Wissenschaftsgeschichtliche Betrachtung der Rechtsinformatik

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Einführung in die Wirtschaftspädagogik – Vorlesung im SS 2009
Advertisements

O-Woche SoSe 2011 Gruppenstundenplanberatung B.A. European Studies.
1 Retrodigitalisierung und Langzeitarchivierung Die Bedeutung internationaler Standards Die Idee der Verteilten Digitalen Forschungsbibliothek – Bericht.
Angewandte Informatik - Von Bits und Bytes: Studium der Informatik
Deutsche Außenpolitik seit 1990
Organisations- und Geschäftsmodelle
Schwerpunktdiskussion
der Wissenschaftlichen Jahrestagung
Hamburg University Press Der Open-Access-Verlag der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky Entwicklung – Produkte – Vernetzung Isabella.
Reorganisation der Zentralabteilung Personal
Untersuchung und szenariobasierte Entwicklung von Websites zur Orientierung in Universitätsstudiengängen unter Berücksichtigung von Prinzipien des Web.
Gesellschaftsgeschichte/ Sozialgeschichte
Der Studiengang „Angewandte Informatik“ (BAIN)
I) Was hat der MV erarbeitet?
Universität Stuttgart Institut für Kernenergetik und Energiesysteme Links Links sind im Text angegeben. Weitere Links werden kontinuierlich eingefügt.
Informatik an der FH Hof
Barbara Wörndl Hochschule Merseburg (FH)
Etappen der europäischen Einigung
Deutsche Außenpolitik seit 1990
II. Was ist Christliche Sozialethik?
Zugangsbarrieren von Migrantinnen zum Internet
Informatik Als Grund- und Leistungskurs in der ERS 1.
Grundkurs praktische Philosophie 10
Trends der Rechtsinformatik 1. Teil Was ist Rechts-Informatik? 20./21. Oktober 2009 und 12./13. Jänner 2010 Univ.-Prof. Dr. Friedrich Lachmayer Vorlesung.
Vhb-Projekt: Erziehung zur Medienkompetenz Schulische Medienerziehung Virtuelles Seminar Referenten: Simon Pannarale/Christoph Sauter Prof. Dr. Dieter.
Öffentliches Recht als Zweitfach
2. Forum Personal & Organisation Going Far East Internationale Personalentwicklung der (mit den) Hochschulen Dr. Eckhard Steffen Paderborn Institute for.
Berliner Rahmenpläne Informatik für die Sekundarstufe I
Masterstudiengang Politikwissenschaft
Titelmasterformat durch Klicken bearbeiten ES GIBT UNS AUS GUTEM GRUND Leitbild des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde e. V.
Neugier wecken – Interessen ausbauen – Ziele erreichen
Informationsveranstaltung „Erweitertes Sicherheitskonzept für die Fachhochschule Dortmund“ am
Herzlich Willkommen zur Tagung Forschen in Europa: Nationale und europäische Fördermöglichkeiten für Nachwuchswissenschaftler/-innen an der Otto-Friedrich-Universität.
Die Geschichte des Computers
Datenschutz und Datensicherheit
Datenschutz?!?!.
Carl-von-Linde-Akademie der TUM Die Universitätsmedizin aus der Sicht der Universität Peter Henningsen Dekan der Medizinischen Fakultät der TUM.
Interfakultäres Projekt
Arbeitslehreseminar- Arbeit & Beruf
Grundüberlegungen zum Bakkalaureat-Konzept der dzt. Studienrichtung Psychologie (In Abstimmung mit der österreichischen und deutschen Gesellschaft für.
Kompetenz -, Lern - und Prüfungsbereiche Anforderungsbereiche
Kapitel 10: Ökologismus Entstehung
Kapitel 9: Ökologismus Entstehung
Nestor Workshop im Rahmen der GES 2007 Digitale Langzeitarchivierung und Grid: Gemeinsam sind wir stärker? nestor und Grid Jens Ludwig Baden-Baden, 2.
Datenschutz und Datensicherheit
Fachgymnasium Technik - Informationstechnik an der BBS Walsrode
Charles Hohmann, Dr. phil., Institut Montana Zugerberg
Forschungsplattform Theorie und Praxis der Fachdidaktik(en)
Forschungsplattform Theorie und Praxis der Fachdidaktik(en)
FüN, , Seite 2.
Zur Sozial- und Kulturgeschichte der DDR Freies Tutorat im Wintersemester 2005 / Einführungsveranstaltung Einleitung.
Vorschlag zur Abfassung einer PPT-Präsentation des Planungsreferats
Kurzvita Prof. Dr. Dieter Frey
Methodenlehre Gesetzgebungslehre.
2. Phase-Info VWL und IVWL.
Informatik am BG,BRG und Eisenstadt Unverbindliche Übung in der Unterstufe: Den Schülern sollen in praktischer Arbeit die Grundlagen der neuen Technologien.
Entwurf für ein ästhetisches Profil Kunst und Medien
1 Strukturierung von Situationen (Strukturierung als Lernkomponente) Thomas Höpfel Seminar für Rechtstheorie und Rechtsinformatik WS 2004/05.
Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)
Schwerpunkt I: Internationales Recht/ Politikwissenschaft Juristische Fakultät: Informationsveranstaltung zur Schwerpunktwahl im Studiengang Law in Context.
Mathematikunterricht mit Computern Einleitung: Von der EDV – Nutzung zur Medienvielfalt Karl Josef Fuchs, Universität Salzburg Johannes Kepler Universität.
Nancy Müller, Emilia Fliegler
Einführung eines Forschungsinformationssystems an der WWU Münster Workshop Forschungsinformationssysteme Karlsruhe, 22./
Studieneinstiegstest – Motivation, Hintergrund und Aufbau
1 WILLKOMMEN AN DER RECHTS- WISSENSCHAFTLICHEN FAKULTÄT! Recht als Minor Prof. Dr. Peter V. Kunz Dekan der RW-Fakultät Geschäftsführender Direktor IWR.
Fachschaft Wirtschaft Fakultät Wirtschaftswissenschaften Dr. Max Mustermann Referat Kommunikation & Marketing Verwaltung Fachschaft Wirtschaft Fakultät.
Vorstand Ressort Bildungs- und Qualifizierungspolitik 01./02. November 2012 in Frankfurt am Main Das IG Metall-Projekt „Ein neues Leitbild für die betrieblich-
Warum Schulung jetzt? - Neuer DSB
GK/LK Sozialwissenschaften Informationen Klasse 9 1. Februar 2016.
1 Technik und Ethik Johann Götschl SS 2016 Univ. Prof. Dr. Johann Götschl University of Graz Hon. Professor: Graz University of Technology Visiting Professor:
 Präsentation transkript:

Wissenschaftsgeschichtliche Betrachtung der Rechtsinformatik Wie haben wir angefangen? Lena Gräwe und Jan Spittka Salzburg, 26. Februar 2009

Überblick Wissenschaftsgeschichtliche Disziplinbildung Erfassung der Vorgeschichte Aufgabe und Gegenstand der Rechtsinformatik Verdichtung und Etablierung als Disziplin Thesen zur Geschichte der Rechtsinformatik

I. Wissenschaftsgeschichtliche Disziplinbildung Begriffe Ansichten zur Wissenschaftsgeschichte Wissenschaftsgeschichte in der Rechts- wissenschaft

1. Begriffe Wissenschaft Wissenschaften Disziplin Wissenschaften Teildisziplin Disziplin Disziplin Teildisziplin Disziplin Disziplin Teildisziplin Disziplin

1. Begriffe Wissenschaft Disziplin Disziplin Disziplin Disziplin Integrationsdisziplin Querschnittsdisziplin

2. Wissenschaftsgeschichte Historisch Wissenschaftstheoretisch Primär an historischem Material und historischen Fakten interessiert Darstellung des Geschehensablaufs Untersuchung der Disziplinbildung - Setzung - Selbstbegründung - Autonomisierung - Legitimierung - Organisation

3. Wissenschaftsgeschichte in der Rechtswissenschaft Geschichte der Rechtswissenschaft Rechtsgeschichte Rechtsgebiet Rechtsdisziplin Herausbildung d. Disziplin Etablierung als Disziplin Vorgeschichte

II. Erfassung der Vorgeschichte Anfänge der Automationsdebatte Bedürfnisse für Rechtsinformation

1. Anfänge der Automationsdebatte Technikdebatte als Ausgangspunkt Bezug zur Technikdebatte langsamer Abspaltungsprozess (ab ca. 1962) primär neue Richtung Computer als neues Organisiationsprinzip Bull Luhmann Haft Fiedler Podlech Simitis

2. Bedürfnisse für Rechtsinformatik Welche technischen, gesellschaftlichen und/oder politischen Veränderungen bilden das Thema der Rechtsinformatik? EDV-Einsatz in der Verwaltung als Ausgangspunkt zunehmende Komplexität gesellschaftlicher Verhältnisse Notwendigkeit des EDV-Einsatzes auch im Recht („Informationskrise“, Konkurrenzfähigkeit der BRD) Vereinigung unterschiedlicher Interessen in Aufbau der EDV Warum besteht ein Bedürfnis für eine theoretische Auseinandersetzung? Planungszwecke Diskussionsgrundlage Grundlagenforschung Warum kann die theoretische Auseinandersetzung nicht innerhalb schon bestehenden Disziplinen (Informatik, RW, RT) erfolgen? Verlust des sozialwissenschaftlichen Aspekts unausreichender Begriffsapparat Berücksichtigung der Spezifika von EDV und Rechtswissenschaft

III. Aufgaben und Gegenstand der RI Dokumentation – Automation – Information Rechtsinformatikkonzepte Verwaltungsautomation und Datenschutz

1. Dokumentation – Automation – Information Automatisierte Rechtsdokumentation zahlreiche praktische Projekte (Juris, Bundessozialdatenbank) interdisziplinäre Zusammenarbeit rechtliche Fragestellungen, teilw. Grundlagenforschung (Benutzerforschung, Untersuchung Rechtsinformationssystems) Automatisierte juristische (Teil)Entscheidung theoretische Vorarbeit mit Bezug zu Informationswissenschaft, Rechtstheorie und Formalwissenschaften Formalisierung/ Axiomatisierung des Rechts Information als Rechtsgut größte Chance + größte Gefahr für die RI als Disziplin Schwerpunkt der aktuellen Überlegungen zum Informationsrecht

