Objektive Hermeneutik: Grundannahmen

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 Präsentation transkript:

Objektive Hermeneutik: Grundannahmen Konstitution der sinnhaften Welt in der Sprache Text als regelerzeugtes Gebilde Zielsetzung der Strukturrekonstruktion Differenz zwischen latenter Sinnstruktur und subjektiver Sinnrepräsentanz Prinzip der Fallstruktur-Generalisierung 14.01.03 Einführung in die psychologische Methodenlehre

Objektive Hermeneutik: Vorgehensweise Hypothesen über objektive Sinnstrukturen Vergleich mit dem konkreten Material Verdichtung zur Strukturgeneralisierung 14.01.03 Einführung in die psychologische Methodenlehre

Varianten der Objektiven Hermeneutik Summarische Interpretation Feinanalyse Sequenzanalyse Interpretation der objektiven Sozialdaten Glosse 14.01.03 Einführung in die psychologische Methodenlehre

Vorgehen bei der Sequenzanalyse ‚ Erfinden sinnmachender Geschichten‘: Ermittlung von Handlungsspielräumen Lesarten erstellen: Gruppierung der Handlungs-spielräume Kompatibilitätsprüfung (innerer Kontext) Aufstellen einer Fallstrukturhypothese 14.01.03 Einführung in die psychologische Methodenlehre

Analysebeispiel Objektive Hermeneutik Äußerung - Ein Schüler fragt den Lehrer: Wann geben Sie uns die Klassenarbeiten wieder? Geschichten - Äußerungskontexte: Die Arbeit wurde gerade geschrieben. Die Arbeit wurde vor drei Wochen geschrieben. Die Arbeit wurde vor zwei Tagen geschrieben. Lesarten: regelgeleitete Verwendungsweisen: Fraglichkeit der Rückgabe - Reaktion: Nennung eines Termins Fraglichkeit der Verbindlichkeit - Reaktion: Erklärung regelabweichende Verwendungsweise: Frage ohne Vorliegen von Fraglichkeit - Warum fragt der Schüler gerade jetzt? 14.01.03 Einführung in die psychologische Methodenlehre

Beispiel ‚Klassenarbeit‘ S: Wann geben Sie uns die Klassenarbeiten wieder? L: Nächste Woche. S: Oh, Sie haben sie doch schon drei Wochen. L: Und wenn ich sie fünf Wochen hätte. S: Meine Mutter denkt schon, ich hätt die weggeschmissen. 14.01.03 Einführung in die psychologische Methodenlehre

Grundprinzip der Inhaltsanalyse Die Inhaltsanalyse ist ein Verfahren zur Ermitt- lung der Bedeutung von Texten. Die relevanten Bedeutungsaspekte werden in Form von Kategorien expliziert. Die Bedeutungsfeststellung erfolgt dadurch, dass relevante Textteile den Bedeutungs-Kategorien zugeordnet werden. 14.01.03 Einführung in die psychologische Methodenlehre

Kategoriensystem - Beispiel 9. Charakterisierung des Offiziers 9.1. Nazi 9.2. Widerständler 9.3. Situativ von der Person der Mutter beeindruckt 9.4. Situativ von der Anwesenheit Untergebener beeindruckt 9.5. Zwiespältige Persönlichkeit 9.6. Sonstiges 14.01.03 Einführung in die psychologische Methodenlehre

Unterschiedsdimensionen inhaltsanalytischer Verfahren Manifestheit vs. Latenz der Bedeutung Deduktive vs. Induktive Vorgehensweise bei der Erstellung des Kategoriensystems Rolle der Intersubjektivität (Subjektive vs. Inter-subjektive Kodierung) Datenreduzierende vs. Datenerweiternde Verfahren 14.01.03 Einführung in die psychologische Methodenlehre

Formen der Inhaltsanalyse Subjektiv, Induktiv Intersubjektiv, Deduktiv-Induktiv ‚Kodierung‘ Komplexe Inhaltsanalyse (Rustemeyer) Qualitative Inhaltsanalyse (Mayring) 14.01.03 Einführung in die psychologische Methodenlehre

Kodierung: Definition Eine Auswertung mittels Kodierung besteht darin, dass ein/e Forscher/in einen Text Satz für Satz bzw. Äußerung für Äußerung durchgeht und zentrale Konzepte oder Themen am Rand notiert. Diese Konzepte oder Themen stellen die ‚Codes‘ bzw. Kategorien dar. Auf diese Weise wird ein Vergleich verschiedener Texte (z.B. Interviews) möglich. 14.01.03 Einführung in die psychologische Methodenlehre

