Daseinsvorsorge und Beihilferecht
Begriffe Deutscher Terminus: Daseinsvorsorge EU – Begriffe: Dienstleistungen von allgemeinem Interesse Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse Unterscheidungskriterium: Marktbezug der Tätigkeit(= entgeltliches Angebot von Leistungen oder Waren auf einem Markt)
Rechtsgrundlagen Für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse: Art.16 EG; grds. keine Beihilferelevanz Für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse: Art.87 ff., 86 Abs.2, 16, 73 EG; „Monti – Paket“ (Entscheidung 2005/842/EG, Richtlinie 2005/81/EG, Gemeinschaftsrahmen 2005/C 297/04) Demnächst: Protokoll über Dienste von allgemeinem Interesse (Vertrag von Lissabon)
Abgrenzung in der Praxis Maßstab: jede wirtschaftliche Tätigkeit (funktionaler Ansatz) = jedes entgeltliche Angebot von Waren und Leistungen Nicht – wirtschaftlich: klassische Hoheitsverwaltung (Schule, Sozialhilfe, Arbeitsvermittlung) Wirtschaftlich: alle übrigen Bereiche, soweit (faktische) Märkte vorhanden
Brisante Bereiche Energieversorgung Öffentlicher Schienen-, Schiffs- und Straßenverkehr Sozialleistungen (Altenpflege, Krankenhäuser, Jugendeinrichtungen) Kulturelle Einrichtungen und Veranstaltungen (Museen, Theater; Festivals etc.) Sportförderung
Beihilferechtliche Beurteilung Für Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse gilt Beihilfeverbot des Art.87 EG und das Notifizierungsverfahren! Dies gilt dann nicht, wenn - der Beihilfebegriff nicht erfüllt ist - die Beihilfe auf Grund eines Rechtsakts von Kommission oder Rat erlaubt ist
Anknüpfungspunkte zur Vermeidung der Beihilfekontrolle Ausschluss des Beihilfebegriffs Kommunale Einrichtung steht nicht im Wettbewerb (Hausmüllentsorgung, Abwasserbeseitigung) Kein Wettbewerber aus dem Binnenmarkt ist beeinträchtigt (kommunale Schwimmbäder, Krankenhäuser) Infrastrukturfinanzierung (Straßen, Veranstaltungsräume) Zuschuss oder Zuweisung von Mitteln dient nur dem Ausgleich von Lasten („Altmark“ –Kriterien: Zuschüsse an ÖPNV – Dienstleister)
Anknüpfungspunkte zur Vermeidung der Beihilfekontrolle Rechtfertigung „Freistellungsentscheidung“ 2005/842/EG: Ausgleichsleistungen an (kommunale) Unternehmen, die weder ausgeschrieben worden noch „gut geführt“ sind De minimis –Beihilfen: 200.000 € in 3 Steuerjahren „Bundesregelung Kleinbeihilfen“: 500.000 € bis 31.12.2010
Hauptproblem in der kommunalen Praxis Kommunale Bürgschaften zu Gunsten kommunaler Unternehmen/ Aufgabengarantie für Regiebetriebe/Eigenbetriebe Beihilferechtlich erlaubt: - zu Marktkonditionen (Renditeerwartung!) - als De minimis –Beihilfe ( nur 80% des Darlehens) und maximal 1,5 Mio € oder auf der Grundlage einer Methodik und nur für Beihilferegelungen - auf Grund der „Bundesregelung Kleinbeihilfen“
Umsetzungsbedarf Die „Altmark Trans“ – Entscheidung des EuGH Das „Monti –Paket“: - die Entscheidung 2005/842/EG zu Ausgleichsleistungen - der Gemeinschaftsrahmen 2005/C 297/04 zu Ausgleichsleistungen - die Transparenzrichtlinie 2006/111/EG über die Transparenz zwischen Mitgliedstaaten und öffentlichen Unternehmen
Die „Altmark-Trans“ – Entscheidung: Voraussetzungen Bestimmt die Maßstäbe für eine beihilfefreie Ausgestaltung von Ausgleichsleistungen Daraus folgt: - Betrauungsakt - Bemessung der Parameter - Mechanismus zur Vermeidung von Überkompensationen - Vergabeverfahren oder Ermittlung eines durchschnittlich gut geführten Unternehmens müssen festgelegt werden und den Anforderungen der Entscheidung genügen
Die „Altmark-Trans“ Entscheidung: Folgen Verfahren und Regelungen für Ausgleichsleistungen sind anzupassen Sonst drohen „Entdeckungsrisiko“ durch die Kommission und Finanzierungsschwierigkeiten durch Kreditinstitute wegen des latenten Rückforderungsrisikos
Die „Altmark-Trans“ – Entscheidung: Umsetzung Grundsätzlich Eigenverantwortung der Unternehmen und ihrer Träger Kommission und Mitgliedstaat können Orientierungshilfen bieten: - das Begleitdokument „Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ und das Arbeitspapier der Kommissionsdienstellen - die „Handreichung zum Monti-Paket“ der Innenministerkonferenz - Leitfaden des MWME NRW in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände NRW
