Lernaufgaben und der Aufbau des Wissens

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 Präsentation transkript:

Lernaufgaben und der Aufbau des Wissens Vortrag auf der Fachtagung des Projekts: Fachdidaktische Perspektiven: Kompetenzerwerb durch Lernaufgaben am 12. November 2009 Veranstaltungsort: Universität Oldenburg Dr. Hans-Joachim Müller Fachgebiet Pädagogik, insbesondere Berufs- und Erwachsenenpädagogig

Lernaufgaben: vorrangig kompetenzorientiert Bedeutungszunahme der Kompetenzorientierung: Vergleichstudien: „viel gelernt (…) kaum Kompetenzen entwickelt“ (Prenzel/ Gogolin/ Krüger 2007) – aber: additives, träges Wissen (Dubs 1997; Renkl 1996) Intellektualistische Legende: Fachwissen begründet Können (Ryle 1949/ 1980, Neuweg 1998) Kompetenzen entwickeln sich durch das Bearbeiten von paradigmatischen Aufgaben (Rauner/ Bremer 2004; Wahl 2005) Fazit: Entthronung der Wissenschaftsorientierung: „Wissen-schaftssystematik verkörpert keine Qualität an sich, …belegt nur eine Organisationsform“ (Rauner/ Bremer 04, 149)

Was sind Lernaufgaben? Eine frühe Definition liefert Tilmann Krogoll bereits 1998: „Eine Lernaufgabe ist eine aufbereitete Form des Lerngegen-standes, die Lerntätigkeiten ermöglicht und gegenstands-adäquat systematisieren hilft“ (Krogoll 1998, S.152). Fokussiert auf die Verwendungsperspektive dieses Betrachtungsgegenstands könnte man auch formulieren: Lernaufgaben sind im pädagogischen Arbeitsalltag meist als solche Arbeitsaufträge der Lehrenden an die Lernenden beobachtbar, mit denen eine Lernerselbsttätigkeit in Gang gesetzt und in Gang gehalten werden soll, die auf eine Selbsterschließung von neuem Wissen und Können zielt.

Triebkräfte und Auslöser der Verwendung von Lernaufgaben 90er-Jahre: Weiterentwicklungs-Debatte in der Didaktik: Instrumentelles Wissens-Verständnis (v. Foerster; v. Glasersfeld 1985) Handlungsorientierte Didaktik zwischen Konstruktion und Instruktion (Dubs, 1993) Verspätet rezipiert: „Self-direkted-learning“ (Knowles 1970, 1980)

Bildungspolitische Beschlüsse zur Umsetzung der „Handlungsorientierung“ in der Didaktik KMK-Beschlüsse zur Einführung der Handlungsorientierung in den berufsbildenden Schulen (1991) und Gymnasien (1993) Die Aufnahme des Prinzips der „Handlungsorientierung“ in die Rahmenlehrpläne der Länder (ab 1991) KMK-Beschlüsse zur Einführung des Lernfeldansatze in den Rahmenlehrplänen (ab 2000).

... das Selbsterschließen von neuem Wissen und Können. Umsetzung der handlungsorientierten Didaktik benötigt neues didaktisches Werkzeug zur Selbsterschließung Lernaufgaben, als Selbsterschließungswerkzeuge in der Hand der Lernenden leisten: … die Maximierung und qualitative Verbesserung der Lerneraktivitäten (auf selbständig-produktives Tun ausgerichtete Aneignungsaktivitäten) und ... das Selbsterschließen von neuem Wissen und Können.

Verbreitung der Lernaufgaben in der pädagogischen Alltagspraxis Wahrscheinlich insbesondere aufgrund: … Flexibilität, Handlichkeit, die Aussicht auf souveräne Steuerung der Lernprozesse sowie die Vision von der Entlastung der Lehrenden von der alleinigen Ergebnisverantwortung übt auf viele Lehrende eine Sogwirkung aus und beseitigt emotionale Barrieren gegenüber der Veränderung. Höhere Alltagstauglichkeit (als Leitfragen, Leittexte, Projekte, usw.) „rationalisiert“ die Verbreitung Starke Resonanz auf die Befunde der Kognitionsforschung zum Lernen und Lehren liefern rationale Argumente (z.B. Gerhard Roth 2003; Manfred Spitzer 2007)

Lernaufgaben fordern veränderte Lernarchitekturen Handlungsorientierte Lernschleife: ermöglicht … Lernende übernehmen die Verantwortung für ihren Lernprozess Wechsel von der Objekt- zur Subjektrolle der Lernenden Maximierung der Lerner-selbsttätigkeit für individuelle Such- und Erschließungs-bewegungen Handlungsorientiertes Lernarrangement: Bietet Facilitierung zur Selbst-erschließung drei materiale Lernhilfen, zwei personale Lernhilfen, technisch-organisatorische Ausstattung und Rahmen-bedingungen

Aktuelle Bestandteile von Lernaufgaben Themenstellung Didaktische Leitfrage Szenario Einstiegsanweisung Anweisung: Bewertungskriterien zu formulieren Abfolge von Selbsterschließungsanweisungen Schlussanweisung Anweisung zur Selbstevaluation Lernorganisatorische Angaben

Umsetzungs-Defizite Beobachtet wurde: Zahlreiche Lernaufgaben zeigen in ihren Selbsterschließungs-Anweisungen … … Mangelnde Stimmigkeit der verwendeten didaktischen Elemente erkennbar an einer unklaren und missverständlichen Ausformulierung; … zu wenig aktivierende Sog-Wirkung, sodass Lernende mit Unlust reagieren; … einen zu starken Prüfungsmodus: Strukturiertes Wissen und selbständige Handlungskompetenzen werden abverlangt - statt entwickelt; … eine unklare Wissens- und Kompetenz-Zentrierung: Wichtige Wissens- und Könnens-Elemente werden nicht thematisiert oder bleiben bedeutungsleer und inhaltlich unverknüpft (Folge: „träges Wissen“: unstrukturiert, ohne Handlungsrelevanz; vgl.: Renkl 1996, S.79ff; Mandl/ Gruber/ Renkl 1993, S.64) … zu wenig Selbstbeobachtungs- und Selbstreflexions-Impulse: Arbeitsergebnisse werden weder hinterfragt noch überprüft. … dass die Handlungen der Lerner keine nachhaltigen Selbstwirksamkeits-erfahrungen erleben lassen. … Balance-Probleme zwischen dem Ausmaß der geforderten Selbststeuerung und dem Ausmaß der dazu erforderlichen Fremdsteuerung (gefordert: Gradwanderung zwischen angeleitetem Tätigsein und Überforderung)

Zusätzliche bildungspolitische Vorgaben Output- orientierte Kompetenzstandards: (Qualifikationsrahmen, Bildungsstandards der Fächer definieren Kompetenzen) erweiterter Berufsfähigkeitsbegriff in der Berufsausbildung: Selbständige Handlungskompetenzen in realen betrieblichen Verwendungskontexten (BBIG – 2005) Lernfeldkonzept: verbindet fach- und handlungs-systematisches Lernen, d.h. wissenschaftliche Fachsystematik mit der (an exem-plarischen Verwendungssituationen der Lebens- und Berufswelt angelehnten) Handlungspragmatik in schulischen Lehrplänen.