Fundamente des Wissens schaffen – Entwicklungspsychologische und frühpädagogische Grundlagen Wolfsburg, 23. 4. 2012.

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 Präsentation transkript:

Fundamente des Wissens schaffen – Entwicklungspsychologische und frühpädagogische Grundlagen Wolfsburg, 23. 4. 2012

Einführende Fragen und Antworten Was bringt die geistige Entwicklung voran? Kinder sind von Natur aus neugierig. In jedem Kind schlummern ihm eigene Begabungen und Talente. Diese müssen erspürt und zum richtigen Zeitpunkt angemessen gefördert werden. Vor allem aber gilt: Eine sichere BINDUNG fördert Explorativität und ist damit fundamental für BILDUNG

Schon in Mutters Bauch beginnt das Lernen Bereits gegen Ende der 8. SSW nehmen 5 Sinne ihre Arbeit auf: Gleichgewichtssinn Eigenwahrnehmung des Körper Tastsinn Geschmackssinn Gehör

Sinneseindrücke verändern das Gehirn Das In-Funktion-Treten der Sinne führt zu Differenzierungen in den sich parallel ausbildenden Hirnregionen, wodurch wiederum differenziertere Sinnes-wahrnehmungen ermöglicht werden. Wir können von einer beständigen Wechselwirkung zwischen Strukturen und Funktionen sprechen, die zu einer Vernetzung zwischen den Nervenzellen innerhalb einer und mit anderen Hirnregionen führt, die ihrerseits….

Vorläuferformen von Lernvorgängen Die auf dieser frühen Entwicklungsstufe ablaufenden Prozesse können als Lernvor-gänge bezeichnet werden können, denn Lernen – sehr vereinfacht definiert - heißt Erwerb neuer Kompetenzen aufgrund der Verarbeitung vorangegangener Erfahrungen. Und nichts anderes passiert, wenn ankom-mende Sinneseindrücke (Erfahrungen) zur Ausdifferenzierung in bestimmten Hirn-bereichen führen, die ihrerseits bewirken, dass hinfort kompetenter mit neuen Erfahrungen umgegangen werden kann.

Auch Anpassungsleistungen sind Lernvorgänge Das wird in der Folgezeit noch deutlicher, wenn das ungeborene Kind spontane Anpassungs-leistungen zeigt z. B. auf Berührungsreize von außen, auf Bewegungen der Mutter und (später) an ihren Biorhythmus.

„Interfetale“ Unterschiede Verhaltensunterschiede zwischen Feten sind schon im 4. SSM zu belegen - sogar zwischen eineiigen Zwillingen! Diese zeigen sich im Hinblick auf das grob- und feinmotorische Bewegungsverhalten und die Reagibilität und Sensibilität und wirken sich natürlich auch auf die Qualität von Lernvorgängen aus.

Kommunikation zwischen Mutter und Kind beginnt Um diese Zeit herum spüren die werdenden Mütter die Bewegungen ihres Kindes immer deutlicher – die von nun an stattfindende Kommunikation zwischen Mutter und Kind stimuliert weitere Lernvorgänge.

Beständige Verarbeitung neuer Erfahrungen In den letzten Schwangerschaftsmonaten reift auch der Sehsinn vollständig aus. Der Fetus verarbeitet nun beständig neue Erfahrungen, die er überprüft, ordnet und speichert. Entsprechend intensiv sind die Differenzierungs- und Integrations-prozesse der neuronalen Strukturen im Gehirn.

Ist Intelligenz nicht angeboren? Anlage und Umwelt können nicht auseinanderdividiert werden! Es bestehen immer enge Anlage-Umwelt-Wechselwirkungen, die im Detail noch lange nicht hinreichend erforscht sind. Hervorhebenswert im Wechselspiel zwischen Anlage- und Umweltfaktoren ist zum einen (1) die Rolle der engen Bezugspersonen des Kindes, (2) zum anderen das Kind selbst, das im Laufe des Heranwachsens zunehmend aktiver das Wechselspiel mitbestimmt, zum dritten (3) epigenetische Prozesse, deren Erforschung noch in den Kinderschuhen steckt..