Die Entscheidung 2005/842/EG „Freistellungsentscheidung“ Zweck: Ausdehnung des Anwendungsbereichs der „Altmark-Trans“- Entscheidung auf bestimmte Unternehmen, die den Nachweis eines durchschnittlich gut geführten Unternehmens nicht erbringen: - Untenehmen mit Umsatz < 100 Mio. € und < 30 Mio. € Ausgleichsleistungen - Krankenhäuser und sozialer Wohnungsbau - Flug- und Schiffsverbindungen/Flug – und Seehäfen unter 1 Mio./ 300.000 Passagiere
Die „Freistellungsentscheidung“: Umsetzungspflichten Unmittelbar anwendbares Recht: seit 29.11.2006 Anwendung setzt voraus, dass Betrauungsakt, Parameter und Überkompensationsmechanismus korrekt eingesetzt werden Vorgaben sind wesentlich konkreter = auch hier sind Orientierungshilfen wichtig! Regelmäßige Kontrollen Aufbewahrung von Unterlagen: 10 Jahre Berichtspflicht
Die „Freistellungsentscheidung“ Kontrollen Mitgliedstaaten müssen regelmäßige Kontrollen durchführen oder veranlassen Zweck: Vermeidung von Überkompensation Umsetzung auf jeder staatlichen Ebene Für Kommunen in NRW haben MWME und IM durch Erlass Regelung getroffen
Die „Freistellungsentscheidung“ Umsetzung der Kontrolle in NRW Grundsätzlich im Rahmen der örtlichen Rechnungsprüfung Bei Sondervermögen im Rahmen der Jahresabschlussprüfung durch Gemeindeprüfungsanstalt oder Wirtschaftsprüfer Bei Anstalten des öffentlichen Rechts und Kommunalunternehmen durch zuständigen Abschlussprüfer oder örtliche Rechnungsprüfung Bei Unternehmen im Rahmen der handelsrechtlichen Abschlussprüfung
Die „Freistellungsentscheidung“: Berichtspflicht Über die Umsetzung der Entscheidung Alle drei Jahre Erstmalig zum 19.12.2008 (liegt vor)
Umsetzung der Berichtspflicht Identifikation aller relevanter Unternehmen - durch die Kommunalkörperschaft - bei Landesunternehmen auf der Grundlage von Beteiligungsberichten Verantwortung: für Kommunen: die Kommunalaufsicht für Landesunternehmen: jedes Ministerium für seinen Geschäftsbereich Hilfreich wäre detaillierter Fragenkatalog zu allen Aspekten der Ausgleichsleistungen
Die Transparenzrichtlinie „Altmark-Trans“ –Entscheidung hat Notwendigkeit begründet, auch solche Zahlungen zu erfassen, die keine Beihilfen sind. Deutschland hat das „Transparenz- Richtlinie – Gesetz“ inzwischen angepasst Damit müssen auch die Zuständigkeitsregelungen angepasst werden: in NRW: „Verordnung zur Bestimmung von Zuständigkeiten nach dem TransparenzRLGesetz“
Beihilfenkonforme Ausgestaltung von Ausgleichsleistungen Kernaussagen des Leitfadens
Unternehmensbegriff Selbständige wirtschaftliche Einheiten (Anstalten, Zweckverbände, öffentliche Kapitalgesellschaften) Eigenbetriebe Regiebetriebe wohl nur als Bestandteil der Körperschaft Organschaft im steuerrechtlichen Sinn
Anwendungsbereich der Freistellungsentscheidung Schwellenwert kann bei Konzernbetrachtung leicht überschritten werden Liegt steuerrechtliche Organschaft vor, besteht dieses Risiko Deshalb (bei größeren Städten/Kreisen): Konstruktion mehrerer Holdinggesellschaften Begrenzte Relevanz, weil Freistellungsentscheidung für Ausgleichsleistungen im ÖPNV nicht gilt
Indizien für Daseinsvorsorge Defizitärer Betrieb Öffentliches Interesse Gemeinwohlverpflichtungen Gemeindewirtschaftsrechtlichen Kategorien
Betrauungsakt Regelungsgegenstand: - die Gemeinwohlverpflichtung - Parameter für die Berechnung des Ausgleichs - Überwachungsmechanismus - Überkompensationsvermeidung Gemeinwohlverpflichtung; - grundsätzlich nicht alle Aufgaben eines Unternehmens ausgleichsfähig - Konkretisierung durch Katalog ist hilfreich - pauschaler Ausgleich nur bei Marktversagen
Rechtsform des Betrauungsakts Gestaltungsfreiheit der öffentlichen Hand Zuwendungsbescheid in der Regel optimal Gesellschaftsvertrag/Betriebssatzung nur, wenn Verpflichtung begründet wird (Ermächtigung nicht ausreichend) Denkbar: Beschluss der Vertretungskörperschaft über Wirtschaftsplan (vgl. EigenbetriebsVO NRW)
Parameter/ Überkompensationsmechanismus Anhaltspunkte im „FAQ“ der Kommissionsdienststellen: - Schätzung tatsächlich entstehender Kosten nicht erforderlich - Berechnungsmethoden ausreichend - nachträgliche Anpassung/ ex ante Korrekturmechanismus möglich - Vermeidung von Überkompensationen (Problem: Leistungsanreize)
Steuerrechtliche Auswirkungen Konkretisierung der Betrauung begründet im Konzern (kommunalem Querverbund) Gefahr der Umsatzsteuerpflicht von Ausgleichsleistungen Dauerdefizitärer Betrieb einer Daseinsvorsorgeaufgabe kann zu Gunsten des öffentlichen Gesellschafters als verdeckte Gewinnausschüttung angesehen werden! Lösung denkbar über Zuwendungsbescheid, der als Einnahme das Defizit entfallen lassen kann