Zur Effektivität des Dehnens

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 Präsentation transkript:

Zur Effektivität des Dehnens

Muskelanatomische und –physiologische Grundlagen Der Muskel ist ein System, bei dem kontraktile und visko- elastische Komponenten parallel und/oder in Serien angeordnet sind.

Muskelanatomische und –physiologische Grundlagen Bei einer Muskeldehnung werden die Aktin- und Myosinfilamente auseinandergezogen

Muskelanatomische und –physiologische Grundlagen Die visko-elastischen Komponenten zeigen bei einer Dauerdehnung ein vollkommen anderes Verhalten als bei einer schnellen Dehnung. langsame Dehnung -> Creeping Effekt

MesstechnischeVoraussetzungen Dehnungsmess-Schlitten: damit die verschiedenen Dehntechniken simuliert und die wichtigsten biomechanischen Messwerte erfasst werden können.

Messtechnische Voraussetzungen die Vp. liegt fixiert auf einem auf Rollen gelagerten Schlitten Seil oder Elektromotor (Eigendehnung/Fremddehnung)‏ die Erfassung der Dehnspannung – Dehnungsmessstreifen Messaparatur: die Bewegungsamplitude wird über das dreidimensionale Bewegungsanalysesystem (Zebris CMS 30 der Firma Zebris Medizintechnik GmbH) gemessen das System arbeitet mit 3 Ultraschallmikrophonen die Software Windata lokalisiert alle Marker im Raum und bestimmt die interessierenden Winkel

Differenzierung der verschiedenen Dehntechniken Alte Einteilung: Aktives und passives Dehnen (unpassend, weil auch beim passiven Dehnen aktiver Anteil: Entspannungsfähigkeit der Antagonisten)‏ Neue Einteilung: Eigen- und Fremddehnung

Differenzierung der verschiedenen Dehntechniken Eigendehnung: Normalfall der Muskeldehnung im Sport Sportler hat über kinästhetische Rückmeldungen die direkte Möglichkeit zur Handlungsregulation

Differenzierung der verschiedenen Dehntechniken Fremddehnung: Durch Partner oder Maschine Nur indirekte Möglichkeit zur Korrektur von Umfang, Intensität und Dauer gegeben Bei Dehnung unter Narkose gibt es keine Möglichkeit zur Regulation

Differenzierung der verschiedenen Dehntechniken

1. Wie wirken sich die verschiedenen Dehntechniken auf die Bewegungsreichweite und Dehnungsspannung aus? Meist keine Vergleichsstudien vorhanden, in denen das statische, dynamische u. postisometrische Dehnen zusammen untersucht werden Wydra 1997: in den meisten Vergleichsstudien Überlegenheit des CR-Dehnens im Hinblick auf kurzfristige Verbesserung der Bewegungsreichweiten im Vgl. zum statischen u. dynamischen Dehnen Wydra et al. 1991: hochsignifikante Überlegenheit des dynamischen Dehnens im Hinblick auf mittelfristige Verbesserung der Hüftflexion Wydra et al. 1999: größere Verringerung der Dehnungsspannung durch dynamisches Dehnen bei kurzfristigen singulären Muskeldehnungen im Vgl.zum statischen Dehnen hingegen keine Unterschiede (statisch/dynamisch) bei max. tolerierter Dehnungsspannung

1. Wie wirken sich die verschiedenen Dehntechniken auf die Bewegungsreichweite und Dehnungsspannung aus? Wydra et al. 1999: größere Verringerung der Dehnungsspannung durch dynamisches Dehnen bei kurzfristigen singulären Muskeldehnungen im Vgl. zum statischen Dehnen hingegen keine Unterschiede (statisch/dynamisch) bei max.tolerierter Dehnungsspannung Zusammenfassung: Dehnung führt sowohl zur Verbesserung der Beweglichkeit als auch zur Verringerung der für die Dehnung aufzubringenden Kraft Zur Verringerung der Dehnungsspannung: dynamisches und CR- Dehnen am günstigsten bei kurzzeitigen Dehnungen Zur Verbesserung der Beweglichkeit: dynamisches Dehnen überlegen bei langzeitigen Dehnungen (2 Wochen

2. Wird durch Dehnen die Muskulatur länger? In Tierexperimenten Erhöhung der Sarkomerzahl in Längsrichtung des Muskels bestätigt Wiemann 1991/ Wiemann u. Leisner 1996: - Maximalkraft des Muskels abhängig vom Überlappungsgrad von Aktin u. Myosin - Stretching würde den Überlappungsgrad ungünstig verändern - Folglich müsste eine Veränderung der Muskel- Maximalkraft in Abhängigkeit vom - Winkel des Gelenks zu beobachten sein, was jedoch nicht der Fall war