Ergebnisse der Hirnforschung – Folgerungen für die Frühpädagogik Die 90er Jahre wurden in den USA zur “Dekade des Gehirns“ proklamiert. Auf der Grundlage innovativer, so genannter Bild gebender Untersuchungsmethoden (Messung biochemischer bzw. elektro-physiologischer Prozesse) wurden eine Fülle neuer Erkenntnisse gewonnen. Diese wurden auch in der Frühpädagogik mit großem Interesse zur Kenntnis genommen. Die Frage der Konsequenzen der Forschungsergebnisse für die Erziehungspraxis wird auch heute noch kontrovers diskutiert.

Faszinierende Erkenntnisse wurden zu Tage gefördert: Bei der Geburt verfügt das Neugeborene bereits über 100 Milliarden Neuronen (das entspricht ungefähr der Anzahl der Sterne in unserer Galaxis), die durch 50 Billionen Synapsen miteinander vernetzt sind. Im Laufe der folgenden Lebensmonate (LM) verzwanzigfacht sich die Zahl der Synapsen (angemessene Anregungen vorausgesetzt) auf 1 Trillion (1.000.000.000.000.000). Im 8. LM ist die Synapsendichte bis dreimal so hoch wie beim Erwachsenen. Dabei gilt das Gesetz: Use it or lose it! Der Hirnstoffwechsel ist während dieser Zeit extrem hoch.

Der grundlegende Bauplan unseres Gehirns wird sehr früh festgelegt Die im Verlaufe des ersten Lebensjahres (insbesondere in den ersten 6-8 Lebensmonaten) entstehenden Synapsen bilden ein Netzwerk oder „neuronales Grundmuster“ und liefern die „funktionelle Architektur“, die Hardware (oder, um im Bild zu bleiben, die Zahl und Größe der Räume, Verbindungswege/-türen und Stockwerke) der Großhirnrinde“, der nicht nur grundlegend ist für die weitere kognitive Entwicklung, sondern sich auch als besonders veränderungsresistent gegenüber neuen äußeren Einflüssen erweist.

Veränderungsresistenz der Hardware unseres Gehirns Eine umfassendere Veränderung frühkindlicher neuronaler Verknüpfungsmuster, sagt die Hirnforschung, ist nur im Gefolge lang anhaltender traumatischer Einflüsse – z.B. durch permanenten, nicht zu bewältigenden Stress (Angst) oder eine extreme Krise (Bindungsverlust) -, möglich.

Daraus abgeleitete Forderungen der Neuropädagogik Die ersten 6-8 Lebensmonate besonders nutzen, denn Versäumnisse (unzureichen-de Anregungen und Förderungen) können nur sehr schwer, wenn überhaupt, wieder gut gemacht werden. Deprivation oder Reizüberflutung führen zwangsläufig zu veränderungsresistenten, dauerhaften Schädigungen. Gegenpositionen dazu wiegeln ab und führen die andauernde Plastizität und immense Flexibilität der Großhirnrinde ins Feld.

Zwischenresümee Die Schlussfolgerung der Neuropädagogik „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ trifft aus meiner Sicht in dieser Radikalität wohl nicht ganz zu. Besser müsste es heißen: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans (teilweise) nur sehr schwer“ (das entspricht dann auch eher dem Leitbild der modernen Entwicklungs- und Lernpsychologie)

Fundamente des Wissens Die Synapsendichte allein ist nicht von ausschlaggebender Bedeutung Die Qualität der auf der Synapsendichte aufbauenden neuronalen Netzwerke, ihre Differenziertheit und Integration sind von größerer Bedeutung Die Begriffsbildung, die Möglichkeiten der Bildung von Kategorien, Hierarchien und die Herstellung von Querverbindungen (Wissenstransfer, analoges und problemlösendes Denken) hängen ab von der Qualität der neuronalen Netzwerke

Worüber Säuglinge bei der Geburt bereits verfügen Bindungsbereitschaft Nachahmungspotential Orientierungsreflex Funktionstüchtige fünf Sinne Vorliebe für sprachliche Laute Vorliebe für Gesichter Vorliebe für sich bewegende Dinge Mimisches Ausdrucksrepertoire für die wichtigsten Gefühle

