Neues in der Behandlung von Kopfschmerzen

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 Präsentation transkript:

Neues in der Behandlung von Kopfschmerzen PD Dr. Dr. Stefan Evers Klinik und Poliklinik für Neurologie Universitätsklinikum Münster

} } 1. Migränekriterien Diagnostische Kriterien 2/4 Zeitmuster 1/2 Einseitig Pulsierend Mittlere bis starke Intensität Verstärkung durch körperliche Aktivität Photophobie und Phonophobie Übelkeit und/oder Erbrechen Zeitmuster Wenigstens 5 Attacken 4-72 Stunden Dauer } 2/4 } 1/2

Migräneaura Eines oder mehrere zentrale Symptome (visuell, sensorisch, aphasisch, motorisch) Entwickelt sich über >4 min Dauert bis zu 60 min Symptomfreies Intervall zwischen Aura und Kopfschmerzen

Migräne: Therapie Attackenbehandlung Prophylaxe Nicht-medikamentös Antiemetikum NSAR Triptan Im Notfall: Sumatriptan s.c., Lysin-ASS i.v., Steroide Prophylaxe 1. Wahl: Betablocker, Flunarizin, Valproat, Topiramat 2. Wahl: ASS, Amitriptylin 3. Wahl: z.B. Magnesium, Riboflavin, Petadolex Nicht-medikamentös Entspannungsverfahren Verhaltenstherapie incl. Biofeedback

Migräne: Akuttherapie I Stratifiziertes Vorgehen Erste Wahl: NSAR 10 min vorher Antiemetikum (Metoclopramid, Domperidon) Hochdosiert und frühzeitig

Migräne: Akuttherapie II Zweite Wahl: Triptan 7 verschiedene Triptane auf dem Markt Kriterien für Auswahl eines Triptans: Wirksamkeit Nebenwirkungen Recurrence Applikationsform Preis Mehrere Triptane ausprobieren Empfohlene Dosierungen beachten

Attackenbehandlung im Notfall Schwerste Migräneattacke / Status migränosus: Triptan, bei Bedarf Sumatriptan 6 mg s.c. Lysin-ASS 1000 mg i.v. Metamizol 500-1000 mg i.v. Antiemetikum i.v. Steroide i.v.

Migräneprophylaxe: Indikationen Mehr als 2-3 Attacken pro Monat Sehr beeinträchtigende Aura Akutmedikation nicht befriedigend wirksam Sehr starke Begleitsymptome

Migräneprophylaxe I Mittel der ersten Wahl: Mittel der zweiten Wahl: Betablocker: Propranolol bis 160 mg Metoprolol bis 200 mg Flunarizin 10 mg (Valproat bis 1.800 mg) (Topiramat bis 200 mg) Mittel der zweiten Wahl: (Valproat) (Topiramat) ASS 300 mg oder Naproxen bis 500 mg Amitriptylin bis 75 mg

Migräneprophylaxe II Medikamente mit noch ungeklärtem Stellenwert Magnesium >600 mg Riboflavin 300 mg Petadolex Mutterkraut Coenzym Q

Migräne: nicht-medikamentöse Therapie Evidenzbasiert: Ausdauertraining Entspannungsverfahren (progressive Muskelrelaxation nach Jacobson) Biofeedback Kognitive Verhaltenstherapie Nachgewiesen unwirksam: Homöopathie Psychophonie Amalgamentfernung

Migräne im Kindesalter I Prävalenz 5% Ausgeglichenes Geschlechtsverhältnis (Jungen mit guter Prognose) Häufig abdominelle Symptome im Vordergrund Semiologie wie bei Erwachsenen bis auf kürzere Attackendauer Nach Kurzschlaf meist schmerzfrei

Migräne im Kindesalter II Akuttherapie: Erste Wahl: Ibuprofen 10 mg/kg Zweite Wahl: Paracetamol 15 mg/kg Dritte Wahl: Sumatriptan nasal 10-20 mg Prophylaxe: Flunarizin 5-10 mg Propranolol 80 mg Nicht-medikamentöse Therapie besonders wirksam

Migräne und Schwangerschaft Migräne ohne Aura bei >70% der Frauen seltener oder gar nicht (prognostischer Faktor: menstruelle Migräne) Signifikant häufigere Erstmanifestation der Migräne mit Aura Akuttherapie: Paracetamol; NSAR im mittleren Trimenon Triptane nicht zugelassen Prophylaxe: Magnesium, Metoprolol, Fluoxetin

2. Kopfschmerz vom Spannungstyp Drei Unterformen: sporadisch episodisch häufig episodisch chronisch Mit und ohne perikraniale Schmerzempfindlichkeit Keine auslösenden Faktoren mehr definiert Wahrscheinlich heterogene Gruppe von Kopfschmerzerkrankungen

2. Kopfschmerz vom Spannungstyp Diagnostische Kriterien Beiderseits Drückend, nicht pulsierend Leichte bis mittlere Intensität Keine Verstärkung durch körperliche Aktivität Photophobie oder Phonophobie Appetitlosigkeit möglich, aber keine Übelkeit Zeitmuster < 12 Tage/Jahr: sporadisch > 1 Tag/Monat aber < 15 Tage/Monat: häufig > 15 Tage/Monat: chronisch } 2/4 } 1/2

Kopfschmerz vom Spannungstyp: Therapie Akuttherapie mit NSAR Prophylaxe (chronisch): Amitriptylin(oxid) Imipramin Maprotilin Nicht-medikamentös: Entspannungsverfahren Biofeedback Physikalische Therapie