2. Rechtsinformatikkonzepte Rechtsinformatik als Strukturtheorie (Herbert Fiedler) Rechtsinformatik als Strukturtheorie (Herbert Fiedler) Grundlagenforschung Implementierung EDV Grundlagenforschung Implementierung EDV Datenverarbeitung in Recht und Staat rechtliche Komponente (-) Datenverarbeitung in Recht und Staat rechtliche Komponente (-) Orientierung an formal-logischer Arbeitsweise des Computers Orientierung an formal-logischer Arbeitsweise des Computers Aufgabe Gegenstand Methodik sozialverträglicher und verfassungsrechtlich legitimer Einsatz der EDV Wechselbeziehung von EDV und Recht Methodenpluralismus Rechtsinformatik als Problemwissenschaft (Wilhelm Steinmüller) Rechtsinformatik als Problemwissenschaft (Wilhelm Steinmüller)

3. Verwaltungsautomation und Datenschutz Ab 1890: Philosophische und rechtliche Wurzeln des Datenschutzrechts Mitte 1950er: Einzug der EDV in öffentliche Verwaltung und Privatwirtschaft 1969 - 1981: Datenschutzgesetzgebung der ersten Generation 1971 – 1983: Der Weg zum „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ 1983 – 1990: BDSG-Novelle (Datenschutzgesetze der zweiten Generation) Ab 1995: Europäisierung und „moderner“ Datenschutz Epocheneinteilung hier rein

IV. Entstehung des Datenschutzrechts Herkömmliche/keine Regelungen Einfluss der Wissenschaft? Einfluss der Wissenschaft? Neue Technik Neue soziale Sachverhalte Jan Neue Regelungen

IV. Verdichtung und Etablierung Kommunikationsforen Universitäre Einrichtungen Verhältnis zum Informationsrecht

1. Kommunikationsforen a) Literatur b) Gesellschaften Literatur zunächst verstreut Zeitschriften für das öffentliche Recht (z.B. DÖV, Die Verwaltung, Deutsche Rentenversicherung), rechtstheoretischen Zeitschriften/Jahrbüchern (z.B. ARSP, Jahrbuch für Rechtstheorie und Rechtssoziologie) Interne Drucksachen, Mitteilungen und Berichte Schaffung von Publikationsorganen Zeitschriften (z.B. ÖVD, DuD, DSWR, DVR inkl. Beihefte) Monografien/Reihen (z.B. JA-Sonderheft, EDV und Recht, Informationsrecht und Informationspolitik, Arbeitspapiere zur Rechtsinformatik) b) Gesellschaften 1968: GMD 1969: GI 1976: GRVI

2. Universitäre Einrichtungen a) Einrichtung von Lehrstühlen SS 1969/ 1970 erste Vorlesung „EDV und Recht“ an der Uni München 1973 erstmals Lehrbefugnis für RI in Frankfurt und München 1977: TU Darmstadt: Einführung eines Schwerpunktes RI innerhalb des Studiengangs WI scheitert 1978 Beschluss des Deutschen juristischen Fakultätentags, RI-Lehrveranstaltungen an allen deutschen Fakultäten 1979: Beschluss VW-Stiftung: keine Errichtung RI-Lehrstuhl 1983: Lehrstuhl für Rechtsinformatik in Hannover b) Arbeitsgruppen/Forschungsstellen Forschungsstelle für juristische Informatik (1970, Bonn) Arbeitsgruppe „Mathematik und Recht“ (1970, Heidelberg) Arbeitsgruppe „Analyse der juristischen Sprache“ (Deutsches Rechenzentrum Darmstadt) Forschungsstelle Informationsrecht (Regensburg) Forschungsstelle für Informationstechnologie ( 1978, Hannover)

3. Verhältnis zum Informationsrecht RI RI = R  I R  I InfoR (R)I InfoR InfoR = R  I Datenschutz (recht) Datensicher-heit Datenschutzrecht Datenschutz (recht) Jan Es kam zu einer Trennung der Fragerichtungen

IV. Thesen zur Geschichte der Rechtsinformatik Praxis regte die Theorie an, Theorie begann sich zu verselbstständigen; mit Aufkommen des PC und der Vernetzung fand ein Paradigmenwechsel statt, sodass nun „alltägliche“ Probleme zu lösen waren Es wurde gezielt versucht Lehrstühle für RI zu schaffen, was aber zum Teil scheiterte und zu einer Destabilisierung der RI führte Verengung der RI auf Datenschutz, weshalb langfristig das Informationsrecht ggü. der RI zur juristischen Dominanten wurde RI verlangte von den Juristen fachliche Fähigkeiten, die sie größtenteils nicht entwickelt haben. Das Bedürfnis für RI bestand jedoch weiter, daher erfolgt Abwanderung in andere Fächer Lena und Jan