Bonding Anscheinend hat es die Natur so eingerichtet, dass das Neugeborene (trotz aller Strapazen, die die Geburt mit sich bringt) direkt danach noch für eine Weile besonders ansprechbar ist in seinem Nahbereich, sei es nun für Hautkontakt, Lageveränderungen, Geruchs- und Geschmackseindrücke oder visuelle und akustische Reize. Während dieser kurzen Zeit kann eine fundamentale positive Zuneigung der Mutter (Eltern) zu ihrem Kind begründet werden (Mutterinstinkt), die für die spätere Bindungsentwicklung sehr bedeutsam ist.

Grundlegende Orientierung bereits direkt nach der Geburt möglich Wenn es auf die Welt kommt, kann das Neugeborene sich mit Hilfe seiner Nahsinne und Fernsinne bereits grundlegend orientieren. Hautsinn: Der Säugling liebt es, gestreichelt zu werden, insbesondere in den Phasen, in denen er entspannt und aufmerksam ist. Seine angeborene Empfänglichkeit für Haut- und Körperkontakt bildet eine wichtige Voraussetzung für das Bonding.

Angeborene Vorliebe für sprachliche Laute Hören: Neugeborene erkennen die Stimme ihrer Mutter wieder, besonders wenn sie ihnen mit Hilfe elektronischer Filter so dargeboten wird, wie sie sie im Mutterleib gehört haben. Neugeborene wenden sich sprachlichen Lauten generell stärker zu als anderen Klangmustern, die für sie anscheinend weniger interessant sind. Offenbar wird eine Vorliebe für sprachliche Laute oder zumindest für den entsprechenden Frequenzbereich schon intrauterin erworben und hat möglicherweise sogar genetische Wurzeln.

Bevorzugung von Gesichtern Sehen: Schon Neugeborene bevorzugen in ihrer Wahrnehmung Gesichter und gesichtsähnliche Formen, die sie besonders lang betrachten. Viele Forscher vermuten deshalb einen genetisch gesteuerten Mechanismus, der es — biologisch höchst sinnvoll — Säuglingen ermöglicht, sich Artgenossen bevorzugt zuzuwenden.

Bevorzugung bewegter Objekte Sehen: Bewegte Objekte, z. B. den Mund der Mutter, erkennen Säuglinge besser als unbewegte Dinge. Schon wenige Tage nach der Geburt folgen sie einem bewegten Gesicht in ihrem Blickfeld eine kleine Strecke mit den Augen. Ihr Blickfeld ist aber noch sehr begrenzt und es dauert einige Wochen, bis es sich auf ca. 90 Grad erweitert. Zusätzliche Kopfbewegungen vergrößern nach und nach den visuell erfassbaren Raum.

Unterscheidung von Lebendigem und unbelebten Objekten Säuglinge verfügen anscheinend sogar schon (angeborenermaßen, so wird vermutet, weil es sich in der Evolution als nützlich erwies) über ein vorläufiges Konzept von unbelebten Objekten (Dingen, Gegenständen) und Lebendigem (Menschen, Tiere). Darauf aufbauend gelingt es ihnen schon sehr bald auch zwischen Menschen und Tieren zu unterscheiden.

Mimisches Ausdrucksrepertoire Basisemotionen: Bereits Neugeborene können die wichtigsten Gefühle mimisch ausdrücken. Sie verfügen über emotionale Grundmuster, wie Angst, Ärger, Ekel, Erstaunen, Freude, Traurigkeit. Diese gelten als Basisemotionen, weil sie in den unterschiedlichsten Kulturen vorkommen und überall verstanden werden.

Angeborenes Nachahmungspotential Sie besitzen die Fähigkeit zur Nachahmung mimischer Gesten (Öffnen des Mundes oder das Herausstrecken der Zunge). Vermutlich handelt es sich dabei um eine angeborene Kompetenz (Spiegelneuronen!?), die allererste Kontaktaufnahmen ermöglicht. Das Neugeborene ist also genetisch so vorprogrammiert, dass es gleichsam automatisch sozial reagiert.

