Der Bund kann für besondere Aufwendungen, die Arbeitgeber/inne/n bei der Durchführung solcher Maßnahmen entstehen, Förderungen gewähren.“

Grundprinzipien unserer Rechtsordnung Liberale Verfassung Garantiert Freiheitsrechte Persönliche Freiheit, Meinungsfreiheit etc Keine Handlungspflichten, keine sozialen Grundrechte Rechtsordnung zielt auf Gerechtigkeitsminimum durch individuellen Interessenausgleich Gleichheit: Art 7 B-VG (1920) Gleiches muss gleich, Verschiedenes muss verschieden behandelt werden Abs 2 (1997) strebt materielle Gleichheit an Art 2 StGG (RGBl.Nr. 142/1867) „Vor dem Gesetze sind alle Staatsbürger gleich.“

Artikel 7 B-VG (1) Alle Staatsbürger sind vor dem Gesetz gleich. Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses sind ausgeschlossen. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich dazu, die Gleichbehandlung von behinderten und nichtbehinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten. (2) Bund, Länder und Gemeinden bekennen sich zur tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau. Maßnahmen zur Förderung der faktischen Gleichstellung von Frauen und Männern insbesondere durch Beseitigung tatsächlich bestehender Ungleichheiten sind zulässig.  (3) …

Internationale Bestimmungen Stufenbau der Rechtsordnung EU-Recht geht österreichischem vor UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau; BGBl 1982/443 Gleichbehandlungsrichtlinie 2002/73/EG Änderung der Richtlinie 76/207/EWG Art 14 EMRK: allgemeines Verbot der Benachteiligung Art 141 EGV: gleiches Entgelt für Männer und Frauen Gleiche Rechte von Mann und Frau in der Familie und in den Beziehungen zu den Kindern: Art 5 des 7. ZPEMRK Partnerschaftliches Familienmodell (1975)

EUGH (1) Grundsatz Kalanke 1995 Legitimes Ziel muss mit angemessenen Mitteln erreicht werden Von struktureller Diskriminierung wird ausgegangen Kalanke 1995 Starke Einschränkung der Zulässigkeit von Quotenregelungen Starre Quotenregelung ist nicht zulässig Berücksichtigungsmöglichkeit individueller Umstände (flexible Quote) ist erforderlich

EUGH (2) Marschall 1997 Nationale Quotenregelung möglich wenn weniger Frauen als Männer beschäftigt sind Schutz der Männer erforderlich (Härteklausel) Objektive Bewerbungsbeurteilung Alle die Person betreffenden Kriterien sind zu berücksichtigen Der Vorrang einer ausreichend, aber geringer qualifizierten Frau ist gleichheitswidrig

Konsequenzen OGH 2001 Novelle des B-GBG Österreichische Quotenregelung ist zu starr und schießt über das Ziel hinaus Novelle des B-GBG 40 % Quote Härteklausel (Öffnungsklausel) In der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe Unbestimmter Rechtsbegriff Die Beachtung dieser Gründe darf aber keine unmittelbar oder mittelbar diskriminierende Wirkung haben zB Alleinverdienerstatus

Rsp des VfGH VfSlg 8.871 (1980; Witwerpension): nur solche Ungleichbehandlungen sind vorübergehend sachlich gerechtfertigt, die wenigstens in der Richtung eines Abbaus der Unterschiede wirken. VfSlg 12.568 (1990): niedrigeres Pensionsantrittsalter von Frauen ist verfassungswidrig Gesetzesänderung mit stufenweiser Angleichung VfSlg 13.661 (1993; Namensrecht ehelicher Kinder: bei Uneinigkeit jener des Mannes; bei unehelichen aber jener der Mutter): der Gleichheitssatz verpflichtet den Gesetzgeber nicht, auf eine Änderung der tatsächlichen Gepflogenheiten bei der freien Wahl des Familiennamens hinzuwirken.

Weitere Beispiele Nachtarbeitsverbot von Frauen Verfassungswidrig Militär- und Zivildienst Verletzt Grundrecht auf Erwerbsfreiheit Beide Regelungen wurden von Frauen angefochten! Bereitstellung von subventionierten Kindertagesstättenplätzen (EuGH 2003) Eingeschränkt zulässig

Leitfragen Öffnungsklausel Reformbedarf? Welche in der Person liegenden Gründe rechtfertigen eine Berücksichtigung Reformbedarf? Mögliche weitere positive Maßnahmen Quotenregelung (geschlechtsneutral) in allen Berufen sinnvoll? zB Lehrer Verpflichtender Militär- oder Zivildienst für Frauen? Frauenrechte = Minderheitenrechte?