2. Wird durch Dehnen die Muskulatur länger? Wiemann u. Leisner 1996: Untersuchungen von Turnern u. Nichtturnern ergaben keine Unterschiede zwischen beiden hinsichtlich des Winkels, in dem die Maximalkraft erbracht werden kann Goldspink 1994: Zahl der Sarkomere in Längsrichtung des Muskels = Funktion der Anforderungen im Alltag folglich kann die Sarkomerzahl im Bedarfsfall durch entsprechende Kontraktionsreize innerhalb von Tagen zu-/abnehmen Ziel: optimale Kraft-Längen-Verhältnisse der Muskulatur größtmögliche aktive u. passive Spannung des Muskel Die meisten Forscher gehen davon aus, dass eine Muskelverlängerung durch Dehnen nicht möglich ist

3. Können durch Dehnen Muskeldysbalancen beseitigt werden? Freiwald u. Engelhardt 1999: Begriff der neuromuskulären Dysbalance, d.h. bei Störung in einem Gelenksystem versucht das Nervensystem das Gelenk durch Erhöhung/Verringerung des Muskeltonus vor Überlastung zu schützen Meist spontane Auflösung der eingeschränkten Dehnbarkeit nach Beseitigung der Gelenkstörungen, d.h. u.U. werden gelenkschützende Mechanismen durch eine Dehnung negativ beeinflusst Klee 2003: im Sport Entwicklung einer sportartspezifischen Muskulatur Massenzunahme bzw. Zunahme der Titinfilamente und damit verringerte Dehnbarkeit der Muskulatur als Anpassung an die Anforderungen in der Sportart

4. Verhindert Dehnen Muskelkater bzw. die Verletzungsgefahr? Empirische Überprüfung der Verletzungsprophylaxe wäre gigantischer Aufwand Herbert u. Gabriel 2002: verglichen 5 Studien und wiesen auf die Problematik der Verletzungsdefinition hin; in 2 der Studien konnte das Verletzungsrisiko nur um 5% gesenkt werden Meist Untersuchungen zur Muskelkaterprophylaxe: kaum bzw. keine Effekte nachweisbar (Wiemann 2002, Herbert und Gabriel 2002)‏ Insgesamt noch sehr viel Forschungsbedarf, positive Effekte konnten bisher nicht gezeigt werden

5. Verbessert Dehnen die sportliche Leistungsfähigkeit? Hennig u. Podzielny 1994: Auswirkungen von Aufwärmen u. Stretching auf die Vertikalsprungleistung (Jump-and-reach-Test) Stretching alleine bzw. nach Aufwärmen tendenziell neg. Rosenbaum u. Hennig 1997: Auswirkungen von Aufwärmen u. Stretching auf die Reaktionszeit Stretching alleine hat keine Effekte Wiemeyer 2002: bestätigt negativen Effekt des Dehnens auf die Explosivkraft

5. Verbessert Dehnen die sportliche Leistungsfähigkeit? Wiemeyer 2003: Vermutung, dass beim statischen Dehnen gleiche neuronale Mechanismen greifen wie bei einer Entspannung (Desaktivierung)‏ Begert u. Hillebrecht 2003: keine signifikante Beeinflussung der Sprungkraft durch dynamisches Dehnen im Vgl. zum statischen Zusammenfassung: Statische Muskeldehnungen unmittelbar vor Schnellkraftbelastungen ungünstig, die Verschlechterung der Schnellkraftfähigkeit sind jedoch nicht von Dauer

6. Wie viele Wiederholungen sind notwendig? Glück, Schwarz, Hoffmann, Wydra 2002: Nach 4-5 Wh nur noch minimale Zuwächse bei Verbesserung der Bewegungsreichweite und Herabsetzen der Dehnungsspannung Durchführung als Eigendehnung (sensorische Rückmeldung, Herr d. eig. Handelns)‏ Marschall 1999: kurzzeitige maximale Dehnungen (nicht < 10 sec.) statt weichem Dehnungen für größere Beweglichkeitszugewinn

Fazit Dehnen führt zu einer Verbesserung der Beweglichkeit. Die Frage welche Dehnung für welchen Zweck geeignet ist, ist sehr komplex und noch nicht abschließend zu beantworten. Muskelverlängerung durch Dehnen ist wahrscheinlich nicht möglich. Die praktische Relevanz des Dehnens zur Vermeidung von Verletzungen kann vernachlässigt werden. Positive Effekte zur Verhinderung eines Muskelkaters konnten nicht nachgewiesen werden. Statische Muskeldehnungen vor Schnellkraftbelastungen sind kontraproduktiv. Es besteht noch viel Forschungsbedarf.

Quellen Georg Wydra, Sabine Glück: Dynamisches Dehnen in der Sporttherapie, in: Gesundheitssport und Sporttherapie Dehnung im Sport – Wirkung auf die Regeneration und zur Reduktion des Verletzungsrisikos Georg Wydra und Sabine Glück: Zur Effektivität des Dehnens, in K. Cachay, A. Halle & H. Teubert (Red.), Sport ist Spitze – Nachwuchsleistungssport aktuell zwischen Computer und Powerfood

Danke für Eure Aufmerksamkeit 