Anfänge der Sprachentwicklung: Erstes wirkliches Kommunizieren Die erste wirkliche Kommunikation findet möglicherweise schon in der magischen ersten Stunde nach der Geburt (Bonding-Phase) statt, wenn es gelingt auf die vom Neugeborenen ausgehenden Signale sensibel einzugehen. Das Kind erkennt seine Mutter an der Stimme wieder (und nach kurzer Zeit auch schon am Geruch, was ihm hilft ihre Brust zu finden).

Anfänge der Sprachentwicklung Die Sprachentwicklung beginnt möglicherweise schon intrauterin, wenn die Mutter in den Monaten vor der Geburt zunehmend mit ihrem ungeborenen Kind kommuniziert (auch wenn es sich hier um eine höchst asymmetrische Kommunikation handelt).

Beziehungsherstellung und Bindungsaufbau durch Kommunikation Durch die vor- und außersprachliche (nonverbale und körperliche) Kommunikation mit der Mutter baut der Säugling eine Beziehung zu ihr auf (und diese natürlich auch zu ihm). Diese kann von mehr oder minder guter Qualität sein in Abhängigkeit davon, wie gut die Kommunikation gelingt. Aus dieser Beziehung entsteht allmählich das, was seit Jahrzehnten - in Anlehnung an Bowlby und Ainsworth – Bindung genannt wird.

Fortschritte der Sprachentwicklung Plappern nennt man Lautproduktionen, wie „babababa“, „lalalala“, „mamama“, die aus der Aneinanderreihung von jeweils einem Konsonanten und einem Vokal (häufig dem „a“) bestehen. Dieses spielerische Herumexperimentieren mit Lauten überwiegend aus der Muttersprache ist wichtig, um die ersten richtigen gesprochenen Wörter vorzubereiten (auch taubstumme Kinder plappern – mit Gebärden und Gesten).

Fundamente der Sprachkompetenz Die Fundamente der Sprach-kompetenz werden in der frühen Kindheit gelegt. Das Elternhaus und die gezielte außerfamiliäre Förderung (z. B. in Krippen oder bei Tagesmüttern) sind für die frühkindliche Sprachentwicklung zentral. Kinder, die altersgemäße Rückmeldungen und zum richtigen Zeitpunkt angemessene sprachbezogene Anregungen und Hinweise erhalten (Peers und Geschwister als bessere Tutoren!), profitieren davon in beträchtlichem Ausmaß.

Entwicklungsschritte im 1. Lebensjahr Vom Tun (sensumotorische Verhaltensketten) zum Be-greifen (und Denken) Vorläuferformen von Vorstellungen Ausbildung von Objekt- und Personpermanenz Gegen Ende des ersten Lebensjahres bilden sich die ersten vorläufigen Konzepte aus (z. B. Verwendung des Wortes „Ball“ für alles Runde und Rollende oder des Wortes „wau“ für ganz verschiedene Tiere)

Kognitive Entwicklung im 2. Lebensjahr Fortschritte in der Sprachentwick-lung: Erste verständliche Wörter, Ein-Wort-Sätze, weitere Wörter lernen, eigenen Namen benutzen, Zwei-Wort-Sätze Im 2. Lebensjahr bildet das Kind immer differenziertere innere Vorstellungen von äußeren Dingen und Vorgängen, so genannte Repräsentationen.

Kognitive Entwicklung gegen Ende des 2. Lebensjahres (2) Ich-Entwicklung (Bereitstellung neuronaler Voraussetzungen) 3 Phasen (aufgeregt-aktiv; Playmate und Verunsicherung, Gehemmtheit; allmählich sich im Spiegel erkennen) bei den „Spiegel-Ich“-Untersuchungen „Rouge-Test“

Entwicklungsschritte im 3. Lebensjahr Sprachliche Entwicklungsfort-schritte (Förderung von Literacy) Wortschatzexplosion (von 250 auf 1000) Längere, grammatikalisch immer korrektere Sätze Sprache wird zum wichtigsten Mittel der Verständigung