3. Clusterkopfschmerz und andere trigemino-autonome Kopfschmerzen Trigemino autonomic cephalgias (TAC) Clusterkopfschmerz Paroxysmale Hemikranie SUNCT-Syndrom (Hemicrania continua) Jeweils episodisch und chronisch

TAC: ipsilaterale autonome Symptome Einseitige (starke, periorbitale) Schmerzen mit: Konjunktivale Injektion und/oder Lakrimation Nasale Kongestion und/oder Rhinorrhoe Lidödem Schwitzen des Gesichts und/oder der Stirn Ptosis und/oder Miosis Körperliche Unruhe oder Agitiertheit

TAC: Differentialdiagnose Dauer Frequenz autonome Indometacin pro Tag Symptome ___________________________________________________________ Hemicrania cont. andauernd andauernd (+) + Cluster-KS 15-180 min 0,5-8 + - Par. Hemikranie 2-30 min >5 + + SUNCT 5-240 sec 3-200 + - Trigeminus- < 2 sec unbestimmt - - neuralgie

Clusterkopfschmerz: Therapie Akuttherapie: Sauerstoff (100%, 7 l/min, 15 Minuten) Sumatriptan s.c. Prophylaxe: Verapamil (240 mg bis Nebenwirkungsgrenze) Steroide Lithium Topiramat/Valproat Methysergid

IHS-Klassifikation 2003: Gruppe 4 Seltene (?) idiopathische (?) Kopfschmerzen Keine strukturellen Läsionen Keine exogenen Trigger Cave: häufig symptomatische Formen möglich

4.1 Idiopathischer stechender Kopfschmerz „Ice-pick“; „Jab-and-Jolts-Syndrome“ Multilokulär Stiche von Sekunden- bruchteilen bis wenige Sekunden Dauer Keine autonomen Begleitsymptome Prävalenz 2%-35%

4.2 Primärer Hustenkopfschmerz Durch Husten oder ähnliche Valsalva-Manöver ausgelöst Dauer der Attacken zwischen 1 Sek und 30 Min Cave: Symptomatische Formen Arnold-Chiari-Typ 1 Raumforderungen der hinteren Schädelgrube

4.3 Primärer Anstrengungskopfschmerz Dauer 5 Min bis 48 Std Hervorgerufen durch körperliche Anstrengung (fast immer Sport) Komorbidität mit Migräne Prävalenz zwischen 1% und 12% Cave symptomatische Formen: Dissektion Subarachnoidalblutung Veränderungen der hinteren Schädelgrube

4.4 Kopfschmerz bei sexueller Aktivität Zwei Subtypen: Präorgasmuskopfschmerz (dumpf, langsam zunehmend, wie Spannungskopfschmerz) Orgasmuskopfschmerz (plötzlich, explosionsartig, wie SAB oder Migräne) Zwei Erkrankungsgipfel: um 25 und um 50 Jahre Bilateral, occipital Keine autonomen Symptome Dauer bis mehrere Tage

4.5 Primärer schlafgebundener Kopfschmerz Immer aus dem Schlaf heraus Häufig „clockwise“ (aus REM-Schlaf) Keine autonomen Begleitsymptome Beginn jenseits des 50. Lebensjahres Dauer wenigstens 15 Min; Frequenz wenigstens 15 pro Monat

4.6 Primärer Donnerschlagkopfschmerz Maximale Intensität innerhalb 1 Min Dauer 1 Std bis 10 Tage Kein regelmäßiges Auftreten (aber: Rezidiv innerhalb der ersten Tage) Cave symptomatische Formen, v.a.: Subarachnoidalblutung Dissektionen Hypertensive Krise CCT und Lumbalpunktion erforderlich

Trigeminusneuralgie: Klinisches Bild Schmerzattacken immer an derselben Stelle im Gesicht Oft auslösbar durch Trigger Vermeidung von Kauen, Sprechen... Lanzinierender Schmerz Bis zu > 100 mal am Tag Oft Ältere (aber jedes Alter möglich)

Klassische Trigeminusneuralgie: Kriterien der IHS A. paroxysmale Schmerzattacken von Bruchteilen einer Sekunde bis zu 2 Minuten Dauer, die einen oder mehrere Äste des N. trigeminus betreffen B. Schmerz weist wenigstens eines der folgenden Charakteristika auf: 1. starke Intensität, scharf, oberflächlich, stechend 2. ausgelöst über eine Triggerzone oder durch Triggerfaktoren C. Die Attacken folgen einem stereotypen Muster D. Klinisch ist kein neurologisches Defizit nachweisbar

Trigeminusneuralgie: Medikamente Carbamazepin Natriumkanalblockierung Ca. 1.200 mg/Tag Cave: Enzyminduktion, kognitive Nebenwirkungen, Exantheme, Thrombopenie, Leukopenie Oxcarbazepin Ca. 1.500 mg/Tag Cave: Hyponatriämie [ansonsten weniger NW als Carbamazepin] Lamotrigin, Baclofen, Phenytoin, Gabapentin

Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch Mehr als 10 Tage Einnahme (Ergotamine, Triptane, Analgetika) Kopfschmerz an >15 Tagen/ Monat Klingt innerhalb von 2 Monaten nach Absetzen des Medikaments ab Therapie: abrupter Entzug für 14 Tage, dabei Einleitung einer Prophylaxe

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