Einführung in die psychologische Methodenlehre Kodierung: Merkmale Für das genaue Vorgehen bei der Kodierung existieren kaum Vorgaben: Ausnahme: Eine Kodierung erfolgt meist induktiv, d.h. ohne theoretische Vorgaben. Die Kategorien können mehr oder weniger textnah bzw. abstrakt sein. Im Gegensatz zur Inhaltsanalyse im eigentlichen Sinn ist eine Definition der Kategorien nicht unbedingt erforderlich. Die Kodierung kann durch eine oder durch mehrere Personen erfolgen (meist kodiert eine Person). 14.01.03 Einführung in die psychologische Methodenlehre

Formen qualitativer Inhaltsanalyse Zusammenfassung: Der Text soll so reduziert werden, dass die wesentlichen Inhalte erhalten bleiben, zugleich durch Abstraktion aber über-schaubarer werden. Explikation: An einzelne Textteile soll zusätzli-ches Material so herangetragen werden, dass die Textstelle erklärt und erläutert wird. Strukturierung: Der Text soll hinsichtlich be-stimmter Aspekte oder Kriterien eingeschätzt werden. 14.01.03 Einführung in die psychologische Methodenlehre

Ablaufmodell der qualitativ- strukturierenden Inhaltsanalyse Entwicklung einer Fragestellung Festlegen eines Selektionskriteriums: Kategorien-definition Zeilenweiser Materialdurchgang: Markieren von Fundstellen; Subsumption unter schon bestehende Kategorien oder neue Kategoriendefinition Revision der Kategorien nach 10-50% des Materials endgültiger Materialdurchgang Interpretation, ggf. weitere Auswertung 14.01.03 Einführung in die psychologische Methodenlehre

Grundprinzip der komplexen Inhaltsanalyse Die Zuordnung bestimmter Textteile zu bestimmten Bedeutungsaspekten erfolgt intersubjektiv mit dem Ziel einer systematischen Gesamtbeschreibung der Bedeutung eines Textes. 14.01.03 Einführung in die psychologische Methodenlehre

Ablaufmodell der komplexen Inhaltsanalyse Entwickeln einer Fragestellung Deduktiv-induktive Erstellung des Kategoriensystems (an einem Teil des Textmaterials) Festlegung von Analyseeinheiten Pilotphase: Erprobung des Kategoriensystems Berechnung einer Interkodierübereinstimmung ggf. Modifikation des Kategoriensystems; Schulung der Kodierer/innen Durchführung der Inhaltsanalyse durch mindestens zwei Kodierer/innen Interpretation und ggf. weitere Auswertung 14.01.03 Einführung in die psychologische Methodenlehre

Schritte der Kategorienbildung Explikation: Angabe der Bedingungen, unter denen eine Texteinheit der Kategorie zugeordnet wird Beispielgebung: prototypische Verdeutlichung der Kategorie Abgrenzung: genaue Anweisungen, wie bei Überschneidungen zwischen Kategorien zu verfahren ist 14.01.03 Einführung in die psychologische Methodenlehre

Beispiel für eine inhaltsanalytische Kategorie 9.1. Nazi Explikation: Diese Kategorie kommt zur Anwendung, wenn das Gegenüber der Ansicht ist, trotz der Hilfe, die er der Mutter erweist, sei der Offizier ein echter Nazi. Abgrenzung: Wenn das Gegenüber die Position vertritt, der Offizier sei zwar ein echter Nazi, sei jedoch so stark von der Mutter beeindruckt gewesen, daß er ihr geholfen hätte, ist die Kategorie 9.3. zu kodieren. Wenn das Gegenüber der Ansicht ist, der Offizier sei ein echter Nazi, der der Mutter nur geholfen habe, um sich seinen Untergebenen gegenüber zu beweisen, ist die Kategorie 9.4. zu kodieren. Beispiel: “Es wird ja so auf die Augen-, auf den Augenblick..., daß das so eine Ausnahmesituation ist, darauf hingearbeitet. Das heißt, daß er natürlich ein Nazi ist. Ich denke, jeder der daran mitgewirkt hat, und das hat er an ganz zentraler Stelle, das wäre eine Frechheit, solche Leute als Widerständler... diese komische... Emigrationshypothese... in dem Fall wäre das wirklich absurd.” 14.01.03 Einführung in die psychologische Methodenlehre

Einführung in die psychologische Methodenlehre Funktionen von Programmen zur computergestützten Auswertung verbaler Daten Markierung von Textteilen am Bildschirm Kodierfunktion: Zuweisen von Codes bzw. Kategorien Definition der Kategorien Hierarchisierung der Kategorien Umkodierungsfunktion Retrievalfunktion: Auflistung der Textteile, die derselben Kategorie zugewiesen wurden Auflistung von Textteilen nach zusätzlichen Bedingungen Häufigkeitsbestimmungen 14.01.03 Einführung in die psychologische Methodenlehre