Entwicklungsschritte im 3. Lebensjahr (2) Das Selbst-Konzept wird differenzierter (wer bin ich = was kann ich) Verwendung überwiegend positiver Merkmale zur Selbstcharakterisierung „Mein“ und „Dein“: Konzepte von Besitz und Eigentum entstehen

Entwicklungsschritte im 3. Lebensjahr (3) Weitere Konzepte entwickeln sich allmählich (Raum, Zeit, Zahl) Vorläuferformen einer „Theorie der Innenwelt“ (theory of mind) bilden sich aus – eine echte Dezentrierung von der eigenen Perspektive erfolgt aber in der Regel erst ein Jahr später Gegen Ende des 3. Lebensjahres differenziert sich auch das Konzept von „lebendig“ weiter aus (Pflanzen werden nicht mehr durchgängig als unbelebte Objekte eingestuft)

Wie werden Fundamente gelegt? Aufbau intrinsischer Motivation, d. h. ermöglichen, das sich ihr Kind intensiv mit einer Sache beschäftigen kann, für die es sich interessiert Flow-Erleben stellt sich im Idealfall her – dadurch kann ihr Kind Kennerschaft erwerben und lernt analog und problemorientiert zu denken

Tipps und Empfehlungen Vorweg: Es gibt keine Patentrezepte: Jedes Kind, jede Familie ist einzigartig Dem Kind auf Augenhöhe begegnen Feinfühlig für seine Signale sein, z. B. sensible Phasen erspüren (erkennen, was als Nächstes in der Entwicklung ansteht) ihm die Zeit, die es braucht und alle ihre Zuwendung geben. Eine sichere Bindung fundiert Bildung Aber: Reifung geht Förderung voraus (abwarten, bis der Reifungsschritt vollzogen worden ist)

Weitere Tipps und Empfehlungen Feinfühlig sein für die Signale, die vom Kind kommen und auf diese eingehen: Vor allem durch gelungene Interaktionen – wirklich wechselseitiges aufeinander Bezugnehmen – baut sich eine gute Beziehung auf Dem Kind Ihr Vertrauen schenken - Ihr Vertrauen in das Kind festigt sein Selbstvertrauen

Weitere Tipps und Empfehlungen Sich grundlegende Kenntnisse verschaffen über die entwicklungspsychologischen und pädagogischen Grundlagen der Kindheit – und sich nicht verunsichern lassen durch manchmal widersprüchlich erscheinende Fakten Ihre eigene Sicherheit vermittelt auch den Kindern Sicherheit und Vertrauen in das eigene Können Sich Zeit nehmen zum zum Spielen, zum Anregen, zum Schmusen – Kinder brauchen Zeit !! Die Frustrationstoleranz der Kinder stärken und ihre Widerstandsfähigkeit (Resilienz) ausbauen

Weitere Tipps und Empfehlungen Auf Ihr Gefühl und Ihre Intuition können Sie meist vertrauen Der Aufbau und die Erhaltung einer guten Beziehung ermöglicht den Kindern Neugier und selbständiges Explorieren

Was es zu beherzigen gilt (1) Kinder müssen spielen, spielen und immer wieder spielen Die Bedeutung des So-tun-als-ob-Spiels (Es ermöglicht De-Zentrierung und Perspekti-venwechsel, welche die sozial-kognitive Entwicklung voranbringen) Jedes Kind hat sein eigenes Tempo und braucht seine eigene Zeit (Unterschiede im Entwicklungstempo zwischen Kindern und beim selben Kind)

Was es zu beherzigen gilt (2) Den richtigen Zeitpunkt (den Beginn der sensiblen Phase) abwar-ten, nichts forcieren wollen. Die in jedem Kind schlummernden Begabungen, Talente, Neigungen und Interessen erspüren, aufgreifen und kindgemäß fördern (intrinsisch!) Kindbezogen vorgehen (Flowerleben ermöglichen!)

Download- und Literaturhinweis Die Powerpoint-Präsentation kann herunter geladen werden von meiner Webseite www.hartmut-kasten.de Die Neubearbeitung meines Buches „0 bis 3 Jahre – Entwicklungspsychologische Grundlagen“ (Cornelsen-Skiptor) ist gerade erschienen